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Samenraub
Vor dem Spiegel stehend, nahm Marie Claire ihr Häubchen ab und gleich danach auch die verhaßte weiße Schürze. Sie warf beides im hohen Bogen in den Wäschekorb. Wie kann man heute die Zimmermädchen noch so ausstaffieren! Dann noch diese dämliche schwarze Bluse mit weiß abgesetzten kurzen Ärmeln! Sie sah ja ein, daß sie ohne diese weißen Tupfer wie eine junge Witwe aussehen würde, denn - wie könnte es anders sein in diesem piekfeinen Hotel – auch der knielange Rock, die Strumpfhose und die flachen Schuhe waren schwarz wie die Nacht, aber mußten das diese albernen Accessoires sein! Sie kam sich manchmal vor, wie in einem Pornofilm! Obwohl sie schon lange keinen gesehen hat - dieses Hotel war einfach trés chic, seinen Gästen dieses Grundbedürfnis per Pay-TV ins Zimmer zu stellen, kam offenbar nicht in Frage.
In den zwei Hotels, in denen sie vorher gearbeitet hatte, war das eine feste Einnahmequelle gewesen, nur hier schien das nicht zu interessieren. Am Anfang hatte sie sich sehr darüber gewundert, doch dann erkannte sie den unschätzbaren Vorteil: Männer, die keine Pornos gucken können, wichsen nicht einsam vor sich hin - sie suchen Anderes. Eine Edelnutte zum Beispiel, getarnt als nachgereiste Sekretärin. Oder eben sie, das nette Zimmermädchen, man brauchte ja nur zu klingeln und dann andeuten, was man haben möchte. Natürlich war Marie Claire nicht so schön wie diese hochnäsigen Huren, aber sie war jung und durch dieses Outfit eines französisches Zimmermädchen vom fin de siècle vor allem für ältere Herrschaften ein Leckerbissen. Ein bißchen mit dem Hintern wackeln und zum richtigen Zeitpunkt „Oui, monsieur!“ hauchen, schon war frau reicher. Ja, sie ließen sich nicht lumpen, die Herren, dachten wohl, wenn sie schon einen blauen Schein für ein Kännchen heißen Kaffee auf der Hotelterrasse ausgeben müssen, dann war ein grüner, in Ausnahmefällen auch ein gelb-brauner Schein nicht zuviel für die heiße Möse oder mehr eines willigen Zimmermädchens.
Doch die Ausnahmen gefielen Marie Claire nicht: Sie konnte dann tagelang nicht richtig sitzen, nur weil die Herrschaften glaubten, sie müßten an ihr Erziehungsmethoden anwenden, die wie ihre Uniform aus längst vergangenen Zeiten stammten. Nein, da waren ihr die Fußballer lieber. Vor allem die vom FC Bayern haben es ihr angetan. Gut, sie hatten erst drei oder vier Mal hier übernachtet, aber das hat ausgereicht, deren Trainingsmethoden zu bewundern. Zu was so ein junger Kerl im Stande ist, wenn er die ganze Woche Kraft bolzt und dann am Freitagabend keine Wichsvorlage im Fernsehen vorfindet! Formidable!
Nun ja, manchmal, wenn am nächsten Tag im Sportsstudio gesagt wurde, daß ein bestimmter Spieler merkwürdige Formschwäche zeigte, dann fühlte sie sich schuldig. Ja, durchaus. Doch diese Schuldgefühle hielten nicht lange an, schließlich stiegen nicht nur die Fußballer vom FC Bayern in dem Hotel ab, sondern auch andere, und sie achtete darauf, daß sie nicht nur die eine Mannschaft schwächte - ja, soviel Fairness besaß sie, ganz bestimmt.
Aber damit war jetzt Schluß, sie nahm die Pille nicht mehr. Ja, seitdem klar war, daß gerade ihr Hotel zum Hauptquartier der deutschen Nationalmannschaft würde, fickte sie nicht mehr wahllos jeden, der ihr vor die Büchse kam. Im Grunde fickte sie überhaupt nicht mehr. Seit anderthalb Jahren war Sense, rien ne va plus. Der Grund war einfach: Sie mußte ihre Regel in Ordnung bringen. Weil sie auf den Punkt bereit sein müßte. Sie hat genau die Terminpläne der Weltmeisterschaft studiert, hat hin und hergerechnet und sich von ihrer Ärztin versichern lassen, daß bei ihr alles in Ordnung sei, und dann hat es mehr als ein Jahr gedauert, bis ihre Blutung auch ohne Pille regelmäßig und genau an dem gewünschten Tag kam.
Mag sein, daß sich diese Russin, diese Angela nur Dank glücklicher Umstände von Boris hatte schwängern lassen, aber Marie Claire wird nichts dem Zufall überlassen. Natürlich dachte sie damals, als das mit dem Fick in der Besenkammer durch die Gazetten ging, noch nicht an so etwas, doch im Laufe der Zeit hat sie sich angewöhnt, das Leben prominenter Männer zu verfolgen. Und als kleiner Nebeneffekt dieses Interesses betrieb sie ihre Ausbildung zielstrebiger als vorher, wußte sie doch, nur die beste Ausbildung bringt Anstellung in besten Hotels, und diese die notwendige Nähe zu Prominenten.
Sie wußte alles über diese Fußballer und noch mehr über ihre Frauen oder Freundinnen. Lange Zeit konnte sie sich nicht entscheiden, wer sie schwängern sollte. Der Figo gefiel ihr wegen seiner traurigen Augen, und weil er so männlich, so raumgreifend laufen konnte. Aber dann hat sie seine Frau im Fernsehen gesehen und mußte sich gleich eingestehen: Gegen diese blonde Schönheit hatte sie keine Chance, und selbst wenn, was wenn ihr Kind auch so ein Melancholiker wird? Nein, da wäre David Beckham schon besser gewesen. Vom Körperbau her ein Adonis, ein wenig zu sehr metrosexuell, okay, aber wer zweimal am Tag seine Unterhose wechselt und sie nach dem Tragen einfach in den Müll schmeißt, den nimmt jede Frau mit Kußhand, die Victoria, diese Zicke, hat ihn sicher nur deswegen genommen und weicht ihm auch jetzt nicht von der Seite, trotz Kinder, um die sie sich kümmern muß, sie weiß eben, was sie an ihm hat.
Bei diesen beiden Fußballern waren die Aussichten also eher gering gewesen und so widmete sich Marie Claire lieber der Erforschung von Lebensgewohnheiten von Cristiano Ronaldo, Roque Santa Cruz und anschließend vor allem denen von Kaka, dem Latin-Lover-Typ, mit blenden weißen und geraden Zähnen, und Haaren, die auch strubbelig noch gepflegt aussehen. Er war schmal, fast schmächtig und so jung aussehend, daß selbst sie, ebenso jung wie er, auf Anhieb mütterliche Gefühle bekam. Ja, er wäre schon eine gute Partie gewesen, schon seiner guten Manieren wegen. Er war zwar nur ein Mittelklassekind, aber für einen brasilianischen Fußballspieler heißt das schon viel, stammen doch die meisten aus den Armenvierteln, wo das Fußballspielen nicht nur Zeitvertreib, sondern oft die einzige Chance bietet, dem Elend zu entkommen. Doch dann kam der Schock: Er schien, wie viele Brasilianer, mit Jesus verheiratet zu sein. Also echt, was veranlaßt so einen Jungen, auf seine Schuhe den Spruch „Ich gehöre Jesus“ schreiben zu lassen? Da vergeht einem ja alles, nicht wahr, kein Wunder, daß dieser Kaka gerade seine achtzehn Jahre alte Freundin geheiratet hat, die er schon seit zehn Jahren kannte, also fast bei Sandkastenspielen kennen gelernt haben mußte. Die Frage hier war weniger, ob er seine Frau schon fleischlich erkannte, als sie noch minderjährig war, sondern vielmehr ob sie beide vor dem Schlafengehen gemeinsam beteten.
Und Marie Claire, schon seit jeher mit blühender Phantasie ausgestattet, sah sich schon nackt vor dem Bett knien und zu Gott beten - sie um Empfängnis und er hoffentlich um einen Ständer bittend, damit sie beide die Forderung Gottes, gehet hin und mehret euch, erfüllten. Aber wird sie diese Leistung wirklich erbringen können? Und wird er diesen psychischen Druck, sie in nur einer Nacht schwängern zu müssen, aushalten? Bisher dachte sie, die Idee, sich von einem außergewöhnlich guten Gen- und Geldbesitzer ein Kind machen zu lassen, wäre ihre eigene, aber nun schien ihr plötzlich, als gäbe es da jemand, der sie in diese Rolle drängte und ihr ständig über die Schulter schaute, ob sie auch alles richtig und gewissenhaft machte - das wäre Streß ohne Ende, nein, dieser Kaka, dieser Jesusjünger war nichts für sie, wenn sie es richtig überlegte, müßte sie alle Südländer aussortieren, die waren doch alle katholisch und mußten regelmäßig beichten, nicht war, wenn nicht dem Pfarrer dann der eigenen Frau, und womöglich käme schon während der Weltmeisterschaft zu einem Skandal, dann flöge sie raus aus dem Hotel, und wo fände sie dann noch eine Anstellung, schwanger und ohne Mann?
Zum Glück hatte die Vorsehung anderes mit ihr vor: Der Deutsche Fußballbund hatte gerade das Hotel, in dem sie arbeitete, für die ganze Zeit der Weltmeisterschaft gebucht. Da hätte sie sich die ganzen Recherchen sparen können, echt wahr, aber nun war es nicht mehr zu ändern. Für Marie Claire stand sofort fest, ein deutscher Spieler wird sie schwängern müssen. War einfach praktischer, schon der Sprache wegen, obwohl sie natürlich schon ahnte, daß da wenig gesprochen würde. Aber wenn, dann sollte derjenige zumindest ihre Kragenweite haben, nicht wahr? Nichts wäre schlimmer, als wenn sie geil sagte und der würde genau das von ihr denken. Obwohl das nicht einmal gelogen sein dürfte, allein was soll sie mit so einem denn machen? Andererseits, zu jung dürften sie auch nicht sein. Was soll sie bitte mit Podolski, Schweinsteiger und Lahm anstellen – nur so als Beispiel? Die ersten beiden hingen immer zusammen und es war zu befürchten, daß sie trotz der Unterbringung in Einzelzimmern zusammen in einem Bett schlafen würden, und der liebe Lahm, ja der reichte ihr nur bis zur Schulter! Wenn sie sich auf ihn legte, würde er keine Luft mehr bekommen bzw. noch später auf dem Spielfeld danach schnappen – dann au revoir Deutschland und sie wäre schuld gewesen. Und überhaupt: Waren diese drei schon so berühmt, daß sich das auch in ihren Gehältern widerspiegelte? Mitnichten!
Dann also lieber Kahn oder Lehmann, die beiden hatten auf diesem Gebiet sicher keine Defizite. Allerdings waren sie schon ein bißchen zu alt. Leider. Okay, Kahn hatte Erfahrung in diesen Dingen und wäre sicher leicht zu kriegen gewesen, aber warum sollte sie sich mit so einem alten Knacker abgeben, wenn’s andere auch können und genauso berühmt sind? Obwohl, das Berühmtsein war zwar Bedingung, jedoch nicht so entscheidend wie das Geldhaben. Jawohl, sie schämte sich nicht, das zu denken! Sollte sie ihr Kind etwa mit einem gewöhnlichen Kinderwagen spazierenfahren? Nein, ein Bugaboo wird es schon sein müssen, soviel müßte drin sein. Das war zwar reiner Luxus, doch das mußte man sich leisten, um nicht vulgär zu wirken, nicht wahr?
Marie Claire entfernte sich etwas von dem Spiegel und betrachtete sich vor der Seite. Ihr Bauch war flach wie immer, doch sie wußte, ab morgen wird das anders sein. Nun ja, nicht gerade schon morgen, aber in ein paar Monaten wird schon etwas zu sehen sein, da war sie sich ganz sicher, sie hat sich ja ganz bewußt für einen Spieler entschieden, der seine Zeugungsfähigkeit schon unter Beweiß gestellt hatte. Und eines wußte sie ganz genau: Zuschlagen mußte sie, wenn seine Batterien respektive Eier aufgeladen waren. Also vor dem Spiel. Nach dem Spiel waren die Burschen noch nie zu etwas fähig, Ersatzspieler einmal ausgenommen. Das wußte sie genau, schließlich ist sie nicht umsonst in so manches Sportlerbett gestiegen, nicht wahr? Ja, sie wird ihn schon morgen verführen, drei Tage vor dem ersten Spiel der Weltmeisterschaft. Das war nach Lage der Dinge am besten, die Mannschaft Costa Ricas galt als die schwächste, das Risiko, durch ihre Aktion die deutsche Mannschaft entscheidend zu schwächen, war da am geringsten.
Denn schwächen wird sie ihn, das stand für Marie Claire fest. Sie wird ihn rannehmen, bis er nicht mehr kann, und das in jeder Hinsicht. Sie kann es sich nicht leisten, hier nachlässig zu sein oder ihn zu schonen, denn sie hat nur diese eine Chance - schwanger werden kann frau nicht jeden Tag. Gut möglich, daß er dann das erste Spiel aussetzen muß, doch ihm wird sicher etwas einfallen, schließlich hat er Abitur, nicht wahr? Eine wieder aufgebrochene alte Verletzung oder Muskelverhärtung könnte er angeben. Ja, eine Muskelverhärtung macht sich immer gut, in der Wade, zum Beispiel.
„Ja, mon cherie“, sagte Marie Claire laut zu dem Bild auf der Ablage vor dem Spiegel, „Eine Muskelverhärtung wirst du morgen haben.“
Das Wort müssen, setzte sie lächelnd und nur in Gedanken hinzu. Sie nahm das Bild, das eine Art Spielkarte war, in die Hand. Das ganze Spiel war ein Geschenk der Chefin an die Angestellten, damit sie die Spieler erkennen und gleich am ersten Tag persönlich ansprechen können. Das war von langer Hand geplant und erinnerte an das generalstabsmäßige Vorgehen der Amerikaner beim Einmarsch in den Irak: Jeder Soldat erhielt damals Spielkarten mit Konterfeis der gesuchten Personen, natürlich zusammen mit der Anweisung, sich nicht mit dem Feind zu fraternisieren. Das war auch hier im Hotel das oberste Gebot, selbst die Spieler nach Autogrammen fragen oder Bilder fürs private Fotoalbum knipsen wurde ihnen verboten.
Autogramme? Bilder? Mon dieu! Marie Claire mußte ob soviel Naivität erneut schmunzeln.