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Salz der Erde

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20.12.2002
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Salz der Erde

Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf

– Die Fantastischen Vier

„Ist das die 7a?“, fragte der Junge vorsichtig.
„Ja“, sagte Frau Loh mit einem Lächeln. „Setz dich.“
Er war groß und schlaksig, hatte strohblondes Haar, helle Augen.
Wir musterten ihn.
Und er uns. Er ging langsam durch die Reihen, ließ sich verdammt viel Zeit bei der Platzsuche. Etwas Suchendes lag in seinen Augen, etwas Wertendes. Ein Mädchen kicherte nervös.
Er sah mich an. „Ist hier frei?“
„Ja.“
Er setzte sich. „Ich bin Ben.“
„Hallo, ich bin Dani. Wo kommst du her?“
„Ich wohn jetzt in Lichtenheim.“
„Ich auch.“
Er sah mich an. „Fährst du mit dem Zug zur Schule?“
„Ja, jeden Tag ... wie alt bist du?“
„Vierzehn.“ Er holte ein Heft aus der Tasche. „Hab die Sechste wiederholt.“

Wir trafen uns jeden Morgen in dem Park hinter dem Bahnhof.
Eines Tages, wir kannten uns vielleicht einen Monat, erwartete er mich mit einem breiten Grinsen unter dem Klettergerüst. Es war dunkel. Die Luft war frisch, roch nach verbrannten Blättern. Bens Haare leuchteten im Licht der Straßenlaternen.
„Was ist?“, fragte ich.
Er hielt einen Fünfzigmarkschein nach oben. „Hab ich gefunden.“
Er grinste wieder, ein Ausdruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlicher in seinem Gesicht abzeichnen würde.
„Erzähl nicht ...“
„Doch, lag dort hinten auf dem Boden!“
Ich staunte. So etwas Unglaubliches war mir in meinem Leben noch nie passiert.
„Was machst du damit?“
Er zuckte mit den Achseln.
„Zeig mal her.“ Ich nahm den Schein, hielt ihn nach oben gegen das Licht. Mein Atem hüllte ihn in eine Dampfwolke.
Ben riss das Geld aus meiner Hand. „Komm, wir verpassen den Zug.“
Wir rannten durch den Park. Vor der Unterführung trafen wir auf einen alten Mann. Er saß auf einer Bank, eingewickelt in einer Decke. Er hielt eine Flasche Bier in der Hand.
Ich wollte weiterrennen, doch Ben blieb stehen.
Der Mann nahm die Kopfbedeckung ab, eine graue Baskenmütze. „Hast mir vielleicht ein paar Pfennig?“ Eine Stimme wie Kiefernholz.
Ben holte drei Mark aus der Tasche, das Geld, das er jeden Morgen von seiner Mutter bekam, und legte es in die Mütze.
Der Mann sah sich das Geld an, brummte verblüfft, und zog dann einen zweiten, imaginären Hut.
„Du bist ein guter Junge“, sagte er.
Ben nickte, sagte nichts.
Der Zug fuhr ein.
„Auf geht’s“, sagte ich, „wir müssen los.“
Ben bewegte sich nicht, sah den Mann einfach nur an.
„Los Junge, du musst zur Schule! Schau, dass du auch was lernst!“
„Okay“, sagte Ben, und dann rannten wir zum Zug.

Im Zug sagte ich zu Ben: „Das versäuft er doch eh.“
„Meinst du?“
„Ja, sicher, der trinkt jetzt schon Bier.“
Er zuckte mit den Achseln. „Egal ... hab doch fünfzig Mark gefunden. Gehen wir nachher Kippen kaufen?“
„Auf jeden.“

Nach der Schule rauchte ich meine ersten Zigaretten. Ich hustete, bis ich Sterne sah und mich übergeben musste. Ben lehnte sich zurück, blies Rauchringe und lachte mich aus.
Danach lud er mich zum Eis ein: eine Kugel Stracciatella und eine Kugel Joghurt. In der Waffel. Das weiß ich noch ganz genau. Das Eis ging durch meine Kehle wie Seelenschnee.
„Und? Hast was gelernt in der Schule?“, fragte der Mann, als wir aus der Unterführung kamen. Er trug Jeans und einen dreckigen Wollpullover, hatte die Arme über die Banklehne gelegt und sonnte sich. In der Linken das Bier.
Ben schüttelte den Kopf. „Nee.“
„Nee? Ha!“ Zähne blitzten durch den Vollbart. „Dann musst du besser aufpassen!“
Ben gab ihm ein paar Pfennig.
Der Mann zog wieder den imaginären Hut. „Vielen Dank, Junge!“
„Bitte Schön.“

So ging das los. Am nächsten Morgen war der Mann wieder da. Und am Nachmittag auch. Und nach den Herbstferien. Und nach Weihnachten ...
Und immer hatte Ben ein paar Pfennig für ihn dabei. Er griff in die Tasche, als wäre der alte Mann ein Zollbeamter auf der Fahrt zum Meer. Gelegentlich wechselten sie ein paar Worte über das Wetter oder die Bundesliga, manchmal machte der Mann auch große Augen, wenn wir mit Mädels durch die Unterführung gingen – da lächelten wir immer –, doch meistens zog er nur den Hut.
Schlief er wirklich jede Nacht auf der Bank? Gab es auch andere Orte, an denen er sich aufhielt? Was machte er am Wochenende?
Ich wusste es nicht.
Es gab Tage, da trug er plötzlich saubere Kleidung, hatte die Haare nach hinten gekämmt und war rasiert, grinste wie frisch gewichste Schuhe.
Manchmal fragte ich mich, wie es sein konnte, dass er plötzlich so normal aussah.
Wenn das schon möglich war, warum nicht immer?
Aber diese Gedanken waren selten. Mit dreizehn denkt man nicht so viel über alte Alkoholiker nach. Sie sind einfach da, und wenn der beste Freund meint, einem jeden Tag ein paar Pfennige zu schenken, dann ist das halt so.


In der achten Klasse wurden Ben und ich richtige Skater. Wir ließen uns die Haare wachsen, drehten unsere ersten Joints, bekamen Fress- und Lachflashs und flippten fast aus.
War eine spannende Zeit.
„Mensch, gehst denn nie zum Frisör!“ fuhr der alte Mann Ben eines Tages an, obwohl er im puncto Style nicht wirklich auf der Höhe war. Er sah meistens völlig zerfleddert aus, wie ein nasser Pudel, sein Bart manchmal so lang wie unser Haar.
Aber Ben blieb stehen, hatte anscheinend wieder Lust, sich mit ihm zu unterhalten.
„Das ist halt cool“, erklärte er.
„Cool nennt man das? Du siehst doch aus wie ein Mädchen!“
„Aber die Mädchen stehen drauf ...“
„Die Mädels mögen das?“
„Absolut.“
„O je ...“ Der Mann schüttelte den Kopf. (O je …) „Na dann hoffen wir, dass du recht hast, und es wirklich die Frauen sind, die das mögen.“


Gegen Ende der achten Klasse checkte sich Ben Melanie Kolb ab, ein Mädchen aus unserer Parallelklasse. Sie war gerade vierzehn geworden und hatte einen Körper wie eine Colaflasche. Sie wohnte auch in Lichtenheim, also teilten wir mit ihr den Heimweg.
Als der Mann Ben und Meli zum ersten Mal händchenhaltend sah, kam ein richtig dreckiges Lächeln über sein Gesicht. Ben gab ihm an diesem Tag eine ganze Mark.
Der Mann zog den Hut, und dann meinte Meli, ganz laut: „Aber das versäuft er doch eh.“
Ben ging weiter, wusste nichts darauf zu sagen.
„Warum gibst du ihm eigentlich immer Geld?“, hakte sie nach.
Er antwortete nicht.

Am nächsten Morgen hatte Ben kein Geld für den Mann dabei. Er ging schnell an ihm vorbei und sagte nichts.
In der Schule war er dann abwesend. Das kam schon hin und wieder vor, dass Ben nicht viel zu sagen hatte, doch an dem Tag war er stumm. Ich wollte ihn fragen, was los war, ließ es aber sein.
Nach der Schule trafen wir uns mit Meli. Ben legte den Arm um sie und lächelte, schien wieder er selbst zu sein.
Dann kamen wir zur Unterführung. Jetzt war es hell draußen, Ben würde sich nicht verstecken können. Er hörte auf zu reden, doch Meli quatschte weiter, wurde irgendwie lauter. Lachte. Ben hielt den Kopf gesenkt, und dann war der Mann da, auf der Bank, wie immer. Als wir ihn passierten, wagte Ben einen Seitenblick.
Der Mann nickte nur, ganz langsam. Ich sah Ben in die Augen und mochte den Ausdruck darin nicht. Er mied meinen Blick und schwieg, bis er zuhause war.

Zu meiner Überraschung – und sicherlich auch Melis – führte Ben sein Ritual am nächsten Morgen fort. Er löste sich beinahe zeremoniell von Melis Griff, holte ein paar Münzen aus der Tasche und legte sie direkt in die Mütze. Der Mann gab ein bellendes „Du musst zum Frisör!“ zur Antwort.
Ben lächelte.
„Aber das versäuft er doch eh!“, sagte Meli, als er zurückkam.
Er ignorierte sie, und sie zischte genervt.

Sie waren eigentlich ein nettes Paar. Sie neckten sich, gingen ins Kino, machten rum. Eben all die Dinge, die man so macht, wenn man in der achten Klasse ist. Vielleicht auch ein bisschen mehr. Und auch wenn ich mir manchmal wie das dritte Rad vorkam, so fühlte ich mich in meiner Freundschaft zu Ben nie bedroht. Meli war immer nett zu mir, stellte mir auch ihre Freundinnen vor, also eigentlich hatte ich sie gern.
Doch jedes Mal, wenn wir in die Nähe der Unterführung kamen, legte sich eine Last auf unser Gemüt. Meli hörte bald auf, eine Erklärung für Bens Verhalten zu suchen, sie hörte auch auf, zu betonen, dass der Alkoholiker das Geld ja nur versaufen würde, doch dieses Zischen, dieses genervte Seufzen, das ließ sie nie weg. Kein einziges Mal. Zweimal am Tag musste ich es hören. Manchmal höre ich es noch immer, es zuckt in meinem Geist wie eine Kobra.
Nach drei Monaten trennten sie sich.

In der neunten Klasse hatte Ben eine richtig heftige Schlägerei. Er hatte sich mit einem gewissen Patrick Schweitzer angelegt, ein Junge aus der Elften, und sich dabei mächtig verschätzt. Ben war klar unterlegen, kämpfte aber immer weiter. Er spuckte hinterher Blut ins Waschbecken und warf sein T-Shirt in den Mülleimer.
„Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?”, fragte der Mann.
„Hab mich geschlägert”, sagte Ben, und senkte den Kopf. Die Schlägerei hatte auf dem Schulhof stattgefunden, und er hatte sich vom Rektor einiges anhören müssen. Man hatte sogar mit dem Schulverweis gedroht.
„Und? Hast gewonnen?”
„Nein.”
Der Mann zog die Brauen zusammen. „Ja, hast dich wenigstens tapfer geschlagen?”
Er sah auf. „Also ... ich denke schon.”
„Na dann, du wächst ja noch. Das kannst ihm sicher noch heimzahlen. Du musst immer fest zuschlagen, weißt du?” Der alte Mann ballte eine Faust, schlug in die Luft. „Wenn du zuschlägst, dann immer so fest du kannst. Mit halber Kraft bringt des nichts. Wenn schon, dann richtig.”
„Okay.”
„So fest du kannst!”
„So fest ich kann.”

Die neunte Klasse war die letzte, die ich mit Ben zusammen verbrachte. Er bekam eine neue Freundin, wurde sechzehn und hatte keinen Bock mehr auf Latein. Ich versuchte ihm zu helfen, aber als er endlich anfing, sich hinzusetzen, war es schon zu spät; die Grammatik wuchs ihm über den Kopf.
Als er die vorletzte Fünf bekam, war er ziemlich fertig.
„Was ist mir dir los?“, fragte der Mann.
„Läuft nicht so gut in der Schule.“
„Wieso? Hast wieder nichts gelernt?“
„Doch schon ... also jetzt auch nicht so viel, aber ...“
„Na woran hakt's denn? Mathematik?”
„Nein, Mathe passt schon, Latein ist das Problem.”
„Ach, Herrgott! Latein. Sind doch eh alles Arschlöcher, die Lateiner! Die mit ihren Sprüchen! Werd bloß nicht so ein Klugscheißer, Junge, bloß nicht.”
„Nein”, sagte Ben, „werde ich nicht.”

Danach verloren wir uns aus den Augen. Zwar schworen wir uns, weiterhin Homies zu bleiben – schließlich wohnten wir in derselben kleinen Stadt –, doch bald hatte ich eine Freundin, und er einen neuen Freundeskreis, und so ging halt jeder seinen Weg.

Eines Mittags, mitten in der zehnten Klasse, ging ich von der Schule nach Hause. Ich hatte Kopfhörer auf. Die Sonne schien. Lena wollte nachher vorbeikommen, und ich freute mich schon. Ich ging durch die Unterführung und dann merkte ich plötzlich, dass der alte Mann nicht mehr da war.
Wann hatte ich ihn das letzte Mal gesehen?
Ich runzelte die Stirn, drehte mich im Kreis.
Er war einfach verschwunden, so wie ein Kleidungsstück, das man früher häufig getragen hat, und dann irgendwann nicht mehr.
Ich nahm die Kopfhörer ab, suchte den Boden nach Bierflaschen ab.
Er war nicht mehr da.
Ich sah mich noch ein wenig um, dann setzte ich mich auf die Bank und breitete die Arme aus, spürte die Sonne auf meinem Gesicht. Die Schüler stampften an mir vorbei, die kleinen mit den bunten Rucksäcken, quietschend im Gespräch vertieft. Dann die großen: Hände in den Hosentaschen, dunkle Kleidung, Kopfhörer ...
Ich dachte an Ben und fragte mich, wie es ihm ging, und ob er noch mit Sina zusammen war. Ich fragte mich auch, ob der Alkoholiker noch lebte.
Irgendwann stand ich auf, und ging meinem Leben nach.

Eine Woche nach meinem achtzehnten Geburtstag bekam ich einen Anruf.
„Es ist für dich“, sagte mein Vater und reichte mir das Telefon.
„Hallo?“
„Hab gehört, du bist achtzehn geworden, du Hosenscheißer.“
Ich lächelte. „Ganz richtig ...“
„Na dann müssen wir das feiern. Heute Abend Zeit?“
„Heute Abend?“
„Ja, heute ist Freitag.“
„Also ... ja, eigentlich schon. Treffen wir uns in der Stadt?“
„In der Stadt? Welche Stadt denn? Lichtenheim, oder was? Wir fahren mit dem Zug nach Stuttgart, Mann. Du bist jetzt achtzehn!“

Wir trafen uns, wie all die Jahre zuvor, am Spielplatz. Ben war noch immer einen Tick größer als ich, aber nicht mehr so viel. Als er mich sah, schenkte er mir ein breites Grinsen. „Alles klar?“
„Ja, Mann.“
Ihm ging's gut. Er war von daheim ausgezogen, hatte eine eigene Wohnung in Lichtenheim, machte eine Lehre als Werkzeugmechaniker. Er wollte wissen, was mit Lena passiert war. Ich fragte, was mit Sina passiert war.
Als wir zur Unterführung kamen, traute ich meinen Augen nicht. Der alte Mann war zurückgekehrt. Er saß auf der Bank, trank sein Bier. Er war grauer und schmaler geworden, seine Wangenknochen traten hervor, doch die Mütze saß so schräg wie eh und je, und als er uns sah, da erwachte er zum Leben. Er grinste richtig, und mir fiel auf, dass es genau dasselbe Grinsen war, das mir Ben vorhin geschenkt hatte. Wirklich genau dasselbe. Manchmal denke ich, es war dieses Grinsen, das sie verband.
„Du hast ja deinen Freund wieder gefunden!“, sagte er.
„Ja“, sagte Ben. Er lächelte und klopfte mir auf die Schulter.
„Er ist ja auch groß geworden!“
„Das stimmt.“
„Wie geht’s dir?“, fragte mich der Mann.
„Ganz gut ...“
Alle lächelten.
„Ich bin Karle“, sagte der Mann.
„Ich bin Dani, freut mich.“
Ich reichte ihm die Hand, und er drückte sie fest.


Deutscher Hip-Hop war zu der Zeit voll in, und Stuttgart war, das glaubt man kaum, die Hauptstadt der Szene. Fanta Vier, Freundeskreis, Massive Töne ... alle aus Stuttgart. Ich war seit einer Woche achtzehn, hatte auch schon gefeiert, doch als ich am Stuttgarter Hauptbahnhof aus dem Zug stieg und die große Halle durchschritt, als ich all die jungen Menschen sah, den Alkohol roch, das Gelächter hörte ... da wusste ich, dass ich volljährig war.
Über so manchen Geburtstag habe ich mich schon gefreut, doch nie so sehr über einen wie in diesem Augenblick. Ich spürte es kribbeln in den Fingern, mein Herz schlug gegen meine Brust. Eine Handbremse war gelöst worden, und ich war mehr als bereit, Fahrt aufzunehmen. Rückblickend war dieser Ausflug nach Stuttgart vielleicht das coolste Geburtstaggeschenk, das ich je bekommen hab.
Ben lachte. „Wir sind noch nicht mal da, Mann.“

Er kannte sich wirklich aus. Er quatschte mit den Türstehern, stellte mir Unmengen Leute vor, zeigte mir zwei, drei Bars, und nahm mich mit in die „Röhre“. Wir tranken Bacardi aus der Flasche, bouncten auf der Tanzfläche und fühlte uns einfach nur verdammt cool.
Wir nahmen den ersten Zug um 5:20. Zu dritt. Ben hatte ein Mädchen dabei.
„Das ist Clara“, sagte er. „Sie kommt mit.“
„Hallo“, sagte sie.
„Hallo.“ Ich sah Clara an, stellte mir vor, wie meine Mutter sie im Bad antraf, wünschte mir auch eine eigene Wohnung.

Es regnete in Strömen, als der Zug in Lichtenheim hielt. Wir stiegen lachend aus, Claras Schuhe hallten durch die Unterführung.
„Hey Karle!“, sagte Ben.
Er lag auf dem Boden, bewegte sich nicht.
„Karle! Hey, alles klar?“
Er sah erschrocken auf, rieb sich die Augen, sah Claras Beine, rieb sich nochmal die Augen.
Ben lächelte, griff in die Hosentasche und legte eine Handvoll Kleingeld auf die Decke.
„Das versäuft er doch nur”, sagte Clara.
Ben ging weiter, nickte und dann, etwas leiser: „Und ich fick dich doch nur.”
„Was?”
„Hm?”
„Was hast du gerade gesagt?”
Ben wandte sich an mich. „Hab ich was gesagt?”
Ich zuckte mit den Achseln. „Ich hab nichts gehört.”

Wir gingen bald jedes Wochenende zusammen nach Stuttgart. Glühten in Bens Wohnung vor und rannten dann zum Bahnhof.
„Auf geht’s, Karle wartet!“
Das war unser Spruch, wenn die Zeit knapp wurde. Weiß gar nicht, wer damit angefangen hat, war aber irgendwann Tradition: „Auf geht’s, Karle wartet!“
Und wenn er nicht da war, waren wir enttäuscht. Es gehörte einfach dazu, dass er da war. War der Auftakt in die Nacht. Ohne ihn dauerte es ein bisschen länger, bis Ben er selbst war und die Party starten konnte. Bis der Alkohol und das Gras und die Frauen und die Beats und alles andere folgen konnte.

Und dann kam der Winter. Wir trugen fette Bomberjacken, hatten beide eine Flasche Bier in der Hand.
Karle saß auf der Bank. „Hallo Jungs.“ Er hob das Bier in die Höhe.
Wir stießen an.
„Ziemlich kalt, was?“, sagte Ben.
Karle rieb die Hände ineinander. „Das ist eine Scheißkälte, sag ich dir, eine Scheißkälte!“
Er sah eigentlich munter aus.
Ben gab ihm etwas Geld. „Vielleicht setzt du dich wo rein ...“
„Ja, ja ... ihr mit eurer komischer Musik da ... passt ihr besser auf euch selbst auf! “
„Okay, Karle.“

Am Ende der Nacht waren wir ziemlich betrunken. Wir übertrieben es gerne damals. Wenn wir nicht irgendwann das Gefühl hatten, durch ein Loch im Kopf ins Weltall zu stürzen, war es kein gelungener Abend. Damals war das mit den Hangovers auch nicht so das Problem.
In der Nacht hatte es zu schneien begonnen. Karle lag in der Unterführung auf seiner Decke. Embryonalstellung.
„Hey Karle!“, jaulte Ben. „Yo Karle! Was geht, altes Haus?”
Karle bewegte sich nicht.
„Hey, Karle!“ Ben beugte sich vor, rüttelte ihn. „Hey, Karle!“
Er schubste ihn. „Karle!“
Und schüttelte ihn und schüttelte ihn und schüttelte ihn ...
Ich ergriff Bens Arm. „Er ist tot.“
Ben blieb lange Zeit still. Dann richtete er sich auf und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Es tut mir leid”, sagte ich, und es klang furchtbar platt in meinen Ohren.
Ben weinte, und ich wünschte mir, wir wären irgendwo anders, scheiß egal wo, Hauptsache nicht in diesem dunklen Scheißloch, das kalt war, und nach Pisse stank, und jedes von Bens Schluchzen lauter machte.
„Es war zu kalt”, sagte er.
„Ja ... war einfach zu kalt.“
Ben wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, ballte eine Faust und schlug sich mit ganzer Kraft gegen die Brust. Dann tat er es wieder. Und wieder. Das Geräusch brummte durch die Unterführung.
„Hör auf”, sagte ich.
Er tat es, atmete durch, rang um Luft.
Ich machte einen Schritt auf ihn zu. „Ben ...“
„Wir müssen ihn mitnehmen”, sagte er.
„Ben, er ist tot.”
„Aber wir können ihn doch nicht hier lassen ... bald kommen die Ratten.”
„Wir müssen die Polizei rufen, damit ...”
„Damit was? Er hat doch niemand. Wen soll denn der schon haben?” Ben kämpfte gegen die Tränen an. „Ich kann ihn nicht hier lassen, Mann.”
Ich seufzte. „Also gut, dann nehmen wir ihn halt mit.”

Er war federleicht. Ben nahm ihn auf den Arm und trug ihn aus der Unterführung. Karles Kopf ruhte auf seiner Brust.
Meine Augen blitzen in der Kälte hin und her. Ich versuchte Bens zielgerichteten Gang anzunehmen, möglichst normal zu wirken. Die großen Schneemonster fuhren vorbei und streuten Salz auf die Strassen.

Ben wohnte im obersten Stock eines alten Blockhauses. Er trug Karle nach oben, legte ihn auf den Balkon. Er war steif geworden, und wollte sich nicht in Sitzhaltung bringen lassen. Ich sah Ben zu, wie er mit Karles Muskelstarre kämpfte, wie er krampfhaft versuchte, Karles Beine zu krümmen und dabei schnaufte, verzweifelte, weinte. Ben ging auf die Knie, dann fiel Karle zur Seite, Ben fing ihn auf, dann ragten die Beine in die Luft.
„Ich helf dir.“
Ich hielt Karles Oberkörper fest, während Ben die Kniegelenke geschmeidig machte, auf und ab, auf und ab, wie ein Orthopäde. Und dann saß der Karle. Endlich saß er. Ich atmete auf.
Ben holte ihm eine Decke, wickelte ihn ein, setzte ihm die Mütze auf, drehte sie leicht zur Seite. So war's richtig. Nein, noch ein bisschen nach rechts. Er runzelte die Stirn. Oder doch so? Ja, ein bisschen nach rechts. Genau.
Ben richtete sich auf, bedachte seinen alten Freund mit einem liebevollen Blick.
„Was jetzt?“, fragte ich.
Ben blickte über das Geländer nach Lichtenheim. Es dämmerte.
„Willst du heim?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Okay, ich hol uns Decken.“
Wir setzten uns in eine Reihe auf den Balkon – Karle in unsere Mitte –, reichten eine Flasche Rotwein hin und her und schauten dem Sonnenaufgang zu. Es war bitterkalt draußen, aber der Wein floss gut und die Aussicht war schön. Vor uns taute Lichtenheim langsam auf. Rauch stieg aus den alten Fabriken, die ersten Autos schlitterten leise durch den Schnee, die Kirchenglocken läuteten.
Karls Augen waren noch offen, die Skleren gelb.
Ich deutete mit dem Kopf in seine Richtung. „Willst du sie schließen?“
„Was denn?“
„Seine Augen.“
Ben lehnte sich zurück, nahm wieder einen Schluck Wein. „Noch nicht ... lass ihn noch die Dämmerung geniessen.“

„Lust auf Musik?“, fragte Ben nach einer Weile.
„Ja, das wär cool. Freundeskreis?“
„Karle mag kein Hip-Hop.“
„Was mag Karle?“
„Er mag die Stones.“
„Die Stones?“
„Ja.“
„Aber ...“ – ich musste lächeln – „die haben doch auch lange Haare.“
Ben grinste. „Das hab ich ihm auch gesagt.“
„Und was meinte er?“
„Dass Mick Jagger ja auch wie ein Mädchen aussehe.“
Wir sahen Karle an, lachten beide.
„Ja, hast du Stones?“, fragte ich.
„Ein Album.“
„Exile on Mainstreet?“
„Nein ... Beggar's Banquet.“
Ich nickte langsam. Kannte ich nicht.
„Ist glaub ihr bestes Album.“
„Was ist drauf?“
„Es beginnt mit Sympathy for the Devil.“
„Und womit endet's?“
„Salt of the Earth.“

„Was hat Karle früher gemacht?“
Er zuckte die Achseln. „Gearbeitet, gelebt ...“
„Wo hat er gearbeitet?“
„Ich weiß es nicht ...“
„Weißt du, warum er manchmal draußen schlief?“
„Nein.“
„Hast du ihn denn nie gefragt?“
Er schüttelte den Kopf.
„Warum nicht?
Ben schloss die Augen, lehnte sich weit zurück. „Weil es nicht wichtig war.“
Ich runzelte die Stirn. „Warum nicht?“
„Weil ... es halt nicht wichtig war. Karle unterhielt sich lieber über Fußball ... stimmt's Karle? Der FCK, was? Der Otto hat's allen gezeigt!“

Die Zeit verstrich. Als Mick verstummte, erhob ich mich. Ben schien zu schlafen.
Ich machte die Schiebetür auf.
Er drehte sich schnell um. „Schaust du morgen vorbei?“
Ich nickte.

Drei Tage später. Ich saß im BK-Unterricht und versuchte etwas zu malen, das mich an etwas Konkretes erinnerte, ein Auto oder so was. Ich bin quasi malbehindert. Smiley-Sonne und Kringelwolke, mehr geht nicht. Ich seufzte, lehnte mich zurück, hörte meine Klassenkameraden quatschen. Die Stimmen schmolzen zu einem Geräuschbrei. Wie im Freibad. Ich sah aus dem Fenster. Die Sonne schien, und der Schnee ... war am Schmelzen.
Ich sprang hoch stürmte aus dem Raum.

„Ich kann mir keine Bestattung leisten“, sagte Ben. „Und Karle auch nicht.“
Wir standen bei ihm in der Wohnung.
„Aber wenn uns jemand sieht ...“
„Wir machen das heute Nacht. Uns sieht niemand.“
„Ben ...“
„Entweder bist du dabei, oder ich mach das alleine.“ Er zuckte mit den Achseln, ging in die Küche. „Pizza?“
Da hätte ich ihm glatt ne Faust geben können.

Wir saßen auf der Couch, hörten Musik, zählten die Stunden.
„Weißt du was das bedeutet, Salz der Erde?“, fragte Ben.
Ich nickte. „Bergpredigt. Ihr seid das Salz der Erde, das Licht der Welt. Hat Jesus zu seinen Jüngern gesagt.“
„Und kennst du den Rest?“
„Welchen Rest?“
Er sprang auf und holte eine Bibel vom Regal. Ich runzelte die Stirn.
Ben mit einer Bibel in der Hand, das war schon ein verdammt komisches Bild.
„Bist du jetzt fromm geworden?“
„Matthäus 5:13. Ihr seid das Salz Erde. Aber wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“

Wir packten Karle und zwei Schaufeln in eine schwarze Campingplane und trugen ihn zum Park. Ich hatte wieder eine Scheißangst, aber es war genau wie beim letzten Mal, niemand schenkte uns einen zweiten Blick. Wir fanden eine Stelle zwischen den Bäumen, ungefähr zwanzig Meter hinter Karles Bank, wo der Boden weich aussah.
In den Filmen sieht das immer so leicht aus. Man gräbt ein Loch, versenkt die Leiche und gut ist's. Unser Boden war oben schlammig und unten gefroren. Und dann die Steine, und die Wurzeln ...
Nach einer halben Stunde kam ich ins Zweifeln. Ich schwitzte unter meiner Jacke, das Loch sah nicht besonders tief aus, und meine Hände ... wir hatten nicht an Handschuhe gedacht. Ich hätte sofort welche holen gehen sollen, tat ich aber nicht. Ich sah Ben zu, wie er die Schaufel in die Erde stieß, total konzentriert, die Bewegung geschmeidig und kraftvoll, und dachte: Ach, das schaffen wir schon ...
Wir arbeiteten eine Stunde, ruhten uns eine Weile aus, arbeiteten eine weitere Stunde, und kamen irgendwie nicht voran. Die Schaufeln waren Scheiße. Wir mussten Karle doch mindestens einen Meter unter die Erde legen.
Mindestens.
Mit den Blasen verging mir die Lust. Die Rückenschmerzen, die Arme ... alles okay, aber diese Blasen an den Händen, damit kam ich nicht zurecht.
Wir mussten uns aus dem Staub machen, bald würden die ersten Menschen auftauchen, und sich fragen, was wir hier machten.
Wir packen das nicht. Das wollte ich Ben sagen, die Worte lagen schon auf meiner Zunge, doch dann sah ich den Ausdruck in Bens Augen und die Wut, mit der er gegen die Erde kämpfte. Ich sah auch die Flüssigkeit, die seine Arme herunterrann, kein Schweiß, sondern Blut. Seine Blasen waren aufgeplatzt.
Wir packen das nicht.
Nein, das konnte ich ihm nicht sagen. Lieber packten wir es einfach nicht.
Ich stemmte die Schaufel in die Höhe und warf sie in die Erde.

„Ist das tief genug?“, fragte ich Ben, als die ersten Schüler komische Blicke in unsere Richtung warfen.
Er lehnte sich auf die Schaufel, wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Es muss tief genug sein.“
„Okay.“
Wir legten Karle in das Loch.
Ben blickte lange in das Grab hinab, wirklich sehr lange. Ich wollte ihn nicht drängen, wollte aber auch nicht erwischt werden.
„Willst du noch was sagen?“, fragte ich.
„Nein.“
Ich reichte ihm die Schaufel.
„Warte ...“ – er blickte wieder ins Grab, atmete tief durch – „ich werde dich vermissen, Karle.“
Er fing plötzlich zu weinen an, hielt sich die Hände vors Gesicht. „O fuck, Mann ...“ Er schüttelte den Kopf. „Was mache ich jetzt?“
„Fest zuschlagen, würde ich sagen.“
Ben sah mich an, wischte sich eine Träne aus dem Gesicht – und nickte.

Wir schreiben das Jahr 2006. Hip-Hop ist tot und wir haben eine Bundeskanzlerin. Die Twin Towers gibt’s nicht mehr und die Mark auch nicht. Die Stones sind gerade auf Tour, und die Bayern sind immer noch oben.
Ben hat mich letzte Woche angerufen. Wollte wissen, wie es mir geht, hat gefragt, ob ich ein Klugscheißer geworden bin. Wir haben uns eine Weile nicht mehr gesehen. Er war verheiratet, drei Jahre lang. Ich war bei der Hochzeit, nettes Mädchen aus Kirchheim. Ist vorbei jetzt. Kinder gibt's keine. Ben hat sich eigentlich nicht viel verändert, er lebt und arbeitet in Lichtenheim, fährt noch immer mit dem Zug nach Stuttgart, ab und zu in Urlaub.
Ich studier so vor mich hin, mach grad mein Master. Kann nichts Besonderes berichten. Hab jetzt eine eigene Wohnung.
Nächste Woche fahr ich heim. Ich denke, wir werden über alte Zeiten quatschen, Karle besuchen und dann ordentlich einen drauf machen.
So wie immer halt.

 

Hej Juju,

was mir beim Lesen aufgefallen ist:

Er grinste wieder, ein Ausdruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlicher in seinem Gesicht
grinsen ist kein "Ausdruck", da fehlt etwas, z.B. dass er hintertrieben grinst, gierig oder geheimnisvoll.

Mein Atem umhüllte ihn in eine Dampfwolke.
"hüllte ihn in eine Dampfwolke" oder "umhüllte ihn"

Eine Stimme wie Kiefernholz.
Hm. Sagt mir nichts. Kiefernholz ist vergleichsweise weich, aber das meinst du sicher nicht.

Ben nickte, sagte nichts.
Wenn du das "sagte nichts" weglassen würdest, würde er ebenfalls nichts sagen.

„Nee? Ha!“ Zähne blitzten durch den Vollbart.
Willst Du wirklich, dass ich vor allem blitzenden Zähne sehe, wenn der auf seiner Parkbank sitzt? Nicht unbedingt ein Markenzeichen eines "alten Alkoholikers".

Ben legte den Arm um sie und lächelte, schien wieder sich selbst zu sein.
er selbst (das schreibst du später auch noch mal)

Ich ergriff Bens Arm. „Er ist tot.“
Ich hab's geahnt ...

Ich finde, dass Du den Tonfall, diese Ist-alles-nicht-so-wichtig-Haltung der beiden Jungs gut triffst.
Ihren Werdegang für sich genommen finde ich nicht spannend, weil mir Details fehlen, vllt kannst Du hier etwas nachsalzen. Denn leider erreichst Du mich gar nicht, wenn die Figuren wirklich etwas fühlen (sollen). Und das ist schade, denn das Salz der Erde ist sowohl bei den Stones als auch in der Bibel eine besondere Angelegenheit.

LG
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,

Er war groß und schlaksig
Mit schlaksig verbindet man immer „groß“, so wie man mit „pummelig“ immer klein verbindet.
Oder geht nur mir das so?

schließlich mitfinanzierte Ben seine Sucht
In lebendigem Deutsch gibt es das nur getrennt: finanzierte Ben seine Sucht mit.

hatte scheinbar wieder Lust
anscheinend

Gegen Ende der achten Klasse checkte sich Ben Melanie Kolb ab
Bescheuerte Verwendung von abchecken.
Abchecken ist die Lage sondieren. Warum nicht „klar machen“.

Es regnete in Strömen, als der Zug in Lichtenheim hielt. Wir stiegen lachend aus, Claras Schuhe hallten durch die Unterführung.
„Hey Karle!“, sagte Ben.
Er lag auf dem Boden, bewegte sich nicht.
„Karle! Hey, alles klar?“
Er sah erschrocken auf, rieb sich die Augen, sah Claras Beine, rieb sich nochmal die Augen.
Ben lächelte, griff in die Hosentasche und legte eine Handvoll Kleingeld auf die Decke.
„Das versäuft er doch nur”, sagte Clara.
Ben ging weiter, nickte und dann, etwas leiser: „Und ich fick dich doch nur.”
„Was?”
„Hm?”
„Was hast du gerade gesagt?”
Ben wandte sich an mich. „Hab ich was gesagt?”
Ich zuckte mit den Achseln. „Ich hab nichts gehört.”
Das ist sehr gut, der Absatz profitiert von der Energie und Arbeit, die bis dahin gesteckt wurde. Das ist immer ein befriedigendes Erlebnis für den Leser.

Damals war das mit den Hangovers auch nicht so das Problem.
Boah. Hangovers? Auch noch im Plural? Da frisst man ja Hollywood direkt aus der Hand, wenn man sowas schreibt. :)
Hört sich an wie eine Kleinstadt in Niedersachen: Hangover gegen Hungen! Bezirksliga Damen-Tennis.

und jedes von Bens Schluchzen amplifizierte.
Boah. Amplifizierte? :) Du machst mich fertig.
Also: Ich hab das nicht im Wortschatz. Weder im aktiven, noch im passiven. Jetzt könnte eso sein wie bei „genant“, dass es eine persönliche Bildungslücke ist, aber normal gehe ich davon aus, wenn ich ein Wort nicht kenne, kennen es sonst die meisten Leser auch nicht.
Das ist doch irgendein Fachjargon hier, der nicht zum Erzähler passt.

Ich hielt Karles Oberkörper fest, während Ben die Kniegelenke geschmeidig machte, auf und ab, auf und ab, wie ein Orthopäde.
Was? Wieso kann der sowas? Wie muss ich mir das vorstellen? Ich könnte sowas nicht. Ist das etwas, das man instinktiv weiß? Wie mach ich bei einem Mann, bei dem die Totenstarre eingesetzt hat, die Gelenke wieder geschmeidig?

Wir packen das nicht.
Nein, das konnte ich ihm nicht sagen. Lieber packten wir es einfach nicht.
Das ist ausgezeichnet. Hier werden die ganzen Gedankenschritte, die dazwischen stehen, übersprungen, und man sieht sie als Leser dennoch auf einen Schritt.
Nach dem Muster sind die alten lateinischen Weisheiten aufgebaut, die Karle so hasste.
Das ist wirklich eine tolle Stelle, ein sehr kluger Gedanke.

Das ist exzellent. Was immer mit dir los ist, dass du jetzt so gescheite Geschichten schreibst, das ist eine hoch erfreuliche Entwicklung.
Was dir hier gelingt und was sonst immer schief geht, also fast immer, ist, dass du es schaffst einen langen Zeitraum so verkürzt darzustellen im Rückblick. Das sind ja 4, 5 fünf Jahren, in denen die eigentliche Handlung spielt. Und noch mal 5 im letzten Absatz.

Und das Geheimnis des Textes ist von Anfang an: Ist Karle Bens Vater? Das fragt man sich doch sofort, als er da 50 Mark findet und ihm dann so die Treue hält. Und es ist eigentlich bis zum Schluss noch in der Schwebe, ob das beantwortet wird, was dieses besondere Verhältnis von Karl zu Ben ist.
Am Anfang ist der Erzähler auch in der Geschichte ein fünftes Rad am Wagen. Ich hab gedacht, als er mal relativ weit vorne anfing von sich zu erzählen: Das juckt doch jetzt keinen. Mach bei Ben weiter. Weil Ben und Karle die stärkeren Figuren sind, zu Beginn. Erst als sich der Erzähler später emanzipiert und ein eigenes Leben bekommt und Distanz gewinnt, wird er auch als Figur interessanter und er hat dann diese Rolle, in der Ich-Erzähler glänzen, er ist involviert, aber er ist nicht bis zum Hals drin. Er ist Dr. Watson.

Die Geschichte ist von der Sprache her authentisch, es ist fast roh, sodass gesuchte Vergleiche herausstechen. Wenn dann da steht „zischte wie eine Kobra“, dann denk ich sofort: Das ist nicht der Erzähler, sondern der Autor. Auch der lange Rückblick da … Hip-Hop ist tot, Twin Towers, Kanzlerin …. Das ist der Erzähler, der dem eigenen Text (und damit auch Leben) eine Dimension geben will, wie es ein Autor tun würde – oder ein Journalist. Das fällt auch ein wenig aus der Geschichte. Weil es so eine Leseransprache ist: Hier! Historischer Kontext!
Das Ende hat etwas sehr stand by me-mäßiges. Am Ende von Stand by me (also zumindest dem Film) schaut die Hauptfigur wehmütig zurück und sagt, er habe nie wieder so gute Freunde gehabt wie damals in dem Sommer.
Und dein Erzähler schaut auf die Zeit zurück und konstatiert auch wehmütig, dass in seinem Leben nichts derart Relevantes mehr vorgeht. Auch in Bens Leben nicht. Das Geheimnis, das Karle war, ist mit ihm gestorben, und es hat das Besondere mitgenommen.
Es ist ja auch etwas, worüber sich die Freundschaft der beiden definiert hat, ein Alleinstellungsmerkmal. Am Anfang sagt auch der Erzähler: Warum gibst du ihm denn was? Später blickt er auf die Weiber hinab, die in Bens Orbit das dann sagen. Nur der Erzähler ist eine konstante Figur für Ben, nur er weiß um Karle. Er ist ein Intimus, er kennt diese Geheimnisse. Und Ben hat es natürlich auch satt, jeder Frau, die da vorbeigeht, zu sagen: Ich mache das, weil ich es mache. Über die Gründe würde ich mit dir reden, wenn du mir wichtig genug wärst. Das bist du aber nicht.
Ganz großartig in der einen Szene nach Stuttgart. Das ist ja das, was da vor sich geht. Das ist auch etwas, das Frauen ganz genau spüren. ;) Und daran wird auch sein Kram mit den Frauen immer zerbrechen. Er wird keine so weit an sich ranlassen.

Und hier in der Geschichte ist Karle ja fast eine mythische Figur. Eine Initiations-Figur, man denkt dann immer: Gott, was hat der denn für einen Einfluss? Hau richtig zu. Lern kein Latein. Aber weil er immer da ist, wenn Ben da auch ist, bekommt es so etwas seltsames, so ein Schutzgeist.
Was auffällt: Es tauchen keine anderen Figuren auf. Es gibt keine Lehrer, es gibt keine Eltern (oder nur ganz am Rande der Wahrnehmung, mal eine Szene), es gibt keine Obrigkeit (das Gesetz, die Gesellschaft interessiert sich nicht für den Penner, auch nicht als sie ihn begraben – das ist ein anarchistischer Vorgang), die Frauen sind austauschbar, die ziehen vorbei mit den Kalenderjahren. Das ist etwas, wonach man fragt: hast du die denn noch? Nee, Ja, eigentlich egal. Die werden nie als etwas Bleibendes behandelt, das ist schon ein komisches Motiv. Das geht ja der ersten Freundin, die Ben mit 14 hat, nicht anders als der Ehefrau, die er mit 21 bekommt … keine Kinder, keine Gefühle, nichts was hängen bleibt – die kommen nicht dicht genug an Ben ran. Das ist auch die Ironie. Er kam ja auch an Karle nie dicht dran. Die haben über Otto Rehhagel geredet, der mit dem FCK im Aufstiegsjahr Meister geworden ist!

Es ist wirklich die Frage, was Ben nun in Karle sieht, das ist vielleicht rational gar nicht zu erfassen. Vielleicht hat er ihm anfangs einfach so Geld gegeben, und dann fand er es cool, was zu machen, was andere nicht machen, und später ist es ein wichtiger Bestandteil von ihm geworden. Vielleicht ist das einfach das Geheimnis? Man macht etwas aus einer Laune heraus und dann wird es ein Teil von dem, wer man ist oder wer man gerne sein möchte. Jemand, der eine enge Beziehung zu einem Penner hat. Das macht Ben ja auch zu etwas besonderem.
Und es ist vielleicht das Schönste und das Wahrste an der Geschichte, dass sie keine Lösung auf diese Fragen bietet. Es gibt Vermutungen, es gibt Erklärungen, aber es gibt nichts, was sich einfach auflösen ließe.
Da ist wirklich eine ausgezeichnete Adoleszenz-Geschichte. Fast so Indianer-Motive darin. Unterschwellig die Frage, was einen Mann ausmacht, was einen Jungen zu einem Mann macht, in unserer Zeit. Es ist eine Geschichte über Initiation, mit der Szene in Stuttgart (Weiber, die große Welt), aber zu richtigen Männern werden sie erst unter Blut und Schweiß, als sie den Alten beerdigen. Und in dem Moment, in dem sie es tun, vermissen sie auch schon die Jugend. Tragisch. Das ist eine Initiationsgeschichte mit Indianer-Motiven in der Stuttgarter Vorstadt der 90er. Das ist schon toll.
Vielleicht schreib ich nachher noch was, wenn mir mehr einfällt.

Gruß
Quinn

 

hey juju,
eine schöne Geschichte übers Erwachsenwerden und auch über Freundschaft. Der reflektierte, ruhige Erzähler wird an der Seite seines extremeren, fast schon extravaganten Freundes in neue Welten gezogen (das Leben in Stuttgart) und die beiden haben Erlebnisse, die bleiben. Es erinnert mich ein bisschen an "zweier ohne" von Dirk Kurbjuweit, weiss nicht, ob dus kennst. Auch zwei Freunde, die zusammen erwachsen werden und für die im Rückblick alle anderen ausser dieser Freund nur Nebenfiguren waren in dieser Zeit.
Ich finde solche Geschichten berührend, wenn man die Beziehung zwischen den Zeilen lesen kann. Das schaffst du. Die Dialoge zwischen den beiden sind ja eher knapp und rauh - und trotzdem spürt an, dass die beiden für einander wahrscheinlich die wichtigsten Freunde des Lebens waren.
Kalle ist natürlich auch eine interessante Figur. Ich habe das so gesehen, dass er eine Art Begleiter der beiden durch die Phasen des Erwachsenwerdens ist. Er ist immer da, als Kommentator oder Ratgeber, wenn sie gerade eine Schlägerei hatten, Probleme in der Schule oder mit einem Mädel antraben. Mit seinem Tod - und seiner Beerdigung als Initiationsritual - ist diese Phase zu Ende.
Schöne Geschichte, habe sie gerne gelesen ;)
beste Grüsse
paleo

 

Hallo JuJu

Die Geschichte liest sich leicht, etwas flapsig aber flüssig, ein Jugendstück. Nur Spannung stellte sich mir als Leser leider nicht so recht ein. Dann entdeckte ich den Haken, der Zeitraum zog sich über Jahre hin. Ein Fokus, der nur schwer in die Tiefe zu gehen vermag. Die Handlung bewegt sich ohne eigentliche Steigerung.

Irgendwann stand ich auf, und ging meinem Leben nach.

Dem Leben nachgehen, wie schaffst du das? Vielleicht mit Alltäglichem?

Ben war noch immer einen Tick größer als ich, aber nicht mehr so viel.

Tick liest sich hier etwas eigen. Nuance oder ein wenig schiene mir da eleganter. Na ja, vielleicht es es ja in und nur ich assoziiere Tic.

Dann richtete [er] sich auf und vergrub das Gesicht in die Hände.

er > einschieben

Er trug Karle nach oben, legte ihn auf den Balkon. Er war steif geworden, und wollte sich nicht in Sitzhaltung bringen lassen.

Dies ist jetzt echt doll! Aufgrund des bisherigen Verlaufs sehe ich da auch Bens Konsequenz, doch kommt es etwas pointenartig nach episodischem Alltagslebensverlauf.

Meiner Meinung nach nett, aber nicht eines deiner starken Stücke. Ich habe nun rasch die andern Kommentare eingesehen. Das Adoleszente ist schon stimmig vorhanden, aber dies ist im realen Leben ja oft eine flaue Phase. Aber wie gesagt, es war leicht zu lesen.

Auf den Begräbnisteil fokussiert und inhaltlich vertieft, wäre es vielleicht eine äusserst witzige Geschichte, so war es mir mehr ein biografischer Abriss.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Jugenderinnerungen mitsamt einer seltenen Freundschaft schilderstu uns auf über elf Seiten Manuskript, einzeilig und Cicero,

lieber JuJu,

das erfordert Sitzfleisch beim Leser und – worauf man wetten an der Börse abschließen kann - da wimmelt es auch beim Hartnäckigsten an Schnitzern- einige wurden schon von meinen Vorläufern angeführt. Gleichwohl: es wird in einem jugendlich einfachen Stil erzählt, dem freilich gelegentlich allzu gehobene Ausdrücke untergejubelt werden – ein Beispiel, das auch schon Quinn erwähnte, wäre

amplifizierte
.

Als erstes fallen aber häufig auftretenden würde-Konstruktionen auf wie

Er grinste wieder, ein Ausdruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlicher in seinem Gesicht abzeichnen würde.
…, Ben würde sich nicht verstecken können.
Er bekam eine neue Freundin, würde sechszehn und hatte keinen Bock mehr auf Latein
Allemal wäre vielleicht besser, das einfache Futur zu verwenden statt der würde-Konstruktion, es sei denn, es gäbe Zweifel an der künftigen Entwicklung – im Grinsen, Verstecken und Altern.
16 schreibt man übrigens ohne Endungs-s der sechs.

Dafür wäre m. E. im Folgenden der Konjunktiv angesagt:

Ich dachte an Ben und fragte mich, wie es ihm ging, und ob er noch mit Sina zusammen war.
Besser: „…, wie es ihm ginge, und ob er noch mit Sina zusammen wäre.
Es geht doch – z. B.:
Ich fragte mich auch, ob der Alkoholiker noch lebte.

Hier könnte man je abschließende Satzzeichen austauschen, die wörtl. Rede als Aussage ansehen und das Unglaubliche mit einem Ausrufezeichen verstärken.
„Doch, lag dort hinten auf dem Boden!“
Ich staunte. So etwas Unglaubliches war mir in meinem Leben noch nie passiert.

Schau, das du auch was lernst!“
dass, dafür umgekehrt weiter unten
… , und mir fiel auf, dass es genau dasselbe Grinsen war, dass mir Ben vorhin geschenkt hatte.
das, womit wir bei gelegentlichen Flüchtigkeiten wären
…: eine Kugel Straciatella …
Stracciatella
Der Eis ging durch …
Das Eis …

…, wenn wir mit Mädels durch die Unterführung gingen – …
Korrektes Hochdeutsch: Das Mädel – die Mädel, nordd. umgangssprachlich die Mädels, bayrisch incl. österr. die Mädeln – aber die erzählte Geschichte spielt in BW, SW-D

Gelegentlich gibt’s Probleme mit den Pronomen – insbesondere mit dem „sich“:

Gegen Ende der achten Klasse checkte sich Ben Melanie Kolb ab, ….
Hier ist’s entbehrlich (ich weiß, dass ander sich-Konstruktionen korrigiert sind, fand aber, dass bzgl. der Verwendung der Pronomen Probleme bestehn).
Dann richtete sich auf und vergrub das Gesicht in die Hände.
Da fehlts Pronomen überhaupt: er
Und zudem " ... in den Händen."
Ähnlich hier:
Als wir zur Unterführung kamen, glaubte ich meine Augen nicht
. meinen Augen, und besser traute statt glaubte.
Also gibt’s gelegentliche Probleme mit dem Modus, notiert hab ich leider nur noch:
Doch jedes Mal, wenn wir in der Nähe der Unterführung kamen, …
in die Nähe
Ben richtete sich auf, bedachte seinem alten Freund mit einem liebevollen Blick.
Akkusativ: seinen


Eines Mittags, mitten in der zehnten Klasse, ging ich von der Schule nach Hause
Das wirstu auch am Tag vorher und nachher und in allen andern Jahrgängen getan haben – hoff ich doch. Das ist unglücklich ausgedrückt, wie Du auf Dein Alter hinweist.

Er war einfach verschwunden, …
Einfach ist einfach entbehrlich, keiner würd’s vermissen.

Rücksäcken
Rucksack, der Begriff taucht im Hochdeutschen erst in der zwoten Hälfte des 19. Jh. auf und ist dem schweizerischen „ruggsack“; soweit ich weiß, wird im angelsächsischen Raum statt backpack und/oder knapsack auch das nhd. rucksack verwendet.
… Hand, und er druckte sie fest.
drückte
…”, sagte ich, und es klang furchtbar platt in meinen Ohren.
Die Ohren sind m. E. entbehrlich – oder hört einer mit einem andern Sinnesorgan?

Meine Augen blitzen in der Kälte hin her
hin und her

Die Sonne schien, und der Schnee ... war am Schmelzen.
Besser: „Die Sonne schien, und der Schnee .. schmolz.“ Oder einfacher: „.Die Sonne schien, und es taute.“

Ich hätte sofort welche holen gehen sollen, …
Ja, so spricht der Umgangssprachler und umgeht das einfache! Gehen erscheint mir entbehrlich.

Herunterann
Herunterrann

Das besonders schöne an der Geschichte ist nicht so sehr das vorgestellte Zitat der bescheidenen Stuttgarter fab four, sondern dass der Titel in der Geschichte selbst erklärt ist - was mir Zeit gibt, Exile on Main Street aufzulegen – dessen treibende Kraft übrigens der bekiffte Keith Richards war und wobei Mick Taylor noch Brian Jones ersetzte, der auch bei Honky Tonk Women beim Brian'schen Totentanz die Saiten quälte, m. E. allemal die Stones in Bestform ...

Gern gelesen trotz wundgesessnen Hinterns (hab'n harten Sitz hierselbst erwischt).

Gruß

Friedel

 

Eines Tages, wir kannten uns vielleicht einen Monat, erwartete er mich mit einem breiten Grinsen unter dem Klettergerüst. Die Luft war frisch, roch nach verbrannten Blättern. Bens Haare leuchteten im Licht der Straßenlaternen.
Gib mal wenigstens eine Angabe, dass es sich hier um den Winter handelt und dass es morgens noch ziemlich dunkel ist.
Oder warum leuchten seine Haare im Licht?
Er grinste wieder, ein Ausdruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlicher in seinem Gesicht abzeichnen würde.
Ich mag diese "prophetischen" Sätze nicht, die Spannung suggerieren sollen. Außerdem ist das in dieser Kombination irgendwie falsch. Meistens entscheidet man sich für solch eine Formulierung, wenn der Figur was Schlimmes bevor steht, damit der Leser sich fragt, was denn ihr alles passieren wird, dass die Figur so und nicht anders wird. Aber hier soll nach ein paar Jahren das Grinsen im Gesicht festgetackert werden, ja und? Schön für ihn.
Zudem stört er diesen kindlichen Gesprächsfluss, wie die sich über den gefundenen fünfzig Markschein freuen, gut, ich würds auch heute tun. :P
Er zuckte mit den Achseln. „Egal ... hab doch fünfzig Mark gefunden. Gehen wir nachher Kippen kaufen?“
„Auf jeden.“
fjeden. Haben die schon "damals" so geredet?
Der Eis ging durch meine Kehle wie Seelenschnee
Das Eis - das weiß sogar ich. :P
Aber diese Gedanken waren selten. Mit dreizehn denkt man nicht so viel über alte Alkoholiker nach. Sie sind einfach da, und wenn der beste Freund meint, einem jeden Tag ein paar Pfennige zu schenken, dann ist das halt so. Man hat ganz andere Dinge im Kopf.
Der Halbsatz am Ende ist ein besserer Abschluss, vor allem, weil du dich sonst wiederholst.
In der achten Klasse wurden Ben und ich richtige Skater. Wir ließen uns die Haare wachsen, drehten unsere ersten Joints, bekamen Fress- und Lachflashs und flippten fast aus.
War eine spannende Zeit.
Ich fänd's cool, wenn du mir mehr von der spannenden Zeit erzählst, anstatt einfach zu behaupten, es sei eine spannende Zeit gewesen.
Sie war gerade vierzehn geworden und hatte einen Körper wie eine Colaflasche.
Du hörst zuviel Rap. :P
Am nächsten Morgen hatte Ben kein Geld für den Mann dabei. Er ging schnell an ihm vorbei und sagte nichts.
In der Schule war er dann abwesend. Das kam schon hin und wieder vor, dass Ben nicht viel zu sagen hatte, doch an dem Tag war er stumm. Ich wollte ihn fragen, was los war, ließ es aber sein.
Nach der Schule trafen wir uns mit Meli. Ben legte den Arm um sie und lächelte, schien wieder er selbst zu sein.
Ich würd echt gerne wissen, was es damit auf sich hat. Anscheinend ist es ihm auch peinlich, dass er kein Geld für Karle hat, entweder weils jetzt fast von ihm erwartet wird oder wenn er es nicht macht, dass Karle dann denkt, etwas stimmt nicht oder es stimmt wirklich etwas nicht, vielleicht läufts zuhause nicht so gut, Streit mit der Mutter, sie gibt ihm kein Geld oder sonst was. Es bleibt ein großes Mysterium. Und auch in der schule fühlt er sich unwohl - weswegen auch immer, es bleibt ungeklärt. Es ist halt so und ich muss das als Leser akzeptieren.
Der Mann nickte nur, ganz langsam. Ich sah Ben in die Augen und mochte den Ausdruck darin nicht. Er mied meinen Blick und schwieg, bis er zuhause war.

Zu meiner Überraschung – und sicherlich auch Melis – führte Ben sein Ritual am nächsten Morgen fort. Er löste sich beinahe zeremoniell von Melis Griff, holte ein paar Münzen aus der Tasche und legte sie direkt in die Mütze. Der Mann gab ein bellendes „Du musst zum Frisör!“ zur Antwort.

Kann auch sein, dass er versucht hat mit Karle "Schluss zu machen." Sich von ihm zu lösen, sich den anderen anpassen und Karle zu ignorieren und als er merkt, wie unwohl er sich dabei fühlt, führt er sein Ritual fort, nur eine Annahme und es bleibt bei der Annahme, weils zu wenige Hinweise darauf gibt.
„Aber das versäuft er doch eh!“, sagte Meli, als er zurückkam.
Er ignorierte sie, und sie zischte genervt.
Also, das muss man dir lassen, du hast sie echt unerträglich gestaltet. So wie du sie wahrscheinlich haben wolltest.
Kein einziges Mal. Zweimal am Tag musste ich es hören. Manchmal höre ich es noch immer, es zuckt in meinem Geist wie eine Kobra.
Das klingt nicht gut, weil man merkt, wie du dich um eine tiefere Ebene bemühst, es glingt dir nicht diese zu erreichen. Also Quinn kann da rein lesen was er will, aber tief ist die Geschichte allemal nicht, es wird ständig versucht Tiefsinn reinzubringen, in dem auf zukünftige Ereignisse hingewiesen wird und wie sehr dieses Ereignis und dieser Karle die Jungs geprägt haben, aber ich seh das nicht. Eine Szene wird an die nächste gereiht und es findet keine Entwicklung statt, weder innerhalb der Figur noch außerhalb.
„Na dann, du wächst ja noch. Das kannst ihm sicher noch heimzahlen. Du musst immer fest zuschlagen, weißt du?” Der alte Mann ballte eine Faust, schlug in die Luft. „Wenn du zuschlägst, dann immer so fest du kannst. Mit halber Kraft bringt des nichts. Wenn schon, dann richtig.”
Hehe, aber wenigstens ist er lustig.
„Was ist mir dir los?“, fragte der Mann.
Es ist auch komisch, dass die sich so lange kennen und keinen den Schritt wagt, sich dem anderen vorzustellen. Einerseits denke ich mir ist das irgendwie richtig so, weil Ben immer noch der kleine Junge ist und Karle eben der (obdachlose) Alkoholiker und "solchen" Menschen hat man sich nicht anzunähren. Man gibt ihnen höchstens mal paar Cent, sonst findet kein Kontakt statt. Aber andererseits ist ja Ben auch kein normaler Jugendliche, er freundet sich mit ihm an, auch wenn es nur ein paar Worte sind, nichtsdestotrotz lässt er das Genöle seiner Freundinnen über sich ergehen.
Lena wollte nachher vorbeikommen, und ich freute mich schon.
Ich dachte nach Lena Meyer-Landrut würde keine Mutter ihr Kind und kein Autor seine Figur Lena nennen.
doch die Mütze saß so schräg wie eh und je, und als er uns sah, da erwachte er zum Leben. Er grinste richtig, und mir fiel auf, dass es genau dasselbe Grinsen war, dass mir Ben vorhin geschenkt hatte. Wirklich genau dasselbe.
Und hier dachte ich: Oh, jetzt wirds aber symbolisch, metaaaa-Ebene .
Uuund? Keine Ahnung. Wer ist jetzt der Alte? Auf keinen Fall sein Vater, aber er hat eine Bindung zu Ben, die keine andere Figur in der Geschichte hat, nicht einmal der Ich-Erzähler, als Ben verschwindet, tut das auch der Alte, jetzt auch noch dasselbe Grinsen.
„Das versäuft er doch nur”, sagte Clara.
Ben ging weiter, nickte und dann, etwas leiser: „Und ich fick dich doch nur.”
„Was?”
Bam!

So, ist jetzt spät geworden, ich hör auf.
Mir hats nicht so gefallen wie den anderen, ich fands okay, ich fands zu lang, hätte man an vielen Stellen kürzen können, es wird im Überfluss erzählt und dabei ist es nicht einmal wichtig, wen interessierts, ob der Ich-Erzähler malbehindert ist. Das einzig Interessante ist die Figur Karle, seine Beziehung zu Ben und die bleibt aufgrund des Ich-Erzählers irgendwie ungelöst und das ist unbefriedigend. Man kann sich natürlich alles mögliche zu den Figuren dazu interpretieren, aber was nicht in dem Text steht und auch nicht zwischen den Zeilen, das kann ich mir nicht dazu denken. Ist mir insgesamt zu wenig oder die wichtigen Teile gehen einfach in dieser Masse unter. Um in der Sprache deiner Geschichte zu bleiben - sie braucht Salz, da ist zu viel Erde.
Ich finde aber, dass du mit dieser Geschichte schon in die richtige Richtung gehst, und nein, bitte keine lustige Geschichte daraus machen, das wär total blödsinnig.

JoBlack

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ane,


Denn leider erreichst Du mich gar nicht, wenn die Figuren wirklich etwas fühlen (sollen)

Natürlich sollen die was fühlen. Der Ben weint doch die ganze Zeit.

das Salz der Erde ist sowohl bei den Stones als auch in der Bibel eine besondere Angelegenheit.

Vielleiht hast du bei dem Titel etwas anderes erwartet?

Werd da nicht so ganz schlau daraus, aber trotzdem vielen Dank, auch für die Textsachen.

Hallo Quinn,

Amplifizierte? Du machst mich fertig.

Ja, da meine ich glaub auch "to amplify". Das passiert mir manchmal, dass so was da reinrutscht. Klingt halt in meinen Ohren nicht so fremd.


Es ist wirklich die Frage, was Ben nun in Karle sieht, das ist vielleicht rational gar nicht zu erfassen.

Ja, das ist auch etwas, das würde ich nicht aus Bens Sicht erzählen wollen. Das sagst du ja immer wieder, das Ich-Erzähler als "Zuschauer" stärker sind, also wenn die nicht die ganze Zeit über sich selbst reden müssen. Das ist in dem Fall glaub so.
Ich denke, man fragt sich sicher, ob Karle sein Vater ist. Oder ob Ben vielleicht gar keinen Vater hat? Oder ob er das nur cool findet zu Beginn...

Also warum genau zwei Menschen sich letztenendes mögen, ich finde das ist auch etwas, das darf manchmal ein Geheimnis bleiben, oder das soll es auch. Sympathie hat doch auch in der Wirklichkeit eine irrationale Komponente, und das ist auch schön so.

die Frauen sind austauschbar, die ziehen vorbei mit den Kalenderjahren. Das ist etwas, wonach man fragt: hast du die denn noch? Nee, Ja, eigentlich egal. Die werden nie als etwas Bleibendes behandelt, das ist schon ein komisches Motiv

In der zehnten Klasse, da ist die Lena sicher wichtiger als Ben oder Karle oder sonst wer. Aber Dani erzählt diese Geschichte halt viel später,
und ja .. das ist einfach keine Liebesgeschichte. Außerdem ist das halt auch eine Wahrheit, denke ich, viele Frauen, die irgendwann so endlos wichtig waren, irgendwann sind sie einfach weg, nicht die Erinnerung an sie, aber sie selbst schon. Die kann man nicht nach zwei Jahren einfach anrufen und sagen: hey, du bist achtzehn geworden? Cool, gehen wir was trinken!
Und da gehts eben auch ums Erwachsenwerden und ein Mann sein und so... das hast du schon richtig erkannt, dazu gehören auch Frauen, aber ich glaube, wichtiger ist fast, dass man in den Augen der Männer ein Mann wird. Das war sicher auch bei den Indianern so.
Und der Karle hat ja auch keine Freundin oder Frau mehr, das hatte er bestimmt irgendwann mal, jetzt trinkt er sich in den Tod und sie ist weg. Das ist nichts Karlespezifisches, das wird wohl auf alle Penner zutreffen.
Nur der Ben, aus welchen Gründen auch immer, schätzt Karle noch, nicht aus Mitleid, und auch nicht weil er ihn heilen oder verbessern oder Sex mit ihm haben will, er schätzt einfach seine Anwesenheit. Ich denke, da gehts auch um Freundschaft, und die ist in manchen Dingen nicht so anspruchsvoll wie die Liebe.


Ganz großartig in der einen Szene nach Stuttgart. Das ist ja das, was da vor sich geht. Das ist auch etwas, das Frauen ganz genau spüren. Und daran wird auch sein Kram mit den Frauen immer zerbrechen. Er wird keine so weit an sich ranlassen.

Ich mag die Stelle auch. Wenn der Leser das nachvollziehen kann, was da abgeht, freut mich das sehr.

Tragisch

Freut mich, dass du das Wort verwendest.


Was immer mit dir los ist, dass du jetzt so gescheite Geschichten schreibst, das ist eine hoch erfreuliche Entwicklung.

Danke. Ich denke immer, so was soll man nicht laut aussprechen, das ist dann wie ein Fluch, aber ja, ich hab auch das Gefühl, das ist eine fruchtbare Zeit irgendwie, vielleicht habe ich mich tatsächlich weiterentwickelt.
Meine nächste Geschichte "Arschficker von Mars" wird dich sicher umhauen. ;)

Wie immer vielen Dank für deine Gedanken zum Text! Hat mich sehr gefreut.


Hallo Paleo,

"Zweier ohne" kenne ich nicht, muss ich mal googeln.

Ich finde solche Geschichten berührend, wenn man die Beziehung zwischen den Zeilen lesen kann. Das schaffst du. Die Dialoge zwischen den beiden sind ja eher knapp und rauh - und trotzdem spürt an, dass die beiden für einander wahrscheinlich die wichtigsten Freunde des Lebens waren.

Das finde ich toll, dass das so bei dir ankommt.

Schöne Geschichte, habe sie gerne gelese

freut mich

Vielen Dank für deinen Kommentar.

Hallo Anakreon,

doch kommt es etwas pointenartig nach episodischem Alltagslebensverlauf.

Ist halt die Frage, ob man an diesen Episdoden etwas findet oder nicht. Soll nicht pointenartig kommen an der Stelle.

Auf den Begräbnisteil fokussiert und inhaltlich vertieft, wäre es vielleicht eine äusserst witzige Geschichte, so war es mir mehr ein biografischer Abriss.

Also ich habe jetzt einiges geschrieben, wo es Stellen zum Schmunzeln gab, und vielleicht erwartet man das jetzt von mir. Also das soll natürlich eine ernste Geschichte sein, wobei die anderen eigentlich auch ernst gemeint waren (ausnahme Mimi, Kampflesbe) nur ist diese halt eher traurig. Also ja, das ist eine traurige Geschichte ist, und das sollte sie auch sein.

Vielen Dank für deinen Kommentar, auch für den Textkram!

Hallo Friedel,

Das besonders schöne an der Geschichte ist nicht so sehr das vorgestellte Zitat der bescheidenen Stuttgarter fab four, sondern dass der Titel in der Geschichte selbst erklärt ist -

Und ich war mir fast sicher, du würdest mir zwei Seiten lang schreiben, warum ich den olle Jesus falsch zitiert hätte oder so. Schön, wenn "Salz der Erde" bei dir funktionierte.


was mir Zeit gibt, Exile on Main Street aufzulegen

Also wenn die Geschichte dich dazu treibt, Exile on Main Street aufzulegen, dann fühle ich mich als Autor verwirklicht ;)

Auch dir vielen Dank!

Hallo Jo,

Ich würd echt gerne wissen, was es damit auf sich hat. Anscheinend ist es ihm auch peinlich, dass er kein Geld für Karle hat, entweder weils jetzt fast von ihm erwartet wird oder wenn er es nicht macht, dass Karle dann denkt, etwas stimmt nicht oder es stimmt wirklich etwas nicht, vielleicht läufts zuhause nicht so gut, Streit mit der Mutter, sie gibt ihm kein Geld oder sonst was. Es bleibt ein großes Mysterium. Und auch in der schule fühlt er sich unwohl - weswegen auch immer, es bleibt ungeklärt. Es ist halt so und ich muss das als Leser akzeptieren.

Die Colaflasche mag es nicht, wenn er Karle Geld gibt, weil sich das so nicht gehört. Und dann weiß Ben zwischenzeitlich nicht, wie er vorgehen soll. Er entscheidet sich dann, Karle weiter Geld zu geben, und sie zischt.

Kann auch sein, dass er versucht hat mit Karle "Schluss zu machen." Sich von ihm zu lösen, sich den anderen anpassen und Karle zu ignorieren und als er merkt, wie unwohl er sich dabei fühlt, führt er sein Ritual fort, nur eine Annahme und es bleibt bei der Annahme, weils zu wenige Hinweise darauf gibt.

Echt? Muss ich mir nochmal angucken, aber ich dachte das sei klar. Bens Freundin stellt sich zwischen Ben und Karle.


Also, das muss man dir lassen, du hast sie echt unerträglich gestaltet. So wie du sie wahrscheinlich haben wolltest.

Unerträglich wär zu viel, das wollte ich nicht, ich wollte eher zeigen, dass das nicht wirklich gesellschaftlch akzeptiert ist, was der Ben da tut. Und es belibt halt an den Frauen in dieser Geschichte hängen, diese Botschaft zu übermitteln. Ich glaub ich muss mal wieder etwas mit tollen Frauen schreiben, da mach ich mich unbeliebt. Das hätte auch ein Junge sagen können, sagt auch der Dani zu Beginn.

Uuund? Keine Ahnung. Wer ist jetzt der Alte? Auf keinen Fall sein Vater, aber er hat eine Bindung zu Ben, die keine andere Figur in der Geschichte hat, nicht einmal der Ich-Erzähler, als Ben verschwindet, tut das auch der Alte, jetzt auch noch dasselbe Grinsen.

Nein, soll keine Meta-Ebene sein. Vielleicht ist das blöd mit dem gleichen Grinsen, aber ich dachte mir, das ist einfach diese Freude, die da beide haben, wenn man den alten Freund wieder sieht, mehr nicht.

nichtsdestotrotz lässt er das Genöle seiner Freundinnen über sich ergehen.

das fällt jetzt nur dir auf

Also Quinn kann da rein lesen was er will, aber tief ist die Geschichte allemal nicht, es wird ständig versucht Tiefsinn reinzubringen, in dem auf zukünftige Ereignisse hingewiesen wird und wie sehr dieses Ereignis und dieser Karle die Jungs geprägt haben, aber ich seh das nicht. Eine Szene wird an die nächste gereiht und es findet keine Entwicklung statt, weder innerhalb der Figur noch außerhalb.

Ja, Schade. Also "versuchen Tiefsinn reinzubringen", das hat mir echt noch nie jemand gesagt. Ist wirklich nicht meine Art. Ich zeig da einfach kleine Ausschnitte aus den Leben zweier Jungs, und zwar immer in Bezug auf den Penner.


Es ist auch komisch, dass die sich so lange kennen und keinen den Schritt wagt, sich dem anderen vorzustellen.

Ja ... das sind auch so Gedanken, die sind natürlich logisch, aber so ist das halt nicht. Das sind zwei Teenager, und der andere ist halt ein alter Penner, der auf einer Bank sitzt. Ich denke Ben weiß schon, wie er heißt, aber das hat er ihn bestimmt nicht am ersten Tag gefragt. Vielleicht auch nicht im ersten Jahr, oder in den ersten Zwei. Das kann ich jetzt auch nicht erklären, warum das so ist. Wenn das für dich keinen Sinn macht, das ist das halt so. Frauen würden da vielleicht tagelang quatschen und gleich bei der Sozialamt anrufen und Karle in eine Suchtklinik überweisen wollen oder so. Auf eine Art ist das menschlicher, weil ambitionierter. Es ist aber auch irrationaler. Und wertender.


„Na dann, du wächst ja noch. Das kannst ihm sicher noch heimzahlen. Du musst immer fest zuschlagen, weißt du?” Der alte Mann ballte eine Faust, schlug in die Luft. „Wenn du zuschlägst, dann immer so fest du kannst. Mit halber Kraft bringt des nichts. Wenn schon, dann richtig.”

Hehe, aber wenigstens ist er lustig.


war gar nicht witzig gemeint.


Ich dachte nach Lena Meyer-Landrut würde keine Mutter ihr Kind und kein Autor seine Figur Lena nennen.

Jetzt echt? Ich wollte schon immer eine Freundin haben, die Lena heißt. Ich weiß nicht, wie das kommt. Eines Tages werde ich eine tolle Lena finden und sie heiraten.

ich fands zu lang,

Und ich dachte mir sie ist zu kurz. Die Geschicht umspannt zehn Jahre oder so.

Also die Geschichte kommt einfach nicht bei dir an. Du kannst nichts mit den Figuren anfangen, verstehst nicht, warum dies oder das wichtig für die wichtig ist, die Gespräche sind nur Gequatsche für dich.
Ist nicht deine Schuld, ist halt so.
Es liegt nicht an dir, Baby, es liegt an mir ;)

Also gerade die Stelle, wo Karle zu ihm sagt: Hey pass auf, Junge, du wächst ja noch, und wenn du dann zuschlägst, dann nicht halbherzig, hau ihn um.
Also gerade solche Sachen, die klingen vielleicht doof oder banal in unseren Ohren, da lachst du ... Aber wenn du 15 Jahre alt bist, und gerade voll auf die Fresse bekommen hast, und dich schämst, weil du verloren hast, und dann machen dich alle fertig machen, weil du dich überhaupt geschlagen hast ... und dann sagt dir ein alter Mann, dass du noch wächst und du halt richtig zuschlagen musst, dann wird das schon, dann klingt das ganz anders in deinen Ohren. Und wie viele Leute werden Ben das gesagt haben an dem Tag?


Wie immer vielen Dank für deinen Kommentar, Jo.

Und nochmal Danke an alle, auch für dir Korrekturen, hat mich sehr gefreut.


MfG,

JuJu

 

Natürlich sollen die was fühlen.
Das habe ich vermutet.

Der Ben weint doch die ganze Zeit.
Dass Ben traurig sein soll, das habe ich auch so verstanden. Ich kann ansatzweise verstehen, warum ihm Karle soviel bedeutet, als er von einem wirklichen Gespräch oder Austausch erzählt:

„Karle mag kein Hip-Hop.“
„Was mag Karle?“
„Er mag die Stones.“
„Die Stones?“
„Ja.“
„Aber ...“ – ich musste lächeln – „die haben doch auch lange Haare.“
Ben grinste. „Das hab ich ihm auch gesagt.“
„Und was meinte er?“
„Dass Mick Jagger ja auch wie ein Mädchen aussehe.“
Wir sahen Karle an, lachten beide.

aber das erscheint mir für die Länge der Geschichte zu wenig.

Vielleicht hast du bei dem Titel etwas anderes erwartet?
Irgendwas werde ich sicher erwartet haben, denn schließlich weckt jeder Titel irgendeine Erwartung. Mehr aber auch nicht.

Werd da nicht so ganz schlau daraus
Trotzdem gern geschehen.

 

Ein starker Titel, dem keine starke Geschichte folgt. Sie plätschert dahin, Unwichtiges wird erzählt, und selbst als am Ende spürte ich keine Steigerung. Dabei ist die Geschichte formal in Ordnung. Na ja, nicht ganz. Es gibt keinen richtigen Protagonisten: Mal ist das Ben, mal Karle, mal der Ich-Erzähler.
Es wird weit in die Vergangenheit ausgeholt, und ich dachte, okay, das wird schon wichtig sein, später, um die handelnden Personen richtig kennen zu lernen, ihre Handlungen zu verstehen. Aber am Ende ist man so klug wie zuvor. Obwohl dauernd von Ben und Karle die Rede ist, weiß man weder, woher Ben kam oder warum er den alten Mann immer wieder mit Kleingeld versorgte, noch warum der Penner trank. Nichts von dem, was einen Leser interessiert, erfährt man. Lediglich den Ich-Erzähler versteht man etwas mehr, obwohl auch der blass bleibt, scheint auch er, wie Ben und Karle, ohne Familie zu sein.
Beste Freunde sollen sie sein, Ben und der Ich-Erzähler, aber da gibt es keine Emotionen, allenfalls behauptete. Also die Geschichte ist lang, geht über schätzungsweise 10 Jahre, und was passiert da? Nichts. Gut, der Penner ist am Ende tot, Ben war 3 Jahre verheiratet, aber das wird nur berichtet, nicht erzählt. Die ganze Zeit wartet man, dass Wichtiges kommt, dass etwas passiert, und als es passiert, geht es wieder nur um Äußerlichkeiten, um den Kampf mit der Todesstarre und den Blasen an den Händen. Das ist zu wenig.

 
Zuletzt bearbeitet:

Also bei dieser Geschichte ist das schon interessant. Entweder ist fast alles gut oder fast alles schlecht. Komisch.

Hallo Sirius, Hallo Ane,

Dabei ist die Geschichte formal in Ordnung. Na ja, nicht ganz. Es gibt keinen richtigen Protagonisten: Mal ist das Ben, mal Karle, mal der Ich-Erzähler.

Okay, ist das jetzt irgendein Gesetz von dem ich nichts weiß? Es muss in jeder Geschichte einen klaren Protagonisten geben, der wichtiger ist als alle anderen Charaktere, ansonsten ist sie formal nicht in Orndung? So wie es in jeder Fußballmannschaft einen Kapitän geben muss?


Ich kann ansatzweise verstehen, warum ihm Karle soviel bedeutet, als er von einem wirklichen Gespräch oder Austausch erzählt:

aber das erscheint mir für die Länge der Geschichte zu wenig.


Obwohl dauernd von Ben und Karle die Rede ist, weiß man weder, woher Ben kam oder warum er den alten Mann immer wieder mit Kleingeld versorgte, noch warum der Penner trank. Nichts von dem, was einen Leser interessiert, erfährt man.

Also das wundert mich wirklich, dass manche so wenig mit Karle und Ben anfangen können. Das ist eine sonderbare Beziehung, aber trotzdem: Ist es so schwer zu glauben, dass ein Junge es schätzen könnte, wenn es einen älteren Mann in seinem Leben gebe, der jeden Tag da ist? Der sogar auf ihn wartet, morgens wenn er aufsteht, und nachmittags, wenn er von der Schule heimkommt. Einer, der sich für ihn interessiert und ihm Ratschläge gibt (ganz egal wie schlecht sie sind), und wissen will, warum er komische Haare hat, und dreckig lacht, wenn er Frauen aufreißt, jemand, der ihm beim Aufwachsen zuschaut, und es gerne tut ...
Ist das nicht etwas, dass ein Junge schätzen könnte?
Und kann man sich nicht vorstellen, dass ein alter Mann, der trinkt und nichts mehr hat, es sehr zu schätzen wüsste, wenn es einen Jungen in seinem Leben gebe, der ihn nicht für Abschaum hält, der ihm zuhört und ernst nimmt, dem dessen Worte etwas bedeuten..

Warum muss man erklären, warum Penner trinken? Oder warum manche Jungs diese Bedürfnisse haben?
Ich finde das ist Quatsch. Ich muss doch auch nicht erklären, warum Ben Clara vögeln möchte. Das versteht sich doch auch von selbst.

Vielleicht täusche ich mich, und das ist megaverschlüsselt, oder ich interpretiere da irgendwas hinein, aber ich glaube nicht. Das steht doch alles da, dick und fett.


Also ich glaube der Knackpunkt dieser Geschichte ist die Beziehung zwischen Karle und Ben. Das ist das Besondere an der Geschichte, das Außergewöhnliche, das, was mir dran gefällt, und wenn man damit nichts anfangen kann, wem das zu weit geht oder die Vorstellung sprengt, wenn das alles bla bla ist und sonst nichts, auch weil Penner in unserem Unterbewusstsein irgendwie was Niederes sind ... dann wird es schwer.
Und wenn man dann noch bei dem Titel eine nette Bibelstory mit einer Botschaft erwartet, eine Geschichte, die allem einen "Grund" zuordnet, mit Gut und Böse und so, kuschelig und einfach, wenn man gern hören würde, dass Karle eigentlich ein ganz toller Mensch war, dem etwas ganz Schlimmes passiert ist und nur deswegen zu trinken angefangen hat (so wie in glaub jedem Hollywood-Film, in dem es je einen Penner gab), also wenn man so was erwartet, und dann hat Jesus nichts Besseres zu berichten, als dass man uns zertreten wird, sobald wir unseren Geschmack verlieren ... also wenn das alles auf dich zutrifft, da kannst du glaub nicht so viel mit der Geschichte anfangen.
Aber vielleicht interpretiere ich da zu viel hinein :)

Vielen Dank für eure Kommentare, haben zum Nachdenken angeregt.

MfG,

JuJu

 

Diese Geschichte ist keine Geschichte. Als erstes könnte man den Mangel an einen Protagonisten nennen, mit dem man sich als Leser identifizieren könnte. Trotz jahrelangen Beziehungen der drei Hauptpersonen untereinander erfährt man nichts Essentielles über sie. Dies ist mMn der mangelnden emotionalen Ebene geschuldet: Sie existiert praktisch nicht, obwohl Ben und der Ich-Erzähler angeblich beste Freunde seien. Alles bleibt an der Oberfläche, auch die Dialoge bringen’s nicht.

Der ganze Text ist höchstens ein Bericht über das Erwachsenwerden, jedoch keine Erzählung darüber. Auch der zuweilen gelobte Abschnitt über Stuttgart reißt es nicht heraus. Ganz im Gegenteil: Es steht geradezu exemplarisch für den ganzen Text – Zitat:

Deutscher Hip-Hop war zu der Zeit voll in, und Stuttgart war, das glaubt man kaum, die Hauptstadt der Szene. Fanta Vier, Freundeskreis, Massive Töne ... alle aus Stuttgart. Ich war seit einer Woche achtzehn, hatte auch schon gefeiert, doch als ich am Stuttgarter Hauptbahnhof aus dem Zug stieg und die große Halle durchschritt, als ich all die jungen Menschen sah, den Alkohol roch, das Gelächter hörte ... da wusste ich, dass ich volljährig war.
Über so manchen Geburtstag habe ich mich schon gefreut, doch nie so sehr über einen wie in diesem Augenblick. Ich spürte es kribbeln in den Fingern, mein Herz schlug gegen meine Brust. Eine Handbremse war gelöst worden, und ich war mehr als bereit, Fahrt aufzunehmen. Rückblickend war dieser Ausflug nach Stuttgart vielleicht das coolste Geburtstaggeschenk, das ich je bekommen hab.
Ben lachte. „Wir sind noch nicht mal da, Mann.“

Er kannte sich wirklich aus. Er quatschte mit den Türstehern, stellte mir Unmengen vor, zeigte mir zwei, drei Bars, und nahm mich mit in die „Röhre“. Wir tranken Bacardi aus der Flasche, bouncten auf der Tanzfläche und fühlte uns einfach nur verdammt cool.

Ich kann beim besten Willen darin nicht mehr als einen Bericht erkennen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dion,

Diese Geschichte ist keine Geschichte

Die Stelle, die du mir zeigst, wo der Erzähler sich kurz die Zeit nimmt, das Ganze zeitlich einzuordnen, wo die Handlung schnelll abgerissen wird, das ist doch in jedem Text der Welt so, in dem eine große Zeitspanne überbrückt wird. Das geht teilweise seitenlang: Ich wohnte hier und dort, und ging zur Arbeit, und machte dies und jenes, und der Krieg tobte noch immer, und meine Schwester war gestorben, und bla bla bla .. und jetzt gehts endlich wieder weiter mit der Handlung. Hast du noch nie einen Roman gelesen?
Bei mir sind es doch immer nur ein, zwei Sätze.

Du ignorierst einfach den ganz großen Rest, der nicht in diesem Stil abgehalten wird. Also wirklich den ganz ganz großen Rest. Scroll da doch mal durch. Der Text besteht doch zu mindestens 50% aus Dialog. Der Rest ist die Beerdingung, der letzte Absatz, und zwei Stellen, wo über Karle und Ben geredet wird... und dann willst du mir erzählen, es sei ein Bericht. Ich weiß nicht, wie ernst ich das nehmen soll.
Also wenn dir der Text nicht gefällt, oder er dich ankotzt oder was weiß ich, dann sag doch einfach: Hey JuJu, ich find den Text Scheisse, find ihn langweilig, geht mir voll auf den Sack, die Jungs sind mir unsympathisch, du mir auch ein bisschen, was weiß ich ... damit kann ich was anfangen. Aber irgendwelche Kritikpunkte zu suchen, die keinen Sinn machen, das verstehe ich nicht.
Auch was es mit dem "mangelnden Prot" auf sich hat, dass du das jetzt auch aufgreifst .. das checke ich nicht. Du kannst dich nicht mit den Charakteren indentifizieren .... ja, das macht Sinn. Aber mangelnder Prot? Chemiebücher haben einen mangelnden Prot.

Dies ist mMn der mangelnden emotionalen Ebene geschuldet: Sie existiert praktisch nicht, obwohl Ben und der Ich-Erzähler angeblich beste Freunde seien. Alles bleibt an der Oberfläche, auch die Dialoge bringen’s nicht.

Ja schade. Also das stimmt schon ... da wird nicht viel ausgesprochen zwischen den Jungs und Karle, da sagt keiner zum anderen: Hey, du bedeutest mir echt viel, Homie. Das ist glaub so, weil das auch so Dinge sind, die Jungs nicht immer aussprechen. Wenn mich ein alter Kumpel nach zwei Jahren anruft, und nichts weiter von mir will, als zu wissen wie's mir geht und so ... also ein viel größeres Kompliment kann mir kein Freund machen. Aber vielleicht ist das nur meine Welt. Andere würden da vielleicht sagen: Ja hey, wenn ich dir was bedeute, warum rufst du erst jetzt an? Warum nicht schon letzte Woche oder so? Hast du etwa ein Leben?
Ach keine Ahnung. Ich will nicht kritikresistent klingen, aber für mich persönlich steckt da einfach unheimlich viel Emotion in dem Text drin, anders kann ich das nicht sagen. Wenn das so gar nicht bei dir ankommt, finde ich das sehr Schade. Ich denke da auf jeden Fall drüber nach.


Vielen Dank für deinen Kommentar.

MfG,

JuJu

 

Salü JuJu,

schon vor ein paar Tagen las ich diese Geschichte, brach dann kurz vor der Beerdigung Karles ab, weil mir der leicht schnodderige Tonfall sehr unter die Haut ging. Jetzt hab ich sie fertig gelesen … Ich sah sie vor mir: Ben und Dani auf dem Schulweg und auf dem Weg ins Erwachsenenalter. Nur ja alles cool nehmen, nur ja nicht zeigen, was einem ‚irgendwie‘ weh tut und sicher nicht darüber reden. Alles ist ,irgendwie‘ in diesem Alter. Man kann sich nicht festlegen, wie soll man auch, mit was denn? Das Leben ist noch zu gross, zu unübersichtlich, zu wenig durchschaubar. Und die Gefühle … Wie soll man sie verstehen, wie einordnen? Alles läuft so. Was will man darüber reden? Es läuft nicht gut und nicht richtig mit dem Karle, aber ‚irgendwie‘ wohl doch, sonst würde man sich ja kümmern um ihn. Man tut es nicht, vielleicht helfen ein paar Pfennige …
Das ganze Drama aus der Sicht zweier Kinder, die ‚irgendwie‘ erwachsen werden und ‚irgendwie‘ Freunde bleiben, wie da so ist im Leben ...

Mir hat deine Geschichte bis ins Detail gefallen. Sie ist aus ‚grobem Holz geschnitzt‘ und hat einen fein ziselierten, sehr sensiblen Kern. In den Dialogen kommt alles zum Tragen, was es braucht, um den beiden zu folgen, sie zu sehen, zu hören und sie eben in ihrem ‚irgendwie‘ zu verstehen.

Kleinkram:

„Vielen Dank, Junge!“
„Bitte Schön.“
„Bitte schön.“
„Wenn du zuschlägst, dann immer so fest du kannst. Mit halber Kraft bringt des nichts.
… bringt das nichts
Er bekam eine neue Freundin, würde sechzehn und
wurde sechzehn
Er wollte wissen, was mit Lena passiert war. Ich fragte, was mit Sina passiert war.
beide Male: passiert sei

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Hey Juju,
ohne dich jetzt nerven zu wollen, aber ich denke, dass es nötig ist, noch etwas zu sagen, nicht dass du denkst, wir sind hier alle zu doof, um das nicht verstehen zu können, was du rüberbringen wolltest.
ERstmal: Natürlich ist das eine Geschichte und kein Bericht. Die Aussage ist, glaub ich, eher provozierend als ernst gemeint. Aber ein Körnchen Wahrheit hat das ganze, es wird gesagt, was die Jungs gemacht haben, aber immer nur berichtend, du nimmst dir keine Zeit eine Szene zu gestalten, zu reflektieren; was die Jungs denken, wie die sich fühlen, was die gerne machen würden, was sie mögen und was sie hassen ... ja, das ist wichtig, um als Leser Sympathien oder Identifikation mit der Figur herzustellen. Es gibt immer nur Ausschnitte, wie Ben mal verprügelt wird, die Lateinarbeit verkackt oder mit einem Mädel an Karle vorbei läuft, aber das ist es ja, er läuft nur an ihm vorbei und da werden ein paar Worte ausgewechselt. Das ist keine Beziehung.
Vor allem weiß ich als Leser nicht, in welcher Welt Ben lebt, also, warum gerade ein Penner für ihn so wichtig wird, wo sind die Erwachsenen in seinem Leben? Mutter, Vater, großer Bruder, Onkel, Patenonkel ... natürlich muss er die nicht haben, aber das ist ja nicht der Normalfall. Die drei sind losgelöst von allem anderen, insofern kann der Leser nicht entscheiden, wie wichtig jetzt gerade die Beziehung der beiden in Relation zu denen der anderen ist, weil es die anderen Beziehungen nicht gibt. Es gibt kein Umfeld - und genau das fehlt hier für mich. (Die Mädchen zähle ich nicht dazu, die sind ein Sonderfall)

Also das wundert mich wirklich, dass manche so wenig mit Karle und Ben anfangen können. Das ist eine sonderbare Beziehung, aber trotzdem: Ist es so schwer zu glauben, dass ein Junge es schätzen könnte, wenn es einen älteren Mann in seinem Leben gebe, der jeden Tag da ist? Der sogar auf ihn wartet, morgens wenn er aufsteht, und nachmittags, wenn er von der Schule heimkommt. Einer, der sich für ihn interessiert und ihm Ratschläge gibt (ganz egal wie schlecht sie sind), und wissen will, warum er komische Haare hat, und dreckig lacht, wenn er Frauen aufreißt, jemand, der ihm beim Aufwachsen zuschaut, und es gerne tut ...
Ist das nicht etwas, dass ein Junge schätzen könnte?
Aber das ist doch der Knackpunkt, warum holt sich Ben ausgerechnet von einem Penner diese "Liebe und Freundschaft"? Ich meine, natürlich ist das nichts Verwerfliches, aber dahinter steckt eine Geschichte und die bleibt unerzählt. Für das, was du beschreibst, hat man einen Vater oder einen Cousin, einen älteren Bruder, warum ausgerechnet der obdachlose Alkoholiker.
Und kann man sich nicht vorstellen, dass ein alter Mann, der trinkt und nichts mehr hat, es sehr zu schätzen wüsste, wenn es einen Jungen in seinem Leben gebe, der ihn nicht für Abschaum hält, der ihm zuhört und ernst nimmt, dem dessen Worte etwas bedeuten..
Jau, das kann sein, daran würd ich auch nie zweifeln.
Also ich glaube der Knackpunkt dieser Geschichte ist die Beziehung zwischen Karle und Ben. Das ist das Besondere an der Geschichte, das Außergewöhnliche, das, was mir dran gefällt, und wenn man damit nichts anfangen kann, wem das zu weit geht oder die Vorstellung sprengt, wenn das alles bla bla ist und sonst nichts, auch weil Penner in unserem Unterbewusstsein irgendwie was Niederes sind ... dann wird es schwer.
Naja, außergewöhnlich heißt jetzt nicht unbedingt gut. Und um was damit anfangen zu können, muss man das, was da steht nachvollziehen können, kann ich jetzt nicht, weil mir das zu kurz greift. Bens Motiv ist völlig unklar, wenn es nur die Freundschaft ist, dann ist das jetzt viel Tamtam um nichts ... oh, ein Schuljunge freundet sich mit einem Penner an. Dabei wird einem nicht mal die Freundschaft gezeigt, ein paar Worte werden ausgetauscht mehr nicht. Ich kann mir vorstellen, dass Ben sich zuhause viele Gedanken um Karle macht und Karle so in seiner Vorstellung zu mehr wird, als er es in Echt ist, aber auch das steht da nicht drin. Natürlich muss nicht alles da drin stehen, aber das ist ja das Hauptthema der Geschichte, das müsste irgendwie drin stehen. Deshalb ist für mich die Beerdigungsstelle die stärkste, weil das ein Akt echter Freundschaft ist. Da sieht man, dass Karle ihm viel bedeutet, sonst hätte er die Polizei gerufen und das wärs, aber nein, er übernimmt das selbst, wie es sich für einen Freund gehört.

Ja. Ich hab jetzt auch wahnsinnig viel vergessen, was ich schreiben wollte, aber gut, das reicht auch fürs erste oder zweite.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gisanne,

Nur ja alles cool nehmen, nur ja nicht zeigen, was einem ‚irgendwie‘ weh tut und sicher nicht darüber reden.

Ja, ich glaube das ist ein wichtiges Motiv.

Sie ist aus ‚grobem Holz geschnitzt‘ und hat einen fein ziselierten, sehr sensiblen Kern.

Das ist toll, wenn das so bei dir ankommt.

wie da so ist im Leben ...

Ganz genau.


Mir hat deine Geschichte bis ins Detail gefallen.

Das freut mich sehr. Ich glaub ich hab noch nie so ganz unterschiedliche Kommentare zu einer Geschichte bekommen, das ist schon verrückt irgendwie.

Vielen Dank für deinen Kommentar.


Hallo Jo,

Nein, du nervst nicht. Danke für die erneute Rückmeldung.

nicht dass du denkst, wir sind hier alle zu doof, um das nicht verstehen zu können, was du rüberbringen wolltest.

Nein, das denke ich nicht.


Aber das ist doch der Knackpunkt, warum holt sich Ben ausgerechnet von einem Penner diese "Liebe und Freundschaft"?

Also manchmal schreibt man eine Geschichte, und man hat ganz viele Dinge im Kopf, und am Ende ist es doch nur ein Gefühl, das das Ganze leitet. Ich glaube, es geht hier irgendwie um Verlust, Verlust der Jugend, Verlust des Alten, es geht ums Mann werden, ums Erwachsen werden, und vielleicht auch ein Stück weit darum, dass man am Ende tot ist ...
Ich weiß auch nicht genau, warum Ben den Alten so sehr mag, warum er so verdammt stur ist, sich an den klammert ... aber es ist halt so. Mehr kann Dani auch nicht sagen. Er ist vielleicht deswegen sein bester Freund, weil er versteht, dass das einfach so ist, und dass man da nicht nachzuhaken braucht, dass man das einfach so lassen muss.
Natürlich könnte man da mehr schreiben, mehr erklären, mehr reflektieren, das habe ich auch gespürt, aber ich dachte immer wieder: Nein, das passt nicht. Wenn ich jetzt sage: Ben hat keinen Vater! Seht her, Leute! Deswegen macht er das! Das ist der Grund! Oder wenn Ben Karle von Nazis retten muss oder was weiß ich … dann wäre das alles gestelzt und gelogen. Das sind Effekte, das sind Aussagen, das sind andere Geschichten, das hier ist etwas anderes. Ich bin die Stellen immer wieder aus dem Weg gegangen, wo es um Gründe geht. Ben behauptet, er hätte Karle nie gefragt, warum er obdachlos ist ... Ben antwortet nicht, als die Freundin fragt, warum er ihm Geld gibt. Dani traut sich nicht, Ben zu fragen, warum er so still in der Schule ist, auch nicht, dass er glaubt, dass sie es nicht packen … lieber packt man es einfach nicht. Das zieht sich so durch.
Da ist etwas Passives drin, etwas Resigniertes. Man hat aufgehört, für alles eine Erklärung zu suchen. Es läuft halt so irgendwie ... man wird älter, Karle trinkt weiter, so oder so, die Freundinnen kommen und gehen, die Jugend war schon cool irgendwie, und jetzt ist es vorbei, so wie das Leben irgendwann, so wie Karles Leben. Das ist nicht aufzuhalten.
Wie geht’s dir Alter?
Pass schon, alles cool …
Das Geschichte wird ja auch nicht von einem Sechszehnjährigen erzählt ... und vielleicht sind das auch gar nicht die normalsten Teenager.

Ich kann jetzt verstehen, wenn das alles verdammt unbefriedigend für dich ist, dass du da auch was anderes lesen möchtest, dass du gerne Action und Farben und Gründe hättest. Das hab ich auch gern. Das ist ja auch was sehr Menschliches, das ist ja auch das Schöne an Religion. Da hat alles immer einen Grund, Sein Wille geschehe und so. Das Zitat von Jesus, das für micht gar nicht nach Jesus klingt, den habe ich nicht zufällig gewählt, und wenn man den Song von den Stones sich mal bei Gelegenheit auf Youtube reinzieht, dann ist das auch so ... das ist ein verdammt trauriger Song, da geht’s nicht darum die „Salt of the Earth“ (Die Arbeiterklasse auf Englisch, das einfache gute ehrliche Volk) zu helfen, das ist nicht Marx, das ist nicht 68, das ist einfach nur traurig und resigniert und zynisch.

Vielleicht ist Karle die Vaterfigur, die man nicht haben sollte, vielleicht denkt Ben so weit voraus, und sieht sich selbst in Karle, alt und alleine, ein einsamer Trinker, der die Frauen hinterhergafft. Ich glaube nicht, dass es Schuljungen gibt, die so was denken können, dass die Empathie so weit reicht, aber was wenn?
Vielleicht ist das nur jugendlicher Protest, der sich komisch auswirkt. Vielleicht ist Karle nur deswegen so besonders, weil er jeden Tag da ist, Ben sich an ihn gewöhnt hat und nun das Bedürfnis hat, dass das so bleibt, dass die Dinge ein paar Tage länger so bleiben, der will einfach, dass Karle bis in alle Ewigkeit jeden Tag da ist. Vielleicht tut er ihm auch einfach nur leid.

Aber ganz egal was es ist, ich bin mir ziemlich sicher, wenn Dani eines Tages Ben in die Augen schaut und sagt: Hey hör mal zu, Alter, was genau ist das mit Karle und dir?
Dass er da keine richtige Antwort bekommt. Das geht fast gar nicht. Und ich glaube, Dani weiß das auch. Er sieht, was er sieht, und akzeptiert das einfach. Schon damals war er so, und deswegen sind sie Freunde.

Also ich glaube, dass diese und ähnliche Gefühle mich beim Schreiben geleitet haben, kann ja auch nicht jeden Tag einen auf Julez machen. Ich freue mich sehr, wenn etwas davon angekommen ist, wenn einige mit der Geschichte was anfangen konnten.

Die Geschichte ist nicht sexy, sie ist nicht witzig, sie funktioniert nicht über die Spannung, sie ist nicht gruselig, und die Sprache haut auch niemanden um.
Ich denke fast, die Geschichte muss den Leser irgendwie berühren, es müssen Gefühle ankommen, damit sie funktioniert, was anderes kann sie kaum leisten. Das sind hohe Ziele, aber ich glaube, so ist sie ausgelegt.
Freut mich sehr, wenn Gisanne da einen sensiblen Kern erkennt, wenn Quinn von Wehmut und Tragik spricht, wenn Paleo die Beziehung zwischen den Zeilen spürt.
Wenn das funktioniert, dann mag man die Geschichte glaub auch, und wenn sie dich nicht berührt, dann lässt sie dich eben kalt. Dann fragt man sich, warum so wenig passiert. Da runzelt man die Stirn, und sucht nach Erklärungen, da denkt man an all die tollen Sachen, die es in guten Geschichten gibt, und die nicht in dieser sind. Da will man irgendwie mehr.
Ich glaube, das erklärt die ganz unterschiedlichen Kommentare zu der Geschichte. Da ist ja so ein Schwarz-Weiß Muster drin, Daumen hoch oder Daumen runter. So ist die Geschichte halt. Wie eine Stones-Ballade, gefällt mir, oder weg damit. Spiel doch lieber Brown Sugar.

Danke Jo.

MfG,

JuJu

Also mir fällt gerade ein, ich hatte ich der ersten Fassung einen Satz drin, als Dani meint, dass sie dasselbe Grinsen haben, da meint er kurz: Manchmal denke ich, es war dieses Grinsen, das sie verband. Ich glaube, das haue ich wieder rein. Da sieht man vielleicht, dass Dani es auch nicht so genau weiß, es könnte also nur irgendwie ein Grinsen sein oder so was, also nichts Spezifisches ... da kann sich der Leser vielleicht besser damit abfinden. Dann hat sich Dani auch schon mal deswegen Gedanken gemacht, und es ist nicht so, dass er dem Leser was vorenthält, er weiß es halt auch nicht genau. Dann ist das etwas ... das können letztenendes nur Karle und Ben wirklich verstehen. Ja, ich glaub das gefällt mir.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JuJu,

Eines Tages, wir kannten uns vielleicht einen Monat, erwartete er mich mit einem breiten Grinsen unter dem Klettergerüst. Es war dunkel.
Sie gehen kurz darauf in die Schule, d.h. es ist morgens. Ich würde ein "noch" einfügen, sonst ist man irritiert und denkt, es wäre Abend.

Er bekam eine neue Freundin, würde sechzehn und hatte keinen Bock mehr auf Latein.
wurde

Er quatschte mit den Türstehern, stellte mir Unmengen vor, zeigte mir zwei, drei Bars, und nahm mich mit in die „Röhre“.
Unmengen was? Türsteher?

Da hätte ich ihm glatt ne Faust geben können.
Das Flapsige finde ich allegmein okay, hier aber zu hart. Allerwenigstens einen Apostroph.

Ich studier so vor mich hin, mach grad mein Master.
Ebenso hier: zu flapsig für mich.


Ich bin zwiegespalten. Einerseits mag ich die Geschichte, dieses Rückblickende, manchmal Nostalgische. Es ist dir gut gelungen, den Handlungszeitraum zu raffen, die Dialoge sind gut und einige Szenen sind klasse. Andererseits kann sich die Geschichte in meinen Augen nicht recht entscheiden, welchen Weg sie wählen soll.
Soll ein allgemeiner Abriss der Jugend gegeben werden, oder liegt der Fokus auf Karle? Ich gehe mal davon aus, dass letzteres der Kern war. Dann finde ich zuviel Alltägliches drumrum erzählt. Ben und Dani wachsen auf, Musik, Party, Mädels usw., ja, aber das ist alles so standard, alltäglich eben, nicht gerade spannend.
M.E. wäre die Geschichte stärker, wenn du diesen Rückblick auf die Karle-Sache beschränken und dafür tiefer gehen würdest.
Dazu: Das ist schon eine interessante Sache mit dem Karle, diese Beziehung zwischen Ben und ihm. Hier wurde ja schon sowohl gut als auch schlecht gefunden, dass das nicht richtig aufgelöst/erklärt wird. Ich bin der Meinung, dass es mehr unterfüttert werden sollte, sofern es eben den Kern darstellt. Ansonsten könnte das z.B. auch in Richtung so einer "Meine erste Konfrontation mit einem Toten"-Geschichte gehen. Und wenn du mehr auf die Beziehung eingehst, psychologisch, emotional, philosophisch, was weiß ich, könntest du letzten Endes viel mehr aussagen.

Soweit meine spontanen Gedanken dazu. Also eine gute, für mich etwas unentschlossene Geschichte mit Potenzial.

Viele Grüße,
Maeuser

Ach so: Ich fand's durch die Einteilung in kleine Häppchen sehr angenehm zu lesen.

 

Hallo JuJu,

von mir nur eine kurze Rückmeldung, weil schon sehr viel zur Geschichte (!) gesagt wurde. Mir geht es eher wie Quinn. Mir gefällt die Geschichte gut, ich mag den lakonischen Ton. Mir sind die Charaktere auch nicht zu flach. Alles, was für diese Geschichte wichtig ist, ist durchaus da. Schließlich trägt auch das, was nicht gesagt oder getan wird, zu einer Charakterisierung bei.

Mir fehlt auch am Ende nichts. Natürlich macht man sich als Leser Gedanken, was Karle widerfahren ist, damit er zu dem wurde, was er ist (war). Natürlich macht man sich auch Gedanken darüber, was diese Verbundenheit zwischen Ben und Karle auslöst und ausmacht. Aber muss die Geschichte diese Fragen zwingend beantworten? Nein. Ich finde es konsequent, das offen zu lassen. Es macht die Geschichte auch wesentlich authentischer. Ich denke, das kennt jeder: Manche Fragen stellen sich eine Zeit lang nicht so dringend oder man denkt sich, das könne man ja immer noch mal fragen. Gerade in jungen Jahren denkt man sich, man hätte alle Zeit der Welt. Und plötzlich ist es zu spät. Ich kenne einige, deren Großeltern gestorben sind und die sich dann sagen: "Ach, hätte ich doch mit ihnen über den Krieg / meine Familiengeschichte / ihren Werdegang / whatever geredet." Sie haben es aber nie getan. Von daher: Durchaus nachvollziehbar. Sprachlich kann man hier und da noch glätten, aber dazu gibt es ja schon viele Hinweise.

Viele Grüße
Kerstin

 

Hallo Maeuser,


Soll ein allgemeiner Abriss der Jugend gegeben werden, oder liegt der Fokus auf Karle? Ich gehe mal davon aus, dass letzteres der Kern war.

Kann schon sein, Karle und Ben, das war wohl irgendwie der Kern, aber ich weiß nicht, ob der Abriss der Jugend von Karle so leicht zu trennen ist. Ich denke, Karles Figur ermöglicht diesen Abriss erst, nur deswegen funktioniert das überhaupt. Und wenn man die Jugend weglässt ist das eine andere Geschichte ... aber danke für die Anregung, ich denke drüber nach.

Das Flapsige finde ich allegmein okay, hier aber zu hart. Allerwenigstens einen Apostroph.

Ja, vielleicht könnte man hier und da etwas korrekter sein, geht wohl nicht viel dabei verloren.

Es ist dir gut gelungen, den Handlungszeitraum zu raffen, die Dialoge sind gut und einige Szenen sind klasse

freut mich

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

Hallo katzano,

weil schon sehr viel zur Geschichte (!) gesagt wurde.

Wie muss ich dieses Ausrufezeichen deuten? Insider? Ironisch? Sarkastisch? Feststellend?

Weil manchmal denke ich, ich sage etwas zu viel zu den eigenen Geschichten, ist besser, man ist als Autor still, da können die Leser eigene Gedanken formen und so ... da versuche ich mich auch möglichst lange dran zu halten, aber irgendwann, wenn man etwas Distanz zu der Geschichte bekommt, macht es halt auch Spaß, die Wirkung und so weiter zu analysieren. Bei dieser Geschichte hier besonders, weil die Kommentare sehr unterschiedlich sind.
Und manche Dinge sieht man auch erst mit der Zeit. Außerdem ist es ein Schreibforum... der Kontakt zu den Autoren/Lesern und deren Gedanken macht wohl auch was her.
Aber kann schon sein, vielleicht sollte ich manchmal nicht so viel sagen. So wie jetzt. Wahrscheinlich war das mit dem Ausrufezeichen gar nicht so gemeint, und ich führe hier ein Selbstgespräch. :)
Hast du das so gemeint?

Aber muss die Geschichte diese Fragen zwingend beantworten? Nein. Ich finde es konsequent, das offen zu lassen. Es macht die Geschichte auch wesentlich authentischer. Ich denke, das kennt jeder: Manche Fragen stellen sich eine Zeit lang nicht so dringend oder man denkt sich, das könne man ja immer noch mal fragen. Gerade in jungen Jahren denkt man sich, man hätte alle Zeit der Welt. Und plötzlich ist es zu spät. Ich kenne einige, deren Großeltern gestorben sind und die sich dann sagen: "Ach, hätte ich doch mit ihnen über den Krieg / meine Familiengeschichte / ihren Werdegang / whatever geredet." Sie haben es aber nie getan. Von daher: Durchaus nachvollziehbar

Das freut mich sehr. Das habe ich auch so empfunden, dass das authentisch ist, dass im Leben nicht alles beantwortet und schon gar nicht gefragt wird. Das war mir glaub auch wichtig bei der Story, es soll schon irgendwie authentisch sein, auch dann, wenn die Ben-Karle Beziehung nicht so alltäglich ist.


Vielen Dank für deinen Kommentar!

MfG,

JuJu

 

Hallo JuJu!

Ich staunte. So etwas Unglaubliches war mir in meinem Leben noch nie passiert.
ääh. das sagt schon was über sein bisheriges Leben aus!

Das Eis ging durch meine Kehle wie Seelenschnee
Ich hab das Wort ja auch mal benutzt, aber in diesem zusammenhang ist das für mich irgendwie unstimmig.

Er griff in die Tasche, als wäre der alte Mann ein Zollbeamter auf der Fahrt zum Meer.
Das gefällt mir sehr gut, diese Selbstverständlichkeit, mit der Ben hilft. Es ist schon beachtenswert, dass viele genau das hinterfragen; Warum tut er das? Naja, weil er eben ein guter Kerl ist ... Kommt mir wirklich so vor, als müsse man sich dafür rechtferteigen. mehr als wenn man Steuern hinterzieht, dann sagen alle: Ist ja logisch, warum er das macht, aber jemandem Geld schenken, was soll das ... ?

Er grinste richtig, und mir fiel auf, dass es genau dasselbe Grinsen war, das mir Ben vorhin geschenkt hatte.
Vielleicht hat man deshalb das Gefühl, es könnte Bens Vater sein. Aber ich denke, man kann auch tatsächlich etwas von sich selbst in einem Unbekannten sehen und das macht ihn dann sympathisch (Unterbewusst) Weil man das Gefühl hat, nachvollziehen zu können, was in dem Gegenüber vorgeht und darum gehts doch in der Welt, sich verstanden und nicht allein zu fühlen.

Ben lächelte, griff in die Hosentasche und legte eine Handvoll Kleingeld auf die Decke.
„Das versäuft er doch nur”, sagte Clara.
Ben ging weiter, nickte und dann, etwas leiser: „Und ich fick dich doch nur
Volltreffer!

„Was hat Karle früher gemacht?“
Er zuckte die Achseln. „Gearbeitet, gelebt ...“
„Wo hat er gearbeitet?“
„Ich weiß es nicht ...“
„Weißt du, warum er manchmal draußen schlief?“
„Nein.“
„Hast du ihn denn nie gefragt?“
Er schüttelte den Kopf.
„Warum nicht?
Ben schloss die Augen, lehnte sich weit zurück. „Weil es nicht wichtig war.“
Ich runzelte die Stirn. „Warum nicht?“
„Weil ... es halt nicht wichtig war. Karle unterhielt sich lieber über Fußball ... stimmt's Karle? Der FCK, was? Der Otto hat's allen gezeigt!“
Das ist echt rührend. Bens Charakter ist toll, eben das Salz der Erde. Er ist gut und Salz muss von sich aus salzig sein, denn es gibt nichts, womit man es salzen könnte... Ohne solche Jungs würde das Leben nicht mehr schmecken.

Mir hats gefallen

Lollek

 

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