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Rufen ohne Echo

Eli

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22.03.2013
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Rufen ohne Echo

Als ich den Klassenraum betrat, fiel er mir sofort auf. Es war ein Apparat mit drei Flügeln, genauso wie vorne an dem kleinen Flugzeug, das in der Kiste hinter der Tür zu meinem Zimmer lag. Ich wusste nicht, ob man sie Flügel nannte, aber es war mir egal. Als ich mich auf einen Stuhl setzte, begann er sich zu bewegen, bis es aussah, als ob eine kreisrunde Scheibe an der Decke hing.
„Emil?“
Ich war unzufrieden. Auf meinem Platz musste ich mich umdrehen, um den Apparat zu sehen. Ich stand auf und wechselte meinen Platz.
„Emil!“
Jemand tauchte vor mir auf und versperrte mir die Sicht. Es war eine Frau, ungefähr so groß wie Mama, größer vielleicht, ich hatte keine Ahnung woher sie auf einmal kam.
„Was ist los Emil?“
„Was ist das?“, fragte ich und zeigte auf das Gerät an der Decke. Es war kühler geworden, als ich meinen neuen Platz gefunden hatte.
„Das ist ein Ventilator, Emil.“
Ich prägte mir das Wort ein, sagte es ein, zwei Mal vor mich hin.
„Emil, wir sind gerade dabei uns vorzustellen. Möchtest du gerne weiter machen?“
Das leise Rattern des Ventilators beruhigte mich irgendwie. Ich schloss die Augen und versuchte nur den Ventilator zu hören. Es war besser als das Rauschen des Meeres, das Mama immer in den CD-Player legte, wenn ich schlafen wollte.
Ich spürte etwas an meiner Schulter und öffnete meine Augen. Es war eine Hand und sie gehörte zu der Frau von eben. Sie versperrte mir immer noch den Blick.
„Geht es dir nicht gut?“
„Ich glaube mir geht es ganz gut“, sagte ich, „Kann… Ich meine… Kann ich den Ventilator bitte haben?“
Die Frau lachte, die anderen Kinder lachten. Es war gut, dass sie lachten. Mama lachte immer, wenn sie glücklich war.
„Nein, das kannst du leider nicht. Der gehört doch der Schule.“
Ich wusste nicht mehr genau was oder wer Schule war. Mama hatte es mir die letzten Wochen erklärt, aber ich fand es nicht sonderlich interessant. Durch die Flügel des Ventilators schimmerte die graue Decke. Eine Fliege flog um ihn herum, immer gefährlich nahe an den Flügeln. Ich fragte mich was passierte, wenn…
„Na los, Emil. Du bist mit Vorstellen an der Reihe. Steh bitte auf.“
Ich stand auf, konnte jedoch die Decke nicht aus den Augen lassen. Die Fliege flog nun über den Flügeln, ich erkannte sie durch die Scheibe.
„Also Emil, was machst du denn gerne?“
Ich blickte zu der Frau und als ich sah, dass sie mich auch anschaute, blickte ich schnell zu der grünen Wand ganz vorne. Es stand Frau Floß daran, ich erkannte die Buchstaben, die Mama mir beigebracht hatte. Ich wusste aber nicht, was das bedeuten sollte.
„Ich…“
„Nur nicht so schüchtern. Du magst also Ventilatoren, habe ich schon bemerkt. Was magst du denn noch?“
Es war mir alles unangenehm. Ich versuchte einen Punkt in der Klasse zu finden, den ich anschauen konnte, aber nichts war besser als der Ventilator an der Decke.
„Ich mag Flugzeuge“, sagte ich.
„Flugzeuge. Das ist doch schon einmal was.“ Die Frau ging vor mir in die Knie und legte ihre Arme auf meinen Tisch. Ihre Fingernägel waren rot, sie sahen ganz anders aus als meine. Am kleinen Finger war die Farbe ein wenig abgeblättert, das störte mich. Über mir hörte ich das Rauschen des Ventilators.
„Emil, du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind alle nervös an unserem ersten Schultag.“
Ich nickte, schaute schnell in ihre Augen, an ihren Mund, die Augenbrauen, verstand sie aber nicht. Meine Hände waren feucht. Ich wischte sie an der Hose ab und schaute wieder nach oben.
„Okay Kinder, dann machen wir weiter. Paula, stellst du dich einmal vor?“


„Mama?“
„Ja, Schatz?“
„Es gibt da so etwas, so ein... ein Ventilator. Ich… kann ich so was haben Mama?“ Es fiel mir schwer zu sagen, was ich will; das war schon immer so.
Mama wischte ihre nassen Hände an der Schürze ab. Dort wo sie den Stoff berührten, war das Blau nun dunkler als vorher. Es erinnerte mich an meinen Farbkasten und an das Blau, das ich mit Schwarz vermischt hatte.
„Hast du mir zugehört?“
Ich blickte auf, wusste aber nicht, wovon Mama sprach.
„Ich sagte, wieso möchtest du denn jetzt einen Ventilator haben? Ist es dir zu heiß in deinem Zimmer? Ich mache die Fenster auf, wenn du möchtest.“
„Ich möchte einen Ventilator. An der Decke!“
Mama seufzte und setzte sich auf einen der Stühle in der Küche, ihre Schürze trocknete langsam. Der dunkle Fleck wurde immer heller.
„Wir können keinen Ventilator kaufen, Mäuschen. Das können wir uns nicht leisten. Wir brauchen doch gar keinen Ventilator. Wenn wir einkaufen gehen, kaufe ich dir einen Kleinen, den du in die Hand nehmen kannst.“
Ich spürte, wie meine Augen nass wurden und rannte davon. Ich war wütend auf Mama und dass sie nicht verstand, wie wichtig das für mich war. Ich kramte in der Kiste hinter der Tür. Das kleine Flugzeug war bis ganz nach unten, zwischen die Autos, gefallen. Die weißen Flügel vorne waren verbogen. Ich pustete dagegen und sah zu, wie für einen kurzen Moment aus den Blättern eine Scheibe wurde; es war aber irgendwie nicht dasselbe.
Als es langsam dunkel wurde, hörte ich Mama rufen. Sechs Uhr, Abendbrot. Ich packte das blaue Flugzeug in die Kiste für blaue Sachen und stellte sie hinter die Tür. Das Abendessen stand auf dem Küchentisch und dampfte, dass sich an der Lampe, die nur knapp darüber hing, kleine Wassertropfen bildeten. Ich setzte mich auf den hohen Stuhl und wartete, doch es kam niemand.
Ich sah den Tropfen zu. Es war, als ob sie ein Wettrennen veranstalteten, nur um am unteren Rand zu einem einzigen großen Tropfen zu werden und schwer in den Topf mit den Nudeln zu fallen. Ich legte das Besteck anders neben meinen Teller, bis alles den gleichen Abstand hatte. Dann war ich zufrieden.
„Ja Schatz, ich weiß, dass du viel zu tun hast…“
Die Stimme kam aus dem Nebenzimmer. Ich kletterte von meinem Stuhl, ging an die Tür und legte mein Ohr daran.
„Ja, ich weiß, dass du Stress hast, aber wir können nicht ewig damit warten. Ja…“
Mama telefonierte, doch mit wem wusste ich nicht. Sie sagte zwar Schatz, aber sie redete nicht mit mir.
„Er wird es schon verstehen. Nein, ich werde mit ihm zu einem Arzt gehen. Ja. Ich weiß nicht, ob er denkt, dass er anders ist.“
Ich wusste nicht von wem sie redete. Zwischen den ganzen „Ihm“ und „Er“ verlor ich immer den Überblick.
„Ich habe schon mit ihnen telefoniert, das habe ich dir doch schon erzählt. Ja, sie sagten ich soll so schnell wie möglich kommen. Umso länger man damit wartet, desto schwerer kommt man an ihn heran. Ich weiß, Schatz. Okay, bis dann. Hab dich lieb.“
Es piepste, als das Telefon zurück in sein Ladegerät gesteckt wurde. Früher mochte ich das Piepsen sehr gern. Ich ging zurück an den Tisch und setzte mich vor meinen Teller. Ich hatte das Gespräch fast wieder vergessen, ich hatte sowieso nichts davon verstanden.
„Da bist du ja, Schatz“, sagte Mama, als sie in die Küche kam.


„Mama ich weiß nicht, die Schule ist anders, ich glaube mir gefällt es dort nicht mehr.“
Mama zog mir den Pullover über den Kopf und richtete meine Haare. Es war genau Viertel nach sieben. Ich setzte mich und streckte die Füße aus. Mama begann mit dem linken Fuß.
„Erst der Rechte!“, beschwerte ich mich.
„Schatz, du hast es doch immer gemocht. Du hast dich nie beschwert.“
Die Schule war auch nie ein Problem gewesen, doch wir mussten den Klassensaal wechseln. Der neue Klassensaal war fast genauso wie der alte, doch an der Decke waren nur Lampen.
„So, Mäuschen. Nur noch die Schuhe. Willst du sie heute selbst zubinden?“
Ich setzte mich hin und nahm beide Schnürsenkel in die Hand. Mama hatte es mir schon sehr oft gezeigt. Sie machte ein Spiel daraus, von einem Hasen, aber ich konnte es mir nicht merken. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie es funktionierte, es war, als hätte ich es nie gewusst.
„Nicht schlimm, Schatz“, sagte Mama und gab mir einen Kuss auf die Stirn und band die Schnürsenkel zusammen. Kurz darauf saß ich hinten im Auto. Im Himmel sah ich ein Flugzeug, doch es hatte vorne keinen Ventilator.
Als ich an der Schule ankam, ging ich sofort an meinen Platz. Vor mir lachten ein paar Jungs, aber es war mir egal. Ich hatte das Gefühl, sie lachten ständig über mich. Das Geräusch des Ventilators war weg, es lenkte mich immer davon ab. Ich hörte die Gespräche um mich herum. Sie wurden immer lauter, mein Kopf begann weh zu tun.
Draußen schien die Sonne, aber es war mir egal. Ich wollte lieber daheim sein, bei Mama und dort, wo ich alles kannte und gern hatte.
Herr Reintgen, mein Deutschlehrer, trat ein und mein Magen zog sich zusammen. Ich mochte den Mann nicht, sein Gesicht war wie eine Maske. Ich wünschte Menschen hätten Schilder über ihrem Kopf, auf denen stand, dass ich mich von ihnen fernhalten sollte.
Zwischen seinen Augenbrauen waren kleine Falten. Sie waren manchmal da und manchmal nicht. Ich versuchte herauszufinden, wieso.
„Guten Morgen“, sagte er und setzte sich an den Tisch vor der Tafel, „Ich denke ihr habt alle eure Hausaufgaben gemacht! Ihr erinnert euch, ein zwei Sätze über eure Sommerferien. Emil, lass doch mal hören!“
Immer ließ er von mir hören. Fast jedes Mal und jedes Mal lachte man über mich. Ich sagte nichts.
„Na los, lies schon vor!“
Ich sah die Falten zwischen seinen Augenbrauen, dachte an den Ventilator, an das Geräusch, an die runde Scheibe und die Decke, die durch sie schimmerte, wenn man genau hinsah.
Herr Reintgen kam zu mir und nahm meine Hausaufgaben. Ich hörte nicht hin als er sie vorlas und ich hörte nicht hin, als die anderen Kinder lachten. Alles was ich hören wollte, war ein Ventilator an der Decke.


Zwei Tage nach meinem siebten Geburtstag tauchte ein Mann in unserem Haus auf. Mama nannte ihn Jörg und ich musste ihm dann die Hand schütteln. Ich verstand nicht, was er bei uns machte, aber im Laufe der Zeit war er immer öfter bei uns.
Mama lachte viel und war deswegen wohl glücklich. Sie zog mir morgens immer noch den Pullover über den Kopf und half mir mit den Schnürsenkeln, doch irgendwie war alles anders. Ich wusste nicht was es war, doch es stimmte etwas nicht.
Der Neue machte alles neu und das gefiel mir nicht. Mir gefiel auch nicht, dass Mama nun öfter mit Jörg fern schaute, als mit mir zu lesen und mir gefiel nicht, dass Jörg nun auf dem Stuhl saß, auf dem ich immer sitzen durfte. Aber ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte.
Langsam war es so, als ob Mama Jörg lieber mochte als mich, und das gefiel mir am Wenigsten.
Ich konnte nicht schlafen. Es war sieben Uhr. Mama hatte das Meeresrauschen vergessen und ich verstand nicht, wie es funktionierte, also dachte ich an den Ventilator an der Decke. Ich dachte an die Farben im Farbkasten und erinnerte mich an Mamas Schürze. Damals um diese Zeit hätte ich schon längst geschlafen.
Ich stand auf und ging an Mamas Schlafzimmertür. „Heute Abend bist du ein braver Junge und störst uns nicht“, hatte sie gesagt, „Morgen früh bekommst du dann deinen eigenen, kleinen Ventilator.“
Der Ventilator war mir fast egal, ich wollte Mama zurück, und das, was einmal war. Licht schimmerte unter der Tür hindurch, doch ich traute mich nicht, sie zu öffnen. Ich ging an der Küche vorbei in das Wohnzimmer und an das Regal mit den vielen Büchern, die laut Mama zu schwierig für mich waren. An diesem Abend nahm ich so viele mit, wie ich tragen konnte. Alles was ich wollte war verstehen, verstehen, warum ich das einzige Buch war, das Mama nicht verstand.

 

Hi Eli,

ein herzliches Willkommen auch von mir, obwohl ich auch erst seit kurzem registriert bin.
Am Anfang der Geschichte war ich noch etwas skeptisch. Ich fragte mich, ob die noch etwas an Fahrt gewinnt, oder ob das nur so eine Geschichte von einem kleinen Jungen ist, der deprimiert von seinem ersten Schultag berichtet.
Aber von wegen! Wie du so viel Tiefgang in so wenigen Zeilen erschaffen konntest, hat mich schwer beeindruckt. An dem Stil gibt es auch kaum was herumzunörgeln. Du passt dich sehr gut der Erzählstimme deines Protagonisten an - Kompliment!
Ich habe mich auch schon an solchen Geschichten ausprobiert, in denen ein kleiner Junge als Ich-Erzähler auftritt. Das war für mich jedenfalls immer eine große Herausforderung, die Schublade des Wortschatzes, den ich mir bis jetzt erarbeitet habe, nicht zu öffnen und mich voll auf den Knirps einzulassen. Aber dir schien das ganz gut von der Hand zu gehen.
Emil, der vom Fliegen träumt. Emil, der sich immerzu missverstanden fühlt.
Der Kleine hat sich wirklich bei mir eingeprägt. Ich konnte mich gut in ihn hineinversetzen.
Emil, der Autist? Es wird in der Geschichte zwar nie gesagt, aber wenn ich die Zeichen richtig deute...
Wie er immer in seine eigene Gedankenwelt abdriftet. Oder wie er akribisch sein Besteckt neben dem Teller positioniert.
Ich kenne mich ein wenig mit Autisen aus, da mein Bruder einer ist, und vieles, wenn auch nicht alles, hat mich an ihn erinnert. Aber auch Autisten weisen ja verschiedene Verhaltensmuster auf. Deshalb wurde es bei meinem Bruder auch erst mit fünfzehn von einem Psychologen diagnostiziert, obwohl er schon bei etlichen zuvor war.
Ich lese die Geschichte jetzt gleich noch mal und gehe auf einzelne Stellen ein, die mir gut oder weniger gut gefallen haben.
Los geht´s:

Ich wusste nicht, ob man sie Flügel nannte, aber es war mir egal.
Wirklich? Aber er ist doch so fasziniert von diesem Ventilator, komisch, dass ihn sowas dann überhaupt nicht interessiert. Vielleicht ist er aber auch nur von der Ästhetik angetan.

Als ich mich auf einen Stuhl setzte, begann er sich zu bewegen, bis es aussah, als ob eine kreisrunde Scheibe an der Decke hing.
Genau so nimmt das ein kleiner Junge wahr - find ich gut.

Durch die Flügel des Ventilators schimmerte ab und zu die graue Decke.
Das "ab und zu" würde ich rausnehmen. Manchmal hast du so Füllwörter drinnen, die du dir eigentlich sparen könntest. Wenn du die noch streichen könntest, würde das den Lesefluss einfach bessern.

Die Fliege flog nun über den Flügeln, ich erkannte sie durch die Scheibe.
Da war ich etwas am Zweifeln. Der kleine Scheißer muss ja wirklich ´nen messerscharfen Blick haben.

Es stand Frau Floß daran, ich erkannte die Buchstaben, die Mama mir beigebracht hatte. Ich wusste aber nicht, was das bedeuten sollte.
Das fand ich erst sehr merkwürdig. Dann kam mir aber genau an der Stelle der erste Verdacht bezüglich des Autismus. Er ist zwar durchaus intelligent, weil er schon vor dem ersten Schultag das Alphabet beherrscht, aber nicht fähig Zusammenhänge zu erkennen.

Am kleinen Finger war die Farbe ein wenig abgeblättert, das störte mich.
Sehr schön. Sein minutiösen Blick auf viele Dinge schmeißt ihn aus der Realität. Durch seine hohe Auffassungsgabe empfindet er Dinge als störend, über die andere einfach hinwegsehen.

Ich nickte. Ich schaute schnell in ihre Augen, an ihren Mund, die Augenbrauen, verstand sie aber nicht. Ich glaubte zumindest, dass ich keine Angst hatte.
Gut, in einem Diktat des kleinen könnte es vielleicht vorkommen, dass er dreimal hintereinander einen Satz mit ich beginnt, doch ich hab das nicht gern gelesen. Das erinnert mich an meine Grundschulzeit. Wenn sich dort eines eingeprägt hat, dann ist es die Sache mit dem Spannungsbogen und die mit dem Verwenden verschiedener Satzanfänge.
Ich nickte, schaute schnell in ihre Augen. Mein Blick huschte über ihre Lippen und die Augenbrauen, verstand aber nicht. Hatte ich Angst? Nein, eher nicht.
So vielleicht.

Mama wischte ihre nassen Hände an der Schürze ab. Dort wo sie den Stoff berührten, war das Blau nun dunkler als vorher. Es erinnerte mich an meinen Farbkasten und an das Blau, das ich aus Versehen mit Schwarz vermischt hatte.
Einfach toll! Aber wieso "aus Versehen"? Ich denke, ein Kind tut das immer eher aus Neugierde.

Ich blickte auf, wusste aber nicht - Komma - wovon Mama sprach.
Mir fielen so gut wie gar keine Rechtschreib- und Satzzeichenfehler auf. Ich muss aber auch sagen, dass das nicht gerade mein Steckenpferd ist. Wenn mir doch mal einer beim Lesen auffällt, verbesser ich ihn natürlich gern mit.

Als es langsam dunkel wurde, hörte ich Mama rufen. Sechs Uhr, Abendbrot.
"In fünf Minuten gibt´s Essen. Kommst du dann, Liebling?", rief meine Mama die Treppen rauf.
"Ich komm gleich!"
Ich bin eben ein Fan vom Dialog.

Die Stimme kam aus dem Nebenzimmer. Dort stand das Telefon, wusste ich.
Das "wusste ich" würde ich auf jeden Fall streichen. Am Besten gleich den ganzen Satz. Das wird beim Lesen sowieso klar, auch ohne, dass du es anführst.

Ich sah den Tropfen zu. Es war, als ob sie ein Wettrennen veranstalteten, nur um am unteren Rand zu einem einzigen großen Tropfen zu werden und schwer in den Topf mit den Nudeln zu fallen. Ich legte das Besteck anders neben meinen Teller, bis alles den gleichen Abstand hatte. Dann war ich zufrieden.
Wundervoll!

Zwischen den ganzen „Ihm“ und „Er“ verlor ich immer den Überblick.
Dann hatte er dem Gespräch der beiden schon öfters Gelauscht?

Ich setzte mich hin und nahm beide Schnürsenkel in die Hand. Mama hatte es mir schon sehr oft gezeigt. Sie machte ein Spiel daraus, von einem Hasen, aber ich konnte es mir nicht merken. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie es funktionierte, es war, als hätte ich es nie gewusst.
Auch sehr schön.

Im Himmel sah ich ein Flugzeug, doch es hatte vorne keinen Ventilator.
Schon wieder diese Adleraugen. Ich kaufe ihm nicht ganz ab, dass er erkennen konnte, ob das Flugzeug vorne einen Ventilator hatte, oder nicht. Wahrscheinlich hat er einfach logisch überlegt und ist zu dem Schluss gekommen, dass die meisten moderen Flugzeuge ohne augestattet sind.

Ich versuchte herauszufinden -Komma- wieso.

Als ich an der Schule ankam, ging ich sofort an meinen Platz. Vor mir lachten ein paar Jungs, aber es war mir egal. Ich hatte das Gefühl, sie lachten ständig über mich. Das Geräusch des Ventilators war weg, es lenkte mich immer davon ab. Ich hörte die Gespräche um mich herum. Sie wurden immer lauter, mein Kopf begann weh zu tun.
Eine sehr schöne Stelle, bei der sich in mir ein Gefühl der Melancholie breit machte. Ich fand das Ende eh am Besten. So wunderschön traurig. Mich wundert es nur, dass ihm das Lachen der Jungs egal war. Wenn ich mit meiner Prognose, dass Emil ein Autist ist, nicht völlig auf dem Holzweg bin, halte ich es für eher ungewöhnlich, dass ihm so etwas egal ist. Normalerweise würde ihm das ziemlich zu schaffen machen.

Alles was ich wollte war verstehen, verstehen -Komma- warum ich das einzige Buch war, das Mama nicht verstand.
Der ganze letzte Absatz hat mich richtig berührt. Wie der Neue ins Haus kommt und Emil sich plötzlich von seiner Mama vernachlässigt fühlt. Mir war richtig traurig zumute. Eigentlich klassisch. Mama schleppt neuen Typen an, Kind wird nicht so recht damit fertig, dass jetzt ein Fremder Papa-Ersatz spielen möchte. Und wenn Emil nur so ein lästiges Balg wäre ... ist er aber ganz und gar nicht. Das Ende war ganz große Klasse. Ich bin mir sicher, einer, der etwas näher am Wasser gebaut ist als ich, dem könnte das schon zu Tränen rühren.

Insgesamt sehr gern gelesen.

Gruß
Hacke

 

Hallo Hacke!

Vielen lieben Dank für deine Kritik. Ich bin glücklich, dass dir das Thema Autismus beim Lesen in den Sinn kam, denn ich wollte genau das thematisieren.
Im Vorfeld habe ich auch lange und gründlich recherchiert und versucht die Symptomatik, die weder der Kleine, noch seine Mutter verstehen herauszuarbeiten. Ich wollte erreichen, dass man als Leser bemerkt, dass der Kleine dauernd abgelenkt ist, jedoch auch sehr intelligent ist und nicht weiß wie er mit seiner Umwelt umzugehen hat. Das Asperger-Syndrom in seinen Grundlagen war hier meine Inspiration.
Ich hoffe auch, dass ich da die Gefühlslage getroffen habe, da ich selbst kaum Erfahrung mit dieser Krankheit habe.

Desto mehr freue ich mich über die gute Kritik.

Eine sehr schöne Stelle, bei der sich in mir ein Gefühl der Melancholie breit machte. Ich fand das Ende eh am Besten. So wunderschön traurig. Mich wundert es nur, dass ihm das Lachen der Jungs egal war. Wenn ich mit meiner Prognose, dass Emil ein Autist ist, nicht völlig auf dem Holzweg bin, halte ich es für eher ungewöhnlich, dass ihm so etwas egal ist. Normalerweise würde ihm das ziemlich zu schaffen machen.

Während meiner Recherche stieß ich auf viele Erfahrungen und Erlebnisse in denen Betroffene nicht einschätzen konnten, ob Gelächter und Gemeinheiten auf sie gerichtet sind. Dass kann der Kleine ja auch nicht richtig, darum ist ihm das ganze hier egal.

Da war ich etwas am Zweifeln. Der kleine Scheißer muss ja wirklich ´nen messerscharfen Blick haben.

Das fand ich erst sehr merkwürdig. Dann kam mir aber genau an der Stelle der erste Verdacht bezüglich des Autismus. Er ist zwar durchaus intelligent, weil er schon vor dem ersten Schultag das Alphabet beherrscht, aber nicht fähig Zusammenhänge zu erkennen.

Schon wieder diese Adleraugen. Ich kaufe ihm nicht ganz ab, dass er erkennen konnte, ob das Flugzeug vorne einen Ventilator hatte, oder nicht. Wahrscheinlich hat er einfach logisch überlegt und ist zu dem Schluss gekommen, dass die meisten moderen Flugzeuge ohne augestattet sind.

An den Stellen, die du hier herausgepickt hast, wollte ich ausdrücken, dass der Kleine anders sieht als "normale" Menschen. Er sieht Dinge, die wir übersehen. Dinge, die wir nicht übersehen (Name an der Tafel, Lehrerin), sieht er nicht bzw. weiß er nicht , was er damit anzufangen hat.

Liebe Grüße,
Eli

 

Für deine Recherchearbeit wollte ich dir noch mal explizit ein Lob aussprechen. Das hast du auch ganz wundervoll in den Text gestrickt. Dass du keinen direkten Bezug zu dieser Krankheit hast, merkt man dem Text nicht an.

Während meiner Recherche stieß ich auf viele Erfahrungen und Erlebnisse in denen Betroffene nicht einschätzen konnten, ob Gelächter und Gemeinheiten auf sie gerichtet sind. Dass kann der Kleine ja auch nicht richtig, darum ist ihm das ganze hier egal.
Das ist korrekt. Oft können sie nicht einschätzen, ob Gelächter oder Gemeinheiten ihnen gelten. Aber ob ihnen das dann egal ist? Ich bin ja auch kein Psychologe, aber wie gesagt, habe ich eben auch schon recherchiert und auch einen Bezug. Wenn z.B. ein Passant in einer prall gefüllten Einkaufsstraße anfängt, lauthals zu lachen, kann es schon mal vorkommen, dass ein Autist denkt, das Lachen gelte ihm, dabei lacht er vielleicht nur über einen Witz, den sein Kumpel gerissen hat. Ich denke aber eher, dass das zu einer ständigen Anspannung beim Autisten führt als zu einer Ist-mir-doch-scheißegal-Einstellung.

An den Stellen, die du hier herausgepickt hast, wollte ich ausdrücken, dass der Kleine anders sieht als "normale" Menschen. Er sieht Dinge, die wir übersehen. Dinge, die wir nicht übersehen (Name an der Tafel, Lehrerin), sieht er nicht bzw. weiß er nicht , was er damit anzufangen hat.
Das ist dir auch durchaus gelungen. Besonders durch den Namen an der Tafel und dem Fingernagel der Lehrerin. Wahrscheinlich sieht er, oder besser glaubt zu sehen, die Fliege hinter der Scheibe und den fehlenden Propeller an der Schnauze des Flugzeugs. Er sieht das, wofür uns der Blick fehlt. Im Nachhinein gefällt mir das eigentlich gut.
Also noch weniger, was ich an deiner Geschichte zu kritisieren hab :D
Ist auch einfach ein tolles Ding. Und dafür, dass du erst neunzehn bist, Hut ab, hätte mich wahrscheinlich mit meinen 20 Jahren nicht an so eine Thematik herangewagt. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Doch du hast es eindrucksvoll bewiesen.

Hacke

 

Achso ... im Nachhinein ist mir auch noch mal der Titel deiner Geschichte ins Auge gefallen. Ich hab´ da jetzt einfach mal frei interpretiert, und meine, der wird im letzten Absatz klar, als Emil immer weiter in den Hintergrund gerückt wird. Seine Seele schreit nach Liebe, wegen der Krankheit braucht er besonders viel Aufmerksamkeit. Da er keine Schulfreunde hat, bleibt ihn ja nur seine Mutter, die sich aber immer öfter lieber mit Jörg beschäftigt. Deshalb: "Rufen ohne Echo"
Hab ich da Recht?

 
Zuletzt bearbeitet:

So ein Lob geht runter wie Öl, vielen Dank dafür ;) Meine letzte Story war schlechter durchdacht und auch in der Folge schlechter geschrieben, das muss man eingestehen. Da motivieren solche Reaktionen natürlich umso mehr! :)

Das ist korrekt. Oft können sie nicht einschätzen, ob Gelächter oder Gemeinheiten ihnen gelten. Aber ob ihnen das dann egal ist? Ich bin ja auch kein Psychologe, aber wie gesagt, habe ich eben auch schon recherchiert und auch einen Bezug. Wenn z.B. ein Passant in einer prall gefüllten Einkaufsstraße anfängt, lauthals zu lachen, kann es schon mal vorkommen, dass ein Autist denkt, das Lachen gelte ihm, dabei lacht er vielleicht nur über einen Witz, den sein Kumpel gerissen hat. Ich denke aber eher, dass das zu einer ständigen Anspannung beim Autisten führt als zu einer Ist-mir-doch-scheißegal-Einstellung.

Da hast du Recht. Das ist ein Punkt, den ich ändern sollte. Da passt das darauf folgende besser. Die Stimmen, die zu laut werden und sein Kopf, der schmerzt. In dem Kontext ist das dann ausreichend, denke ich.

Achso ... im Nachhinein ist mir auch noch mal der Titel deiner Geschichte ins Auge gefallen. Ich hab´ da jetzt einfach mal frei interpretiert, und meine, der wird im letzten Absatz klar, als Emil immer weiter in den Hintergrund gerückt wird. Seine Seele schreit nach Liebe, wegen der Krankheit braucht er besonders viel Aufmerksamkeit. Da er keine Schulfreunde hat, bleibt ihn ja nur seine Mutter, die sich aber immer öfter lieber mit Jörg beschäftigt. Deshalb: "Rufen ohne Echo"
Hab ich da Recht?

Ganz richtig. Die Überschrift kam mir erst in den Sinn, als ich den letzten Absatz überarbeitet habe. Deine Erklärung ist da auch fast ganz richtig. Es bezieht sich auch auf das Telefonat der Mutter. Dort sagt sie ja:
"Umso länger man damit wartet, desto schwerer kommt man an ihn heran."

 

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