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Rubintränen

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31.10.2002
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Rubintränen

Rubine sind wie Tränen, hat sie immer gesagt. Ich habe das nie verstanden, denn Rubine sind doch rot wie Blut und nicht wie Tränen durchsichtig. Wahrscheinlich war ich einfach immer zu unromantisch. Und jetzt ist sie weg. Und mit ihr mein leben. Das mag zwar ziemlich pathetisch klingen, nur leider fällt mir kein anderes Wort ein, ich weiß nur das ich mich leer, alleine und einfach hundsmiserabel fühle, was nur zu einem kleinen Teil an den Unmengen an Alkohol seien kann, die ich seid Tagen in mich reinschütte. Ja, ich bin mir ziemlich sicher dass sie mein Leben einfach mitgenommen hat, in einer der großen Taschen, möglicherweise sogar direkt neben den Socken.
Nicht romantisch genug. Pah. Nur weil ich in Rubinen keine Tränen sehe? So ein Unsinn. Wenn sie durchsichtig wären, meinetwegen, aber so? Ich behaupte ja schließlich auch nicht: Schatz, sieh mal, da vorne ist ein See, er erinnert mich irgendwie an eine Blutlache. Das wäre wahrscheinlich sogar der schlechteste Satz, um am Abend noch mit ihr im selben bett zu schlafen.
Ihr neuer ist bestimmt wie sie und natürlich um vieles besser als ich (denkt sie bestimmt, Arschloch!). Dabei weiß ich doch: Ich bin der beste für sie, ich und nur ich! Verdammt, ich weiß das eben einfach.
Draußen ist alles grau. Irgendwie seltsam, dass es immer ausgerechnet dann, draußen dunkel und kalt ist. Als ob Gott den ganzen Tag nichts anderes tun würde, als Leidende zu suchen (und auch zu finden) und dann alles Mögliche dafür zu tun, damit die Person (in diesem Fall ich) auch ja nicht mehr aus seiner Depression herauskommt.
Draußen also ein grauer Nachmittag, und die Scheiben könnte ich auch mal wieder putzen. Oder aber als erstes das Fenster aufmachen, um die Nikotinschwaden herauszulassen. Die Wohnung gleicht einem Trümmerfeld. Seid sie nicht mehr da ist. Natürlich. „Man merkt immer erst was man hat, sobald man es verliert“ hat ein weiser Mensch mal gesagt. Den hätte sie bestimmt toll gefunden, und wenn er ihr gesagt hätte, dass Tränen Tränen und Blut Blut ist, dann hätte sie ihm wahrscheinlich sogar geglaubt. Aber ich bin ja nicht weise. Ich gehe lieber aufs Klo und kotze. Blut, ein wenig zumindest. Entgegen meinem Ekel schaue ich es an und versuche, die Edelsteine zu finden. Aber da ist nichts, verdammt, da ist einfach nichts! Wieso nur? Langsam ziehe ich an meiner Zigarette.
Niemals wieder werde ich sie spüren können. Niemals mehr ihren Atem riechen, den Duft ihrer weichen haut, niemals wieder werde ich neben ihr aufwachen, ihr einen Kuss auf die Stirn geben und leise aufstehen können. Niemals wieder werde ich mit ihr reden können. Keinen Kuss mehr hatte sie mir gegeben. Per Telefon hat sie Schluss gemacht, und als ich am nächsten Tag von der Arbeit kam, waren ihre Sachen weg (einschließlich der Socken UND meinem Leben!). Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Aber vergessen kann ich sie nicht, immer noch nicht, seid Wochen.
Ich schaue auf mein Bett. Ein T-shirt hat sie vergessen. Toll, jetzt ist es soweit, ich muss weinen.
Sie hat mir einmal ein Gedicht vorgelesen, ihr Lieblingsgedicht, ein Gedicht über Tränen:


Weine
Wenn dir danach ist.
Weine, wenn du einsam bist
Denn Weinen reinigt deine Seele.

Schreie, wenn du den Schmerz nicht
Mehr aushalten kannst.
Schreie, wenn du deine Tränen verlierst.
Schreie und weine, und lass die Welt dabei zuhören.

Schreibe, wenn du ungehört bist.
Schreibe eine Geschichte mit deinen Tränen.
Vielleicht liest sie jemand, der genauso fühlt wie du.

Teile deine Tränen mit ihm, und ihr werdet euch verbinden…

Schön, oder? Also, ich denke, dass es schön ist. So richtig verstehen tue ich es leider nicht. Aber das ist wohl wie mit Bildern: Manche sehen in ihnen die gesamte Schöpfung, die Apokalypse und das Geheimnis des ewigen Lebens („Welch Farben, welch Ausdruck, welch elegante Formen, kompliziert und doch ganz klar!“) der Maler selbst aber wahrscheinlich entweder sein letztes Frühstück oder viel, viel Geld (was wohl eher auf die so genannte „moderne Kunst“ zutrifft). Ich Frage mich immer, ob Kunstsammler selbst verstehen, was sie sagen.
Wahrscheinlich eben so wenig, wie ich mich verstehe.
Jetzt sitze ich hier und lese dieses Gedicht zum vierten Mal, obwohl es mich eigentlich gar nicht interessiert. Und doch kann ich mich nicht davon los reißen.

Wie auch immer. Ich glaube ich gehe schlafen. Zumindest aber werde ich es versuchen. Und vorher noch ein Bier trinken.

Hat nicht geklappt, dass mit dem schlafen. Mein Schädel fühlt sich an wie nach einem ziemlich miesen Unfall mit einer ziemlich harten Mauer. Scheiße. Genauso scheiße wie der Tag. Ich war heute beim Juwelier (sehr verzweifelt, ich weiß) und habe ihm die Rubin-Theorie dargelegt. Nachdem er mich eine Weile etwas seltsam angeschaut hatte (ich glaube, er wollte herausfinden, ob er besser den Alarmknopf drücken sollte) sagte er: „Ja, da hat sie wohl recht, denke ich“. Toll. Super. Als ich ihn dann frage, wieso, fällt ihm natürlich nur ein „Das müssen sie schon selbst herausfinden“ ein. Haha, ich lach mich gleich Tod. Da hat wohl jemand einen „Mystisches-Orakel-Komplex“.

Ich muss hier raus. Ich brauche mal wieder Abstand von allem. Vielleicht auch nur eine neue Suche. Für ein neues Leben. Und etwas Sex wäre vielleicht auch nicht schlecht. Aber ich fühle mich nicht nach Ballermann. Da finde ich bestimmt keine Zukunft.
Also etwas anderes…ich gehe in unser…ich mein Schlafzimmer. Es ist seltsam, in der Einzahl zu denken. Früher waren es immer WIR, bis sie das ICH zurückließ um ein neues ER zu suchen. Zurück blieb nur, alleine.
Ich werde nach Norwegen fahren. Sie wollte immer nach Norwegen. Sie meinte, dort wäre etwas besonderes. Ich werde das Besondere finden. Und danach mit nach Hause nehmen. Vielleicht neben meinen Socken.

Norwegen ist wirklich schön. Schön und einsam. Ich glaube nicht, dass ich hier körperliche Befriedigung bekomme. Dafür aber Depressionen, denn alles hier erinnert mich an sie, warum auch immer, und ich weiß och nicht al, warum. Sie hat dauernd von Norwegen geschwärmt.
Meine Residenz ist ein kleines Holzhaus an einem See, umringt von Bäumen. Sehr einsam, Hammerfest ist noch fast eine Stunde Fußmarsch entfernt. Außerdem ist es verdammt kalt hier, bei der nördlichsten Stadt der Welt. Eigentlich sitze ich den ganzen Tag amSee und starre in den Himmel. Aber es ist schon eine seltsame Stimmung, die hier herrscht. Heute habe ich sogar (versucht) etwas zu schreiben.

Feuer ohne wärme
Licht ohne Glanz
Wind ohne Sturm
Schmerz ohne Wut
Liebe ohne Dich

Sinnlos

So schlecht finde ich es eigentlich gar nicht. Momentan würde ich allerdings auch noch „Hunger ohne Essen“ hinzufügen. Also sammle ich jetzt ein paar Beeren (natürlich nur im Kühlschrank) und schlafe dann eine Runde.

Es ist Nacht. An sich nichts besonderes, denn es ist öfters Mal…Nacht eben. Aber nicht so eine Nacht. Eine Nacht sollte eigentlich dunkel sein, vielleicht auch richtig schwarz, aber nicht…bunt? Und so…wunderschön, so unglaublich und nicht in Worte fassbar?
Alles war in Farben getaucht, in allen Regenbogenfarben tauchte sie die schwarzen Bäume in eine Atmosphäre, die…die verstehen bringt. Denn kurzzeitig, nur ganz kurz, war der gesamte Himmel über mir ein flirrendes rot. Blutrot. Und dann verschwand die Farbe auch schon wieder und glitt hinüber in ein wunderschönes Grün.
Und da verstand ich es endlich.

Eine Träne ist genauso schön und kostbar wie ein Rubin.
Und eine Träne ist genauso notwendig zum Leben wie Blut.

Das ist ja wunderschön, aber das ist doch noch lange kein Grund, für diese fehlende Erkenntnis mit jemandem Schluss zu machen, oder? Und außerdem…
wenn eine Träne zu Boden fällt, dann zerfließt sie und verschwindet.
Dann existiert sie nur noch in der Erinnerung.
Und auch die Schönheit eines Rubins ist vergänglich.

…oh verdammt. Vielleicht ging es ja gar nicht um den Satz, sondern um die Sache, das verstehen an sich. Nicht schlecht, diese Erkenntnis, und dafür musste ich bloß meine liebe verlieren und zur nördlichsten Stadt der Welt fahren. Naja.

Zumindest ein besserer Spruch als die Sache mit der Blutlache.

 

Ich habe versucht, eine Traurige geschichte mit einem mh, Unterton, der auch mal zum schmunzeln anregt zu schreiben. Ich habs mal in sonstiges geschrieben, wenns heir falsch ist bitte ändern :)

 

Hi Matzie

Traurig und Schmunzeln ist verdammt schwer. Für den Anfang solltest du dich vielleicht auf eins beschränken.
An einigen Stellen hat mir deine Geschichte sehr gefallen, aber manches finde ich überflüssig.
Die Anrede an den Leser kommt meist nicht gut.
Oft musst du dem Leser nicht alles erklären, gerade das macht dann eine gute Geschichte aus.
Gilt speziell für die letzten Abschnitte.

Der Ausflug in die Kunst- und Bilderwelt schweift vom Thema der Story ab, sowas gehört meiner Meinung nach hier nicht rein.
Gedichte passen auch nur sehr selten wirklich in ne Kurzgeschichte, besonders wenn du sie dann drunter auch noch hoch lobst :)

Schön, oder? Also, ich denke, dass es schön ist. So richtig verstehen tue ich es leider nicht.

Ich finde solche Stellen relativ überflüssig in dieser Geschichte.

Ok, aber wie gesagt finde ich einige Stellen wirklich gelungen.
Das mit dem Leben in der Tasche neben den Socken ist klasse.

Niemals wieder werde ich mit ihr reden können. Keinen Kuss mehr hatte sie mir gegeben.

An der Stelle solltest du nicht so allgemein bleiben. Erwähne Details, wie den kleinen Leberfleck an ihrem Hals, das Geräusch, wenn sie barfuß über den Boden läuft oder sowas, denke du verstehst, was ich meine :)

Früher waren es immer WIR, bis sie das ICH zurückließ um ein neues ER zu suchen.

Auch ne schöne Stelle.

Hoffentlich hab ich dir bisschen geholfen, lass dich nicht unterkriegen :bla:

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Hey :)
erstmal danke für die kritik!

aber eine frage habe ich: was genau meinst du mit
"Oft musst du dem Leser nicht alles erklären, gerade das macht dann eine gute Geschichte aus."

also ich weiss schon was du meinst, aber wo fällt dir dies auf?

liebe grüße, jan

 

Hi

Ich meinte damit solche Sätze wie: Das ist ja wunderschön, aber das ist doch noch lange kein Grund, für diese fehlende Erkenntnis mit jemandem Schluss zu machen, oder?

Es ist nicht nötig, dass du dich hier direkt an den Leser wendest, vieles findet er auch so beim Lesen heraus. Gerade das macht eine Geschichte spannend, wenn man selbst mitdenken darf, denke ich.

Gruß
wolkenkind

 

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