rot-weiß
Kurz vor 4:
Lenas Mutter steckt den Kopf zur Tür herein."Du sitzt ja schon den ganzen Tag hier rum.
Was treibst du denn so?"Lena sitzt an ihrem Schreibstisch.
Der Rücken ist ein wenig krumm.
Sie wendet sich nicht der Mutter zu.Blickt
nicht auf."Ich lerne.Ich brauch meine Ruhe."
"Willst du nicht mal rausgehen Schatz?
Du warst so lang nicht mehr draußen.
Denk an deine Haut,die wird ja ganz
blaß wenn du immer nur hier im Haus bist".
"Lass mich.Ich muss noch so viel tun.Du störst Mama."
Die Mutter gibt nach.Schließt langsam wieder die Tür.
Wirklich zufrieden ist sie nicht.Das Kind braucht doch Bewegung.
Aber gut,Schule geht natürlich vor.Ohne guten Abschluß ist man nichts im Leben.
Und die Tochter solls später mal leichter haben als sie selbst.
Lena dreht sich um,blickt zur Tür,sie ist wieder geschlossen.
Sie ist wieder allein.Allein mit sich und ihren Gedanken.
Seit einer Woche war sie nicht mehr in der Schule.
Aber das muss die Mutter ja nicht wissen.
Sie mischt sich sowieso schon in viel zu viele Dinge ein
Lässt ihr nie die Ruhe die sie will:
Die Schule ist zu schwer,Lena überfordert.
Sie fährt morgens mit dem ersten Bus in die Stadt.
Läuft ziellos umher.Beobachter die Menschen.
Sie wirken gehetzt,gestresst,gereizt.Müssen so viel schaffen in so kurzer Zeit.
Ein tag hat nur 24 Stunden.
Sie weiß nichts mit sich anzufangen.Nur in die Schule will sie nicht.
Nimmt mittags den Bus nach Hause...
berichtet von einer guten Arbeit,spricht motiviert und zuversichtlich.
Die Mutter freut sich.Ist stolz auf Lena.Die Tochter hat ihr Leben im Griff.
Sie kommt zurecht.Das schaffen nicht viele in dem Alter.
Ein Glück ist ihre Tochter so stark.
Jetzt sitzt sie wieder mal in ihrem Zimmer,die starke und motivierte tochter und weint.
Den Kopf auf der Tischplatte.Tränen rinnen ihre Wange herab
,fließen weiter auf die Tischplatte.
Dort bleiben sie.Können ja schleißlich nicht mehr weiter.
"Endstation,bis hierhin und nicht weiter,"denkt Lena.Ihr könnt nicht mehr flüchten.
Ich kann es auch nicht.Wo sollte ich denn hin in dieser Welt die mich nicht versteht und die ich nicht verstehe?
Sie öffnet die Schreibtischschublade.Traurig lächelnd zieht sie das kleine schwarze Messer hervor.
Es war dort für einen notfall untergebracht."Heute bin ich der Notfall", denkt Lena
"Tu´s nicht,Tu´s nicht.Leg das Messer zurück" schreit etwas in ihr.
Die Stimme ist leise,sehr leise.
"Doch.ich tu es.Ich kann nicht mehr anders.Zurück kann ich nicht mehr.
Ein vorwärts gibt es auch nicht.Hier und jetzt ist es vorbei.Endlich vorbei.
Und es macht mich nichtmal richtg traurig"
Lena schließt die Augen,fährt mit dem Zeigefinger über die Messerspitze.Sie ist scharf.
Es wird keine großen Probleme geben.Sie genießt das gefühl der Kontrolle.
Nur sie selbst,Lena,wird entscheiden was jetzt passiert.keiner da der ihr in was reinredet.
Es ist ihre Entscheidung.
Im Radio kommt "Killing me softly" von den Fugees.Lena lacht.Welch Ironie.
Sie steht langsam auf,blickt aus dem Fenster.Ein letzes mal.
Ein bisschen wehmütig.Aber entschlossen.Draußen weht der Wind.
Er streift grob und ohne Umsicht die kahlen,verletzlichen Bäume.auch egal.
Daran kann man doch nichts ändern.sie denkt an ihre katze.
das einzige was sie hatte.gestern wurde sie überfahren.
einfach so.War nichts mehr zu machen.
Lena hat sie im Garten begraben.hat Blumen auf dem Grab gepflanzt.
Im Frühjahr wird es blühen und schön aussehen.
Aber das wird sie nicht mehr erleben.Will sie auch gar nicht.Heute solls zu Ende gehen.
"Nur die besten sterben jung", denkt sie sich.Die Tränen lassen nach.Vielleicht hat sie auch nur keine mehr
,die sie noch weinen könnte.
Sie hat viel geweint in letzter Zeit.Hatte ja auch viel Grund dazu.Nur hat sie stets darauf geachtet,das niemand
ihre Tränen sieht.Lena geht vom Fenster zum Bett.ein großes,weißes Laken liegt darauf.
und Rote Kissen.Rot-Weiß.ihre Lieblingsfarben.
Rot wie das Blut das sie so anzieht und sie so fasziniert.
Weiß wie der Himmel,in den sie sich sehnt.
Sie zieht das Laken zurecht.Der Teppich soll nichts abbekommen.
Mama hat nicht viel Geld,wie könnte sie die Reinigung des Teppichs später zahlen?
Blutflecken gehen schwer raus.
Das weiß Lena
Sie legt sich hin.langsam.überlegend.Da sind nun doch Zweifel in ihr:"Ist es richtig was ich tu?
Was wenn es nicht klappt?Nein,es wird klappen ich bin mir sicher.
Hab es so lang geplant.es darf nichts schiefgehen.in einer halben Stunde ist es vorbei
."Sie macht die Augen zu.Lauscht der Musik.
Dann setzt sie an,beginnt sich langsam ins Fleisch zu schneiden.Ihr wird warm.
Sie fühlt sich leicht,frei,erlöst.Probleme sind jetzt weit weg.Zählen ohnehin nicht mehr.
Ein kleiner roter Punkt tanzt vor ihren Augen,wird langsam größer,kommt zur Ruhe.verschwindet.
Sie öffnet die Augen.Ihr Arm ist rot.Das Laken auch.
der Teppich aber ist weiß,schneeweiß.Das zählt.Bisher geht alles gut.Sie wird ruhiger
.Der Arm beginnt zu schmerzen.Sie greift nach dem Wasserglas am Nachttisch
.der Inhalt sieht nach Kalk aus.Es ist kein Kalk.Natürlich nicht.
es sind die Tabletten die sie vor einer halben Stunde im Wasser aufgelöst hat.
Nimmt das Glas,setzt es an den Mund.Trinkt mit einem
großen Schluck den Inhalt.
"16 jahre Unglück sind genug.Mehr ertrag ich nicht".Sie lehnt sich zurück
.Schneidet erneut.diesmal ohne Schmerzen zu spüren
.Die Tabletten wirken schnell.Sehr gut.Sie schließt die Augen,ein letztes mal.
Es ist kein Schmerz mehr in ihr,keine Traurigkeit.
nur Erlösung und Frieden bleibt.
Sie stößt mit dem Messer zu,durchtrennt mit einem Ruck die Ader.
Das Meer der roten Tränen wird größer und breitet sich aus.
Sie fühlt Wärme,nur Wärme.Fühlt sich geborgen.
Ein kleines Licht erscheint ihr,wird größer,kommt näher.
Es ist das licht auf das sie in ihrem Leben vergebens gewartet hatte.
Jetzt darf sie erfahren wie gut es tut, es zu sehen.Fühlt,wie sie ins Licht gezogen wird.
All das Unglück,die Qualen, Verzweiflung..es weicht aus ihr.
Das Licht ist größer und stärker als alles zusammen
.Das Licht verdrängt alles schlimme aus ihr.
Lena hat ein Lächeln auf dem Gesicht als sie stirbt.Wirkt glücklich und gelöst.
Sie hat geschafft was sie erreichen wollte.
Lächelnd und glücklich,so wird die Mutter sie um kurz nach 5 auf ihrem rot-weißen Bett finden.
Der Teppich
ist sauber geblieben.