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Rosige Zeiten für unsere Krankenkassen

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03.03.2005
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Rosige Zeiten für unsere Krankenkassen

Reporter: Guten Tag, Herr Staatsminister. Sie kommen gerade aus einer Sitzung der Arbeitsgruppe "The Future of Healthservice, des Sozialministeriums. 10 Tage haben Sie hinter verschlossenen Türen getagt. Welche wichtigen Probleme wurden da behandelt?
Staatsminister: Ähm, na ja, ähm. Es ging in erster Linie um zukunftsweisende Beschlüsse zur umfassenden Verbesserung der Arbeitsbedingungen des mittleren medizinischen Personals, sprich eine Erleichterung der Arbeit unserer Krankenschwestern in den Kliniken, Krankenhäusern und Rehaeinrichtungen. Gleichzeitig wurden Beschlüsse auf höchster Ebene angeregt, die in naher Zukunft zu einer Senkung der Kosten für die stationäre Behandlungen führen werden.
Reporter: Erleichterung der Arbeitsbedingungen für Krankenschwestern und Senkung der Krankenhauskosten, sind das nicht sich gegenseitig ausschließende Visionen?
Staatsminister: Ähm, na ja, ähm. In der Vergangenheit ja. Aber sehen Sie, durch die neue Sozialgesetzgebung im Arbeitsrecht heute durchaus machbar und auch notwendig. Bedenken Sie, welche umfassende Ausbildung eine Krankenschwester absolviert, ehe Sie an ein Krankenbett darf und dann sehen Sie sich einmal den Arbeitsablauf in einer Klinik an. Eine Krankenschwester muss die Patienten früh waschen, viermal täglich Essen servieren und wieder abräumen, die Patienten mit Schiebern versorgen und bei schwierigen Patienten mehrmals täglich die Bettwäsche erneuern. Für die eigentlichen gesundheitsfördernden Tätigkeiten, wie Medikamentenverabreichung, Verbandswechsel, Blutdruck- bzw. Blutzuckerbestimmung und ähnliche qualifizierte Aufgaben stehen auf vielen Stationen gerade einmal 25% der Arbeitszeit zur Verfügung. Dort sehen wir als Regierungskommission vorrangigen Handlungsbedarf. Hier müssen in Interesse unserer Patienten unbedingt umfassende Änderungen erfolgen. Die Einführung der 1 €uro-Jobs wird sich da als ein Segen für unser Gesundheitswesen erweisen. Ein oder zwei Arbeitskräfte für einen €uro je Stunde und Schicht auf jeder Station, welche unter Anleitung einer erfahrenen Krankenschwester die erst genannten Tätigkeiten, wie Betten machen, Schieber wechseln und Essen servieren, ausführen sind in jedem Budget finanzierbar. Sie werden den Arbeitsalltag in jedem Krankenhaus zum Nutzen der Patienten optimieren. Die gesamten schweren Arbeiten, welche keine besondere Qualifikation verlangen, können so aus dem Aufgabenbereich des examinierten Pflegepersonals eliminiert werde.
Reporter: Wird dies nicht zu Entlassungen von Krankenschwestern führen?
Staatsminister: Ähm, na ja, ähm. Perspektivisch gesehen, garantiert. Aber gerade dafür haben wir ja nun unser neues Sozialgesetzbuch verabschiedet. Nach einer gewissen Zeit haben auch diese gut ausgebildeten Krankenschwestern in Zusammenhang mit den HatzIV Regelungen, Anspruch auf die schon erwähnten 1 Euro-Jobs. Jetzt besteht die Möglichkeit das gesamte Pflegepersonal über diese Schiene zu ersetzen. Dies wird zu einer wirkliche Entlastung der Krankenkassen und spürbaren Senkung der Sozialbeiträge führen. Die Krankenhäuser können dann ganz anders kalkulieren. Wir werden Leistungen zu einem Preis anbieten können, die letztendlich diesen unseligen Operationstourismus nach Ungarn, Tschechien usw. beenden werden. Im Gegenteil, es werden Menschen aus ganz Europa kommen, und notwendige medizinische Behandlungen hier durchführen. Wir werden endlich wieder eine stabile Bettenauslastung in unseren modernen Krankenhäusern erreichen. Wenn es uns dann noch gelingt, die derzeitig horrenden Löhne der Ärzte zu senken, können wir sehr positiv in die Zukunft sehen.
Reporter: Wollen Sie etwa Deutsche Ärzte für 1 €uro die Stunde arbeiten lassen?
Staatsminister: Ähm, na ja, müssen es denn unbedingt Deutsche Ärzte sein? Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass viele gut ausgebildete Mediziner, die jetzt für noch viel weniger Einkommen in den 3. Weltstaaten praktizieren, hell begeistert wären, in unseren modernen Kliniken arbeiten zu können.
Reporter: Vielen Dank.

 

Hallo wiri,

zunächst möchte ich dich hier auf Kurzgeschichten.de herzlich willkommen heißen! :)

Dein Interview hat mich zunächst vor die gar nicht so einfache Frage gestellt, obs nicht schon viel zu sehr Reportage und damit keine Geschichte mehr ist oder obs noch reicht.
Ich persönlich, es mögen da noch andere Stimmen auftauchen, finde, es ist noch eine Geschichte, aber der Handlungsstrang besteht nur darin, dass der Reporter den Staatsminister interviewt und genau daran krankt auch die Attraktivität deiner Story.

Wenn hier mehr passieren würde, wärs lebendiger, unter Umständen spannender und somit einfach interessanter zu lesen. So, das muss ich gestehen, war ich sogar zwischendrin in der Zeile verrutscht beim Lesen.
Deiner grundsätzlich interessanten satirischen Idee, alle Arbeitsplätze gegen einen 1-Euro-Job auszutauschen, steht im Wege, dass du sie langweilig umgesetzt hast. Der Text, also die Unterhaltung der beiden Protagonisten ist an Trocken- und Sachlichkeit kaum noch zu überbieten und somit bringt es nicht so rechten Spaß es zu lesen.

Hoffe, du kannst mit meiner Kritik etwas anfangen.

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi!

Ich finde den Text gut.

(Hab allerdings einen in ähnlicher Manier verfasst Die Firma mit ähnlichem Thema. Und errang mit jenem ebenfalls einen lakita-Verriss :shy: )


Hier zählt die stichhaltige Grundidee, und die ist satirisch, und trocken präsentiert. Mehr Brimborium darumherum würde die Idee überfordern. Kurz ist besser. Ich finde das Ganze außerdem interessant, weil ich das dumme Gesülze richtig 'hören' kann. Eine Persiflage auf Tausende von Dumminterviews im TV.

Geschmäcker sind aber auch zum Glück verschieden. Satire hat auch viele Formen, die Nachäffung - hier gewählt - ist eine davon

 

Deiner grundsätzlich interessanten satirischen Idee, alle Arbeitsplätze gegen einen 1-Euro-Job auszutauschen, steht im Wege, dass du sie langweilig umgesetzt hast. Der Text, also die Unterhaltung der beiden Protagonisten ist an Trocken- und Sachlichkeit kaum noch zu überbieten und somit bringt es nicht so rechten Spaß es zu lesen.

Auf den Punkt gebracht - sehe ich auch so. Irgendwie fehlt die satirische Überzeichnung, die Sache bleibt zu nah an der Realität.
Handlung habe ich nicht vermisst, nur etwas scharfen Pfeffer!

Viele Grüsse vom gox

 

Tachi

Ich reihe mich ein in die Schlange der Dem-Vorredner-Zustimmer ;)

Eine interessante Idee, etwas zahnlos umgesetzt, aber auf jedenfall eine Satire.

Ganz generell kenne ich dieses Problem: Man hat eine gute, knackige Idee/ einen interessanten gesellschaftskritischen Ansatzpunkt, fürchtet aber, dass er keine ganze Handlung tragen kann und somit nicht geschichten-fähig ist. Passiert mir leider auch öfters. In solchen Fällen greife ich dann - wie du - auf ein Dialog-Text-Gerüst zurück, dessen Knackpunkt im rednerischen Schlagabtausch der Beteiligten herauskommt. Ich halte das für eine durchaus legitime und interessante Form, wenn sie entsprechend pointiert umgesetzt wird. D.h wenn es kleine Feinheiten und eine stetige Entwicklung zum Höhepunkt hin gibt.
Die Entwicklung hier besteht nur aus der Steigerung von der Alltäglichkeit(Ministergespräch über Krankenhausreformen) hin zur leicht überspitzten Entlassung allen medizinischen Personals und Wiedereinstellung unter Billigstlöhnen. Der Monolog(ist es ja eigentlich nur) wirkt konstruiert und nur auf die Pointe ausgerichtet. Das erscheint mir unnatürlich und erzwungen.

Im übrigen könntest du diese Dialogblöcke auflockern, wenn du einige narrative Momente dazwischen miteinbaust:
"...", sagte der Minister. Ein anderer Reporter mit gelbem Zwelch auf dem Mikro drückte ihm eben dieses sofort wieder in die Nase.
"Und was halten Sie von..."
+

Grüße
Hagen

 

Ist ja interessant, welche Meinungen so die Leser haben. Es freut mich dies zu hören. Besten Dank für die Kritiken, sind sehr aufschlußreich.
Wiri

 

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