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Rotkäppchen 2016 - Für Kinder nicht geeignet
Du behauptest, dich mit den Märchen auszukennen?
Bedenke, dass sie über Jahrhunderte von Mund zu Mund wie ein Virus unter das Volk gestreut...
Natürlich landeten die Erzählungen nicht, wie sie sich einst zugetragen, bei uns! Ein Jeder, der sie weitertrug, nahm sich die Frechheit, die Dreistigkeit heraus, Gegebenheiten zu verharmlosen.
Kurz: Sie dem Volke mundgerecht zu servieren.
Glaubt ihr denn wirklich, Schneewittchen hätte den Zwergen nur geholfen, den Haushalt zu schmeißen, das Essen zu kochen und die Töpfe zu bürsten? Ha! Allein die Vorstellung: ein junges, zartes Pflänzchen und 7 bärtige Handwerker!!! Ja, ich bin doch nicht bescheuert!!!!!
Und die sieben Geißlein sind auch nicht alle einfach so aus dem Uhrenkasten gesprungen… der lüsterne Bock, der sie gezeugt, ließ eine allein erziehende Mutter und sieben minderjährige Kinder zurück, um sich in Bremen mit den Stadtmusikanten zu vergnügen. Wir alle wissen doch, wie es bei Musikanten zugeht... Sex, Drugs & Rock´n Roll.
Da bleibt kein Geld für Unterhaltszahlungen.
Schneeweißchen und Rosenrot haben natürlich dem Bären NUR das Fell gekrault… den ganzen, langen Winter hindurch??? Meister Petz musste mit Sicherheit hin und wieder zum Waldbächlein schleichen, um sich den Pelz zu reinigen...
Die allergrößte Lüge, die uns aufgetischt wurde… Nein, nicht, dass Rumpelstilzchen impotent war – statt zu adoptieren, wollte er der Königin ihr Kind holen. Die Wartezeit, vom Amt begünstigt zu werden, war ihm, scheint´s, zu lang...nein, nein, nein...
Die unverschämteste Lüge, die uns in Kinderjahren aufgetischt wurde, handelt vom Rotkäppchen.
Auch Rotkäppchen ist, genau wie die sieben Geißlein, ohne Vater im tiefen Wald aufgewachsen. Seine Mutter trug ein finsteres Geheimnis in ihrer Brust…
Da ihr Kerl, ein versoffener Köhler aus dem Harz, dessen Namen aus rechtlichen Gründen unerwähnt bleiben muss, sie sitzen gelassen als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr, begann sie, alle männlichen Wesen zu hassen, wollte nie wieder mit einem Mannsbild unter einem Dach wohnen.
Auch ihre Mutter teilte ihre Auffassung, doch seit der Geburt ihres Enkelkindes lag diese schwer erschüttert und depressiv im Krankenbett. Im Wald wird getratscht, sie sei seit jenem Tag schwer abhängig vom Alkohol. Täglich fordert sie Rotwein an ihr Bett. Und die Schuld an alledem trägt das unerwünschte Kind.
Mit gellendem Aufschrei verkündete die Alte ihrer Tochter in der Stunde ihrer Niederkunft, dass sie nicht das gewünschte Mädchen, sondern einen blassen, blond gelockten Bastard auf das Laken geworfen hat.
Beide Frauen beschlossen: Das Kind sollte die nächste Nacht nicht überstehen.
Der Bube war noch unentdeckt von allen Waldbewohnern, so hatte auch das Jugendamt davon noch nichts ´spitzbekommen´.
Noch bestand im Wald keine Pflicht auf Frauenarzt und Ultraschall. Onkel Uhu trieb sich lieber mit leichten Turteltäubchen herum und seine Praxis blieb verwaist.
Die Dunkelheit lag über dem Wald, und die letzte Stunde des kleinen Jungen sollte durch die Kuckucksuhr angekündigt werden.
Doch diese versagte ihren Dienst in dieser Nacht, war doch Herr Kuckuck zu einer, von Onkel Uhu organisierten Swinger-Party aufgebrochen, von der er niemals zurückkehren sollte.
Sicher hatten auch hier die Stadtmusikanten ihre Finger im Spiel. Musiker! Zum Kuckuck mit euch!!!
So warteten die hasserfüllten Furien Jahr für Jahr auf den Ruf des Kuckucks und der kleine Bastard erfreute sich bereits das 14. Jahr an seinem unbeschwerten Waldleben. Zu spät, ihn noch immer verschwinden zu lassen. Über die Jahre hatten die Weiber ihn in Mädchengewänder gezwungen, ihn schmückten zwei lange Zöpfe.
Da der Großmutter an den Ostertagen die ´Medizin´ ausgegangen war, besann sie sich ihrer Fertigkeiten und strickte dem bezopften Knaben eine Kappe. Die Tage im Wald waren zu dieser Jahreszeit noch immer eisig und der mädchenhafte Bube sollte sich nicht erkälten, sicherte er doch Großmutters Vorrat an Lebenssaft. Waldsteuer und Alkohol fraßen die schmale Rente auf, so musste ein altes, rotes Stuhlkissen das Material für das Strickwerk liefern.
Das Kind liebte diese Kappe und lief den ganzen Tag damit im Wald auf und ab. "Ein Männlein steht im Walde..." trällerte es tagein tagaus vor der Mutter Haus. Das verzückte alle Bewohner so dermaßen, dass sie es fortan nur noch liebevoll ´Rotkäppchen´ nannten.
Die Damen der Wald-Einwohner-Meldestelle wunderten sich über diesen doch recht seltsamen Namen, aber es galt das Gesetz des Waldes: Ein Jeder nach seiner Fasson.
´Carpe diem´ bedeutete hier: Pflücke den Tag! Was immer das in diesem Zusammenhang auch bedeuten soll…
Im Wald blieb die Zeit nicht stehen… Der Wolf – ein in die Jahre gekommener Graurücken – konnte seiner jungen Frau nicht mehr das Wasser reichen. Er wollte Golfen, sie hätte gern mehr...
Golf langweilte sie und schon seit langem vernahm sie im Wald den Geruch des Jünglings mit der roten Kappe, dem es eine Freude war, sich an Bäumen und Sträuchern zu erleichtern.
Die Wölfin liebte es, ihre feuchte Nase in die warmen Pfützen zu bohren und sie schlich ihm nach.
Ja, Rotkäppchen war es, den sie begehrte. Täglich schlich sie ihm nach, trug er wieder mehrere Flaschen Rotwein durch den Wald zur Großmutter, die gerade, mit einer ordentlichen Fahne, aus dem Mittagsschlaf erwacht war und durch den Wald kreischend Nachschub forderte.
Noch unter ihrem Geschrei streifte sich der Jäger hektisch seine Hose über, um panikartig Großmutters Hütte zu verlassen.
Seine Frau würde ihn erschießen, röche sie jemals Lunte von dieser Affäre.
Doch was sollte er machen? Er liebte die alte Dame, trug sie doch noch volles Haar unter ihren Achseln… Das machte sie besonders anziehend für ihn. Seine Gattin hingegen vertrat die Meinung, es sein ´en vogue´, sich als Dame von Welt den Körper zu rasieren. Eine ganze Woche lang stand im Forsthaus nur Suppe auf dem Tisch, da sich die Dame von Welt einen Ladyshave vom eh´ knapp bemessenen Haushaltsgeld kaufen musste. Weiber!
Entschuldigung… ich schweife ab…
Wieder einmal schlich die rollige Wölfin dem Rotkäppchen hinterher, ahnte, wohin es laufen würde. Sie fasste einen Plan… und nur wenige Minuten vor dem Knaben erreichte sie das Freudenhaus, sah den Jäger im Dickicht verschwinden.
Schon stand sie in der Tür, musste schnellstens handeln.
Vor der Hütte der Großmutter angekommen, wunderte sich der Knabe über die weit offen stehende Tür. Macht Grandma sonst nie… es sei denn, sie ist vor das Haus geeilt, um sich zu übergeben. „Na, sicher ist es so gewesen, muss ich die Bettpfanne nicht leeren…“ machte er sich Mut.
Mit der roten Kappe auf den blonden Zöpfen und den Netzstrümpfen an den frisch enthaarten Beinen, empfand er sich heute als besonders hübsch.
Irgendetwas ging in ihm vor, ihm war heiß und kalt als er über die Schwelle in Großmutters Hütte trat. Dieses Gefühl der Lust… Woher kam es? Wohin wollte es? Es schnürte ihm die Kehle und um sich zu stärken, setzte er die Flasche, die bereits geöffnet auf Großmutters Kommode stand, an den trockenen Mund...
...Minuten zuvor wollte es der alten Dame nicht gelingen, erschrocken durch den Krach, den der Jäger verursacht hatte, die Pulle zu greifen. Als sie nach ihr ausholte, fiel sie aus dem Bett und blieb reglos davor liegen.
Ein leichtes Spiel für die Wölfin, die das Geschehen, in der geöffneten Tür lauernd, verfolgt hatte.
Leider nur blieb keine Zeit, das Menschlein in Stücke zu reißen, denn sie war in Eile und sehr erregt. Rotkäppchen war schon ganz nah bei der Hütte.
So schlang sie die alte Frau mit einem Happen hinunter, rülpste, hielt sich kurz den Bauch und flüchtete sich mit einem Satz unter die Bettdecke. Dann sah sie auch schon die rote Kappe in der Tür.
Rotkäppchen nahm einen kräftigen Hieb aus der bauchigen Flasche, kratzte sich am Hintern und zog die Netzstrumpfhose in Position. Nicht ahnend, dass Frau Wolf wünschte, er würde ihr endlich ins Netz gehen. Sie konnte ihn riechen, er musste irgendetwas an seinen Fingern haben… der Geruch machte sie rasend.
"Großmutter", rief der noch jungfräuliche Knabe.
"Großmutter ich bringe dir deine Medizin und die herzlichsten Grüße von der Mutter."
Doch Großmutter scheint nicht bei Sinnen, rührt sich nicht in ihrem Bett. Nur ein Grummeln war unter der Decke zu vernehmen.
"Großmutter, du solltest dich wieder einmal rasieren, kann deine Augen gar nicht erkennen."
Großmutter knurrte tief und lang.
"Sei mir nicht böse… aber… auch deine Nase sieht nicht aus wie sonst."
Unter der Decke rührte sich etwas…
Dem Jungen wurde bang ums Herz, wusste er doch nicht, dass die Großmutter, um bis zur nächsten Lieferung durchschlafen zu können, eine Mischung getrockneter Waldpilze in ihren Wein getan hatte.
Großmutter kannte sich mit Pilzen aus.
Obwohl dem Kind die Sinne zu schwinden drohten, erkannte er zwei riesige, mit Haaren übersähte, schwarze Greifzangen, die ihn, noch bevor er danach fragen konnte, bei den Schultern packten, um ihn ins Bett zu zerren.
Die rote Kappe fiel lautlos zu Boden, in seinen Rücken bohrten sich eintausendundein Messer.
Alles an ihm erstarrte plötzlich, wusste er doch nicht, wie ihm geschah.
Und die Wölfin, dieses haarige Biest, ließ nicht los. Endlich hatte sie, wonach es ihr gelüstete.
Unter ihr liegend, wurde Rotkäppchen ohnmächtig. Wie lange genau, kann niemand sagen... der Wald schweigt bis heute.
Durch einen lauten Knall erwacht, erahnte Rotkäppchen den Jäger, der tief gebeugt über ihm stand.
Ja.... der Jäger kam noch einmal zurück, hatte er doch seinen Ehering auf Großmutters Kommode vergessen.
Welch ein Glück für das Kind und die alte Frau!
Mit einer doppelten Salve Schrot hatte der Jäger die Wölfin zur Strecke gebracht, ihr Körper lag reglos mit weit geöffnetem Bauch im Bett der Gespielin.
Ja, Großmutter… sie konnte der Weidmann in einem Stück aus dem Wolfslaib zerren und außer dem Schrecken trug sie keine Schäden davon. "Medizin, gebt mir meine Medizin!" befahl sie ihrem Retter, dem es gefiel, wenn sie auf diese Art mit ihm umsprang…
Mit einem verschmitzten Grinsen im bärtigen Gesicht überreichte er seiner ´Herrin´ (wie er sie beim Liebesspiel nannte) den Wein und Großmutter genoss in vollen Zügen.
Jetzt auch erkannte Rotkäppchen, dass es der Großmutter an nichts fehlte und ihm wurde warm ums Herz.
Morgen, fassten die drei einen Entschluss, gleich morgen wollten sie ein Fest feiern und mit allen Bewohnern des Waldes auf das große Glück anstoßen.
Und ihr?
Wollt wissen, wie es weiterging im Wunderwald???
Dazu sei gesagt:
Rotkäppchen erleichterte sich nie wieder an Büschen und Sträuchern, achtet heute als staatlich anerkannter Ranger auf Ordnung und Sauberkeit im Wald.
Der Jäger ließ sich vom Goldschmied in der Stadt einen zweiten Ehering anfertigen, den er - für den Notfall - im Waffenschrank versteckt hielt.
Großmutter machte Nägel mit Köpfen und eröffnete ihre eigene Weinhandlung, ließ sich fortan über den Großhandel beliefern.
Und Herr Wolf…??? Ja, der spitzohrige Isegrimm…
...ist glücklich über seinen selbst angelegten Golfplatz, dem schönsten weit und breit. Er gründete die erste Golfschule des Waldes:
„Lernt Golf bei Herrn Wolf“
Seine verstorbene Gattin jedoch...
... endete als Wandschmuck im Vereinshaus.
Mehr, ihr Lieben, kann ich nicht berichten, denn der Wald hat bis heute sein Schweigen nicht gebrochen.