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Ruhe in Frieden
Ruhe in Frieden
„Das ist doch Kinderkacke“, beklagte sich Fabian und pfefferte den Zeiger des Ouija Brett’s quer durch das Zimmer auf mein Bett. Eine der Kerzen flackerte durch den Windstoß und ließ unsere Schatten an den Wänden tanzen. „Na gut, dann lass uns was anderes unternehmen. Was könnten wir mit dem angebrochenen Abend anfangen?“, meinte ich während ich zur Kiste hinübergriff um Fabian eine neue Flasche Bier zu reichen, die er gelangweilt aber dankbar entgegennahm.
Fabian war noch nicht so lange bei uns im Dorf und es behagte ihm hier gar nicht. Er vermisste den Trubel der Stadt. Das war seinen Großeltern aber egal gewesen als sie hierher ans Land übersiedelten um genau diesem Trubel zu entgehen. Sie waren nicht besonders erfreut sich um ihren Enkel kümmern zu müssen, aber als letzte verbliebene Verwandte nach dem tragischen Autounfall der Eltern haben sie nun mal das Sorgerecht zugesprochen bekommen. Was hätten die Leute gedacht, wenn sie es nicht angenommen hätten.
Da wir uns beide für das okkulte interessierten, und ich damit bisher nur zum sonderbaren Einzelgänger in meiner Schule taugte, fanden wir schnell zueinander und wurden beste Freunde.
„Auf den Friedhof?“, quäkte ich mit etwas zu hoher Stimme, „Jetzt?“, setzte ich nach, bemüht wieder etwas männlicher zu klingen.
„Hast Du etwa Angst? Du großer Geisterbeschwörer?“, meinte Fabian provokant und nahm einen großen Schluck, zog sein rechtes Bein an um dann sein Handgelenk auf dem Knie abzustützen. Mit der Flasche in der Hand auf das Brett am Boden zwischen uns deutend, fuhr er fort „Das ist doch was für Teey Gören. Lass uns auf den Friedhof gehen und die Totenruhe von dem Kerl, den sie heute eingebuddelt haben stören!“.
Dass wir selbst noch gar nicht so lange zu den Teenagern gehörten war bestimmt kein gutes Argument. Allein bei dem Gedanken an die Steinkirche oberhalb des Dorfes lief es mir kalt den Rücken hinunter. Aber was macht man als fünfzehnjähriger nicht alles, wenn man das erste Mal in seinem Leben einen besten Freund hat.
Das Tor war natürlich verschlossen aber kein besonderes Hindernis für zwei angeheiterte Jungs. Ich machte die Räuberleiter für Fabian und kaum war er drüben revanchierte er sich. Die Arme passten leicht durch die Zwischenräume der Gitterstäbe. Trotzdem riss ich mir die Jeans auf als ich mich über die Metallspitzen schwang und durch das Flattern eines Vogels erschreckt wurde. So ein Mist! Stockdunkel war es außerdem. Der Friedhof am Waldrand wurde nicht beleuchtet, das schwache Licht des Mondes durch eine riesige Esche in der Mitte des kleinen Hofes abgeschirmt und so sorgten nur einige wenige Grablichter dafür, dass die trüben, rot eingefärbten Nebelschwaden so nah am Waldesrand uns zusätzlich Angst einjagten. Irgendwas flatterte oben am Kirchturm und ich zuckte abermals zusammen. Und es schien mir auch als ob Fabian sich nicht mehr so wohl fühlte, wie er sich zu wirken bemühte. „Komm, lass uns nach dem Knilch sehen“, meinte er, legte mir seinen Arm um die Schultern um mich an sich zu drücken und zog mich tiefer auf den Friedhof. Ich konnte riechen, dass ihn die Angst nun ebenso durchdrang wie mich selbst. Obwohl es ein warmer Sommerabend war, erschauderten wir vor Kälte und drängten aneinander um uns gegenseitig ein wenig Halt zu geben.
„Dort, gleich neben den Gruften der reichen Säcke ist es“, bemühte sich Fabian mit fester Stimme zu sagen und deutete in die Nacht. Ich bemühte mich ebenso an seine Stärke zu glauben, da mir das Herz bereits in die Hose gerutscht war und ich dringend etwas Halt brauchte. .. HuHuuuuu.. erklang dann aber der Ruf einer Eule und wir schreckten beide zusammen und kauerten uns an die Mauer einer Familiengruft. Uns war kalt und wir hatten Angst.
Am frischen Grab waren einige Kerzen mehr als vor den anderen Steinen und so konnten wir aus unserer Deckung heraus die Inschrift im Marmor lesen:
Durch einen tragischen Unfall verstorben hinterlassen sie ihren Sohn Fabian.
Mögen sie in ewiger Ruhe vereint sein.
Fabian erstarrte. Mir blieb das Herz stehen.
„Das“… „das“.. „das ist nicht möglich“, schluchzte Fabian und krampfte sich noch mehr zusammen. Ich blickte zu ihm und sah die zweite Träne, die der ersten an der Wange nachzulaufen schien. Trotz der Dunkelheit konnte ich doch erkennen, wie alle Farbe aus seinem Gesicht entwich und all der gesammelte Schmerz seines jungen Lebens sich vereinte um ihn unter sich zu begraben.
Die Eule schlug eine Maus
Eine Wolke verdunkelte den Mond
Fabian verstarb in dieser Nacht in den Armen seines besten Freundes vor dem Grabe seiner Eltern.