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Salto Mortale

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20.03.2009
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Salto Mortale

Sie steht auf der Terrasse. Ihr Doppelkinn spiegelt sich in der frisch geputzten Scheibe des viel zu grossen Wohnzimmerfensters.

Heiss gebrühter Kaffe dampft in der Tasse vor ihr.

Ein ganzes Viertel hat sie aus der Schwarzwälder Torte herausgeschnitten und auf dem viel zu kleinen Teller platziert.

Eine Wespe kann dem Duft nicht widerstehen und schwebt im Landeanflug auf die Torte herein. Die roten Kirschen wirken auf sie, wie Positionslampem auf einem Flughafen.

Noch drei Meter.

Trotz des fülligen Körpers ist die Tortenbesitzerin unglaublich flink.

Zwei kurze Schritte Anlauf. ein Sprung so hoch wie der Sonnenschirm neben ihr, dann eine schnelle Drehung mit dem Kopf nach vorne, das Doppelkinn im Busen eingeklinkt - springt sie einen astreinen Salto und kommt mit beiden Füssen am Boden donnernd auf.

Die Fliegenklatsche in der rechten Hand wurde dabei sauber mitgeführt und bringt die Wespe durch die starken Turbulenzen aus der Flugbahn, so dass sie - wie diese einmotorigen Flugzeuge aus dem ersten Weltkrieg - schräg in die Tasse Kaffe stürzt und ihr Leben sofort beendet.

"Note 10", brummelt ihr Gatte, für den das Ganze nichts Besonderes ist. Schliesslich war seine Frau deutsche Meisterin im Bodenturnen - vor 10 Jahren.

Geschickt fingert er die Wespe aus der Tasse und präsentiert sie seiner Frau auf dem Tisch.

"Damit Du sie nicht schluckst", meint er. "Soll einem nicht bekommen - hab ich mal gelesen."

Verächtlich schiebt die Tortenbesitzerin das Insekt vom Tisch.

Unbemerkt holt ein kleiner Tross Ameisen - wie in einem Trauerzug - die Beute in ihr Nest.

Sorgfältig platziert sich die Herrscherin der Schwerelosigkeit, wieder in Ihren Liegestuhl neben ihren Gatten und meint zu ihm:

"Ich habe gelesen, dass die Zecken bald Saison haben. Du solltest wieder mal was dagegen tun!"

Brummig stellt er seine Bierflasche neben sich und steht auf und bemerkt im weggehen:

"Zecken leben nur im hohen Grass."

Er weiss das - er ist belesen.

Er geht in die Garage und holt den Mäher. Der Tank ist noch halbvoll. Er nimmt den Seilzug in Hand. Mit einer gekonnten Bewegung haucht er dem kleinen Viertakter Leben ein.

Die frisch geschliffenen Messer beginnen ihre mörderische Arbeit.

Unzählige Insekten werden längs oder quer zerteilt. Ärmchen und Beinchen wirbeln mit dem Gras in die Luft. Schnecken quellen aus ihren zermalmten Häusern. Ein Regenwurm wird enthauptet. Ein kleiner Laubfrosch hat keinen Rücken mehr.

Der Rasenmäher hinterlässt eine Schneise der Verwüstung.

Mit einem breiten Grinsen beobachtet die Tortenbesitzerin, wie der Rasen gestutzt wird. Diesmal werden die Zecken bei ihr keine Chance haben.

Das Mähmesser rotiert schnell. Ein Stein, nicht grösser als ein Vogelei, wird von dem Messer auf eine enorme Geschwindigkeit beschleunigt und mit einem hässlichen Geräusch - wie wenn ein Hammer auf einen Amboss geschlagen wird - aus dem Mähschacht befördert.

Die Besitzerin der Torte bäumt sich kurz auf - soweit es ihr Körperbau zulässt. Dann fällt sie in sich zusammen. Der Stein hat sie genau zwischen die Augen getroffen. Nur ein kleiner roter Fleck verrät die Stelle, in die das Geschoss eindrang. Ganz leicht sickert Blut aus dem Schädel.

Schnell hat es sich herumgesprochen, dass die Gefahr am Tortentisch vorbei ist. Von allen Seiten kommen die Insekten und schneiden sich Stücke aus dem Kuchen. Andere lösen Zucker mit ihrem Speichel auf und saugen den Saft gierig in sich hinein. Eine gelbschwarz - schön taillierte - Wespe macht sich an dem Bier zu schaffen. Zuerst am Flaschenrand, dann weiter in die Flasche. Zu spät stellt sie fest, dass sie ohne fremde Hilfe nicht mehr ihrem gläsernen Gefängnis entkommen kann. Verzweifelt schwimmt sie im Kreis und beobachtet, wie der Bierbesitzer plötzlich auf sie zukommt.

"Verdammte Steine - machen mir die Messer stumpf."

Er setzt sich erschöpft, für eine kleine Pause neben seine Gattin - ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.

Strafe muss sein - hat sie ihm doch wieder mal geschickt die Arbeit aufgebürdet.

Durst plagt ihn und er schüttet sich das Bier hinein. Wie ein goldener Quell stürzt es in seinen Schlund. Noch schwimmt die Wespe in der Flasche und kämpft um ihr Überleben. Da wird sie mit einem ungeheuerlichen Sog in die Tiefe gerissen. Schon befindet sie sich im Inneren des Bierbesitzers. Sie versucht auf der Zunge noch Halt zu finden. Aber ein weiterer Schluck befördert sie in die Kehle. Mit letzter Kraft wehrt sie sich. Nur ein kleiner Stich in die Schleimhaut. Automatisch entleert sich ihr kleiner Giftsack in die Wunde.

Mit einem Schwall Bier wird sie wieder ins Freie befördert. Dann schwindet ihr Bewusstsein.

Als sie auf der Terrasse wieder zu sich kommt, sieht sie den Bierbesitzer noch zucken.

Sein Gesicht ist violett - fast so schön wie die Veilchen auf dem noch nicht bearbeiteten Wiesenabschnitt.

Ein Tross Ameisen hat Beute ausgemacht und macht sich wieder auf den Weg.

Diesmal werden sie Nahrung für einen ganzen Sommer haben.

 

Hallo Sabine,

stimmt - Freude bei Insekten ... hab ich weggenommen.
Kommas stimmen jetzt und ihre ist des e s zu viel :-)

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Bis zu Deiner Kritik war ich mir nicht sicher, ob diese Geschichte einen Bogen hat.

LG Günther

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo gdeki,

tja...diese Laubenpieperidylle ist recht trügerisch und insoweit, grad passend
zur Saison, haste eine muntere kleine Geschichte hier reingestellt, die allerdings nur seicht satirisch ist. Ist kein Vorwurf, nur 'ne Feststellung, denn solange wir hier Foren haben, bist du geradezu gezwungen, deine Geschichte vorweg einzuordnen und das wiederum führt dann zu solch Bemerkungen, weil ich als alte Kglerin insoweit obrigkeitsgläubig bin und mich brav an die Vorgaben halte. So frei nach dem Motto: wo kämen wir denn da hin, wenn jeder hier eine Geschichte als Satire bezeichnet und sie hier reinpostet. :D

Dein gesellschaftskritischer Blick auf die dicke Tortenvertilgerin und den biersaufenden Rasenmähermann lässt kein Klischee aus und das ist meine Kritik dazu.
Ich fand es zwar ein wenig amüsant, aus dem Blickwinkel der Tiere, das Thema: "Macht euch die Erde untertan" zu betrachten, aber Satire darf durchaus noch handfester noch bissiger sein. Schließlich, und insoweit ist das Packen ins richtige Forum fast schon eine Art Schutzmantel, ist bei der Satire alles bis zur Schmerzgrenze erlaubt und erst, wenn es anfängt strafrechtlich relevant zu werden, musste aufhören, das aber dann nachhaltig. :D

Ich meine damit: du hättest wesentlich mehr daraus machen können, aber ich will dir trotzdem gestehen, dass ich mich amüsiert gefühlt habe und schlecht geschrieben isses auch nicht.

Textkram:

Ihr Doppelkinn spiegelt sich in der frisch eingeschenkten Tasse Kaffe.
Nö! Unlogisch! Gewiss ist sie so dick, dass sich ihr Doppelkinn so ausgebreitet hat und wuchtig ist, dass sie nur noch einen herben Schatten auf die Tasse wirft. Da kann man garantiert nix mehr sehen. Zweitens ist es so, dass ich mir diesen Vergleich schlicht nicht vorstellen kann, er hinkt etwas.
Gegenvorschlag: Es spiegelt sich ihr Doppelkinn in der verchromten Kaffeethermoskanne, die sie, ordentlich, wie sie ist, von jedem Sahnefettfleck befreit hat.


Geschickt holt sie eine Wespe - gerade im Landeanflug auf die selbstgebackene Sahnetorte - mit der Fliegenklatsche herunter.
Ich kenne Sahnetorten. Ich kenne sogar gut Sahnetorten und eines ist mal gewiss: mit der Fliegenklatsche kann man die gewiss gut bearbeiten, aber danach sehen sie demonliert aus. Wespe-Landeanflug ist cool. Ich hab selbst mal so was ähnliches mit dem Landeanflug geschrieben und damals gefiel es mir auch supergut. Aber erstmal gibt es keine selbstgebackene Sahnetorten, die Sahne würde dir glatt aus dem Backofen laufen, wenn du sie erhitzt und zweitens reicht es doch auch, wenn sie Sahnetorte da hat. Ohne selbstgebacken.
Und wie soll sie nun mit der Fliegenklatsche was "herunterholen", wenn es im Landeanflug ist und somit unweigerlich mit der Klatsche auf der Torte landen wird und mit dem Herunterholen nunmehr sogar in die Torte reingedrückt wird?
Wie wärs denn, wenn du (du bist doch Modellflieger) mal einen super eleganten Looping der Doppelkinnigen beschreibst, der es ihr ermöglicht, die Sahnetorte zu retten (Heldin der Laubenpieperkolonie) und gleichzeitig der Wespe entweder eine innovativ neue Flugbahn verpasst oder eben diese ins Nirwana befördert?
Ich meine damit, dass du diese Aktion Wespe verscheuchen bzw. töten zu einem fulminanten Ereignis anwachsen lassen kannst. Eine Wespe, da geb ich dir Recht, wird nicht einfach erschlagen, sondern die erlebt vor ihrem Tod noch recht viel Abenteuerliches. Beschreibe es. Gib deiner Satire mehr Futter.

"Ich habe gelesen, dass die Zecken bald Saison haben. Du solltest wieder mal was dagegen tun!
Wer sagt das?

Ich vermute, sie sagt es. Wenn es irgendwie geschickt dort stünde, wäre es schön.


Er stellt das Bier neben sich und steht auf.
Ach und erst auf dem Weg zur Garage ist er brummig? Spätzünder?
Diese Sorte Mann solltest du mehr auskosten in dieser Satire. Gib ihm mehr Gestalt und mach ihn bitte zu irgendeinem Prototyp Mann, den du nicht ausstehen kannst.
Bedien mal nicht jedes Klischee. Vielleicht ist er zufällig mit einer Doppelkinnigen verheiratet und ist selbst aber schlank und es ist sein Diätbier, das er wegstellt und obendreni rutscht ihm der Spiegel (ich meine die Zeitschrift) aus den Händen und er antwortet mit knallharten Fakten wie: "Stimmt, habs letztens im Spiegel gelesen, dass die Zecken wieder im Anmarsch sind. Da wiesen sie daraufhin, dass man hohes Gras meiden sollte, weil das die Kinderstube dieser Viecher ist."

Unzählige Insekten werden längs oder quer zerteilt. Ärmchen und Beinchen wirbeln mit dem Gras in die Luft. Schnecken quellen aus ihren zermalmten Häusern. Ein Regenwurm wird enthauptet. Ein kleiner Laubfrosch hat keinen Rücken mehr.
gefällt mir .

einem hässlichen Geräusch
was für ein hässliches Geräusch? Wie wenn Kreide auf einer Schiefertafel kratzt? Da werd ich wahnsinnig. Wie wenn ein Spaten ins quatschige Moor sticht? Auch ein hässliches Geräusch. Wie wenn er auf seiner Schleuderkurve auf dem Weg ins Freie sich erstmal am vor Rost schützenden Lack vergreifen muss und mit einem langgezogenen schabenden Geräusch ins Freie schießt? So vielleicht?


Die Besitzerin der Torte bäumt sich kurz auf
Das ist irgendwie langweilig beschrieben. Die Besitzerin bäumt sich auf ist zudem ungenau. Sitzt sie? Steht sie? Liegt sie? Während sie sich aufbäumt?

an der das Geschoss abprallte
Sherlock Holmes würde sagen, dass ein Geschoss, das abprallt, keinen tödlichen Schaden anzurichten vermag.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Lakita,

vielen Dank für Deine Kritik; habe noch einige Stellen umgeschrieben und vor allem den Salto Mortale eingebaut. Vielleicht kannst Du meinen Titel als Moderatorin auch noch in "Salto Mortale" umbenennen ?

LG gdeki

 

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