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Sage um des Teufels Kirchlein

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29.01.2010
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Sage um des Teufels Kirchlein

Der Alltag der Menschen, welche den vorderen Teil des sonst noch unbewohnten Tösstals urbar machten, war durch magisches Denken mitbestimmt. Dies schloss Angst vor Unerklärlichem und Ehrfurcht vor den Naturgöttern ein. Um sich gegenseitig vor Übergriffen schauerlicher Kobolde oder anderer Gefahren zu schützen, bauten sie ihre Hütten dicht beisammen. An diesem Ort wohnten das Mädchen Goldlöckli und der Knabe Isefüschtli. An einem schönen Hochsommertag war es deren Aufgabe, am Waldrand Beeren zu pflücken, die in voller Reife standen. Ab und zu steckten sie sich auch selbst eine in den Mund. Eigenartig war, dass die Beeren, je weiter im Waldesinneren sie reiften, umso intensiver schmeckten. Wohl wussten Goldlöckli und Isefüschtli, dass sie nicht in den Wald hinein gehen durften, da tief drinnen eine andere, verzauberte Welt vorherrschen soll. Es war eben jene von schrecklichen Kobolden, die durch die Siedlungsbewohner selbst noch nie gesehen wurden, was die Vorstellung über diese aber nur noch wirrer und phantasievoller gestaltete. Mit den Eltern zusammen waren sie manchmal schon bis zu etlichen Baumlängen weit in den Wald vorgestossen, um Fallholz zu sammeln. In diesem Gebiet müsste es also noch ungefährlich sein. So wurden sie von den immer süsser werdenden Beeren tiefer und tiefer in den Wald gelockt. Sie merkten gar nicht, dass der Waldrand sich mehr und mehr entfernte. Hin- und herlaufend, kletterten sie über Felsstücke und von Stürmen geknickte Bäume, darob die Zeit und die Welt vergessend.

Die Sonnenstrahlen warfen ein liebliches Licht durch das grüne Laub. Heiteres Vogelgezwitscher ertönte, und manchmal huschte weiter entfernt ein scheues Waldtier vorbei. Sogar die Blumen an den lichten Stellen schienen einen betörenden Duft auszuströmen.

Es musste schon später Nachmittag sein, als plötzlich ein tiefes, urweltliches Grollen ertönte, als ob alle Drachen, von denen sie aus alten Sagen hörten, hier zusammentrafen. Ein heftig aufkommendes Gewitter kündigte sich an. Sie wussten um die Gefahren, wenn die Götter der Natur grollten. In dieser rauen Gegend war ihre Gewalt allgegenwärtig, ihrer Macht alles Leben untertan. Die Sonnenstrahlen verschwanden schlagartig. Die lieblichen Laute des Vogelgezwitschers verwandelten sich in ein unruhiges Rufen und Zetern.

Goldlöckli und Isefüschtli schauten sich erschreckt an, es war Zeit sich schnell auf den Heimweg zu machen. Sie packten ihre Beerenkörbe, die prall gefüllt waren, obwohl sie etliches gleich vernascht hatten, und machten sich auf die Suche nach dem Waldrand. Der Regen begann auf das Blätterwerk zu prasseln und ein heftiger Wind kämmte durch den Wald. Richtungen, die vorher leicht begehbar waren, schienen nun plötzlich undurchdringbar, als ob Gehölz und Geröll zu einer kompakten Wand zusammengeschlossen sei. Goldlöckli und Isefüschtli hielten sich trotz der schweren Körbe fest an der Hand, um einander nicht zu verlieren. Isefüschtli hatte nur geringe Angst, er war als mutig bekannt, und Goldlöckli wusste sich von ihm beschützt.

Da war ein Bach, es musste jener sein, der aus dem Wald tretend nahe an ihrer Siedlung vorbei in einen Fluss mündete. Jetzt hatte er sich allerdings in ein tosendes Wildwasser verwandelt, da der starke Regen kein Ende nehmen wollte. Goldlöckli und Isefüschtli wählten den Heimweg nun am Bachlauf entlang, damit sie sich nicht verirren. An einer Stelle mussten sie ganz dicht am Ufer entlang gehen, da das Dickicht undurchdringbar war. So geschah es, dass Goldlöckli ausrutschte und Isefüschtli, der sie nicht losliess, mit in die Fluten riss. Isefüschtli war zwar ein guter Schwimmer, aber in diesem hochgehenden Wasser nutzte dies auch nicht viel. Die Körbe mit den Beeren waren verloren. Ein vom Sturm in die Fluten gerissener Baumstrunk, der in den Wasserstrudeln mit trieb, gab ihnen rechtzeitig einen rettenden Halt. Das glaubten sie im Augenblick wenigstens. Doch das Quirlen, Gluckern und Tosen des Baches ging plötzlich in ein anderes Geräusch über, ein tiefes Brummen und Stampfen, wie aus einem Höllenschlund. Es wurde immer lauter und lauter, die Strömung hingegen behutsamer.

Goldlöckli und Isefüschtli, sich am Baumstrunk als auch aneinander festhaltend, mussten plötzlich erschreckt feststellen, was da auf sie zukam. Es war ein Wasserfall. Ein Moment schien alles stillzustehen, dann wurde der Baumstrunk wie mit einer Riesenfaust durch die Luft geworfen, gewirbelt und schien dann endlos zu fallen, bis er auf der Wasserfläche in der Tiefe aufschlug. Hier musste der Übergang in eine andere Welt sein.

Goldlöckli und Isefüschtli wurden durch den fürchterlichen Sturz ohnmächtig, aber wie ein Wunder geschah ihnen sonst nichts. Von der durch den Wasserfall vorhandenen Sogwirkung wurden sie hinab gezogen, aber bald darauf wieder hinauf gestossen und auf eine Sandbank geworfen, die sich in einer höhlenartigen Vertiefung der Felswand bildete.

Die Dämmerung brach herein, als das Gewitter endgültig wegzog und zunehmend einem friedlichen Sternenhimmel Platz machte. Goldlöckli und Isefüschtli lagen wie in einem tiefen Schlaf auf der Sandbank. Sie sahen darum die wüsten Kobolde nicht, die am Ufer auf der anderen Seite herum sprangen und nach einer Möglichkeit suchten, das Gewässer zu überqueren, um der beiden Kinder habhaft zu werden. Doch es waren da keine Steine, über die sie springen konnten, da der Wasserstand noch viel zu hoch war. Auch gab es keine starken, hinüberragenden Äste, die tief genug hingen. So sprangen die Kobolde nur mit vor Lust geifernden Mäulern herum, die Blicke nicht von der Sandbank lassend. Dadurch bemerkten sie, das durch die Luft schwebende Elfenpaar nicht, das von dem Koboldgeschrei aufgeschreckt, nach dem Rechten sehen kam.

Den zwei Menschenkindern musste schnell geholfen werden, denn wenn der Bach wieder einen normalen Wasserlauf hat, könnten die Kobolde diesen überqueren und die Kinder in ihre Höhlenunterwelt verschleppen.

Schnell holten sie einige weitere Elfen herbei, die trotz ihrer Zierlichkeit die beiden Kinder durch die Luft wegzutragen vermochten. Die zottelhaarigen Kobolde fielen in ein grauenhaft tönendes Wutgeschrei aus, denn sie wussten, dass sie nichts dagegen unternehmen konnten. Die Elfen entschwanden mit den Kindern in Richtung des Reichs der guten Fee Sanftmuet, die sich den schönsten Platz des Waldes zu Eigen machte und gegen deren Zaubermittel die Kobolde hilflos waren.

Als die Kinder erwachten, lagen sie in einem weichen Bett aus Moos und wurden von der warmen Morgensonne angelacht. Elfenmusik ertönte, so schön, fein und zart wie diese lieblichen Geschöpfe selbst waren. Es war ein friedlicher Ort in einer Wunderwelt. Aus der Höhe floss reines, kristallenes Wasser. Es war eine Quelle, die sich über einen von Moos völlig überwucherten Felsen verbreitete. Er glich einem riesigen Edelsteinfeld, denn in der Morgensonne glitzerte es vielfarbig im feuchten Moos.

Der Elfengesang verkündete das Erwachen der Kinder, und die gute Fee Sanftmuet kam zu ihnen. Sie war edel und gütig anzusehen, so dass Goldlöckli und Isefüschtli sich in dieser unbekannten Zauberwelt keinen Moment fürchteten. Das Frühstück, das ihnen gereicht wurde, war besonders köstlich. Milch, Honig und Beeren von einem solch mundenden Geschmack, wie sie es noch nie kosteten.

Sie waren überglücklich und könnten sich gut vorstellen, für immer hier zu bleiben. Doch nachdem sie fast den ganzen Tag mit den Elfen spielten, ermahnte die gute Fee Sanftmuet die beiden Kinder, sie müssten wieder nach Hause zurückkehren, da ihre Eltern sicher sehr traurig seien. Diese mussten annehmen, dass die Kobolde sie verschleppten. Damit ihnen nichts mehr zustiess, beauftragte die Fee einige Elfen, die Kinder bis zu ihrem Wohnort zu geleiten und auch viele Beeren sowie Honig mitzunehmen.

Die Kinder jedoch bat sie um Stillschweigen über das Zauberhaft friedliche dieses Ortes, da sonst Menschen hier eindringen und das Feen- und Elfendasein ein Ende nähme. Sie sagte ihnen, sie sollten so berichten, wie es früher an diesem Ort war, als der Teufel ihn beherrschte. Damals hatte hier an dieser Quelle ein Teufel gehaust, der von der berauschenden Landschaft begünstigt, alles Liebliche in seinen Bann zog. In einer Grotte unter dem Quellgebiet hatte er einen täuschend schönen Kirchenchor eingerichtet und den moosigen Felsen pries er als paradiesischen Altar, so dass es den Eindruck erweckte, hier sei ein Platz der Götter. Faune dienten ihm als Untertanen dazu, mit List und Musik andere Wesen anzulocken. Wer sich jedoch nicht vorsah und sich täuschen liess, wurde immer tiefer ins Innere des «Tüfels-Chilen» geführt, um an einer finsteren Stelle über einen Abgrund in den Höllenschlund gestossen zu werden.
Ein bitterer Zaubertrank, den die gute Fee Sanftmuet anpflanzte - der noch heute dort in Kräutern zu finden sein soll -, schützte die Bewohner vor dieser argen Zeit, die niemand mehr heraufbeschwören soll.

Als sich die Kinder von den Elfen geleitet wieder sicher zu Hause einfanden, beladen mit Beeren und Honig von besonders köstlicher Qualität, hörten sich die Eltern und die andern Bewohner der Siedlung furchtsam und zugleich die beiden Kinder bewundernd, die Erlebnisse um dieses Teufels Kirchlein an. Noch mehr als die Kobolde, fürchteten sie fortan den Teufel und seine «Tüfels Chilen».

Irgendwann muss dann doch jemand bis dort vorgestossen sein, der diesen wunderschönen Ort frevelte, denn seit langem wurde die gute Fee Sanftmuet mit ihrer lieblichen Elfenschar nicht mehr gesehen. Doch der Teufel soll sich dank des nachhaltigen Zaubers auch nicht mehr eingenistet haben.

 

Erläuterung:

Die Sage um des Teufels Kirchlein ist eine fiktive Eingebung, zu dem wirklich existierenden Gebiet eines bemoosten Felsens mit dem offiziellen Namen «Tüfels Chilen». Die Grotte wurde beim Abbau von Tuffstein in früheren Jahrhunderten zerstört.

Im Zürcher Dialekt bedeutet Chile, Chileli oder Chilen in dieser Reihe Kirche, Kirchlein und Kirchen. In einer alten Dialektform wurde Chilen für Schlucht verwendet. Eine Doppelsinnigkeit also, der mit Kirchlein und Höllenschlund Rechnung getragen ist. Der Volksmund spricht heute im gängigen Dialekt vom Tüfels Chileli.

Für Wanderer zur «Tüfels Chilen» hat es Infos in der Rubrik ‚Freizeit‘ der Gemeinde Zell unter: http://www.zell.ch/

 
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In der von Dir gewohnten, an sich nüchternen Sprache versuchstu,

lieber Anakreon,

eine Kunst- /Natur-/ Sage zu erzählen, welche seltsame Naturereignisse / -erscheinungen erklären will/soll.
Aber schon der Start ist leider mühselig, trifft weder einen märchenhaften, noch legendären, geschweige einen sagenhaften Ton und beginnt stattdessen mit einer eher historischen Kurzbeschreibung des Zeitalters, dem das sagen- / märchenhafte Ereignis zugeordnet wird. Es ist die Zeit des frühen Ackerbaus, der neolithischen Revolution, vielleicht schon im Chalkolithikum - es wird also durchaus mit einer "indoeuropäischen" Zunge gesprochen, kam der Ackerbau doch mit eben solchen Volksgruppen nicht als erobernde Reitervölker aus der Steppe daher, sondern eher fußläufig aus dem Orient, um sich mit der je vorgefundenen Bevölkerung zu vermischen.

Aber bleiben wir bei der Sprache: Du versuchst, den Mangel an „sagenhaftem“ Ton durch Beschreibung auszugleichen – was schiefgehen muss. Da ist vorweg

das magische Denken
zu benennen: War damals nicht alles Denken „magisch“, weil den Gedanken eine besondere Kraft zugesprochen wurde? „Allmacht der Gedanken“ heißt’s bei Freud, das „wilde Denken“ nennt’s Lévi-Strauss.

Doch dann wird’s inflationär:

Die Nähe zu den wilden und mythischen Wäldern in der urweltähnlichen Moränenlandschaft des Tösstals war sehr dünn besiedelt.
„wild & mythisch (?)“ der Wald, überhaupt
„urweltähnlich“ die Landschaft nach der Eiszeit,
die „dünne“ Besiedlung.
Ja doch, der Wald gehört zum Mythos, tät er aber auch ohne Hinweis, einfach so - geh mit Kindern im Nebel durch den Wald, schon wird dies & das gesehn, was so gar nicht ist;
ja, die Moränenlandschaft (ich haus übrigens in einem Tal zwischen eiszeitlichen Erinnerungsstücken, den man pietätlos "Schutt" nennen kann), und war nicht die Bevölkerungsdichte in ganz Europa zu der Zeit sehr gering?

Auch ein Konstrukt wie

Die Landwirtschaft war langsam am Erblühen
wäre zu bemängeln, entspricht dem mühseligen Charakter der Sprache. Ich nenn’s mal (wohlwissend, dass ich mir einen Rüffel einhandel) German Gerund, wonach „ich laufen tu“ und in diesem Fall es eben „am Erblühen war“. Reichte es nicht, dass „die Landwirtschaft langsam erblühte“?

Bissken Kleinkram - ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

dar ob
Ein Wort!, wie darüber zB

Die lieblichen Laute des Vogelgezwitschers hatten sich in ein unruhiges rufen und zetern verwandelt.
Die Verben rufen & zetern sind hier substantiviert, also groß zu schreiben. Ähnlich
Doch das quirlen, gluckern und tosen des Baches …
und
ein tiefes brummen und stampfen,
, aber auch
das zauberhaft friedliche

Komma:

WegeKOMMA die vorher leicht begehbar waren, schienen nun plötzlich …

… das Gewässer zu überquerenKOMMA um der beiden Kinder habhaft zu werden.

Und letztlich
… Kinder, sie müssten wieder nach Hause zurückkehren, da ihre Eltern sicher sehr traurig sind.
Besser Konj. I („traurig seien“).

Das kannstu besser, weiß ich doch!

Gruß

Friedel

 

Lieber Friedel

Danke dir für deine ausführliche und kritische Bewertung des Textes und die korrigierenden Hinweise.

Im ersten Moment schien mir deine Kritik der inhaltlichen Darlegung plausibel. Ich hatte den Text auch aus dem Stegreif geschrieben. Doch, bei wesentlichen Einwendungen, nehme ich immer noch eine Betrachtung der Sache aus verschiedenen Perspektiven vor. Von dem her differenziert sich mein Bild gegenüber deinem darüber etwas. Die Heftigkeit deiner Reaktion mag daran liegen, dass Sagen den Rheinländern wohl beinah etwas Sakrales bedeuten.

Ich stimme dir zu, wenn meine ‚an sich nüchterne Sprache‘ nicht unbedingt eine Grundlage für Märchen bildet. Die Realität steht mir viel näher, als all deren Gegensätze, was sich darin niederschlagen mag. Der Massstab den ich wählte, waren denn auch nicht die Gebrüder Grimm oder H. C. Andersen. Ein ‚Märchen‘ in diesem Sinn ist es nicht und eine ‚Legende‘ kam vom Charakter her nicht in Frage. Sofern überhaupt, hatte ich im Hinterkopf vage die völkerkundlich-wissenschaftliche Publikation einer „Entstehungsgeschichte“ aus Nepal, die ich vor Jahrzehnten las. Diese entsprach einer einfachen Volkssage. Und darin sehe ich den Brückenschlag. Volkssagen zeichnen sich meist durch altertümliche Sprache – worauf ich an sich verzichtete – und einen linearen Aufbau aus. Sie sind handlungs- und zielorientiert gestaltet, keine epischen Ausschmückungen. Wie die Ausgestaltung einer Volkssage ist, kann dennoch unterschiedlich sein. Dass die einführende Beschreibung vielleicht nicht glücklich gewählt ist, kann ich akzeptieren. Dass dies völlig verfehlt ist, eher nicht. Es fügte sich vielleicht besser gestreut im allgemeinen Text ein.

Ein „sagenhafter“ Ton macht m. E. noch keine Sage aus. Das Fehlen von sagenhaften Erscheinungen hingegen, würde der Bezeichnung als Sage widersprechen. Ich denke durchaus, mich mit der Erzählung irgendwo im Graubereich zu befinden, die sie als Sage rechtfertigt. Aber ich respektiere natürlich deine Meinung, dass sie es für dich nicht ist.

Wie damals das Denken dieser Menschen war, lässt sich nur erahnen. Dass ihre Denkweise ‚absolut‘ magisch besetzt war, bezweifle ich jedoch. Die Zitate von Lévi-Strauss und Freud stehen in keinem Widerspruch dazu. Die Dichotomie bei Lévi-Strauss weist auf jene Teile, die diesen Menschen nicht erklärbar waren. Dass sie nicht auch zu rationaler Überlegung fähig waren, ist meines Wissens damit nicht ausgesagt. Freud äusserte sich 1909 zu ‚Allmacht der Gedanken‘ erstmals in einer Krankengeschichte eines Patienten mit Zwangsvorstellungen. Zwanzig Jahre später nahm er dies in seinem Buch «Totem und Tabu», das zu damaligen Problemen der Ethnologie einen Bogen schlug, nochmals auf. Magisches Denken herrscht auch heute beim Menschen noch vor, doch wächst es sich mit dem Kindesalter meist weitgehend aus. In meinem Text ist es ein Satz in gegenwärtiger Sprache, da eine Sage immer eine Erklärung oder Deutung für früheres Geschehen ist.

Dass der Wald in Märchen und Sagen immer Mythisch ist, versteht sich von selbst. Dessen Erwähnung tat aber meines Wissens noch keinem Märchen irgendwelchen Abbruch.

Die Besiedlung war damals je nach Gegend durchaus unterschiedlich. So werden gerade derzeit in Zürich grössere Funde aus der Steinzeit ausgegraben. Seen waren beliebte Siedlungsorte, aber nicht ausschliesslich. Die Besiedlungsdichte von damals kann man natürlich nicht mit heutiger Population vergleichen. In dieser Relation hat eine dünne Besiedlung des Tösstals also durchaus einen berechtigten Stellenwert.

Wie du siehst, lieber Friedel, kann man aus verschiedenen Perspektiven an ein solches Thema herangehen. Es ist auch nicht die Frage ob dies oder jenes weniger oder mehr Berechtigung hat. Es geht hier einzig um die Erzählung in Form einer Volkssage, einfach gestrickt, und als solche von etwas Unterhaltungswert. Ich würde auch nie versuchen eine ‚Edda‘ zu schreiben. Dass sprachliche Qualität an sich ungeachtet dessen ein Anspruch ist, ist selbstredend.

Ich werde den Text nochmals sorgsam prüfen und Deine Einwendungen dabei miteinbeziehen, doch den genannten Charakter wahren. Dies dauert noch etwas, bei Vorabnahme der eingebrachten Korrigenda.

Ich hoffe dies bringt dein Weltbild nun nicht durcheinander. Mir hat es insofern ein so nicht beabsichtigtes logisches Durchdenken der Inhalte beschert.

Gruss

Anakreon

 
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Nix zu danken,

lieber Anakreon,

es ist nicht bös gemeint und bei wesentlichen Einwendungen die Sache noch mal vorzunehmen ist doch richtig, sind doch alle Anmerkungen bestenfalls Vorschläge / Anregungen, und schon gar nicht soll der individuelle Charakter einer Geschichte abgeschafft werden. Dafür folgen schon allzu viel den mainstream.

Naja, der Rheinländer ist eben sagenhaft, aber sakral nun auch wieder nicht. Mit der Heftigkeit bin ich selbst über mich erstaunt. Was / wer mich da wieder geritten hat (wenn nicht ich selbst)? Der Verweis auf & zu den Volkssagen ist hilfsreich – aber sind zB Adjektive, zumal nicht gerade sparsam verwendet, nicht „Ausschmückung“?

Vielleicht ist die Verteilung – auch der Erläuterungen – die Lösung. Das sagenhaft / märchenhaft / legendär ist dann auch mehr Parodie der Adjektivitis. Und doch hastu recht mit der Feststellung

Ein „sagenhafter“ Ton macht m. E. noch keine Sage aus. Das Fehlen von sagenhaften Erscheinungen hingegen, würde der Bezeichnung als Sage widersprechen
, wie auch mit dem
Wie damals das Denken dieser Menschen war, lässt sich nur erahnen,
insofern keine Aufzeichnungen vorliegen. Das ist wie mit der Lautung bei Alt- und Mittelhochdeutschen, von denen wir zwar Schriftliches, aber keine Töne aufgezeichnet haben. Und dass die sog. „Wilden“ dümmer wären als wir Schlaumeier ist ja erst recht Überheblichkeit: man setze einen Google Jünger bei Stromausfall vor sein Gerät!

Die Aussage zur Besiedlung ist selbstverständlich zu relativieren ...

Bin mir sicher, dass ich noch mal auf die Geschichte zurückkommen werd.

Gruß

Friedel

 

Hallo Anakreon

Als ersten Satz finde ich den nicht gelungen: 2 namenlose Flüsslein sind hier beschrieben und das zu umständlich.

Nahe der Mündung des Bachs aus dem Bäntal in den Fluss des Tösstals, war eine kleine Siedlung wo Menschen das Land urbar machten.
, von denen sie aus alten Sagen hörten, hier zusammentreffen
zusammentrafen

Ansonsten passen Stil und Inhalt gut zusammen.
Gerne gelesen und gut gefallen.
Ich würde nur noch diesen Absatz nicht alleine stehen lassen, da er ja wohl zur aufgetragenen Geschichte der Elfe gehört:

Ein bitterer Zaubertrank, den die gute Fee Sanftmuet anpflanzte - der noch heute dort in Kräutern zu finden sein soll -, schützte die Bewohner vor dieser argen Zeit, die niemand mehr heraufbeschwören soll.

Lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard

Es stimmt, der Beginn widersprach der Regel, den Leser im ersten Satz zu packen. Ich habe da nochmals die Feder angesetzt, ebenso bei deinen Korrekturhinweisen, und hoffe, es liest sich nun griffiger.

Danke dir für deine Kritik und das Feedback. Es freut mich sehr, dass diese kleine Fantasie deinen Gefallen fand. :)

Gruss

Anakreon

 

Ja,

lieber Anakreon,

so gefällt mir der neue Einstieg in die Kunst-Natursage!, Kunst, da diese Prosaerzählung von einem wohldefinierten Autoren geschaffen wurde - und keinem Volke in den Mund gelegt wird -, Natursage darum, weil sie weniger Helden, denn für die genannte Zeit nicht zu erklärende natürliche Ereignisse zu erklären versucht.
Als hätt’ ich’s geahnt: Dem Projekt hat die Kürzung um mehr als die Hälfte der vorherigen Einleitung gut getan! Ich bin auch sicher, dass die Sage von Passagen wie

die Sonnenstrahlen warfen ein liebliches Licht durch das grüne Laub
entlastet werden (es ist Sommer!, gar Hochsommer, und von einer Trockenperiode ist auch nichts zu merken!).

Bei der Deutung der Namen in einer Zeit, da Namen noch nicht Schall & Rauch bin ich hängengeblieben: (Goldlöckli = Goldlöckchen, also Blondschopf) aber …füscht… Ise (übern Isegrimm = Eisen) und …li (entspr. der Schwäbischen Endung –le) als Diminutiv ... -

Fuchs vielleicht?

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Friedel

Dachte ich mir doch, dass die abgespeckte Version deinen Gefallen finden wird. :D So manches liess ich ganz fallen, da es sich für ein einweben im Laufe der Geschichte als nicht geeignet erwies. Es wirkte zerstückelnd oder sonst hätte ich ganze Passagen neu schreiben müssen. So habe ich es gekippt, wenn auch der zugeordnete Zeitgeist dabei etwas unter die Räder kam.

Kunst und nicht künstlich, ja diesen Ausdruck will ich doch bewahren. Dennoch eine erläuternde Ergänzung zu deiner Meinung. Bei der Abklärung, welche Erzählform dieser Geschichte gerecht wird, stiess ich darauf, dass Volkssagen in der Regel einzig auf mündlichen Überlieferungen basieren, deren Herkunft unbekannt ist. In der Regel, aber nicht absolut. So gibt es folglich auch Sagen, die auf einer Niederschrift basieren, die Personen zugeordnet werden können. Hoppla!

Dem Volk in den Mund gelegt ist sie zudem auch, bereits vor über zwanzig Jahren. Die Idee zur Geschichte entstand, als ich damals eine Schulklasse auf einen Tagesausflug zur Tüfels-Chilen begleitete, und den Kindern dies zur Unterhaltung feilbot. Für die Publikation hier musste ich dies völlig überarbeiten, da es eine mündliche Erzählung war.
Eigentlich brachte ich sie auch nur, da mir nach der kleinen Assel die Fantasie für neue Geschichten abhandengekommen war. Doch inzwischen ist wieder etwas Neues entstanden, für demnächst.

die Sonnenstrahlen warfen ein liebliches Licht durch das grüne Laub

entlastet werden (es ist Sommer!, gar Hochsommer, und von einer Trockenperiode ist auch nichts zu merken!).
Entschuldige bitte, dies verstehe ich nicht. Warum darf die Sonne im Hochsommer nicht ein liebliches Licht durch das grüne Laub werfen? Natürlich ist das Grün etwa in einem Buchenwald im Frühjahr, wenn die Blätter noch jung sind, besonders herrlich anzusehen. Aber ich erfreue mich daran auch im Sommer. Nun ja, so bin ich nun halt mal.

Meine Überzeugung, dass die Kindernamen in dem der Örtlichkeit entsprechenden Zürcher Dialekt – natürlich sprach man diesen damals kaum – im ganzen deutschsprachigen Raum verstanden werden, bestätigt sich. Goldlöckli ist ein blondes Mädchen mit lockigem Haar. Isefüschtli bedeutet Eisenfäustchen, also ein Knabe dessen Fäuste wie von Eisen geschmiedet sind. Das mit Isegrimm ist aber eine herzige Deutung, nur hätte ich diese nicht verwenden können ohne mit Reineke zu kollidieren.

Herzlichen Dank für deine positive Bewertung dieser kleinen einfältigen Geschichte und das nochmalige Lesen.

Gruss

Anakreon

 

Entschuldigt,

lieber Anakreon,

welchen Einfluss könnt eine armselige Kreatur gleich mir auf das Sonnenlicht haben und ihr die Lieblichkeit ansprechen oder dass das Laub eines beliebigen Waldes im Hochsommer idR grün ist (es sei denn, er bestünde nur aus Blutbuchen zB, es wäre ein extrem trockenes Sommerhalbjahr - kennstu bestimmt, wenns Leub im August schon braun wird, was an sich hier in der Gegen allein das Privileg der Kastanie ist). Und wie käme ich dazu, einem andern Gefühle abzusprechen! 's geht doch allein um Vorbeugung gegen eine latent vorhandene Adjektivitis, die jeden ins Kitschige abgleiten ließe.

Ich findet doch jut, dat einer so is', wie'r is', so musset'och auch sein!

Dass die Namen im Zürcher Dialekt sind, hab ich vermutet, aber Füschtli mit 'nem Füchslein zu verwechseln ist schon kurrios, wo doch Dr. Eisenfaust Klitschko keine 90 km von hier studiert hat ...

Ein Onkel von mir klopfte plötzlich auf den Tisch und rief mir jungen Bengel zu "Vertragen wir uns wieder!", worauf ich ihn damals befremdet anschaute, bis der Klare vor mir stand ... So ähnlich ginge es jetzt zu, säßen wir uns gegenüber: hier bei den Söhnen Osmans gibt es einen akzeptablen Wodka ...

Gruß

Friedel

 

Lieber Friedel

welchen Einfluss könnt eine armselige Kreatur gleich mir auf das Sonnenlicht haben und ihr die Lieblichkeit ansprechen
Ich glaube mich zu erinnern, eine Ansprache an die Sonne hattest du früher schon mal von dir gewiesen, oder war es deren Anbetung. :lol:

Ahhh, jetzt verstehe ich. Der Einfluss der Romantik, der mich in diesem Abschnitt beflügelte, ist dir ein Adjektiviertes Unikum. Wo du Recht hast will ich dir nicht widersprechen, aber einen Zeugen noch früheren Zeitgeistes berufen. Ovid – ich nahm eben sein Buch der Liebeselegien zur Hand – bediente sich schon solcher. So sprach er entgegnend: Quid mihi, Livor edax, ignavos obicis annos Ingeniique vocas carmen inertis opus … [Warum, gefrässiger Neid, wirfst du mir untätig vergeudete Jahre vor und nennst mein Dichten Werk eines trägen Geistes? …] Im Schatten Ovids mag ich diese Schmach ertragen und lass den Abschnitt stehen.

Natürlich Vitali. Ich dachte nicht an ihn, weil mein Isefüschtli noch vor ihm diese Bezeichnung erhielt.

Also Friedel, in literarischen Disputen eine Unverträglichkeit zu orten, ist doch etwas weit hergeholt. Aber jetzt durschaue ich dich, es ist ein Vorwand auch mal einen Wodka genehmigen zu können, ohne dass die Angetraute dir mit dem Weiderütchen hinterherrennt. Also für mich muss es ein Glas Rosé sein, da mir Bier und Schnaps nicht behagen. Na dann, Salve. :D

Gruss

Anakreon

 

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