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Ruhiger Kerzenschein
Da saß sie. Sie und ihre Freunde, ihre Bekannten und deren Bekannte. Ruhiger Kerzenschein flackerte umher. Sie saßen in gemütlicher Runde, kleine leise Pläuschchen durchzogen die besondere, ja fast magische Atmosphäre. Ein jeder war in seinen eigenen Gedanken versunken. Auf und davon getragen von den sacht vorgelesenen Worten. Ihr ging es nicht anders. Sie fühlte alle Blicke auf sich, obwohl diese sich im Raum verteilten, den eigenen Gedanken nachsehnend. So saß sie da. Der Rücken leicht gebeugt, die lange Zeit des Sitzens drückte schon längst auf den selbigen. Worte tanzten durch den Raum. Sacht und kaum verstanden. Wie die Musik, die die Schlange hypnotisiert hält. Und wenn sie verstummt, zerbröckelt langsam die Trance und eine eigenartige Leere bleibt zurück. So gedankenverloren vor sich hinstarrend stand sie auf, ohne dass sich ihr Blick auf irgendwas konzentrierte. Sie holte sich ein Getränk. Tee, für Alkohol war die Stimmung zu fein gespannt. Nichts sollte ihrem Geist einen Schleier auferlegen.
So saß sie wieder in eingefrorener Haltung. Warmer Dampf stieg aus den dunklen Tiefen der Tasse auf. Die Wärme schlug ihr ins Gesicht. Rötete ihre Wangen. Es war warm in dem Raum. Die Heizung arbeitete unermüdlich gegen die Herbstkälte. Die vielen Körper beieinander erhitzten sich gegenseitig. Wieder verlor sich ihr Blick im Nirgendwo. Ihre Gedanken verschwammen. Mit ihnen Tee und Umgebung. Das stetige Flackern der Kerzen war eins mit ihrem Herzschlag. Langsam und ruhig. Entspannung in ihrem Geiste. Ihr Körper verkrampft, doch meilenweit entfernt von der Wirklichkeit.
Die Flammen begannen zu tanzen. Lösten sich von ihrem Docht. Kleine Männchen mit lodernden Haaren und schwarzen Äuglein. Immer mehr sprangen durcheinander. Tummelten sich beieinander. Sie tanzten und wirbelten umher. Hand in Hand, drunter und drüber. Sie luden sie ein, mit ihnen zu tanzen. Sammelten sich um sie, neckten sie ausgelassen. Sie jauchzten und sprangen umher. Wie gern würde sie mitmachen. Sich erheben, mit ihnen durch den wundersam warmen Raum fliegen.
Doch ihr Körper gehorchte ihr nicht. Kein Muskel, keine Faser. Traurig saß sie da, beobachtete wehmütig das herrliche Treiben. Sie hielt es nicht mehr aus, sie wollte dabei sein. Sie bemühte nicht ihren Körper, der wollte sie nicht gehen lassen.
Mit Schwung flog sie zu den tanzenden Flammenmännchen. Ihr Körper saß starr unter ihr. Sie flog mit ihren neuen Gefährten um ihn herum, tanzte mit ihnen um die Nasen der anderen. „Sieh nur“, sangen die Flammenmännchen. „Keiner kommt zu uns. Keiner beachtet uns. Sieh nur, wie gefangen sie sind.“
Der Chor der Flammenmännchen wurde allmählich leiser. Immer mehr Stimmen versiegten, immer weniger Flämmchen tanzten durch den Raum. Als die letzte Kerze runtergebrannt war, wurde es finster um sie herum. Alles was ihr blieb, war diese kalte, innere Leere, die auch der wieder angeschaltete Deckenfluter nicht vertreiben konnte.