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Saint-Jacques

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07.10.2015
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Saint-Jacques

Hab den Text vorübergehend rausgenommen.

 
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Lieber Erdbeerschorsch,

das ist eine schöne Geschichte von Pauls Suche nach dem Vater, nach den Wurzeln und von der Liebe zwischen Maurice und Paul. Ich habe sie gerne und mit Genuss gelesen, obwohl mich der Anfang sprachlich gar nicht begeistern konnte. Später gibst du zum Glück dieses, wie ich es empfinde, Gewollte (beinahe Manieristische) auf, deine Sprache wird ruhig und souverän und bringt mir die äußere und innere Situation der beiden Protagonisten sehr feinfühlig nahe.

Zum Anfang und was mich störte:

Buschwerk stand ringsum, ein Fahnenmast markierte die freie Fläche. Unsteter Wind lupfte das Banner.

Warum ‚lupft’ und nicht bewegt? Warum ‚Banner’? Ein Banner ist immer ein Bedeutungsträger. Hier ist es lediglich eine einfache Fahne im Wind.

Er drückte mit dem Fuß plüschig blühende Stauden
Auch hier stocke ich: Plüsch ist ein Gewebe mit sehr kurzen Härchen, das sich samtartig anfühlt, wenn man darüber streicht. Blühende Stauden haben aber (wie du es gleich darauf sagst) Stängel, an denen sich oben die Blüten befinden. Da passt für mich das Plüschige nicht so recht.

Die Stengel knickten willig.

Willig könnten die Stängel nur dann knicken, wenn sie eine Wahl gehabt hätten.

so dass er nun auf immer im getrockneten Schlamm steckte.

Wird der Fels nicht mehr umspült? Ist der Schlamm ‚auf immer’ trocken?

Und dann führst du uns in deine Geschichte:

„Ich verstehe nicht, warum ihr das hier alle immer sehen wollt. Was wollt ihr noch finden.“

„Immer kommt ihr herK um euch Spuren anzuschauen, die nicht mehr da sind. Dann pflügt ihr durchs Gras und schmachtet ehrfürchtig.“

Irgendwann würde er Maurice von seinem Vater erzählen.
Saint-Jacques, das warK wo man herkam. Le-Pré-de-la-Baie, das warK wo man sich sich gegen Knechtschaft verschworen hat (hatte).

Noch etwas:
Saint-Jacques war weit, der Urlaub kostbar, sie sind nie gefahren.
MMn: sie waren nie gefahren.

Am Boden achtete er nurmehr auf seinen langen Schatten, der ihm voraus übers Gras flog,
Irgendwie fände ich hier ‚eilte’ besser.

Wie er die Zigarette wegwirft, den Unterleib vorstreckt, sich mit den Händen abstützt, sich von seinem Fels gleiten lässt, das sah Paul vor sich, ohne hinzuschauen.

Warum hier das Präsens? Wie auch bei der anderen angemerkten Stelle verstehe ich diesen Präsens-Einschub nicht.

Nach den anfänglichen kleinen - für mein Empfinden - sprachlichen Affektiertheiten hat mich deine Geschichte in ihren Bann gezogen. Ich bin den beiden gerne gefolgt und habe mich an deiner sensiblen Sprache erfreut.
Lieber erdbeerschorsch, auch wenn es schon beinahe zur Phrase geworden ist: Ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen. Das ist für mich Romantik im besten Sinne, weit entfernt von kitschiger Abgedroschenheit.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hola Erzbischoff,

da fühle ich mich spontan angesprochen: Saint Jacques!
Natürlich denke ich an Coquilles St. Jacques – an was denn sonst?
Und da kommst Du mit Romantik! Aber wie ich dann lesen durfte, Romantik vom Feinsten. Da bin ich gerne versöhnt.
Ja, mir hat das Lesen Deiner Geschichte viel Spaß gemacht. Du hast Dir einen beinahe unverwechselbaren eigenen Stil aufgebaut, und so kleine skurrile Formulierungen erwarte ich schon mittlerweile bei einem Text von erdbeerschorsch. Da braucht es keinen Kracher-Plot, um den Leser bei der Stange zu halten.
Alles in allem ein dickes Kompliment von mir für dieses fein gearbeitete Stück Literatur!

Beste Wünsche und Grüße!
José

 

Hallo @Erdbeerschorch,

eine Geschichte von dir ist immer etwas Besonderes und wieder mal bin ich begeistert. Auch hier vermeidest du ausgetretene Pfade, verbindest die Mythen dieser Landschaft mit den Mythen der Männlichkeit, zeigst die Suche des Sohns nach dem Vater, und die Liebesgeschichte zwischen den beiden Männern, die Zärtlichkeit zwischen den Beiden, die, besonders auf der Seite von Maurice, die Realität nicht verleugnet. Das ist einfach wunderschön. Ich empfinde deine Sprache als präzise, die Stellen, die Barnhelm anmerkte stören mich nicht, im Gegenteil, ich finde, das ist die richtige Dosierung. Die plüschig blühenden Stauden hatte ich z.B. genau vor Augen, die willig knickenden Stengel geben der Landschaft etwas Beseeltes.

Zwischen dichten Grasbüscheln sah man zuweilen rissige Erde durch..

Ein Punkt zuviel..

„Es ist nichts mehr da“, hörte er Maurice sagen.

Toll, wie du über den ganzen Absatz Spannung aufbaust. Ich war von Anfang an dabei und wollte unbedingt wissen, was er da sucht.

„Herkunft, Ursprung, Wurzeln. Folklore“, sagte Maurice. Paul hörte das Reibrädchen vom Feuerzeug über den Zündstein schmirgeln.

Das Thema zwischen den Beiden ist nach dem ersten Absatz klar und auch, dass es da noch etwas gibt. Die Beschreibung von Maurice auf dem Felsen hat viel Atmosphäre.

Hier, hinter den Dünen am Meer, erzählte der Vater, hatte der Fischer Kinou von seinem Boot aus gesehen, wie Sardinen im Schwarm einen Hai vertrieben.

Schön, wie diese ganz alte Legende deiner Geschichte noch eine weitere Ebene gibt. Und wie diese Erzählung Vater und Sohn so eng verbindet. Das ist offenbar eine gute Beziehung, bis es dem Vater nicht gelingt über seinen Schatten zu springen.


Er brauchte sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass Maurice ihm nachlief. Wie er die Zigarette wegwirft, den Unterleib vorstreckt, sich mit den Händen abstützt, sich von seinem Fels gleiten lässt, das sah Paul vor sich, ohne hinzuschauen.

Tolle Beschreibung. Und eine Szene, die die Verbundenheit der beiden zeigt, obwohl sie sich doch erst kurz kennen.

Sie küssten sich nicht.

Raffiniert. Ist auch erotischer ohne küssen, spannungsreicher. Und ich habe trotzdem das Bild, dass sie sich küssen könnten.

„Ihr wollt uns hier zu Helden machen, damit ihr alle euch drin sonnen könnt.“ Maurice rief jetzt lauter gegen den lauen Wind. Paul entfernte sich langsam. Maurice sah ihm nach und tat hin und wieder einen Zug. Er blies in den Rauch. Er rief: „Und warum bleibt dann keiner von euch?“

Mochte Paul vergangene Existenzen heraufbeschwören, die er für seine Vorfahren hielt. Seine Hingabe rührte Maurice.

Und mich berührt, wie liebevoll, fast schon abgeklärt Maurice mit dem umgeht, was er von Paul vermutet. Da schwingt auch so eine Ahnung mit, dass er nicht wirklich gemeint ist. Auch hier:

Es musste verlockend sein, sich die tiefere Verbindung mit dem Althergebrachten im Vorbeigehen durch eine wohlfeile Liebschaft beglaubigen zu lassen. Paul schien sonst ein feiner Kerl. Maurice zwang sich klug zur Distanz.

Den letzten Satz finde ich entbehrlich, der wird schon sehr treffend durch die vorherigen Sätze ausgedrückt. Abgesehen davon, dass es hier vielleicht wieder ein kleines Perspektivproblem gibt. Findet er sich klug oder sagt das der Autor?

Paul wollte den Vater aus seinem Käfig holen. Er spürte längst keine Wut mehr.

Der Satz ist mir auch zu explizit. Das ist schon klar. Er schickt ihm jeden Tag eine Postkarte. Das ist so stark, das muss man nicht nochmal erklären. Auch der zweite Satz ist für mich ein bisschen fraglich, zu sehr "tell".

Papa, schau, das ist Maurice. Er kommt von Saint-Jacques, aus dem Land von Kinou. Schau ihn dir an, wach auf, solche Leute bringen sie jetzt dort hervor. Paul wischte sich über den Mund und schaute seitlich nach draußen ins Dunkel, um ein Grinsen zu verbergen. Warum sollte es nicht auch einmal leicht sein.

Ja, es könnte so leicht sein. Maurice hat vorher an einer Stelle den Verdacht, dass das Kreisen um vergangene Großtaten den Blick auf die Anfordernisse der heutige Realität verstellt. Und dieser Vater sieht seinen Sohn nicht, weil er den Blick auf ein althergebrachtes Männerbild gerichtet hat. Es ist berührend, wie Paul um seinen Vater kämpft.

„Weißt du —“ begann er.
Maurice legte die Kassette, die er eben in der Ablage mit den Fingern ertastet hatte, wieder zurück.

Echt, ein Typ zum Verlieben, der Maurice.


Das Ende bleibt für mich in der Schwebe und das ist gut.

Lieber Erdbeerschorch, ich hatte echt wenig zu kritisieren. Es ist eine wunderbare Geschichte.

Herzliche Grüße von Chutney

 

Hallo erdbeerschorsch ,

Ich stimme barnhelm zu. Am Anfang ist dein Stil komisch. Das wird dann aber später besser.

Ich schreibe jetzt beim Lesen spontan mit, wie ich mich fühle.

Eine Hand ließ er hängen, darin hielt er jetzt eine Schachtel Zigaretten.
Das sind zwei Sätze, denke ich.

Ein Rest Fundament*
Ist grammatikalisch richtig. "Ein Rest vom Fundament" hört sich aber besser an.

Hier, hinter den Dünen am Meer, erzählte der Vater, hatte der Fischer Kinou von seinem Boot aus gesehen, wie Sardinen im Schwarm einen Hai vertrieben.
Ein Selfie kam ihm nicht in den Sinn.
Sehr interessant, wie du mit Mythos und Moderne spielst. Kann man das als magischen Realismus bezeichnen?

Wir fliegen da hin, hatte der Vater gesagt.
Warum keine Anführungszeichen?

Ich geht jetzt*
gehe :D

*eine wohlfeile Liebschaft*
Wohlfeil? Ich finde, das Wort passt hier nicht richtig zum Stil.

„Und“, fragte Paul gegen die Seitenscheibe, „kommst du.“*
kommst du?

Paul drückte die Stirn gegen das Fenster. Es gab keinen Kondensfleck am Glas, wenn er ausatmete, hier waren die Nächte zu warm. Das bewahrte ihn vor der Versuchung, mit dem Finger ein Herz an die Scheibe zu malen.
Das ist richtig, richtig, richtig schön.

Liebe erdbeerschorsch,
Der Text hat mir echt gefallen. Dein Stil ist wirklich toll.
LG,
Alexei

 

Hej erdbeerschorsch,

bevor ich mich an neue Geschichten von dir setze, mach ich es mir bequem, weil ich weiß, wie schön und träumerisch es werden kann. Ich freue mich immer, wenn eine von dir aufploppt. Und diese ist wundervoll.

Zwischen dichten Grasbüscheln sah man zuweilen rissige Erde durch..

Ein Punkt zu viel.

Maurice legte sich die Jacke über die Knie, fummelte in der Brusttasche. Er legte die Arme um die aufgestellten Beine. Eine Hand ließ er hängen, darin hielt er jetzt eine Schachtel Zigaretten.

Du hast ein gutes Bild des Maurice gezeichnet. Ich spüre seine Ungeduld, sein Unverständnis, wie er auf den Felsen gestiegen ist und dort sitzt, um überhaupt etwas zu tun.

Es ist nichts mehr da“, hörte er Maurice sagen.
Über die Schulter warf Paul ihm ein helles Lachen zu, das auch trotzig sein konnte. „Wer weiß“, sagte er.
„Ist doch gewesen.“

Und dann Paul, mit dem Blick zwar suchend, doch mehr nach innen gerichtet. Er sucht außen, damit er Zusammenhänge findet. Das ist bereits hier klar, obwohl diffus.

Herkunft, Ursprung, Wurzeln. Folklore“, sagte Maurice.

Ach, Maurice.

Hier, hinter den Dünen am Meer, erzählte der Vater, hatte der Fischer Kinou von seinem Boot aus gesehen, wie Sardinen im Schwarm einen Hai vertrieben. Auf dem Weg ins Dorf sah er Ameisen, die sich gegen eine Schlange zur Wehr setzten. Vor der Hütte, als Kinou die Netze zum Trocknen aufhängte, jagten am Himmel Schwalben einen Adler in die Flucht. Der Fischer verstand: Wie Sardinen, wie Ameisen, wie diese Schwalben müssen wir sein, predigte er im Dorf. Der Vater saß auf der Bettkante, während nur das Nachttischlicht noch brannte, hielt die Hand seines Sohnes und erzählte von Kinou und den Ruderbooten, die französischen Kanonen trotzten.

Das ist eine einfache Philosophie, wunderschön und existentiell.

Ein Selfie kam ihm nicht in den Sinn.

Ehrlich gesagt, mag ich diesen schnellen, kurzen Zeitbezug nicht besonders gern.

Wir mieten uns ein Boot und segeln um die weißen Strände. Wir sammeln Papageienfedern, wir suchen vergrabene Piratenschätze. Dazu machte er ein Gesicht, als sei er entschlossen, das Gold mit dem Dolch in der Hand gleich selbst zu erobern. Damals, als der Vater noch sprach.

Ein schönes Bild, das sowohl Paul in Erinnerung von seinem Vater hat, als auch ein Hinweis auf ihn 'heute'.

Maurice rief jetzt lauter gegen den lauen Wind. Paul entfernte sich langsam

Die beiden haben noch zu tun, bevor sie sich besser verstehen.

Er brauchte sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass Maurice ihm nachlief. Wie er die Zigarette wegwirft, den Unterleib vorstreckt, sich mit den Händen abstützt, sich von seinem Fels gleiten lässt, das sah Paul vor sich, ohne hinzuschauen. „He, jetzt, wohin gehst du“, rief Maurice im Laufen. Wie die Jacke auf dem Stein liegen blieb, das hatte Paul vor Augen, während er selbst schneller ging, die Fäuste ballte und die Arme durchstreckte. Er biss sich auf die Unterlippe und rannte. Auch Maurice rannte.

Aber sie bemühen sich. Es gibt eine Verbindung. Das sehen beide.

Das war Maurice, der hierher gehörte, der gar nicht anders konnte, der ein Teil der Geschichte war. Wenn er ihn berührte, glaubte Paul sich ganz verbunden mit diesem Land, fühlte sich angekommen und zu Hause.

Und jetzt weiß ich auch, warum Maurice immer im Plural von "ihnen" spricht. Es gibt sie immer wieder, die Suchenden nach Geschichte und Wurzeln, wie sie Einheimische, wie er, nicht suchen muss.

Paul war noch näher an ihn herangegangen, legte ihm die Fingerkuppen auf die Schläfe und strich tastend durch die kurzen Haare bis hinters Ohr. „Und das? Wollen wir das auch alle?“, fragte er. Maurice hob behutsam die Hand von sich weg. Dann zog er mit einem Ruck, griff Pauls Nacken und drückte die Stirn gegen seine. Sie küssten sich nicht.

Wie passend und gut du es sehen und wiedergeben kannst.

Wenn man heute mutig sein wollte, stand anderes an.

Mut schöpfen durch Verständnis seiner Herkunft?

Zurückliegende Erfolge, die sich nicht mehr aus der Zeit stehlen konnten, blieben verlässliche Ablenkung.

Eine Ablenkung sich dem Jetzt und Heute nicht stellen zu müssen? Seinem Vater gegenüber? Schöne Formulierung: Erfolge, nicht aus der Zeit zu stehlen.

Paul schien sonst ein feiner Kerl. Maurice zwang sich klug zur Distanz.

Damit kann ich mich nicht anfreunden, ich spüre auch so sowohl Maurices Zuwendung, als auch seine Distanz.

Er hatte nichts sagen können, als Paul sich eröffnete.

Du hast sicher gut überlegt und ich wüsste es nicht besser, dennoch bleibt "sich eröffnen" für das, was zwischen Vater und Sohn steht, für mein Gefühl zu wenig.

Die Zeit mochte den Schrecken mildern, aber auch das Schweigen wurde zur Gewohnheit, aus der nun nicht mehr herauszufinden war. Was sollte er mit einem Mal reden, der Alte, nach all der Zeit? Übrigens. Lieber Sohn. Paul wollte den Vater aus seinem Käfig holen. Er spürte längst keine Wut mehr. Jetzt malte er sich aus, welche Bedeutung von dem Umstand ausging, dass er gerade hier auf Maurice getroffen war. In der Fantasie improvisierte er eine Zusammenkunft: Papa, schau, das ist Maurice. Er kommt von Saint-Jacques, aus dem Land von Kinou. Schau ihn dir an, wach auf, solche Leute bringen sie jetzt dort hervor.

Einen schönen Charakter hast du mit Paul hervorgebracht. Einen liebevollen, verständnisvollen Sohn und Mann.

Warum sollte es nicht auch einmal leicht sein.

Und warum eigentlich nicht viel öfter. ;)

Er stellte den Ellenbogen auf den Rahmen und stützte sein Gesicht mit der Hand.

So hübsch, mir fehlt vielleicht etwas Licht? Irgendwo im Gesicht? :shy:

Paul drückte die Stirn gegen das Fenster. Es gab keinen Kondensfleck am Glas, wenn er ausatmete, hier waren die Nächte zu warm. Das bewahrte ihn vor der Versuchung, mit dem Finger ein Herz an die Scheibe zu malen.
Zum Reden und Rauchen sagt er, er wolle noch nicht allein sein.
Maurice zuckte die Achseln und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss.

Ach Gottchennee, is' echt nicht leicht. Für niemanden.

Vielen Dank, lieber Erdbeerschorsch für diese warme, zarte, volle Geschichte und ein lieber Gruß, Kanji

 
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Liebe barnhelm,

freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Deine kritischen Anmerkungen wundern mich nicht, ich probiere da ein bisschen aus was geht. Manchen gefällt das eine oder andere, anderes wiederum mag niemand, da bekomme ich dann ein Bild davon, wo ich meine Grenze ziehen will. Hier und da anzuecken finde ich jedenfalls nicht grundsätzlich verkehrt.

Warum ‚lupft’ und nicht bewegt?
Man hat ja so seine Bilder vor Augen. In diesem Fall war es, wie der Wind die Fahne kurz hebt und sie dann wieder zurücksackt und schlaff hängen bleibt. Mal kommt eine Böe, mal nicht. "Bewegt" würde das zum Allgemeineren hin abschleifen, wenn "lupft" die Sache nicht verständlich macht, nützt es allerdings auch nichts. Also entweder aufs Genaue verzichten, oder was Drittes, oder so lassen und schlucken ... mal sehen.

Warum ‚Banner’? Ein Banner ist immer ein Bedeutungsträger. Hier ist es lediglich eine einfache Fahne im Wind.
Tja, eben nicht. Die Fahne markiert die Erinnerungsstätte. Fahne ginge zwar, aber die Fahne lupft einen Satz nebenan schon der Wind. Ich fand Banner sogar auch selbst grenzwertig, aber letztlich nicht unpassend, gerade angesichts der Bedeutung, mit der die platte Grasfläche aufgeladen wird.

Auch hier stocke ich: Plüsch ist ein Gewebe mit sehr kurzen Härchen, das sich samtartig anfühlt, wenn man darüber streicht.
Das ist so ein Schnörkel, bei dem ich mit Kritik ganz fest gerechnet habe :shy: Falsch finde ich es nicht, aber es ist die Frage, ob es sein muss. Ich dachte an so was. Nur als Beispiel, und nur für die Blüte, unabhängig jetzt davon, ob Gräser zu den Stauden gezählt werden dürfen.

Willig könnten die Stängel nur dann knicken, wenn sie eine Wahl gehabt hätten.
Da gilt ähnliches wie oben: Kritik fest eingeplant. Ich würde geltend machen, dass das nun halt eine Metapher sei. Aber manieriert ist sie wahrscheinlich, an dieser Stelle nicht nur fast. Ich habe mit anderen Wörtern experimentiert und dann doch dieses gelassen. Kann natürlich auch ganz weg, und wird vermutlich nicht ewig so stehen bleiben.

Wird der Fels nicht mehr umspült?
Normalerweise nicht, nur bei besonders schweren Frühjahrssturzfluten, mit Hochwasser usw.

Ist der Schlamm ‚auf immer’ trocken?
Hm, ja, erwischt. Nein, er steckt nur auf immer. Andrerseits: Würde der tiefere Untergrund je wieder aufgeweicht, also auch nicht mehr ein klitzekleines bisschen trocken sein, dann erst würde der Fels auch von diesem Platz weggespült. Aber das passiert aus menschlicher Perspektive nie, denn er liegt am Fuß des Hangs, da kommt mehr Erde an als weg. Unterm Strich: Ich bin mir nicht sicher, wie weit ich solche Verkürzungen zulässig finden soll.
Mein Argument dafür sieht ungefähr so aus: Die Sprache muss Ungenauigkeiten tolerieren, über die Hüter bzw. Leser intuitiv drüberbügeln, sonst würde sie zu umständlich und zumindest überakribisch. Beispiel: Vor hundert Jahren wurde ein Haus gebaut. Erst war es gelb angestrichen, später grün. Letztes Jahr ist es abgerissen worden. Jetzt hat einer ein Farbfoto von 1970, da ist ein Gewimmel von Häusern zu sehen, und um darin das gemeinte zu identifizieren sagt einer: "Hier, das gelbe Haus da, das gibt es nicht mehr." Alle Zuhörer verstehen richtig. Sie klammern "gelb" als beinerspielende Eigenschaft aus und nehmen "das gelbe Haus für die Sache, nämlich einfach das Haus. Sprecher einer aus unserer Sicht überakribischen Sprache würden das nicht verstehen. Sie wüssten - nehme ich der Einfachheit halber an -, dass das Haus inzwischen grün gestrichen worden ist. Sie würden denken: "Alles klar, weiß ich, das gelbe haus gibt e nicht mehr, an seiner Stelle steht jetzt ein grünes." Für sie ist das Hause kein Einzelding, sondern erst Das-gelbe-Haus oder Das-grüne-Haus.
Ähnlich - aber nicht ganz gleich - mit dem Schlamm: Der Fels steckt auf immer im Erdreich, jetzt ist es halt trocken. Oder in der Variante mit dem Haus: Der Satz "Der Stein steckt auf immer in dem gelben Haus" würde nach allgemeinem Konsens nicht dadurch nicht als falsch erwiesen, das einer kommt und das Haus grün anstreicht.
Die Ungleichheit besteht jetzt aber dran, dass Schlamm typischerweise nass ist, der "getrocknete Schlamm" in dem Fall also womöglich wirklich nicht den Konsens trifft und besser ersetzt wird. "Schwemmlehm" vielleicht? Oder nur "Lehm"? Ich muss überlegen, aber ich verspreche, zu ändern.
Weit ausgeholt, um dir am Ende recht zu geben :Pfeif: Die Mühe war's mir aber wert, denn das ist ein wiederkehrendes Problem, das zu sortieren sich immer wieder lohnt.

Und dann führst du uns in deine Geschichte
Zuerst war das der Anfang, Fahne usw. gab es aber trotzdem schon, nur nachgeschoben. Ganz ohne die Umgebung loszulegen - geht das? Wenn nicht, finde ich es letztlich gleich am Anfang besser, man weiß erst mal wo man ist, und dann kann es losgehen.

MMn: sie waren nie gefahren.
Das könnte schon korrekt sein, klingt aber, finde ich, in dem Fall blöd. Ich würde versuchen geltend zu machen, dass der Zustand, nicht gefahren zu sein, anhält, aber damit dürfte ich leider nicht durchkommen ...


Irgendwie fände ich hier ‚eilte’ besser.
Hab ich auch überlegt, kommt vielleicht auch so. Andrerseits liegt der Schatten auch auf den Grasspitzen, und das gibt ihm ja schon de Anschein, als flöge er.


Warum hier das Präsens?
Auch so'n etwas albernes Experiment, dass ich immer wieder nicht lassen kann. Die Antwort ist: weil es ihm vor Augen steht, es ist nicht das, was wirklich geschehen ist bzw. bleibt das offen. Die Intention find ich eigentlich annehmbar, aber ob die Umsetzung die richtige ist??

Schönen Dank also für den Kommentar! Ich find es ja gut, dass du mir diese Dinge nicht einfach so durchgehen lässt, denn auch wenn ich manches vielleicht so lasse, ist es schon besser, ich lasse es mit schlechtem Gewissen stehen, sonst ufert das irgendwann wirklich noch aus.

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Hi josefelipe,

schön, dass du dir die skurrilen Formulierungen gefallen lassen kannst, das habe ich natürlich gehofft, das der eine oder die andere sie mir zugestehen. Wie gesagt: ich probiere da gerade ein bisschen rum. Ich könnte dies Verspieltheit natürlich abstellen, aber lieber wäre es mir, dahin zu kommen, dass das bleibt, was soll, und nur das zu Gewollte über Bord geht. Immerhin habe ich nicht ganz den falschen Riecher, was mir wohl angekreidet werden könnte, das ist schon was. Schlimm fände ich, wenn ich mich bei bestimmtem Formulierungen auf tosenden Beifall einstellen würde und dann bekäme ich sie um die Ohren gehauen. In diesem Sinn kann ich mit euren Kommentaren - barnhelm sei hier nochmal eingeschlossen - wirklich fürs erste ganz zufrieden sein.

Besten Gruß
erdberschorsch

 

Hallo erdbeerschorsch,

du schreibst uns von Paul, lateinisch dem Kleinen. (Dabei zeigt er durchaus Größe, begibt er sich doch in der Heimat des Vaters auf Spurensuche, versucht sich ihm dadurch anzunähern.)

Und über Maurice, den (der Wortbedeutung nach) Dunkelhäutigen aus der ehemaligen französichen Kolonie.

Leichtfüßig, ja schwebend kommt dein Text daher - wie immer. An einigen Stellen ist es der Syntax nach eine Frage, doch das Fragezeichen fehlt. Mit Sicherheit nicht von dir vergessen, sondern so gewollt. Schön!

Er drückte mit dem Fuß plüschig blühende Stauden zur Seite, bevor er seine Schritte setzte. Die Stengel knickten willig.

Gefällt mir natürlich, hast du dir sicher schon gedacht ... (Und falls du dir das hier ausreden lassen solltest, diesmal hab ichs rechtzeitig gespeichert ... ;))

Der Fischer verstand: Wie Sardinen, wie Ameisen, wie diese Schwalben müssen wir sein, predigte er im Dorf.

Hab einen Moment lang überlegt, ob es denn wirklich drei dieser Legenden sein müssen, ob nicht eine davon gereicht hätte. Aber mach du nur. Ich hab nix gesagt.

Der Vater kannte die Legenden mit dem Herz, den modernen Staat dagegen aus den Nachrichten.

Zum Duktus deiner Geschichte würde der Dativ "mit dem Herzen" besser passen.

Die Stimme tönte ferner.

Objektiv betrachtet ist nichts Falsches dran. Tönt für mich nur seltsam.

An den Dünen sanken die Füße ein.

In den Dünen? Klingt dir zu gewöhnlich, vermute ich ...

Vom Festland kamen die Besucher rüber, oft für ein Wochenende, manchmal für eine Nachmittag,

Vor dem Nachmittag fehlt das N am Artikel.

Wie sollte sich ändern, was die Jahre festgeschrieben hatten. Der Vater wies Paul nicht die Tür, wenn dieser die Eltern besuchte, aber er sprach kein Wort. Er stand an der Treppe, schaute auf den Boden, hielt sich am Geländer und ließ Paul vorbeigehen, ohne ihn anzusehen. Er saß am Tisch und löffelte stumm seine Suppe. Der eigene Sohn! Die Schande! Er hatte nichts sagen können, als Paul sich eröffnete. Neu war das Fremde am schlimmsten und selbst Tadel unaussprechlich. Die Zeit mochte den Schrecken mildern, aber auch das Schweigen wurde zur Gewohnheit, aus der nun nicht mehr herauszufinden war. Was sollte er mit einem Mal reden, der Alte, nach all der Zeit? Übrigens. Lieber Sohn. Paul wollte den Vater aus seinem Käfig holen. Er spürte längst keine Wut mehr.

Das Schweigen des Vaters: Hilflosigkeit, unendliche Enttäuschung, aber im Lauf der Jahre auch eine grausam scharfe Waffe, ein Zeichen ultimativer Missbilligung.

Auf einmal ist der Paul doch klein. Denn naiv wie er ist, hofft er immer noch, er könne den Schlüssel finden für diesen mächtigen Käfig, den Moralkodex und die Intoleranz! Sieht gar in Maurice den Schlüssel! Alles ganz einfach!

Der letzte Satz über die Wut, da bin ich etwas unschlüssig, ob mir das zu plump ist. Das ist sicher eine Mélange an Emotionen, die Paul da initial verspürt hat. Ob die Wut jemals dominiert hat? Oder doch eher Hilflosigkeit und Enttäuschung überwogen, auch auf Seiten des Sohnes? Na ja, vielleicht hast du Recht. Also, lass es ruhig so.

LG, Anne

 

Hi Chutney,

eine Geschichte von dir ist immer etwas Besonderes und wieder mal bin ich begeistert.
Das ist schön!
Und sehr schön auch, wie du durch den Text gehst, das hilft viel, gesagt zu bekommen, wie etwas wirkt. Und in diesem Fall kann ich mich nur darüber freuen, was dabei herauskommt, dass bei dir also alles so ankommt, wie es soll.

Den letzten Satz finde ich entbehrlich, der wird schon sehr treffend durch die vorherigen Sätze ausgedrückt. Abgesehen davon, dass es hier vielleicht wieder ein kleines Perspektivproblem gibt. Findet er sich klug oder sagt das der Autor?
Der Satz ist mal noch drin geblieben. Perspektivenprobleme finde ich immer spannend, da könnte ich gleich wieder Lust bekommen, weit auszuholen :) Aber ich sag mal nur kurz: Ich finde gar nicht, dass die Perspektive immer eindeutig sein muss. In erster Linie fandest du den Satz ja auch entbehrlich, da kucke ich noch mal drauf. Aber ich habe den Verdaut, dass der her durch den Türspalt grinsende Erzähler sogar ein Grund dafür ist, dass ich den Satz bisher noch ganz gerne da sehe. Genau kann ich's nicht sagen.

Der Satz ist mir auch zu explizit.
Ist weg, wie auch der folgende.

Echt, ein Typ zum Verlieben, der Maurice.
Na, das ist doch was.

Herzlichen Dank für den schönen Kommentar.
Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi alexei,

freut mich, dass du vorbeischaust. Am Anfang scheiden sich de Geister - mal sehen, was draus wird.

Das sind zwei Sätze, denke ich.
Einfach Punkt statt Komma fänd ich nicht so gut, aber vielleicht etwas ausführlicher? Ich finde es selbst etwas gedrängt, das muss ich zugeben.

Sehr interessant, wie du mit Mythos und Moderne spielst. Kann man das als magischen Realismus bezeichnen?
Könnt ich gar nicht mal so genau sagen, aber ich denke, dass da mehr Magie dazugehören dürfte.

Warum keine Anführungszeichen?
Gute Frage. Als Bericht im Bericht, der Vater spricht nicht, es wird davon erzählt, was er sagt. Warum dann kein Konjunktiv, könntest du weiter fragen. Muss ich wohl noch nachliefern, das sollte im Konjunktiv sein!

kommst du?
Hab ich wirklich absichtlich so mit dem Punkt gemacht, vom Gefühl her, warum, kann ich nicht ganz genau sagen, aber ich habe wahrscheinlich gehofft, die Zurückhaltung in der Frage dadurch mit auszudrücken. Oder so.

Das ist richtig, richtig, richtig schön.
Freut mich :)

Herzlichen Dank für den Kommentar, auch für die übrigen Punkte (manchmal fürchte ich, es wirkt pedantisch, auf jede einzelne Anmerkung eine Antwort zu geben).

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Kanji,

schön, dass es dir gefallen hat. Ich muss gestehen, das hat mich nicht sehr überrascht, aber es ist trotzdem schön :)


Du hast ein gutes Bild des Maurice gezeichnet. Ich spüre seine Ungeduld, sein Unverständnis, wie er auf den Felsen gestiegen ist und dort sitzt, um überhaupt etwas zu tun.
Gut, dass das bei dir so ankommt. Er hantiert ja schon ein bisschen viel mit seinen Zigaretten herum, man könnte sich fragen, ob das so richtig ist.

Ehrlich gesagt, mag ich diesen schnellen, kurzen Zeitbezug nicht besonders gern.
Ich hab halt etwas für dosierte Stilbrüche übrig. Der Satz wirft mich selbst beim Lesen noch raus, aber er bleibt erst mal.

Und jetzt weiß ich auch, warum Maurice immer im Plural von "ihnen" spricht.
Nicht zu spät hoffentlich?

Mut schöpfen durch Verständnis seiner Herkunft?
Kann für Paul passen, aber Maurice kennt ja den Hintergrund nicht.

Eine Ablenkung sich dem Jetzt und Heute nicht stellen zu müssen? Seinem Vater gegenüber?
DAs ist hier ja die Perspektive von Maurice. Der weiß von dem Vater nichts.

Damit kann ich mich nicht anfreunden, ich spüre auch so sowohl Maurices Zuwendung, als auch seine Distanz.
Das ging auch Chutney so, bleibt trotzdem erst mal stehen.
Das der Käfig weg muss, habe ich übrigens gleich ganz deutlich eingesehen. Das ist scheint ja das Motiv der Befreiung wieder auf, dass der Vater mit einem anderen Hintergrund hochhält. Der Käfig ist da wirklich schon ein arger Holzhammer, um auf die Verbindung hinzuweisen.

Du hast sicher gut überlegt und ich wüsste es nicht besser, dennoch bleibt "sich eröffnen" für das, was zwischen Vater und Sohn steht, für mein Gefühl zu wenig.
Tja, mal sehen. Das ist sogar relativ spät in den Text gekommen, vorher hatte ich gar keine Andeutung auf eine Ursache für das Schweigen da drin. War also wohl nicht verkehrt, zumindest das Wenige einzufügen. Anders geht vielleicht, deutlich möchte ich es eigentlich nicht, auch weil es mir ganz gut gefällt, dass das Unaussprechliche nicht ausgesprochen wird.

So hübsch, mir fehlt vielleicht etwas Licht? Irgendwo im Gesicht?
Eigentlich gut denkbar, aber es gibt schon so viel Licht in verschiedenen Erscheinungsformen, ich fürchte, das wird zu viel.

Ach Gottchennee, is' echt nicht leicht. Für niemanden.
Tja, aber diesmal gibt's ja Hoffnung :)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo erdbeerschorsch,

ich beginne mal anders und zitiere, was du barnhelm und josefelipe geantwortet hast:

Deine kritischen Anmerkungen wundern mich nicht, ich probiere da ein bisschen aus was geht. Manchen gefällt das eine oder andere, anderes wiederum mag niemand, da bekomme ich dann ein Bild davon, wo ich meine Grenze ziehen will. Hier und da anzuecken finde ich jedenfalls nicht grundsätzlich verkehrt.
... schön, dass du dir die skurrilen Formulierungen gefallen lassen kannst, das habe ich natürlich gehofft, das der eine oder die andere sie mir zugestehen. Wie gesagt: ich probiere da gerade ein bisschen rum. Ich könnte dies Verspieltheit natürlich abstellen, aber lieber wäre es mir, dahin zu kommen, dass das bleibt, was soll, und nur das zu Gewollte über Bord geht. Immerhin habe ich nicht ganz den falschen Riecher, was mir wohl angekreidet werden könnte, das ist schon was.
Ich finde das sehr spannend, erdbeerschorsch, diese Suche nach der eigenen Sprache, nach Authentizität, nach der eigenen Handschrift und mir scheint, du bist damit schon ziemlich weit gekommen. Also, stelle diese Verspieltheit bloß nicht ab - ich bin sehr gespannt, wohin sie dich noch tragen wird. Das wirkt meist schon recht souverän alles und deine Texte lassen sich (zumindest hier im Forum) beinahe eindeutig zuordnen. Nach dem Motto: typischer erdbeerschorsch-Text. Und das meine ich positiv.

Ich möchte meinen Komm insofern auf das Sprachliche konzentrieren.

Unsteter Wind lupfte das Banner.
Banner finde ich zu bedeutungsschwanger; will heißen, ich erwarte, dass es eine Rolle spielt.
Lupfen tut man mMn etwas, dass zuvor (auf dem Boden) liegt. Eine Decke z. B. oder den Ball über ein Hindernis. Onkel Duden meint (Bedeutungsübersicht): 1. lüften, 2. (Fußballjargon) den Ball in einem sanften Bogen über einen Gegenspieler, eine Gegenspielerin hinweg schießen

Er drückte mit dem Fuß plüschig blühende Stauden zur Seite ...
Plüschig-blühende-Stauden wirkt ein wenig wie ein Zungenbrecher.
Andererseits hat mich nicht nur dieser Satz ein wenig an einen anderen Autor erinnert, einem sehr begabten mMn, und zwar an randundband (http://wortkrieger.de/search.php?searchid=1699804).
Ich glaube beinahe, dass er eine ähnliche Entwicklungsstrategie angestrebt hat oder noch anstrebt. Kannst ja mal schauen.

Die Stengel knickten willig.
Ich würde hier die Dudenempfehlung vorschlagen: Stängel.

Zwischen dichten Grasbüscheln sah man zuweilen rissige Erde durch.
Ich weiß schon, was du beabsichtigst, das "durch" wurde ich dennoch streichen, wegen "Durchsehen", was eine andere Bedeutung hat.

„Ich verstehe nicht, warum ihr das hier alle immer sehen wollt. Was wollt ihr noch finden.“
Würde ich vereinfachen.

Maurice legte sich die Jacke über die Knie, fummelte in der Brusttasche. Er legte die Arme um die aufgestellten Beine. Eine Hand ließ er hängen, darin hielt er jetzt eine Schachtel Zigaretten.
Wie lässt man eine Hand hängen, wenn die Arme um die aufgestellten Beine liegen. Bekomme da kein stimmiges Bild zusammen.

„Ist doch gewesen.“
Hab ich beim ersten Lesen nicht verstanden.

„Immer kommt ihr her, um euch Spuren anzuschauen, die nicht mehr da sind. Dann pflügt ihr durchs Gras und schmachtet ehrfürchtig.“
Ich finde deine Dialoge, die gesprochene Sprache fast immer griffig und authentisch. Hier bin ich mir nicht sicher. Spricht der so? Schmachtet ehrfürchtig? Ich lese da mehr Autor.

Soviel stimmte:
So viel

... das war, wo man sich sich gegen Knechtschaft verschworen hat.

... und eine zeitlang gehalten.
... eine Zeit lang.

Auch von Ende und Scheitern ging die Erzählung.
Unschön. Vielleicht: handelte

... es habe Kinou nie gegeben. „Wie kann es ihn nicht gegeben haben“, fragte er väterlich-wissend und schaute über die Brillengläser hinweg „wenn er uns die Freiheit gegeben hat?
Das letzte würde ich ersetzen. Vielleicht: geschenkt hat

Insgesamt ist mir der Abschnitt etwas zu überladen. Zu viel Lehrbuchwissen. Könntest dir überlegen, ob du da etwas eindampfst. Destillierst.

„Lasst doch mal eure Denkmäler zu Hause“, sagte Maurice von seinem Felsen herunter.
Ich würde das Pp durch vom ersetzen.

Der Sinn lag anderswo. Paul passierte den ausladenden runden Sockel, der die Fahne festhielt und eine Inschrift trug. Ein Selfie kam ihm nicht in den Sinn.
Ich finde den ganzen letzten Satz sinnlos. Der dürfte mMn weg.

Saint-Jacques war weit [weg], der Urlaub kostbar, sie sind nie gefahren.
Würde ich präzisieren.

Dem Vater schrieb er Postkarten, täglich eine. Ob er sie las, war schwer zu ahnen.
Ich finde das ein wenig zu bemüht, diese Suche nach nicht abgegriffenen Verben. Manchmal ist jedoch weniger - einfacher - mehr, finde ich. War schwer zu wissen, fände ich hier besser.

„Ihr wollt uns hier zu Helden machen, damit ihr alle euch drin sonnen könnt.“ Maurice rief jetzt lauter gegen den lauen Wind.
Würde ich auch abspecken.

... und tat hin und wieder einen Zug.
Unschön. Zudem finde ich, da er ja sehr aufgewühlt scheint, passt dieses passive hin-und-wieder nicht so recht.
Vorschlag: ... und zog immer wieder an der Zigarette.

„He!“ rief Maurice. Paul hörte ihn gedämpft gegen den Wind.
Ich sehe in der Wiederholung keinen Sinn. Würde ich auch streichen.

... sich von seinem Fels gleiten lässt ...
Auch hier würde ich das Pp ersetzen.

Paul drehte sich im Lauf um, setzte mit einem Sprung zurück ...
Das funktioniert irgendwie physikalisch nicht, finde ich.

Er boxte Paul locker gegen die Brust, hüpfte zurück, bog sich in der Hüfte und schwang die Arme.
Manchmal ist mir das zu anschaulich, deine körperlichen Beschreibungen, dass er die Hüfte bog, die Arme schwang und so. Mir scheint das zu häufig vorzukommen. Das wirkt auch stellenweise unfreiwillig komisch auf mich.

„Ich geh jetzt zum Auto hoch und lass dich forschen“, sagte Maurice.
Dürfte auch weg - dann müsste ich an der Stelle weniger nachdenken :).

... sich die tiefere Verbindung mit dem Althergebrachten im Vorbeigehen durch eine wohlfeile Liebschaft beglaubigen zu lassen.
Hm, ich weiß nicht, ich finde das zu bemüht: die tiefere Verbindung beglaubigen lassen. Gefällt mir nicht - vielleicht wegen dem Amtsdeutsch.

Maurice zwang sich klug zur Distanz.
Du spielst ja auch mit Perspektiven. Ich mag das trotzdem nicht, dass du hier wertest. Möchte das gerne selbst als Leser.

Der Motor lief bereits, als Paul sich in den weichen Sitz fallen ließ und mit der nötigen Wucht die Tür zuschlug.
Ist mir manchmal zu verkompliziert. Warum hier nicht einfach: wuchtig?

Sprunghaft beleuchteten Fernseher die Fensterflächen.
Auch hier. Den Satz muss man erst mal auf Anhieb verstehen. Klingt für mich auch wieder wie ein Zungenbrecher. Nach dem Motto: Sag das mal schnell zehn mal hintereinander.

Manchmal schummerte eine Straßenlaterne.
Synonyme (laut Duden): dämmern, dunkeln
Und wieso manchmal? Ich finde das (zu) schräg.


Wie gesagt, ich finde spannend, wie du dich sprachlich versuchst. Und dir gelingt das auch weitestgehend so, dass ich das nicht nur akzeptiere, sondern auch sehr anregend finde. Du hast sicher großes sprachliches Talent oder du arbeitest hart an deiner Sprache, oder beides, ja, vermutlich beides. Finde ich toll. Hin und wieder übertreibst du es dann aber mMn etwas damit. Wenn du Extravaganzen auf wichtige Passagen, Sätze reduzieren würdest, könnte mich das noch mehr in den Bann ziehen, denke ich. Aber das ist eben eine subjektive Meinung, erdbeerschorsch. Aber vielleicht hilft dir das trotzdem ein wenig weiter.

Zum Inhalt: Mir hat ausgesprochen gut gefallen, wie du das Thema aufgreifst und sehr bedacht und interessant ausgestaltest. Mit Fingerspitzengefühl. Emotional berührend. Hat mir wirklich gut gefallen, und, das ist mir noch wichtig klarzustellen, auch (über weite Strecken) stilistisch.

Vielen Dank fürs Hochladen

hell

 

Hi Anne49,

schön, dass du vorbeischaust, dabei habe ich allerdings fest mit dir gerechnet, da du bisher ja so fleißig die romantischen Geschichten hier bearbeitet hast und ich dich mit diesem Tag demnach ganz sicher ködern konnte :D

Du findest da ganz hübsche Spuren, die auch in der Tat nicht alle ganz zufällig sind.

Gefällt mir natürlich, hast du dir sicher schon gedacht ... (Und falls du dir das hier ausreden lassen solltest, diesmal hab ichs rechtzeitig gespeichert ... ;))
Das freut mich natürlich, dass es dir das wert ist. Bisher bin ich standhaft, aber man weiß nicht, wie lange.

Hab einen Moment lang überlegt, ob es denn wirklich drei dieser Legenden sein müssen, ob nicht eine davon gereicht hätte. Aber mach du nur. Ich hab nix gesagt.
Schon ein bisschen lang, stimmt. Ich hab mir das ungefähr so gedacht: Die Botschaft ist ja ziemlich einfach, die Umsetzung aber nicht unbedingt. Die mündliche Überlieferung, die wir uns dazudenken, kennt diese Bilder, aber nicht mehr die Überlegungen des Fischers. Die Hartnäckigkeit der drei Ereignisse soll dann so intuitiv einen Eindruck davon geben, dass er in verschiedene Richtungen denken muss, um Erfolg zu haben. Keine Ahnung, ob das klappt, ein Ereignis schien mir jedenfalls irgendwie zu mager.

Zum Duktus deiner Geschichte würde der Dativ "mit dem Herzen" besser passen.
Das kann gut sein, aber dann krieg ich wieder aufs Haupt geschlagen, weil das so altertümlich klingt. Nee, quatsch, das ist gar nicht der Grund. Ich finde es an der Stelle moderner eigentlich ganz passend, weil die Wahrheit der Erzählung da gerade in Frage gestellt wird. Ist das nachvollziehbar? Ich weiß grad nicht, wie ich es besser erklären sollte.

In den Dünen? Klingt dir zu gewöhnlich, vermute ich ...
Nein, nein, dagegen hätte ich gar nichts zu sagen. Was ungewöhnlich und gewollt klingt, hat manchmal auch nur den Hintergrund, dass ich ein bestimmtes Bild vor Augen habe, hier eben, dass er die Dünen gerade erst erreicht, also noch nicht drin ist. Allerdings habe ich "an" gegen "in" gar nicht abgewogen, das hat sich ohne Nachdenken ergeben. Vielleicht wird es auch "in". Nur soll es auch wieder nicht zu fern klingen, denn Maurice sieht ihn ja noch und holt ihn ziemlich schnell ein.

Alles ganz einfach!
Das glaubt der natürlich selbst nicht so recht ...

Der letzte Satz über die Wut, da bin ich etwas unschlüssig, ob mir das zu plump ist.
Ist schon weg.

Freut mich, dass der Text dir gefallen hat. Ich danke nochmal herzlich für den Kommentar.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi hell,

jetzt also wieder an anderer Stelle. Ich freue mich über deine Einschätzungen und Reflexionen zu Beginn! Umso ernster (nicht im schlechten Sinn) nehme ich deine kritischen Anmerkungen.

Banner finde ich zu bedeutungsschwanger; will heißen, ich erwarte, dass es eine Rolle spielt.
Nun ja, es spielt doch eine Rolle. In der Regel dürfte man aber wohl erwarten, dass am Mast die Staatsflagge baumelt. Die Staatsflagge als Banner zu bezeichnen ist dann womöglich wirklich verkehrt. Ich habe versucht, mich im Diskurs mit mir selbst so da rauszuwinden, dass ich mir gesagt habe, es müsse ja nicht die Staatsflagge sein. Aber das wäre seltsam, was sollten sie an der nationalen Erinnerungsstätte sonst aufhängen. Darf man nun die Staatsflagge als Banner bezeichnen? Hätte ich nicht sagen können, aber siehe da, man darf offensichtlich, sofern die Form stimmt (einfach im Text nach "Banner" suchen, dann kommt es irgendwann).
Ich finde das ja selbst ein bisschen komisch, aber gerade in der aufgeladenen Bedeutung des Platzes sehe ich die Rechtfertigung, die mich denn auch zögern lässt, das einfach zu löschen. Die Intention scheint zwar nicht so ganz anzukommen, aber da überlege ich lieber noch ein bisschen, bevor ich einfach den Radiergummi nehme.

Lupfen tut man mMn etwas, dass zuvor (auf dem Boden) liegt.
"Hob" statt "lupfte" ginge. Lupfen klingt etwas unernst, das hat mir im Kontrast zum schweren Banner merkwürdigerweise gefallen. Ich lass es mal noch stehen.

Plüschig-blühende-Stauden wirkt ein wenig wie ein Zungenbrecher.
Geht doch noch :) Herzlichen Dank aber vor allem für den nachfolgenden Hinweis auf den Kollegen.

Würde ich vereinfachen.
"Alle" an der Stelle streichen - ja, sicher, klingt normaler. Paul nimmt halt später auf "alle" Bezug, da dachte ich, ich bräuchte das. Aber eigentlich auch nicht.

Wie lässt man eine Hand hängen, wenn die Arme um die aufgestellten Beine liegen. Bekomme da kein stimmiges Bild zusammen.
Dann schau ich nochmals, wie ich das hinbekomme. So ganz ausführlich wollte ich es nicht machen, alternativ kann es natürlich auch weg. Das ganze Bild sieht so aus: Er umfasst die Knie mit den Armen, hält dabei mit einer Hand das Handgelenk der anderen Hand, und diese Hand lässt er baumeln, da hat er die Schachtel drin. Ich dachte, ich sollte die Frage vermeiden, wo er denn die Schachtel halte, wenn er mit den Armen schon die Beine umfasst.

Insgesamt ist mir der Abschnitt etwas zu überladen. Zu viel Lehrbuchwissen. Könntest dir überlegen, ob du da etwas eindampfst. Destillierst.
Ja, mal schauen. Ich fand es schon auch wichtig, dass die Legende nicht unbedingt mit der historischen Wahrheit übereinstimmt. Kürzer ist mir das dann vorerst nicht gelungen.

Ich finde den ganzen letzten Satz sinnlos. Der dürfte mMn weg.
Ich finde halt, wie gesagt, den Stilbruch ganz lustig. Und halt: sinnlos doch nicht. Aber zugegeben, man kann kaum drauf kommen. Gedacht habe ich mir nämlich: Die andern, die wirklich wegen der Nationalfolklore kommen, stellen sich an den Fahnenmast und machen Selfies. Paul ist aber daran letztlich gar nicht interessiert, also lässt ihn auch der olle Mast mit seiner Inschrift im Sockel kalt. Überzeugt vielleicht nicht, aber vielleicht ist es in etwa nachvollziehbar.

Ich finde das ein wenig zu bemüht, diese Suche nach nicht abgegriffenen Verben. Manchmal ist jedoch weniger - einfacher - mehr, finde ich. War schwer zu wissen, fände ich hier besser.
Diese Suche kann ich nicht bestreiten. Hier ist der Grund aber ein anderer. "Schwer zu wissen" wäre mir auch recht, ist mir auch in den Sinn gekommen und klingt irgendwo charmant, in meinen Ohren aber auch falsch. Schwer zu erfahren geht oder so was, passt aber hier nicht so richtig, denn das würde doch voraussetzen, dass Paul überhaupt versucht, das in Erfahrung zu bringen. Schwer zu wissen ist dageen ungefähr so, als würde man sagen, es sei schwer, den Schatz zu haben, statt ihn zu bekommen. Oder nicht? Scheint mir jedenfalls so.
Allerdings müsste ich dann wahrscheinlich "erahnen" statt "ahnen" schreiben, dämmert mir gerade.


Würde ich auch abspecken.
"Alle" - wie gehabt, muss aber trotzdem vielleicht nicht sein. Der laue Wind kommt ganz weg, um auch die Wiederholung rauszunehmen, die dir aufgefallen ist. Beim zweiten Mal würde ich den Wind gerne behalten, eben auch um Paul nicht zu weit entfernt erscheinen zu lassen.

Ist mir manchmal zu verkompliziert. Warum hier nicht einfach: wuchtig?
Um anzudeuten, dass das Auto nicht das frischste ist, man muss die Tür kräftig zuhauen, damit sie richtig schließt. Funktioniert nicht? Hm, schade eigentlich.

Die Bewegungsabläufe schaue ich mir nochmal an. Auch die anderen Sachen. Ich habe jetzt - wie öfters - nur auf die Anmerkungen etwas gesagt, zu denen mir direkt etwas eingefallen ist. Die andern kann ich alle nachvollziehen und werde wahrscheinlich nicht alle aber manche beherzigen. Jedenfalls hast du mir einiges zum Grübeln aufgegeben und das ist gut!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

„Herkunft, Ursprung, Wurzeln. Folklore“, sagte Maurice.

Jede Familie, jeder Clan, jeder Stamm und Stammesverband bis hin zur Nation nebst ihrer Begrenzungen hat seinen Ursprungs- und Gründungsmythos,

lieber erbeerschorsch,

der durch die mündliche Wiedergabe durch den Vater auf den Sohn durch Hör- und Sprachfehler nebst unterschiedlicher Phantasien Veränderungen erfährt. Und das ist nur konsequent gedacht, dass diese kleine Geschichte durch Fahnenmast und Banner - einer Fahne mit Hoheits-/Feldzeichen, kurz: Wappen (das einen recht wenig vor Unbill wappnet) - beginnt und dann doch einen Haken schlägt, in dem Hoheitszeichen bedeutungslos sind, wenn auch zweier Beziehungen potentiell eine Auseinandersetzung innerhalb Familien, Clans und Stämmen auslösen kann. Auch in "Mariannes" Stadt und auf'm Heiligen Jakob. Was natürlich in Zeiten der Ehe für alle (ob ich meinen Lieblingsköter je ehelichen werde, bezweifel ich dann doch) - da sollte man nicht überrascht sein, selbst der größte Revoluzzer ist in seinem Herzen erzkonservativ.

Es ist immer gut, abzuwarten und Vorredner sich austoben zu lassen. Und doch muss ich beim willig nickenden

Stengel
eingreifen, denn da haben die Reformatoren der Reichtschreibung mal gut getan, stammt doch der "Stängel" von der Stange (ist also eigentlich eine kleine Stange) und die alte Schreibweise mhd., modifiziert durch die Majuskel.

"Zwischendurch" frag ich mich dann auch, ob hier

Zwischen dichten Grasbüscheln sah man zuweilen rissige Erde durch.
das "durch" nicht eher entbehrlich sei, denn Grasbüschel sind weniger durchsichtig als mancher Satz von mir. Naütrlich frag ich mich auch, ob "getrockneter"
Schlamm
noch Schlamm ist. In seinem Be-Gründungsmythos sicherlich. Aber sonderlich schlammig ist er ja nicht mehr. Koprolith vielleicht - denn tatsächlich ist das mhd. slam in seiner ursprünglichen Bedeutung auch Kot ...

Soviel ich seh, ist hier

So[...]viel stimmte:
eine unbestimmte Mengenangabe, keine Konjunktion vorgestellt.
... eine [Z]eit[...]lang ...
wurde schon erwähnt.
„He!“[,] rief Maurice.

Eine Geschichte über Tradition
Der Vater kannte die Legenden mit dem Herz[en(?)], den modernen Staat dagegen aus den Nachrichten
und sanfter Kritik an der Moderne
Ein Selfie kam ihm nicht in den Sinn.

Und zum Schluss ein Satz für eine kleine Ewigkeit, wenn nicht für immer
Neu war das Fremde am schlimmsten und selbst Tadel unaussprechlich.

Wie immer: Gern gelesen und sicherlich nicht zum letzten Mal

Friedel

 

Hi Friedrichard,

schön, dich hier begrüßen zu dürfen, dass du die Geschichte nicht nicht zum letzten mal glesen zu haben versprichst, ist natürlich besonders erfreulich.

denn da haben die Reformatoren der Reichtschreibung mal gut getan, stammt doch der "Stängel" von der Stange
Das hab ich geändert und zuvor mehr nur halb vergessen. Es hat hat zwar auch etwas für sich, das Stängel und den Stengel zu unterscheiden, aber Regeln soll man folgen, zumal wenn es nur Rechtschreibregeln sind, die, mal sinniger, mal weniger, doch vor allem einen praktischen Zweck haben.

"Zwischendurch" frag ich mich dann auch, ob hierdas "durch" nicht eher entbehrlich sei, denn Grasbüschel sind weniger durchsichtig als mancher Satz von mir.
Ja gut, schau ich mir noch mal an. Im Moment finde ich noch, es klingt so richtiger, weil ich mir vorstelle, dass die Grasbüschel stellenweise nicht so dicht sind und dann sieht man zwischen den Halmen durch. Aber gut, es könnte natürlich auch sein, die Grasbüschel sind stellenweise ganz weg, dann kann man die Erde auch einfach sehen.

Naütrlich frag ich mich auch, ob "getrockneter"
Schlamm
noch Schlamm ist.
Ist jetzt zu Lehmboden geworden und hat vielleicht noch immer nicht seine endgültige Form gefunden. "Kot" finde ich übrigens gar nicht mal unattraktiv an der Stelle, aber ich lass lieber die Finder davon ...

Herzlichen Dank und besten Gruß
erdbeerschorsch

P.S. an hell: "schwer zu ahnen" ist dank deiner Intervention jetzt weg, und zwar ersatzlos. Find ich eigentlich gar nicht so schlecht so.

 

Hallo erdbeerschorsch,

keine Ahnung, ob ich viel Substantielles beitragen kann, aber ich versuch mal aufzuschreiben, was mir einfällt. Ich betrachte die Figuren, den Vater, Maurice, Paul von außen, benebelt durch eine Sprache, die artifiziell wirkt, als verschwimme sie in sich selbst und dem Bemühen, Freiraum für Fantasien zu eröffnen. (was sie auch teilweise ermöglicht, aber Themen anschneidet, die im Ungefähren bleiben, Gefühle, die sich verschämen sozusagen). Wie ein Film von Peter Greenaway. Super finde ich größtenteils die sprachlichen Experimente, weg von erwartbaren Formulierungen, das entspricht meinen eigenen Stilvorstellungen. Ja, also: guter Text, vielleicht zu kurz, um all das auszudrücken, was drin schwebt.

Textstellen

Die Stängel knickten willig. Zwischen dichten Grasbüscheln sah man zuweilen rissige Erde durch.
willige Stängel, passt super:Pfeif:

Über die Schulter warf Paul ihm ein helles Lachen zu, das auch trotzig sein konnte. „Wer weiß“, sagte er.
„Ist doch gewesen.“
warum hell, trotzig, klingt ein bisschen gequält, gewollt

Hier, hinter den Dünen am Meer, erzählte der Vater, hatte der Fischer Kinou von seinem Boot aus gesehen, wie Sardinen im Schwarm einen Hai vertrieben.
interessante Geschichte

Am Boden achtete er nurmehr auf seinen langen Schatten, der ihm voraus übers Gras flog, über Erde, Gras und Sand, und sich dabei wendig in Höhen und Tiefen schmiegte. An den Dünen sanken die Füße ein. Paul hielt nicht an, der Schatten hob sich vorneweg in die Steigung.
nurmehr, vorneweg, Ausdrücke, die aus der Mode sind und den impressionistischen Anfang-20.Jahrhundert-Eindruck verstärken.

Das war Maurice, der hierher gehörte, der gar nicht anders konnte, der ein Teil der Geschichte war.
im Grunde unnötiges Telle, geht ja aus der Geschichte hervor.

Es musste verlockend sein, sich die tiefere Verbindung mit dem Althergebrachten im Vorbeigehen durch eine wohlfeile Liebschaft beglaubigen zu lassen. Paul schien sonst ein feiner Kerl. Maurice zwang sich klug zur Distanz.
klingt mir zu distanziert

Sprunghaft beleuchteten Fernseher die Fensterflächen.
allein das Auftauchen eines Fernsehers passt nicht zu dem Sprachtimbre.

Neu war das Fremde am schlimmsten und selbst Tadel unaussprechlich.
merkwürdig eklektischer Satz (sagt man das so, wenn man meint, dass der Satz bewusst kompliziert geschrieben ist?)

Maurice nahm die Hände vom Lenkrad und hielt sie vor sich hin, als läge darin das, was er Paul erklären musste.
hielt sie Paul hin wäre vielleicht ein noch stärkeres Bild.

Lieben Gruß
Isegrims

 

Hallo Bas,

ich bin ein bisschen in Verzug und versuche mal, aufzuholen. Schön, dass du vorbeischaust und dass es dir gefallen hat. Du sagst da ein paar sehr hübsche Sachen. Und zugleich - das merke ich ja auch in anderen Kommentaren - finde ich die Warnung wiederholt, dass ich mich teilweise auf einem schmalen Grat bewege. Na, aber schlimme Beschwerden sind von dir gar nicht gekommen, da will ich mich mal lieber mit Erklärungen oder ähnlichem zurückhalten.

Das ist jetzt eine etwas kurze Antwort, vor allem auch gemessen an der Freude, die mir dein Kommentar bereitet, aber im Sinne des Aufholens belasse ich es vielleicht doch einfach mal dabei.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Liebe maria.meerhaba,

Das hier trifft wieder nicht meinen persönlichen Geschmack.
So lange du trotzdem noch vorbeischaust, ist doch alles in Ordnung. Nebenbei bekomme ich ja auch einige freundliche Worte ab, die nehme ich immer gern.

Ich finde diesen Anfang total grauenhaft. Stichwortartig, kurzgehackt,
Da ist sicher was dran. "Hinten begannen die Dünen, aber das Meer sah man nicht" wäre vielleicht eine Möglichkeit, um eine Hackstelle weniger zu haben. Könnte passen, auch weil Meer und Dünen zusammengehören, wollte ich eben auch schon ändern, aber dann hab ich mich doch noch nicht durchringen können, weil man mit "Abers" ja auch sparsam umgehen soll. Vielleicht gleich, nur mal versuchsweise.

doch dann kommt plötzlich so ein Satz:
Er drückte mit dem Fuß plüschig blühende Stauden zur Seite, bevor er seine Schritte setzte. Die Stengel knickten willig.
Okay, Sätze. Zwei wunderschöne Sätze, die wunderbare Bilder zeichnen.[/QUOTE]Kuck mal an, das ist doch aber auch was. Es gibt nämlich auch Leute, denen die Sätze gar nicht gefallen haben.

Und heißt es nicht: Stängel?
Doch, doch, steht jetzt so da.


Ich habe noch einmal kontrolliert, ob du den Historik-Tag drinnen hast, hast du natürlich nicht.
Natürlich nicht, weil es Saint-Jaques und diesen - wie heißt er noch - Kinou ja gar nicht gegeben hat. Deswegen ist mir das vielleicht auch etwas lang geraten, weil ich ja nicht auf etwas verweisen konnte, was man woanders nachlesen kann. Mal schauen, eventuell kann ich's trotzdem noch abkürzen.

Es kam mir wieder wie Folter vor und dann kommt so ein schöner Satz :3
Neu war das Fremde am schlimmsten und selbst Tadel unaussprechlich.
Wieder so ein Satz, den nicht alle gemocht haben, den aber zumindest Bas als halbwegs typisch für mich herausgegriffen hat. Da bist du dann ja doch (jedenfalls stellenweise) irgendwo näher bei mir als manch andere/r ...

In diesem Sinne: Herzlichen Dank für's Vorbeischauen und Kommentieren!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Isegrims,

schön, auch dich hier zu sehen.

Wie ein Film von Peter Greenaway.
Kenn ich nicht sooo gut, aber ich habe den Eindruck, dass es Vergleiche gibt, die ich weniger gern sehe.

Super finde ich größtenteils die sprachlichen Experimente,
Das ist doch schon mal gut, denn daran scheiden sich offenbar so ein bisschen die Geister. Ich finde das natürlich gut, dass es auch Leute gibt, denen das gefällt.

vielleicht zu kurz, um all das auszudrücken, was drin schwebt.
Ja, das hab ich auch gefürchtet. Andrerseits: Wenn ich etwas weiter ausführen wollte, was wäre das eigentlich? So richtig fehlt mir eigentlich nichts.

warum hell, trotzig, klingt ein bisschen gequält, gewollt
Hm, ja, kann sein. Manchmal weiß man ja selbst nicht, ob man eher "hell" oder doch eher "trotzig" lächelt, an sowas habe ich gedacht, weil Paul einerseits mit Zuneigung auf Maurice kuckt und andrerseits der ihn sicher auch nervt.

nurmehr, vorneweg, Ausdrücke, die aus der Mode sind und den impressionistischen Anfang-20.Jahrhundert-Eindruck verstärken.
"Vorneweg" finde ich an sich schon noch aktuell, aber in dem Kontext wahrscheinlich ungewöhnlich. "Nurmehr" - ja, sicher, das ist aus einer anderen Zeit.

im Grunde unnötiges Telle, geht ja aus der Geschichte hervor.
Da bin ich mir nicht sicher, es geht dabei ja darum, dass Maurice schon auch Grund hat, sich unsicher zu sei, "ob er wirklich gemeint ist" (wie Chutney formuliert hat). Geht das wirklich schon so aus der Geschichte hervor? Wäre im Grunde nicht schlecht, wenn.


allein das Auftauchen eines Fernsehers passt nicht zu dem Sprachtimbre.
Hm, da kann man nichts machen. Die Leute haben halt Fernseher, müsste man zwar an der Stelle nicht erwähnen, aber wenn der Stil die Erwähnung verbieten sollte, dann würde sich gewissermaßen der Stil damit selbst verbieten ...

merkwürdig eklektischer Satz (sagt man das so, wenn man meint, dass der Satz bewusst kompliziert geschrieben ist?)
:D
Er ist aber auch gar nicht bewusst kompliziert, sondern eher bewusst einfach geschrieben, würde ich zumindest behaupten, im Sinne von: Möglichst schlank, ohne Nebensatzkonstruktion oder Verschachtelung. Ich hatte eher vor, diese Bemerkung nicht allzu breit auszuwalzen.

hielt sie Paul hin wäre vielleicht ein noch stärkeres Bild.
Ja, stimmt, hätte ich fast auch so geändert, mache ich aber wohl doch nicht. Oder erst, wenn ich dafür an anderer Stelle etwas gestrichen habe. Das wäre nämlich wieder einigermaßen ungewöhnlich, und Ungewöhnliches findet man im Text ja schon genug.

Ich danke herzlich für's Lesen und den Kommentar!
Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo erdbeerschorsch,

aus purem Egoismus schau ich wieder vorbei. Nämlich, weil es für mich eine schöne Übung ist, durch deine feine Geschichte zu schleichen.

Maurice klopfte eine Zigarette aus der Schachtel und hielt sie zwischen den Fingern. „Immer kommt ihr her, um euch Spuren anzuschauen, die nicht mehr da sind. Dann pflügt ihr durchs Gras und schmachtet ehrfürchtig.“

Schmachten = Hunger, Durst leiden, etwas entbehren. Sich nach jmdm./etwas sehnen.

Zunächst wollte ich nur anmerken, dass Maurice sich da ironisch bis seltsam ausdrückt und Distanz zu den Paules, die ständig vorbeikommen, durchscheinen lässt.

Danach hab ich beschlossen, dass diese Wortkombination keinen rechten Sinn ergibt bzw. dass hier etwas auf unzulässige Weise verkürzt und zusammengezogen wird.
Das Verb drückt einen Mangel aus. Das Adverb aber kann sich nur auf etwas beziehen, das tatsächlich da ist.
Zwei getrennte Dinge: Die Besucher empfinden Ehrfurcht darüber, dass sie in Saint-Jacques sind. Und sie schmachten nach Spuren (was genau, weiß ich nicht), die nicht da sind.
Isegrims hat völlig recht, wenn sie deine sprachlichen Experimente super findet. Und weißt du was? Ich lass das jetzt hier mal so stehen, bin aber letztlich nur noch (angenehm) verwirrt über deine Formulierung.

Hier, hinter den Dünen am Meer, erzählte der Vater, hatte der Fischer Kinou von seinem Boot aus gesehen, wie Sardinen im Schwarm einen Hai vertrieben.

Da wünsche ich mir, dass die Paules und Paulas dieser Welt (wenn ich damit mal alle Menschen zusammenfassen darf, deren romantische/sexuelle Orientierung von der Norm abweicht) sich wie die Sardinen zusammentun und den Hai der engstirnigen Moral vertreiben.

Die Antwort gibt mir dein Text:

viel später, aus einem anderen Impuls in veränderter Weltlage erst, kam die bleibende Unabhängigkeit

Der Tag wird kommen. Aber wir werden uns noch gedulden müssen.

St. Jaques mit seiner Schwurstätte ...

Warum steht hier eigentlich nicht Saint-Jacques? Die Schreibweise irritiert mich. Das C fehlt vorm Q, dann ist das Saint abgekürzt und kein Bindestrich da.

Wenn er ihn berührte, glaubte Paul sich ganz verbunden mit diesem Land, fühlte sich angekommen und zu Hause.

Im letzten Teilsatz fehlt mir etwas. Vom Rhythmus würde ich erwarten: "fühlte er sich angekommen". Ich vermute, es kommt daher, dass du das Reflexivpronomen wiederholen musst und dann klingt es für mich ohne Subjekt unvollständig. Je länger ich drüber nachdenke, desto unsicherer werde ich aber.

Vom Festland kamen die Besucher rüber, oft für ein Wochenende, manchmal für einen Nachmittag, Rentner, Schülergruppen. Studenten seltener. Am feierlichsten die Abkömmlinge von Emigranten, die von allen am wenigsten in der Pflicht standen. neue Zeile?
Es musste verlockend sein, sich die tiefere Verbindung mit dem Althergebrachten im Vorbeigehen durch eine wohlfeile Liebschaft beglaubigen zu lassen. Paul schien sonst ein feiner Kerl. Maurice zwang sich klug zur Distanz.

Nur Peanuts. Bei diesem Gedankensprung hätt ich eine neue Zeile erwartet.

Manchmal schummerte eine Straßenlaterne.

Der Duden vermerkt als Synonyme zu schummern: dämmern, dunkeln. Was veranstaltet die Straßenlaterne da eigentlich? Ich vermute, es gibt im Stromnetz Spannungsschwankungen und Störungen. Ab und zu leuchtet eine Laterne nur schwach oder fällt aus.

Inzwischen hab ich die Formulierung doch noch bestätigt gefunden. Da kann ich nur gratulieren. Schöner kann man es nicht sagen.

Neu war das Fremde am schlimmsten und selbst Tadel unaussprechlich.

Möchte nur die Hand heben und sagen, wie sehr mir dieser Satz gefällt.
Im Grunde ist es ja eine Tragödie. Da geht ein Riss durch die Familie. Wie muss es für die Mutter sein, wenn der Gatte nicht mehr mit dem Sohn spricht! Wenn ich annehme, dass in einer ehemaligen Kolonie die Moral traditionell geprägt und der Vater entsprechend sozialisiert ist, dann ist das für ihn ein veritabler Alptraum. Der Satz drückt das aus. Die Scham und die Sprachlosigkeit.
Bin mir sicher, den Satz lässt du dir nicht ausreden. Der erinnert mich übrigens an Thomas Mann.

Die Scheinwerfer liehen dem Verputz ein blendendes Weiß.

"Verliehen" klänge gewöhnlich. Da lässt man halt mal das "ver" weg und wartet ab, ob es jemanden stört oder nicht. Was gemeint ist, versteht ja jeder. Liege ich da richtig?

Und wenn wir schon dabei sind: Deine Antworten auf meinen ersten Kommentar fand ich allesamt schön nachvollziehbar.

Beste Grüße
Anne

 

Hi Annee49,

ist ja ein sympathischer Egoismus, den du da pflegst.

Ob das Geschmachte so richtig passt - tja, hm, vielleicht nicht. Geht sicher besser. Nur wie?

Warum steht hier eigentlich nicht Saint-Jacques?
Wieso? Steht da doch. :D Ja, also: Dankeschön.

Im letzten Teilsatz fehlt mir etwas. Vom Rhythmus würde ich erwarten: "fühlte er sich angekommen". Ich vermute, es kommt daher, dass du das Reflexivpronomen wiederholen musst
Ja, stimmt schon: Für sich genommen klingt es besser mit "er", aber ich fürchte, man kommt dann leicht ins Straucheln, weil "er" am Satzanfang für Maurice steht.

Bei diesem Gedankensprung hätt ich eine neue Zeile erwartet.
Denkbar. Auf der andere Seite gilt die Verlockung am meisten für die Abkömmlinge von Emigranten, für die die Leute dort exotischer sind, als für diejenigen, die nur mal eben vom gegenüberliegenden Festland rüberkommen.

Der Duden vermerkt als Synonyme zu schummern: dämmern, dunkeln. Was veranstaltet die Straßenlaterne da eigentlich? Ich vermute, es gibt im Stromnetz Spannungsschwankungen und Störungen. Ab und zu leuchtet eine Laterne nur schwach oder fällt aus.
Jaja, so dachte ich mir das ungefähr, aber eigentlich eher so, dass überhaupt nur manchmal eine schwach leuchtet, die anderen gar nicht.

Inzwischen hab ich die Formulierung doch noch bestätigt gefunden. Da kann ich nur gratulieren. Schöner kann man es nicht sagen.

Bin mir sicher, den Satz lässt du dir nicht ausreden.
Bisher ist er nicht gefährdet.


"Verliehen" klänge gewöhnlich. Da lässt man halt mal das "ver" weg und wartet ab, ob es jemanden stört oder nicht. Was gemeint ist, versteht ja jeder. Liege ich da richtig?
Ungefähr so. Dazu würde ich noch sagen, dass "verleihen" dauerhafter klingt. Der verliehene Orden z.B. wird einem ja nicht mehr weggenommen. Das Weiß wird der Wand aber wieder weggenommen, wenn die Scheinwerfer aus sind bzw. wenn das Tageslicht draufscheint und sie schmutziggrau aussieht.

Herzlichen Dank für den zweiten Besuch!
Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo erdbeerschorsch,

Maurice klopfte eine Zigarette aus der Schachtel und hielt sie zwischen den Fingern. „Immer kommt ihr her, um euch Spuren anzuschauen, die nicht mehr da sind. Dann pflügt ihr durchs Gras und schmachtet ehrfürchtig.
„Ja“, sagte Paul, indem er sich noch einmal zu Maurice umdrehte. „Stimmt schon.“ Vielleicht nicht ganz, dachte er. Irgendwann würde er Maurice von seinem Vater erzählen.

Und dann, auf mein Rumgemaule:

Ob das Geschmachte so richtig passt - tja, hm, vielleicht nicht. Geht sicher besser. Nur wie?

War das eine rhetorische Frage? Vermutlich ja. Ich will dir die Formulierung nicht ausreden. Darf ich dich stattdessen dazu interviewen, was dich zu ihr motiviert bzw. wie du sie selbst empfindest?

Ich setze mich gerade damit auseinander, was uns einen Dialog als "realistisch" erscheinen lässt. Nicht von den Inhalten her, sondern vom Ton, vom Stil.
Maurices Wortwahl ist schon ungewöhnlich, oder etwa nicht? Man könnte sagen, der Satz triefe vor Ironie. Pauls gelassene Reaktion wundert mich. Paul könnte Maurice auch einen Klaps versetzen, locker boxen, lachen, in irgendeiner Weise verbal darauf eingehen. Gut, Paul ist wohl in Gedanken woanders, beim Vater. Aber immerhin dreht er sich zu Maurice um.

Kann es sein, dass das hier ein Text ist, der vom Stil her schon so angelegt ist, dass es gar nicht mehr darauf ankommt, inwieweit jede Dialogzeile "realistisch" wirkt? Dass die eigenwillige Erzählsprache sogar in die Dialoge reinwabert?

Danke im voraus und beste Grüße!
Anne

 

„Eine Nation ist eine Gruppe von Menschen, die durch einen
gemeinsamen Irrtum hinsichtlich ihrer Abstammung und
eine gemeinsame Abneigung gegen ihre Nachbarn geeint ist.“
K. Deutsch, tschechisch-amerikanischer Sozialwissenschaftler​

„Da ist nichts“, sagte Maurice.
Er saß auf einem mannshohen Fels, den vorzeiten eine Frühjahrsflut gelöst und den Hang hinuntergespült hatte, so dass er nun auf immer im Lehmboden steckte.
„Ich verstehe nicht, warum ihr das hier alle immer sehen wollt. Was wollt ihr noch finden.“ Maurice legte sich die Jacke über die Knie, fummelte in der Brusttasche. Er legte die Arme um die aufgestellten Beine.

Ich noch ma', erdbeerschorsch,

zu Besuch auf Saint-Jacques, wenn ich fremdes Land betreten darf, um den ersten Kommentar quasi fortzusetzen, wenn man das Eingangszitat als Bild nimmt, dass die "Heimat"-Verbundenheit, vielleicht sogar so was wie "Vaterland(sliebe)" des Maurice / Moritz / Mauritius aufzeigt, wenn er sich auf den Hosenboden setzt und ein Stück Erde quasi besetzt / ersitzt, zu dem Paul Unverständnis äußert

„Immer kommt ihr her, um euch Spuren anzuschauen, die nicht mehr da sind. Dann pflügt ihr durchs Gras und schmachtet ehrfürchtig.“

Im Eingangszitat gibt's zwo ändernswerte Stellen.

a)

"...Was wollt ihr noch finden.“
klingt nach mehr als einer bloßen Aussage und ist zugleich näher beim eher zweifelnden (keineswegs verzweifelten) Ausruf als einer Frage, also alternativ "...!", "...?" oder - vielleicht sogar das treffendste Zeichen "... !?"

b) Maurice sitzt mit dem Hosenboden auf heimatlicher Erde. Dabei steht der "Fels" als Symbol der Festigkeit, langen Dauer - wiewohl genau dieser Fels schon von der höheren Position durch natürliche Kräfte herabgestürzt wurde und nicht erst seit Laotse oder Brecht bekanntermaßen das weiche Wasser den festen Stein ... Du weißt schon, und gemeinsam mit dem Wind den Fels zu Sand verrinnen und ggfs. wegblasen lässt.

Langfristig also auch nix von Ewigkeit.

Aber eine Formulierung find ich heute nicht gelungen.
Warum? Die Jacke liegt über den Knien des Maurice und

Er legte die Arme um die aufgestellten Beine.
Dabei geht es nicht ums gedoppelte "legen", sondern um das an dieser Stelle unglückliche "aufstellen" der Beine, die quasi ein spiegelbildliches V ("Ʌ") ergeben mit den Knien als Wendepunkt oder Gipfel.

Nun kann man von der Mannschaft bis zur Prognose ziemlich viel aufstellen, man kann auf dem Boden sitzen und die Beine ausstrecken, übereinanderlegen, überkreuzen (so wie der Schneider Wibbel) oder an den Körper ziehen ("Ʌ"). "Aufstellen" ist das alles nicht.
Eingebürgert hat sich, "die Knie anziehen" - an den Körper nämlich. Was selbstverständlich merkwürdig aussieht, wenn M. seine Arme um die Knie legte, aber schon weniger merkwürdig um "angewinkelte" Beine.

So viel oder wenig für heute vom

Friedel,
der trotz der düsteren, feuchten Außenwelt ein schönes Wochenende wünscht.

 

Liebe Anne49,

schön, dass du den heiligen Jakob nochmal hast hochkommen lassen!

Darf ich dich stattdessen dazu interviewen, was dich zu ihr motiviert bzw. wie du sie selbst empfindest?
Aber sicher. Ich finde das gar nicht so unrealistisch. Besser geht es wahrscheinlich, weil, wie du sagst, das Schmachten nur unsicher passt. Sehnen usw. - in die Richtung geht es zwar, aber doch nicht ganz genau.
Maurices Wortwahl ist schon ungewöhnlich, oder etwa nicht?
Der trägt ein bisschen dick auf, aber manche machen das ja. Paul bleibt gelassen, weil er das schon kennt. Oder weil er sich halt grad nicht aufregen will. Und vor allem:
Paul ist wohl in Gedanken woanders, beim Vater.

Kann es sein, dass das hier ein Text ist, der vom Stil her schon so angelegt ist, dass es gar nicht mehr darauf ankommt, inwieweit jede Dialogzeile "realistisch" wirkt? Dass die eigenwillige Erzählsprache sogar in die Dialoge reinwabert?
Das kann schon sein. Absicht war das nicht direkt, aber gut möglich. Wenn die Dialoge ganz anders klängen, als die Erzählsprache, wäre das sicher auch merkwürdig (aber nicht unmöglich).

So viel ganz kurz. Mal kucken, ob ich indem nächsten Tagen wieder mehr Zeit habe, mich hier rumzutreiben.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi lieber Friedel,

Im Eingangszitat gibt's zwo ändernswerte Stellen.

a)klingt nach mehr als einer bloßen Aussage und ist zugleich näher beim eher zweifelnden (keineswegs verzweifelten) Ausruf als einer Frage, also alternativ "...!", "...?" oder - vielleicht sogar das treffendste Zeichen "... !?"

Ich sehe das als eine lakonische rhetorische Frage. Die verdient in der Regel trotzdem ein Fragezeichen, das Kamm mir aber zu fragend vor. "!" ist eine Überlegung wert, aber womöglich auch schon zu laut.

b) (...)
Aber eine Formulierung find ich heute nicht gelungen.
Warum? Die Jacke liegt über den Knien des Maurice und
Er legte die Arme um die aufgestellten Beine.
Ja, klingt komisch. Ich mach mich dran, deine Anregungen zu verwerten. Man kann die Knie ja auch unter dem Körper oder daneben anwinkeln, deswegen habe ich den Maurice die Beine aufstellen lassen. Aber ich mache es gleich anders.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

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