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Ruinen

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21.02.2015
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Ruinen

I

Wir sitzen auf der Veranda des alten Hauses und stellen uns vor hier zu leben.
Ich habe diesen Sommer nur schwarz getragen. Irgendwann im Frühjahr lag ich im Bett und traf die Entscheidung, dass dies ein schwarzer Sommer werden würde. Ich hatte dann all die Wochen das Gefühl aus der Menge hervor zu stechen, im Supermarkt, in der Bahn. Aber Kiki sagt, dass meine Augen so mehr leuchten würden. Lichtblau nennt sie es. Wenn wir durch Blumen laufen steht sie staunend.
Wir sitzen auf der Veranda des Hauses und stellen uns vor hier zu leben.
Es gibt keinen Grund dazu. Wir sind nicht unglücklich mit unseren Leben und wir wissen auch, dass wir es nicht ändern werden. Eine Entscheidung trägt einen Weg mit sich, sie passiert wenn sie in den Rahmen passt, erklärbar ist. Dies ist nicht erklärbar, dabei wäre es so einfach. Wir sind außerhalb der Stadt, hier ist alles verlassen. Der Garten ist verwachsen und obwohl die ganze Stadt öde und trocken ist, der ganze Landstrich staubig, wächst hier in Nähe des Flusses Farn und Eukalyptus, der Sommer steht hoch und blütig, Bambus und Brombeeren, Honigblumen und wilde Wiesen, Gras ungemäht und duftend. Es gibt eine Quelle. Wir hätten nur die Tür aufbrechen müssen. Wir mögen uns.
Wir sitzen auf der Veranda und stellen uns vor zu leben.
Mit unseren Worten bauen wir eine Welt auf. Sie will eine Schaukel und ein Baumhaus mit Liane, sie will Feuer spucken und immer die Farben tragen, die der Himmel gerade trägt. Blau und weiß und grau und rosa und orange und golden. Später nachtblau. Wenn sich das Wetter ändert, will sie ins Haus laufen und sich umziehen, sagt sie. Und dann zurück ins Baumhaus und Lianen flechten, auch bei Regen.
Ich würde Malen. Ich würde die Wände anmalen in all den Farben, die man nur erahnt, ich würde schweigen in schwarz, Früchte von den Bäumen essen, ich würde Klavier lernen und manchmal singen, wenn sie draußen ist. Sie würde lauschen und mich aus der Ferne hören, als wäre ich eine Elfe.

II

Später kehren wir in die Welt zurück. In der Wohnung riecht es nach Katze. Kiki zündet Kerzen an und kocht Sommertee. Ich stehe am Fenster und schaue in die Stadt, blicke tief in ihre Augen mit der grauen Iris und den Flecken aus Fenstern. Sie starrt zurück. Wir verstehen uns. Ich kann die Geräusche zuordnen, höre Sirenen und Feuerwehrautos, jemand hält unten ein Taxi an und reißt die Tür auf. Der graue Mann dort muss nach Lavendel riechen. Ich beginne zu arbeiten. Ein Anzug in Lavendel. Meine Modelle sehen meist wie Kiki aus. Ich male Kostüme in Himmelfarben. Frühlingskollektion. Federn und Blätter. Wolkenröcke. Die Haare male ich rot und wild, die Augen listig – so wie ihre. Später bringt sie mir Tee und steht still. Sie sieht zu, wie ich die Stifte führe, wie ich sorgsam eine neue Farbe wähle und dafür Stift um Stift in die Hand nehme, ihn erfühle. Silber, sagt sie schließlich und verlässt mich. Die Tür fällt ins Schloss.
Wenn ich allein bin zieh ich mir die Kleider aus und meide die Spiegel. Ich will mich nicht mehr reflektieren. Das ist eine Welt ohne Spiegelbild. Es gibt hier nur Sehen und alles dreht sich um mich herum, wenn ich mich bewege. Das ist Mathematik, das ist Physik, aber reflektieren muss man da nicht, nur Sehen sehen und versuchen nicht zu werten. Ich weiß nicht wie lange ich so stehe. Damit aufzuhören ist wie wieder zu sich kommen, nur weiß ich nicht was davon ich bin. Die Kerzen im Flur sind ausgegangen, ich schaltet das Licht an.

Yuri kommt zu Besuch. Sind wir verabredet? Wir reden nicht darüber. Er lässt seine Stiefel im Flur, geht auf Socken in die Küche und fängt an zu kochen. Freitagabend. Ich ziehe mir im Zimmer meine Kleider an und werde sie mir später von ihm ausziehen lassen. Er pfeift in der Küche, er ist meistens fröhlich. Als ich schwarz in die Tür trete, mustert er mich und lächelt. Ich weiß, was er denkt, aber ich sage nichts.
Er hatte mich einmal gefragt, ob ich Tagebuch schreibe. Nein, hatte ich geantwortet. Und es stimmte. Ich hatte ein Buch, das ich mir Worten und Skizzen füllte, mit Fotos beklebte, doch nichts geheimes stand darin und da wusste ich, dass ich mich selbst belog. Ich hatte Dinge in mir, die niemand wusste und die ich sogar mir selbst gegenüber nicht aussprach. Ob alle so waren? Sollte ich all meine Zweifel in Bücher füllen? Jedoch müsste ich dann auch zu handeln beginnen. Vielleicht meide ich deshalb die Spiegel. Ich bin nicht mehr vierzehn.
Yuri ist der Herbst, groß und braun. Braune Augen, braune Haare, grüne oder braune Kleidung. Heute trägt er eine Weste aus Wildleder und braune Jeans. Es steht ihm. Ich sage es, er lächelt. Wir essen chinesische Nudeln mit Gemüse, trinken den Rest von Kikis Tee (er ist kalt geworden). Mein Bett riecht nach Rose und Lavendel. Er kramt eine Kerze aus seiner Tasche und stellt sie auf die Fensterbank zwischen meine Pflanzen. Vanille, sagt er. Ich fühle mich ganz kurz davon gestört. Dann lächle ich und greife nach ihr, entzünde sie. Er mag keine Musik beim Sex. Wir bewegen uns in Stille. Wenn er mir die Kleider auszieht, ist es, als berühre er mich kaum, wie ein Magier. Ich gebe mich dem Herbst hin.

Irgendwann betrete ich das Haus. Es muss eigentlich Nacht sein, denn ich weiß noch wie ich zu Bett ging, jedoch scheint die Sonne, es ist heller Tag und diesmal bin ich allein, die Tür steht schon offen. Ich gehe ohne zu zögern hinein.
Und es ist alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte: Noch hängen Fetzen von alter Tapete, meist mit Blumen, an den Wänden, die Pflanzen ranken wo sie können durch gebrochenes Glas in die Zimmer hinein, das Licht färbt sie grünlich und die Blätter werfen tanzende Schatten auf den Boden. Der Boden ist staubig, die Ecken vergilbt, auch die Wände. Es ist jedoch nicht chaotisch, die Möbel stehen aufgereiht an den Wänden. Es gibt keine Betten mehr, aber Kommoden, viele Kommoden mit Schnitzereien aus dunklem Holz und Vorhänge aus Spitze, kleine Tischchen, ein altes Telefon mit Drehscheibe, das Rad ist rostig. Eine Wanduhr steht auf dreizehn Uhr siebzehn und das Gewicht hängt reglos und antriebslos an der kupfernen Kette.
Ich suche mir ein Zimmer aus. Es liegt im ersten Stock, die Treppe knarzt, morsch und dunkel, führt von dem Eingangszimmer im Halbbogen hinauf. Ich gehe an Fenstern vorbei und ich kann den Fluss fließen sehen. Die Rahmen sind undicht und Wasser sammelt sich an manchen Stellen, riecht modrig und die Blätter des letzten Sommers schwimmen darin wie Skelette.
Das halbe Dach ist eingestürzt, doch die Eiche neben dem Haus ist so breit gewachsen, dass sie es beinahe ersetzt. Der linke Teil des Hauses steht so offen und ist voll von Eicheln und Laub, Vögel nisten und ich schrecke sie auf. Kleine Rotkelchen und Tauben. Der rechte Teil ist unversehrt. Mein Zimmer hat eine Loggia nach Osten hin. Das Licht bricht sich durch milchiges Glas mit Sprüngen und wirft ein Prisma mit seltsamen Linien und es sieht aus als hätte die Wand noch eine weitere Ebene, als schuf das Licht einen Durchgang in die Steine. Nur ich weiß nicht warum ich woanders hätte hingehen sollen. Ich bleibe und sehe bis die Nacht fällt. Dann erwache ich. Vanille.


III

Kiki kommt erst Tage später und erzählt mir von Daniel, die Pupillen weit. Ich stehe in der Tür, sie trägt ein neues Kleid aus hellroter Seide und es schmiegt sich an sie wie ihr eigener Pelz. Sie sieht aus wie ein Fuchs, als sie sich zusammenrollte auf ihrem Bett. Das Kleid wirft Falten und ich sehe, dass sie abgenommen hat.
Ich habe sie schon lange nicht mehr nackt gesehen.
Früher saßen wir morgens zusammen im Badezimmer, sie unter der Dusche und ich auf dem Klo oder andersrum. Wenn sie den Vorhang beiseite schob, beobachtete ich sie zwei Sekunden und das reichte immer um jeden Teil ihres Körpers zu erkunden. Als ob sie meine Gedanken gelesen hatte, sagt sie, dass sie duschen gehe und dann wieder zu Daniel und wir verabreden uns für Freitagabend. Yuri ist mit seinem Mitbewohner in Budapest. Ich bin also allein mit der Stadt.

Ich starre tagelang auf die Küchenwand und lasse einen Schwarzweißfilm nach dem anderen darüber laufen. Alles daran ist egal. Die Schatten springen und schwimmen, ich lasse sie fahrig, trinke Kaffee und skizziere nebenbei graue Menschen mit Bärten, aber ich bringe nichts zu ende. Ich fühle mich schwer und knotig, wie nasse Wolle, die man nicht mehr entwirren kann. Ich koche immer wieder mit dem gleichen Topf, die Wand färbt sich mit Rauch, ich vergesse mich bis Freitag. Der Hafen liegt golden in der Sonne, dann dusche ich und schneide mir ein paar Zentimeter meiner Haare ab, ich wähle ein nachtblaues Kleid, silberne Schuhe, dunkelroten Lippenstift. Die Erinnerung, dass Sommer ist, kommt zurück. Ich treffe mich um neun mit Kiki in der Sushibar, aber irgendwie ist das plötzlich nicht mehr so wichtig. Mir fällt etwas von früher ein, damals.


IV

Kiki heißt eigentlich Kyriki Nim und allein das hat sie für mich schon besonders gemacht.
Und dann das rote Haar und diesen weinroten Damenhut, den sie darüber trug – Sie mochte die Nacht und den Frühling, hat gerne Blumen gepflanzt und tausend verschiedene Musikstunden genommen, bis sie merkte, dass sie keine Begabung hat. Dann fing sie an zu tanzen und sie tanzte gut.
Ich habe Geige gespielt damals, ich spielte für Kiki und sie bewegte sich dazu. Manchmal kam sie aus dem Takt und dann blickte sie mich mit einem merkwürdigen Ausdruck an. Ich habe jetzt verstanden was das war. Sie bewunderte mich.
Das was an Kiki kindlich und schmal war, das war an mir edel und rund, damenhaft. Ich hatte sanfte Augen, dunkle Wellen, die glänzten, und all das mochte ich nicht.
Als wir dann Neunzehn wurden, fuhren wir mit dem Auto ihres Vater Richtung Süden. Eigentlich war es ein Bus, ein alter erdfarbener VW, der in Indien gewesen ist, in Nepal und Marokko, der staubig war und nach etwas fremden roch. Wir hatten wenig Ziele. Ich hatte mich für Modedesign an Unis beworben, Kiki für Tanz, wir wollten nach Berlin oder Wien, Barcelona, aber wenn, dann zusammen.
Wenn wir im Auto saßen, erzählte Kiki oft von ihrem Leben vor mir und alles klang phantastisch. Ich hörte eigentlich zu oder duldete vielmehr ihr ständiges Berichten von sich selbst und fragte mich oft, ob sie in all dem Reden die Umgebung, die wir durchquerten, wahrnahm oder ob es für sie hier beinahe das selbe ist wie durch bekannte Straßen fahren. Ich denke die Dinge, die sie sah, erinnerten sie einfach an etwas und das erklärte sie, ich nahm ihr das nicht übel, es war nur exotisch für mich.
Abends saßen wir in Bars, in den Städten oder auf dem Land, egal wo wir waren, und Kiki scherzte mit den Leuten. Ich schrieb Postkarten an Jan und spielte ab und an Geige, dann wurde alles still.
Der Sommer ging so zweisam, wir brauchten nicht viel. Als wir zurück waren, wurde es Herbst, wir packten unsere Fluchtkoffer und verstauten sie in der Ecke unserer Schränke in der neuen Wohnung am Hafen. Wenn es einmal nicht mehr läuft, sagte sie, wenn hier einmal etwas fremd wird zwischen uns, dann nehmen wir die Koffer und fahren in den Süden und erleben diesen Sommer nochmal, sagte Kiki. Weil wir schon damals wussten, wie es kommen würde. Jetzt stehen sich die Koffer staubig und die Dinge darin vergessen sich. Meine Geige steht daneben, Kikis Röcke und wir können nicht weg, weil bald Herbst ist.


V

Wir stehen am Beckenrand und betrachten das Wasser. Draußen peitscht der Herbst seine Arme an die Fenster und schüttelt die Bäume durch, Kastanien fallen knallend.
Zu viert stehen wir und denken an die Oberfläche vor uns. Yuri springt als erster, dann Kiki, dann Daniel. Bunte Fächer im Wasser, lachend und kreisend. Der Raum riecht nach Chlor und die Scheinwerfer grellen unsere Körper auf, Kikis Haare leuchten neon. Die Fächer schwimmen ihre Bahnen durcheinander. Yuri taucht unter den anderen hinweg wie ein Rochen, kreuz und quer, er verweilt am Boden in Stille, dann schnellt er plötzlich hoch wie ein Delfin und schwebt einen Moment über dem Wasser und taucht wieder unter. Kiki dreht sich plötzlich, sieht mich lachend an und ihre Augen werden listig, sie spritzt mich an, erreicht mich aber nicht, schwimmt näher und kalt prallen die Tropfen auf meine Poren, stoßen sich ab an meiner Haut und wollen zum Strom zurück. Komm endlich, ruft sie. Überwinde dich endlich. Ich schüttle nur den Kopf und schaue zum Himmel, da zieht mich etwas an, oder es zieht mich weg von diesen Augen.
Ich klettere die Stufen hinauf, Fuß für Fuß und der Herbst steht mächtig am Fenster, knallt seine Fäuste in die Welt, bringt den Turm zum zittern. Meine Hände greifen fester.
Oben schaue ich auf die Fächer im Wasser, klein und still. Der Turm schwankt und knarzt, das Glas über meinem Kopf splittert und bricht das Licht als Prisma, das Wasser wird zum Tor. Dazu die Hitze vom Licht und die Böen, die mich greifen und es bleibt mir nichts anderes als zu springen. Die Decke bricht.

 

Wow und hallo Frau Zeder, willkommen bei uns. Ist erst ein allererster, ungefilterter Eindruck. Schön, sehr sinnlich und farbig und ja, hat mir sehr gefallen, weil du eine eigenartige Atmosphäre aufbaust und einen sehr eigentümlichen Blick auf deine Helden hast.
Ich habe sehr gerne gelesen und mich einfangen lassen von deinen Bildern. Ja, denn auch sprachlich ist es sehr schön.
So aber jetzt bin ich müd. Ich meld mich lieber morgen noch mal mit Genauerem, aber für ein erstes "wunderschön" sollte es reichen. Im Moment jedenfalls hab ich (noch) nix zu meckern. Schönes Debut.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo Zeder,
herzlich Willkommen hier!

Auch mir haben dein Stil und deine Geschichte sehr gut gefallen. Ich dachte mir beim Lesen: 'Wenn die mal nicht von Judith Hermann beeinflusst ist', hab nachgeschaut, was du gerade liest und – tataaaa! ;)

Ich muss gestehen, für meinen Geschmack steckt fast ein bisschen, also, ein ganz bisschen zuviel davon in deinem Text. Wie gesagt, ich bin eine große Freundin der klaren Worte und der reduzierten Sprache! Aber bei ein paar Formulierungen musste ich schmunzeln und dachte mir: 'Jaja, das ist so typisch 00er!'

Aber das hat mein Lesevergnügen nur marginal geschmälert.
Mach weiter so und viel Spaß hier :)
Sonnigste Sonntagsgrüße
von heiterbiswolkig

 

Hallo Zeder,

du hast sehr Bildlich geschrieben, sowas finde ich immer klasse. Es war leicht und flüssig zu lesen. Sprachlich wirklich gut. Sieht auch so aus, als ob du es bereits mindestens einmal überarbeitet hast.
Darf ich fragen wie lange zu daran geschrieben hast?

Jetzt stehen sich die Koffer staubig und die Dinge darin vergessen sich.
Sehr schöner Satz :-) Gefällt mir.

Kiki dreht sich plötzlich, sieht mich lachend an und ihre Augen werden listig, sie spritzt mich an, erreicht mich aber nicht, schwimmt näher und kalt prallen die Tropfen auf meine Poren, stoßen sich ab an meiner Haut und wollen zum Strom zurück.
Dieser Teil hat was seltsames. Der Satz ist sehr lang, vielleicht könnte man da zwei draus machen? Ok, "kalt prallen die Tropfen auf meine Poren", eigentlich sehr schön geschrieben, ich wäre hier bei "Haut" geblieben. Poren sind ja nur ein Teil der Haut. Sollten sich die Tropfen nicht "von" der Haut abstoßen?! Mein Vorschlag: "...kalt prallen die Tropfen auf meine Haut, stoßen sich ab und wollen zum Strom zurück".

Schöne Grüße
Farbklecks

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo heiterbiswolkig,
danke für deine Willkommensgrüße und deine Kritik!
Ja, ich würde mich wohl auch mit Judith Hermann vergleichen - allerdings schreibe ich schon in diesem Stil bevor ich sie las, denke ich ;)
Schön, dass dir der Text aber gefällt.

Novak, danke dir für die schönen Worte und mecker gern noch, falls dir etwas einfällt! Oder schreib sonstwas.

Farbklecks, normalerweise schreibe ich häufig in einem Rutsch durch oder ein zwei drei Tagen. Dieser Text ist allerdings eine aufgearbeitete Skizze, die aus dem letzten Frühjahr (glaube ich) stammt und dann Ende letzten Jahres von mir fertig gestellt wurde. Ich überarbeite generell viel, denke ich.
Den zweiten Satz, den du ausgesucht hast, hatte ich glaub ich in einer späteren Überarbeitung eingefügt um den Absatz etwas auszufüllen. Du hast Recht mit der Haut, vielleicht mache ich : "...kalt prallen die Tropfen auf, stoßen sich ab an meiner Haut und wollen zum Strom zurück."

Viele Grüße an euch, danke für die schnellen Kommentare, das ist toll.
Zeder

 

Hach ... *schwelg* ... Willkommen bei den Wortkriegern,

weil ich inhaltlich wenig sagen möchte, möchte ich wenigstens mitteilen, dass dein Schreibstil toll ist. Ich konnte mich richtig darin verlieren und fand ihn auch ästhetisch ansprechend. Es war sehr bildlich, dabei aber oft auch originell in der Formulierung, ohne je in Stilblüten abzudriften, die kitschig oder abgedroschen klangen. Sicher, ich prophezeie dir, dass es auch Leser gibt, für die das zu dick aufgetragen ist: Ich fand es aber genau richtig.

Ich habe mich beim Lesen mehrmals dabei erwischt, wie ich mir die Frage gestellt habe, ob du schon ein alter Hase im Geschäft bist. Das wirkt alles sehr professionell und ausgeformt. Wirklich, mir fiele nicht ein Satz ein, den ich ändern würden.

Lieben Gruß und schönen Sonntag!

Exilfranke

 

Hallo Exilfranke!

Ich danke dir für deine Worte und es freut mich, dass dir mein Stil gefällt!
Ich weiß nicht wann ich alt bin und von welchem Geschäft du redest, aber ich schreibe seit über 10 Jahren, vorangig im Internet, hab auch in ein zwei Jugenliteraturzeitschriften veröffentlicht, in Onlinemagazinen, zu mehr ist es bisher nicht gekommen. Als professionell bezeichne ich mich demnach nicht =)
Wieso möchtest du denn inhaltlich wenig sagen? Ich will dich nicht drängen, der Satz hat mich nur neugierig gemacht.

Viele Grüße,
Zeder

 
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Hey Zeder,

oh, das war gar nicht böse gemeint. Inhaltlich wollte ich nichts sagen, weil du ein thematisches Feld beackerst, das weit weg von dem ist, was ich lese und schreibe - von daher hielt ich es für angemessen, mich, mangels Kompetenz, nur zum Stil zu äußern. Dieser war es ja auch, der mich nachhaltig beeindruckt und veranlasst hat, die Geschichte zu Ende zu lesen!:)

 

Hallo Zeder,

das ist ein richtig starkes Debüt, soviel vorweg. Sprachlich wirkt das sehr reif, sehr sinnlich und bunt. An einigen Stellen hatte ich kurz Bedenken und dachte mir, das könnte eine Ecke zu dick aufgetragen sein, aber nein, du kriegst immer rechtzeitig die Kurve. Richtig gut, ehrlich.

Mir fällt auf, dass noch niemand etwas zum Inhalt gesagt hat? Das ist halt auch so eine Eigenschaft dieses Textes (ohne das jetzt schlecht reden zu wollen!), aber die Sprache trägt hier sehr sehr viel. Das ist auch echt gut, und das beeindruckt - das beeindruckt glaube ich so sehr, dass die Leute den Inhalt ganz vergessen :D Zumindest ein bisschen. Deswegen möchte ich jetzt etwas zum Inhaltlichen sagen: Ich finde das nämlich nicht minder stark. Ich habe gerade nach dem Lesen echt ein paar Minuten nachdenken müssen, was ich da eigentlich gerade gelesen habe, was da eigentlich der rote Faden war, da gab es einen klar, aber der ist gar nicht so offensichtlich, finde ich. Zwischen den Zeilen steckt viel Symbolik, alles ist irgendwie so stark metaphorisch aufgeladen, hat man das Gefühl, also da spürt man, dass es um etwas geht, und man möchte auch wissen, wie es weiter geht, aber was das ist, das war mir auf dem ersten Blick gar nicht so klar. Ich denke, hier geht es um Träume, Wünsche, und das Gefühl, etwas die Orientierung verloren zu haben. Früher war da diese Aufbrauchsstimmung, man hatte Pläne, aber jetzt herrscht da diese Verlorenheit, man spürt, dass man irgendwo noch hinwill, aber wo das ist, das weiß man nicht so recht. Zumindest kam der Text für mich so rüber, korrigiere mich, wenn ich daneben liege.

Sehr schöner Text!

Grüße,
zigga

 
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Hallo Zeder,

du hast es geschafft, mit deinem Text eine Stimmung, ein Gefühl in mir zu erzeugen. Melancholie trifft es wohl am ehesten. Und so etwas entlockt mir echt Bewunderung, denn eigentlich sind es nur deine Worte, deine Sprache, die mich das haben fühlen lassen. Du schaffst es echt gut, Bilder in den Kopf des Lesers zu projizieren. Deine Worte drücken unheimlich viel aus, obwohl sich das gleichzeitig alles ganz locker und flüssig liest. An dieser Stelle muss ich dir sagen, dass mir das echt gut gefallen hat.

Zu meinem kleinen, persönlichen Aber: Ich muss sagen, ich bin ein Fan von klaren Handlungsabläufen, mit Spannung, Konflikt und so und ich finde es schon gut, wenn man als Leser selber mitdenken und ein wenig zwischen den Zeilen lesen muss, aber manchmal, wenn mir das alles zu kryptisch wird, schalte ich auf Durchzug und raff einfach gar nix mehr. (Andere würden vielleicht einfach ganz unverhohlen sagen, ich bin zu blöd dafür. :D) So ist es mir auch mit deiner Geschichte ergangen. Vorerst dachte ich bei Kiki und deiner Protagonistin an ein Liebespärchen (man sieht: ich seh tatsächlich immer die einfachsten Dinge), aber da kommen dann noch Daniel und Yuri. Und es bleibt mir somit verschlossen, was die beiden so sehr verbindet. Du hast mir anhand der in meinem Kopf entstandenen Bilder gut vermittelt, dass die beiden etwas verbindet, aber ich suche da immer nach dem Warum. Und auch der Schluss bleibt mir ein Rätsel.
Klar, es gibt viele Geschichten, wo das nicht klar hervortreten muss, die einen rätselnd zurücklassen, nur meine persönliche Befriedigung bleibt dabei auf der Strecke.

Für mich zählt dein Text also zu jenen, denen ich inhaltlich zwar nicht ganz folgen kann, die ich aber trotzdem gut finde, weil der Stil umwerfend ist.

Viel Spaß weiterhin, bin gespannt auf deine weiteren Geschichten.

Gruß,
rehla

 

Hallo Frau Zeder, ich nochmal, denn ich wollte noch was Inhaltliches zum Text sagen.
Wenn man es recht besieht und auf den Kern der Handlung herunterbricht, dann sind da zwei Mädchen, die eine große Vertrautheit zueinander haben. Und die eine befindet sich jetzt in einem Lebenszeitloch, so ein gefrorener Moment, in dem etwas Altes zuende geht, ihre Innigkeit und Vertrautheit nämlich zu ihrer Freundin Kiki, die ihr so etwas wie halbverliebte Geborgenheit gibt, und das Neue hat noch nicht richtig angefangen. Sie steckt fest, unsere Protagonistin, weiß auf einmal nichts mehr recht mit sich anzufangen, mäandert durch ihr Leben, muss sich erst ein Herz fassen und in das Neue springen.
Ja, viel scheint das nicht zu sein auf den ersten Blick, aber du hast es mit zahlreichen Symbolen, vor allem den Farbsymbolen aufgefärbt, außerdem mit den Symbolen für das alte Haus. Die Koffer voller Erinnerungen, die Jahreszeiten, der Traum/Besuch des alten Hauses, das gebrochene Licht und natürlich das Becken am Schluss, in das sie springen muss, weil die Decke bricht. Man fängt an einer Stelle an und rätselt sich weiter und entdeckt immer wieder etwas Neues in dieser eingefrorenen Welt. Und das ist natürlich für einen Leser eine aufregende Sache. Ich denke wirklich auch, dass die Handlung durch die Sprache und die ausgefuchste Symbolik lebt.
Die Protagonistin ist eine eigenartig passive Frau. Irgendwie still und selbstbezogen lässt sie alles mit sich machen und reagiert eigentlich nur. Selbst der Sprung am Schluss ist eigentlich eher von außen eingefordert. Ich weiß gar nicht so genau, ob ich ihre Passivität und Selbstbespiegelung besonders gerne mag, das hat ja auch was sehr Egozentrisches.
Es ist wohl auch, ohne das jetzt kritisieren zu wollen, ein Text, den ich für mich immer zur modernen Romantik zähle. Da gibt es nichts von außen, das in die Geschichte hineinspielt, keine Armut, keine Bedürfnisse, die eine Gesellschaft einem Menschen vielleicht verweigert oder Lasten, die sie ihm aufbürdet, keine kritische Sicht auf Lebensphänomene, sondern es ist ein Verweilen ganz im Selbst einer Protagonistin und ihrer Entwicklung.

Als alte Meckerbirne, die ich bin, denke ich aber auch oft, dass man aufpassen muss, dass man sich mit seinen Themen nicht zu sehr auf diese sehr individualistische und psychologisierende Besichtigung eines Lebensabschnittes verlässt. Aber das führt grad eh viel zu weit, es geht ja hier nicht um moderne Literaturströmungen, ich komm ins Schwadronieren.
Also kurz und gut, du hast das auf jeden Fall echt toll gemacht.
Übrigens sind noch ein paar Rechtschreiberlis drin. Aber da bin ich jetzt zu faul zu gucken.

Zu der Protagonistin wollte ich noch sagen, dass es mir ähnlich wie rehla ging, ich dachte zuerst auch an ein Liebespaar und ich finde das auch gerade sehr gut, dass diese Komponente dabei ist. Ihre Verbundenheit wird dadurch deutlicher. Also ob du diese über Freundschaft hinausgehende Enge überhaupt intendiert hast, ich weiß es ja nicht, oder ob da meine Fantasie mit mir spazieren geht, aber ich mochte diese auch ins Körperliche gehenden Andeutungen. Zum Beispiel dass du das auf dem Klo hocken und duschen, was man ja aus WGs kennt, kombinierst mit dem Kennen ihres Körpers. Und auch der Andeutung danach.

Früher saßen wir morgens zusammen im Badezimmer, sie unter der Dusche und ich auf dem Klo oder andersrum. Wenn sie den Vorhang beiseite schob, beobachtete ich sie zwei Sekunden und das reichte immer um jeden Teil ihres Körpers zu erkunden. Als ob sie meine Gedanken gelesen hatte, sagt sie, dass sie duschen gehe und dann wieder zu Daniel und wir verabreden uns für Freitagabend.
Die nämlich, dass Kiki die Körpererkundung gleich wahrnimmt und sie mit dem Hinweis auf Daniel in ihre Schranken weist. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob du das intendiert hast, aber es ist wohl eine Stärke des Textes, das dieses Unausgesprochene, Angedeutete, eine wunderbare Zutat für die Leserfantasie ist.

Und es gibt sowiso einen Haufen wunderschöner Stellen, die ich alle zitieren könnte. Sieh die hier als Stellvertreter.

Kiki kommt erst Tage später und erzählt mir von Daniel, die Pupillen weit. Ich stehe in der Tür, sie trägt ein neues Kleid aus hellroter Seide und es schmiegt sich an sie wie ihr eigener Pelz. Sie sieht aus wie ein Fuchs, als sie sich zusammenrollte auf ihrem Bett. Das Kleid wirft Falten und ich sehe, dass sie abgenommen hat.
Das ist stellvertretend so eine Stelle. Man merkt, dass ihre Kiki sich verliebt hat, die Pupillen, sie ist dünn geworden, trägt das Kleid wie etwas Neues, sehr Sinnliches, zu dem die Protagonistin aber keinen Zugang mehr hat.

Wenn es einmal nicht mehr läuft, sagte sie, wenn hier einmal etwas fremd wird zwischen uns, dann nehmen wir die Koffer und fahren in den Süden und erleben diesen Sommer nochmal, sagte Kiki. Weil wir schon damals wussten, wie es kommen würde. Jetzt stehen sich die Koffer staubig und die Dinge darin vergessen sich.
Wunderschön.

Wo genau sie da am Ende sind, wenn sie springt, habe ich nicht genau verstanden. Es klingt wie ein Schwimmbadbecken, aber im Herbst? Oder ist der hier gänzlich symbolisch zu sehen als das Vorgefühl?

So jetzt aber ...
Bis die Tage
Novak

 
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Ui danke für die tollen Kommentare und das aufmerksame Lesen!

zigga, schön, dass du dich ans Inhaltliche wagst.
"Ich denke, hier geht es um Träume, Wünsche, und das Gefühl, etwas die Orientierung verloren zu haben. Früher war da diese Aufbrauchsstimmung, man hatte Pläne, aber jetzt herrscht da diese Verlorenheit, man spürt, dass man irgendwo noch hinwill, aber wo das ist, das weiß man nicht so recht."
schreibst du. Ja, so kann man es betrachten. Ich habe ehrlich gesagt keine klare Meinung davon worum der Text eigentlich geht, der rote Faden ist nicht so leicht zu erkennen, weil ich ihn beim Schreiben nicht hatte. Ich schreibe mich durch Bilder, oder so. Kann da garnicht so viel zu sagen. Mir geht es darum Charaktäre zu erschaffen und ich beschreibe ihre Konstellation, darum herum passiert dann. Da ich aus der Sicht eines Ich-erzählers geschrieben habe, ist das ganze natürlich super subjektiv, aber auch interpretierbar.

Novak, ich fand es interessant, was du zur Passivität der Protagonistin geschrieben hast. Das verstehe ich, ich empfinde beim Lesen eine Unbehaglichkeit, mir ist das unangenehm, diese Passivität- aber darum ging es mir auch, denn die Protagonistin steckt in der Lebenssituation eine Person loslassen zu müssen, in die sie lange verliebt war und ist -übrigens ist da für mich definitiv eine Liebesbeziehung zwischen Protagonistin und Kiki gewesen, es bleibt dem Leser überlassen in wie weit sie ausgelebt wurde-, mit der sie zusammenwohnt und die einen neuen Partner hat. Die Protagonistin wünscht sich in die anfängliche Leichtigkeit der Beziehung zurück, will die Vetrautheit nicht loslassen und hat Angst sich anderen Dingen zu öffnen. Sie ist abhängig von Kiki, diese Abhängigkeit durchbricht sie selten, einmal in dem Traum, in dem sie allein ins Haus geht, einmal als sie Freitagabends nicht zu Verabredung mit Kiki geht, einmal als sie nicht ins Wasser will. Sie bewunderte Kiki udn tut das noch, findet aber mitterweile auch etwas abstoßend an ihr, bzw betrachtet sie kritisch.

Der letzte Absatz, die Personen befinden sich in einer Schwimmhalle. Was daran symbolisch zu verstehen ist, mag ich nicht vorgeben. Frei interpretierbar ist ja fast alles an dem Text. Für mich ist es so, dass der Protagonistin genau das passiert, was dort steht, ob es nun real ist, oder nicht. Sie ist sehr aufgeregt, füht sich fremd und empfindet eine Abscheu gegen Kiki, das ist wichtig für mich, sie will nicht zu den anderen ins Wasser, weil sie anders empfindet. Alles darum ist krass für sie, die Sinne sind geschärft, es ist ein Moment der Wahrheit, es bricht alles ein über sie. Über das Passive daran will ich nochmal nachdenken.

Ich habe euch jetzt nicht geordnet geantwortet, das war schwierig weil ihr teilweise ähnliche Ansätze hattet.

Danke nochmal für die genauen Betrachtungen, es gibt noch mehr zu schreiben, aber ich bin jetzt müde. Und ich freue mich natürlich sehr so viel Zuspruch zu bekommen :)
Liebe Grüße,
Zeder

 

übrigens ist da für mich definitiv eine Liebesbeziehung zwischen Protagonistin und Kiki gewesen, es bleibt dem Leser überlassen in wie weit sie ausgelebt wurde-, mit der sie zusammenwohnt und die einen neuen Partner hat.
Gut, dass ich nicht nur eine versaute Fantasie habe, sondern dass es auch so angelegt war.:D
Ich weiß nicht, ob ich das schon schrieb, aber im ersten Absatz, da reden die ja auch miteinander und stellen sich Zukunftsdinge vor wie ein Liebespärchen das eben so macht. Ich fand das da auch sehr schön, wie du mit dem Satz "Wir stellen uns vor ..." spielst, der ja eine Veränderung durchläuft.
Das mit der Passivität ist schon alles gut gemacht. Keine Sorge. Das ist nur ein Geschmacklinger von mir.
Auch das mit der Schwimmhalle ist/war für mich klar, ich bin nur verunsichert worden wegen der starken Herbstbilder darin. Da passierte dann in meinem Kopf einfach sowas Blödes, dass ich innerlich sagte, die Schwimmbäder machen, ja wann denn, Mitte September vielleicht spätestens zu. Und brüllt der Herbst da schon so rum und rüttelt und macht? Ja wo sind die denn dann? Das war mein Problem an der Stelle. Und damit ein leseexternes Problem. Keine Interpretationsmöglichkeit, sondern Irritation.
Aber wenn das sonst keinem einfällt, würde ich das auf meine übertriebene Exaktheit schieben.

Eine Sache habe ich aber anders verstanden aus deinem Text:
Der Abscheu gegen Kiki. Außer dieser Stelle habe ich das nicht entdeckt:

Kiki dreht sich plötzlich, sieht mich lachend an und ihre Augen werden listig, sie spritzt mich an, erreicht mich aber nicht, schwimmt näher und kalt prallen die Tropfen auf meine Poren, stoßen sich ab an meiner Haut und wollen zum Strom zurück.
Und auch diese Stelle würde ich weniger als Abscheu interpretieren denn als Abstand, Angst, Distanz, Abwehr.
Sonst verstehe ich ihr Beobachten, z. B. wie sie auf dem Bett liegt und das Kleid wirft Falten, eher als Distanz. So wie man eben jemanden betrachtet, der ganz unbefangen weiterlebt, während man immer noch an ihm festhängt. Das ist ja kein schönes Gefühl. Aber Abscheu? Das ist schon ein sehr starkes Wort.
So, jetzt hör ich aber auf, über diesen schönen Text nachzudenken.
Viel Spaß hier bei uns.

 

Hallo,

der Text ist ein Kabinettstück, und auch ein wenig eine Mogelpackung. Motivisch sind da sehr viele Versatzstücke drin, Sommer und Reise und die nahe Vergangenheit, das Verklären dessen, des Selbsterlebten, Für mich liest sich der Text wie Preisträgerliteratur; in einer Lebenswirklichkeit verortet, mit der ich mich nicht identifizieren kann, alles ist fürchterlich brav, und dann dieser naturalistische Kunstgriff, damit der Text irgendwie nach etwas riecht oder schmeckt, sich irgendwie anfühlt. Dabei erzählt er nichts, das sagst du ja selber. Kein roter Faden. Diese Erzählwelt ist, für meinen Geschmack, einfach artifiziell, die schweben da alle in so einer Blase voller Selbstmitleid und Untätigkeit, das sind so BOBOs, die Nabelschau betreiben. Der Text bleibt immer an der Oberfläche, der geht nie rein. Man hat das Gefühl, das wäre so, aber im Grunde tut er das nie, und deswegen ist und bleibt er harmlos. Der ist in sich hermetisch, man kommt nie an ihn ran.

Ja, sprachlich ist das sehr feminin, würde ich sagen, sehr voll. Judith Hermann, keine Ahnung, nie gelesen, also ich kann mit dem Vergleich nichts anfangen. Es liest sich gut, das ja, aber ich stehe solchen Texten immer skeptisch gegenüber, weil sie eben oft nur Hülle sind, ohne Substanz. Aber mit solchen Texten gewinnt man Preise.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Zeder schrieb:
Ich schreibe mich durch Bilder, oder so.
Das ist nicht unbedingt die schlechteste Herangehensweise ans Schreiben, Zeder, und bildgewaltig ist dein Text in der Tat.
Ich klaue mir jetzt einfach mal ziggas Resümee und sage:
Ein sehr schöner Text!
Ja, schön ist er wirklich, sehr schön, sprachlich stellenweise wirklich großartig.
Aber darüber hinaus?
Auch wenn ich nicht zur Bande der Großen Bösen Buben (Jimmy, Achillus, et al) gehöre, muss ich diesmal in Jimmys Kerbe hauen. Auch für mich ist das mehr Schein als Sein. Artifiziell nennt Jimmy den Text und genau so empfand ich ihn auch und ich häng gleich noch den Begriff ästhetizistisch dran.
Oder ich will's mal so sagen: Wäre dieser Text Teil einer längeren Erzählung, gar eines Romans, eingebettet also in eine komplexere Handlung, und wo ich dann auch die Figuren schon kenne, hätte ich vermutlich kein Problem mit der Lektüre, stilistisch ist das ja wirklich sehr ansprechend. Aber um es als eigenständige, in sich funktionierende Geschichte wahrnehmen zu können, fehlt mir da viel zu viel. Da fehlen mir Substanz, Identifikationspotential, und ja, vor allem auch die Geduld, mir alles selbst zusammenreimen zu müssen, mir in Wahrheit sogar die Figuren selbst erfinden zu müssen. Zwischen den Zeilen lesen müssen ist ja schön und gut, aber mit dem Aufwand an Phantasie, den ich da betreiben müsste, schreibe ich mir gleich selber eine Geschichte, wenn du weißt, was ich meine. Also von einem Autor, einer Autorin verlange ich schon mehr, als mir nur eine wunderschöne Skizze zu liefern, die ich mir dann selber ausmalen soll. An sich bin ich ein Leser, dem der Stil einer Geschichte allemal wichtiger ist, als der noch so ausgefeilteste Plot, aber selbst mir ist hier zu wenig Substanz.

Natürlich kann ich's auch so sehen: Vemutlich gehöre ich einfach nicht zur Zielgruppe dieser Art von Texten.
So wie du mit der Sprache umzugehen imstande bist, traue ich dir allerdings zu, dass du irgendwann auch mich erreichst.

offshore

(Bisher hat's niemand angesprochen, wahrscheinlich weil sie alle von der Schönheit des Textes geblendet waren. Aber ich sag's dir jetzt einfach: Deine Kommasetzung ist ... äh, na ja, fragwürdig, um nicht zu sagen, unter jeder Sau.)

 

Hallo Zeder,
da spricht eine Menge Schreibroutine aus dem Text und ich kann mich sehr genüsslich dem Lesen hingeben, denn die Autorin beherrscht ihr Handwerk, geht mit Sprache sicher und gekonnt um. Das signalisieren gleich die ersten Sätze. Ich darf mich an schönen Bildern, einer oft poetischen Sprache, stimmungsvollen Beschreibungen und trefflich geführten Sätzen erfreuen. Und ja, auch mich erinnert genau das an Judith Hermanns Schreibstil. Ich habe ihre frühen Erzählungen im Band „Sommerhaus früher“ gern gelesen, auch wenn sich das Leben der Frauen in ihren Erzählungen meist in stilvollen Gesprächen und einem egozentrischen Nichtstun abspielte. Sie redeten, tranken, aßen und rauchten und ab und an lernten sie Männer kennen. Aber es traf durchaus das Lebensgefühl der Endzwanziger damals. Und ein wenig erinnern mich die Gestalten deiner Geschichte auch an ihre Figuren, nur dass ich denke, hier in deiner Geschichte sind die Protagonisten in einem anderen Alter.

Aber zurück zu deiner Geschichte und weg von jedem Vergleich. Das Lesen war erst einmal ein Genuss, weil mich die Sprache „verführte“ und mitnahm, in ein lichtblaues Ambiente, mit Honigblumen, wilden Wiesen, Flüssen und Quellen, wo Vanille, Eukalyptus und Rosen mir Düfte zuspielen und in denen die Protagonisten zu allen Gelegenheiten Tee aufschütten und Tee trinken, an Fenstern stehen und die Ich-Erzählerin so Sätze sagt wie:

Wir sitzen auf der Veranda und stellen uns vor zu leben.

Mit unseren Worten bauen wir eine Welt auf.

Es gibt hier nur Sehen und alles dreht sich um mich herum, wenn ich mich bewege.


Ja, hier dreht sich eine Prota um sich und in sich: und ihre Welt, die sie mir zeigt, ist gebaut: kunstvoll gebaut und stilvoll, wie ihre Sätze und Gedanken.

In den zitierten Sätzen sehe ich dann auch so etwas wie die Poetologie dieser Erzählung und vielleicht birgt gerade diese auch eine Gefahr. Denn nach dem Lesegenuss habe ich versucht zu greifen, was da zwischen den Zeilen erzählt wird, und es wird fast nur zwischen den Zeilen erzählt.

Ich schaue der Ich-Erzählerin dabei zu, wie diese auf ein Stück Vergangenheit zurückschaut, auf eine wunderbare, zarte Freundschaft, eine Liebe vielleicht. Selten wird etwas direkt an- oder ausgesprochen, die Ich-Erzählerin steht oft hinter der Kamera, fängt etwas ein, lässt den Leser SEHEN, ein Außen, und dazwischen rankt sich ein Ahnen, ein Innen.

Da gibt es seltsam vage Sätze (der Blick nach Innen): ich schwanke in meiner Wertung zwischen „atmosphärisch dicht“ und „reflektierend schwebend“. Meist folgt sogleich wieder ein Schwenk auf das Außen. Hauptmittel der Atmosphäre-Erzeugung ist die Beschreibung von Räumen/Orten in der Form der Aufzählung aller in ihnen enthaltenen Düfte und Dinge.

Hier ein solche Stelle:

(A) Wir sitzen auf der Veranda des Hauses und stellen uns vor hier zu leben.
(B) Es gibt keinen Grund dazu. Wir sind nicht unglücklich mit unseren Leben und wir wissen auch, dass wir es nicht ändern werden. Eine Entscheidung trägt einen Weg mit sich, sie passiert wenn sie in den Rahmen passt, erklärbar ist. Dies ist nicht erklärbar, dabei wäre es so einfach.
(C) Wir sind außerhalb der Stadt, hier ist alles verlassen. Der Garten ist verwachsen und obwohl die ganze Stadt öde und trocken ist, der ganze Landstrich staubig, wächst hier in Nähe des Flusses Farn und Eukalyptus, der Sommer steht hoch und blütig, Bambus und Brombeeren, Honigblumen und wilde Wiesen, Gras ungemäht und duftend. Es gibt eine Quelle. Wir hätten nur die Tür aufbrechen müssen. Wir mögen uns.
(A) Wir sitzen auf der Veranda und stellen uns vor zu leben.

(A) Das ist schon ganz wunderbar gemacht, dieser Rahmen, der mir gleich sagt: „Leben passiert hier in der Vorstellung: „man würde ... . Leben in Konjunktiven. Dieser Satz wird in Abwandlungen 3 mal wiederholt.
(B) Sätze, die Tiefe signalisieren, die sich, kaum ausgesprochen schon wieder auflösen oder zurücknehmen. Ich suche als Leser das Dazwischen.
(C) Dann der Ortswechsel, das Eintauchen in die Natur, die Gegenstände. Die zarte Aussage: „Wir mögen uns.“ sehr zerbrechlich und leise „dazwischen geschoben“. Eine der ganz wenigen klaren Aussagen.

An so einer Stelle zeigt sich schon die kunstvolle Gestaltung des Textes und ich stehe erst einmal mit viel Bewunderung davor.

Mein zweiter Blick lässt mich aber auch erkennen, dass dieses Vorgehen Prinzip hat, dass es in jedem Absatz angewandt wird und die Gradwanderung, dass diese absehbare Ästhetik auch zu einer Bühne werden kann, auf der die Protagonisten "Figuren" werden: ein wenig distanziert, fast künstlich. Hier empfinde ich sie in einer Lethargie gefangen. Sie bleiben hinter schönen, zarten Schleiern.

Das alles passt hier ganz wunderbar zusammen: die Figuren, die Bilder, die Sprache; das ist ein stimmiges Ganzes. Und auf diese Länge, hat die Sprache auch genügend Kraft, als Sprache zu faszinieren. Auch glaube ich den inhaltlichen Faden (wenn auch spärlich) richtig gelesen zu haben, aber auch er schimmert nur blass durch. Trotz Schönheit hat es für mich etwas „Kränkliches“.

Die erzählte Welt, bleibt mir fremd und fern (was an und in mir liegt). Sie bleibt für mich eine „Text-Welt“ und die Prota eine „Kunstfigur“ (beides mehr als gut geschrieben).
Ich wünschte, die Geschichte könnte den „Käfig der Ästhetik“ an einigen Stellen einmal sprengen und die Figuren könnten hinter der Nebelwand hervortreten. Gegen Ende gibt es Ansätze dazu.

Du selbst schreibst in einer Antwort:

Ich habe ehrlich gesagt keine klare Meinung davon worum der Text eigentlich geht, der rote Faden ist nicht so leicht zu erkennen, weil ich ihn beim Schreiben nicht hatte. Ich schreibe mich durch Bilder, oder so. Kann da garnicht so viel zu sagen. Mir geht es darum Charaktäre zu erschaffen und ich beschreibe ihre Konstellation, …

Ich finde, diese deine Aussage beschreibt den Text sehr treffend.
Gerne gelesen. Bin gespannt auf weitere Texte.

Liebe Grüße Joenna

 

Danke ihr drei für die Kritik, da kommt ja auch endlich mal was Negatives. Im Grunde sagt ihr ja, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Worten, etwas ähnliches, dass euch hinter der Ästhetik eine Tiefe fehlt, ein Zugang zum Text fehlt, er oberflächlich bleibt. Das nehm ich mir zu Herzen für zukünftige Texte.

Joenna, danke für deine Aufmerksamkeit beim Lesen, ich freue mich über deinen Kommentar.
"Ich wünschte, die Geschichte könnte den „Käfig der Ästhetik“ an einigen Stellen einmal sprengen und die Figuren könnten hinter der Nebelwand hervortreten.", das find ich gut.
jimmysalaryman, danke auch für deinen Kommentar, Sätze wie "das sind so BOBOs, die Nabelschau betreiben" erreichen mich einfach nicht, total unpassend in einer konstruktiven Kritik.
offshore, zur Kommasetzung, ich schau bei Gelegenheit nochmal drüber, hab den Text gerade einfach schon zu oft gelesen. Hatte ich eigentlich schon öfter mal flüchtig, aber vielleicht hab ich die Regeln einfach nicht mehr drauf, das kann sein.

Die Arbeit war heut anstrengend, mehr ist gerade nicht drin :(
Ich wünsch euch einen schönen Abend.
Zeder

 

"das sind so BOBOs, die Nabelschau betreiben"

Das ist meine subjektive Meinung. Du kannst gerne deine eigene haben. Und woher soll ich wissen, ob dich das erreicht oder nicht? Und wer entscheidet, was passend ist und was nicht?

 

Na, das weißt du ja nicht, deswegen sag ichs dir ja. Ich finde immer Verbesserungsvorschläge konstruktiv, Zitate sind auch nicht schlecht, auf die man sich beziehen kann. Ich lese deine Kritik und denke, das hört sich ganz schön herablassend an. Ich bin aber auch eine sehr freundliche Person. Ich möchte keine Diskussion losreisen, das hab ich in anderen Foren schon zu oft erlebt. Wenns noch was gibt gern per PN.

 

Ich habe dir einen subjektiven Leseeindruck vermittelt, der sachlich und beim Text bleibt. Es ist meine Empfindung. Der Kommentar hat mit dir persönlich überhaupt nichts zu tun.

 

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