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Rosen, schwarze, bitte.

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02.11.2001
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Rosen, schwarze, bitte.

Ihre Nase. Der Schnee.
Ihre Handschuhe und das eine Lachen.
Blumen gefällig? Blumen?
Wie sie es sagte und ich nicht wusste für wen, wenn ich doch welche haben wollte, ich sie letztendlich kaufen würde. Wie alles an diesem Vormittag am Markt davonschwamm.
Ich blieb dort, sah ihr zu. Ja, Tauben. Überall. Leere Fensterhöhlen. Der Westwind. Ein Radio dahinter.
Erzähl’ den Mädchen, dass ich zurück bin, wieder in der Stadt bin, singt der Vormittag und sein Radio.
Sie schien nicht zu frieren, sie hatte rote Wangen und eine wirklich violette Nasenspitze. Wirklich, sie hatte eine violette Nasenspitze.
Sie hatte auch ein paar Tröpfchen darunter. Tröpfchen wie Tränen, aber sie weinte nicht. Ich wusste damals schon, dass Tränen nicht so ohne weiteres und schon gar nicht aus der Nase kommen konnten.
Irgendwelche Leute trieben über den Platz.
Blumen, schrie die Frau mit der violetten Nase.
Blumen, bittschön. Schneefall danach. Alles versank. Rosen, fragte die Frau. Alles hasste die Kälte. Alles ging darin zu Bruch.

Ich hatte den Geruch von ihr an mir, an meinen Fingern, und das Bett stand nicht weit vom Markt und ihre Beine hingen für mich zwischen all den Gedanken und einem kleinen Hunger, der sich breit zu machen begann. Ich wusste sie so nahe, greifbar, wenigstens aber weit entfernt von meiner Welt. Wollte ich mir Rosen kaufen? Hätte ich eine Vase dafür griffbereit? Hätte ich mich dazu im Griff?
Wo habe ich die Pistole? Wo ist mein Kanu? Wo ist mein Wunsch begraben?
Hätte ich bleiben sollen?

Der Ring, das eine Wort.
Die Glasplatte des Tisches.
Geh’ nicht.
Der Schrei hatte dann alles zerstört.
Ich will Rosen kaufen. Ich will leben. Rote Rosen sind die Liebe und schwarze sind der Tod. Oder war alles verkehrt herum richtiger? Ich stand vor dieser Frau und ich hatte wenig Zeit für all die wahnsinnigen Entscheidungen, die ich mir augenblicklich abverlangte.
Mir abverlangte. Nur mir.
Und der Schnee. Ich wusste meinen Wagen irgendwo in Seitengassen begraben. Mein kleiner Wahnsinn, daran zu denken, wenn es um Rot oder Schwarz geht, wenn die Blumenfrau mit der violetten Nase für einen da ist. Sie dann das Letzte ist , das da ist.
Der Markt.
Alles verkauft sich von selbst.
Die Liebe ist in den Rosen versteckt. Das weiß die Frau und der Flaum auf ihrer Oberlippe ist wie Tau. Alles glänzt an ihr. Alles ist tot in mir. Überall sind die Blätter schwarzer Rosen. Nick Cave ist ähnlich schlecht, wie ich es heute auf diesem Markt nur sein kann, denke ich. Alles wollte ich erklären und zu nichts kam es von dem Allen. Ich liebe sie sehr und wenn ich am Morgen mit den Worten aufstand, dann fand ich sie Augenblicke später nicht mehr. Die Worte, sie, ihre Lippen. Es wären immer die unseren Worte gewesen.
Ich dachte an ihre segengebende Tiefe.
Frau?
Blumen?
Das kann ich nicht, dachte ich.
Hingehen, mir rote Rosen schwarz malen lassen, alles umknicken, um es eben dadurch zu verstehen lernen. Fassade, fällst du auf mich? Raben sind überall und haben endlich die Tauben von den Dächern gejagt.
Sind Raben schwarz? Ja, ich werde also Rosen kaufen.
Ich muss aber gleich danach den Schlüssel zu dieser Wärme wiederfinden. Ich hab’ ihn nur verloren, irgendwann. Wobei nichts verloren schien. Wirklich nicht. Wirklich nichts.
Es waren die Rosen, die man manches Mal erklären musste. Schwarz will ich sie jetzt. Der Tod ist in der Fauna, genauso, wie er in unseren Herzen sitzt. Ohne Kletterausrüstung. Der Tod hat den freien Fall gepachtet.
Fassade, Blumenfrau, Felswand mit deinen Nischen.
Ich gehe über den Markt und bin tot.
Ich wüsste den Schritt vorwärts. Er wäre nur ein weiterer zurück. Die Blumenfrau wird recht behalten. In meinem Rücken wird ein Kind überfahren. Ich habe nur Augen für die vielen Schatten. Alles ist ohne Vorteil. Rosen, bittschön? Ja, sag’ ich. Wohin, bei wem, wozu?
Die Erde ist eine Scheibe, sagt die Blumenfrau und dabei fällt ihr ein letztes Tröpfchen von unterhalb der Nase. Ja, ich habe es mir auch so gedacht, gebe ich zur Antwort. Wollen wir beide über den Rand schauen, frage ich sie. Sie können Rosen von mir haben, schwarze oder rote, junger Freund. Keine Gratwanderung, nicht so was.
Wegen dem Gleichgewicht.
Ich bleibe hier in der Mitte. Geh’ du nur an den Rand, schauen, wie’s sich dort so leben lässt.

Plötzlich war sie per Du mit mir.
Wenn die Scheibe kippt, kommt es darauf auch nicht mehr an. Nicht mehr darauf. Nicht mehr.
Ich habe schwarze Rosen. Langstielig, vielversprechend.
Dann geben Sie mir die, sagte ich.

Meine Finger riechen nach ihr. War ich dort? Wann war ich das? Ihre Wärme. Unser Bett. Völlig verschoben sind die Dimensionen. Auf die Fußmatte werde ich die Rosen legen. Auf die Fußmatte. Gut. Also kaufe ich Rosen. Gehe ich zum Scheibenrand? Ich werde die roten Rosen nehmen. Für jeden Schmerz, den ich ihr zugefügt habe, werde ich eine Rose nehmen.
Es duftet nach Kaffee.
Es könnte sein, dass ich dem Tod am Markt entkommen bin.
Nein, nein, mit den Dornen, bitte. Rosen sollen weh tun. Ja, auch die schwarzen.
Auch die, die nur ich dir zu schenken mich traue, aber nicht zu kaufen wage, weil ich dich nicht besitzen konnte für die eine lange kurze Zeit. Welch ein Geschenk, welch ein Wagnis in dieser aufgestauten Tristesse. Wir sind beide einsam. Die Blumenfrau und ich. Und der Markt, der unser Dritter dabei ist und hämisch grinst und nichts versteht. Und trotzdem im Bunde mit uns ist.
Ist dein Bett warm? Schreien die Raben auch über deinem Dach? Es waren tatsächlich Tränen, das Nasse, das ich anfangs nicht erkannt hatte. Es ging um die Rosen. Ich wusste nicht, dass sie auch weinen kann. Ich habe ihr die schwarzen abgekauft. Alle. Ich ließ sie mit den roten alleine am Markt zurück.
Jetzt bin ich tot.

 

Servus Aqualung!

Jetzt ist er tot. Er ließ sich über den Rand der Scheibe gleiten, dem freien Fall zu, mit den schwarzen Rosen in der Hand. Und siehe da, der Scheibe macht es gar nichts aus, sie hielt das Gleichgewicht. An ihr kann es also nicht gelegen haben. Er hat sich für die Schwarzen entschieden, den Tod, wie er sagt.

Aber der Blumenfrau sind all die roten Rosen geblieben, sie hat die Wärme bekommen. Die roten Rosen sind ja die Liebe. Glückliche Blumenfrau, sie wird sie auch gut brauchen können, dort am Markt, in der Kälte und dem Schnee.

Ein Text der sehr viele Pfade öffnet und jeder kann beim Lesen hingehen wo er will. Das gefällt mir gut.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

Ja, Eva. Viele Pfade möchte dieser Text zulassen. Die Blumenfrau steht noch immer dort und versucht, die roten Rosen zu verkaufen. Mit den schwarzen ging es besser, die roten will niemand, trotz des Tiefpreisangebotes.

Liebe Grüße - Aqua

 

"Hingehen, mir rote Rosen schwarz malen lassen, alles umknicken, um es eben dadurch zu verstehen lernen"

Hallo Aqua!

ICh werde diesen Text noch einige Male lesen, um ihn genauer zu begreifen. Es ist irgendwie ein typischer Aqua-Text, Du nimmst das schwarz, nicht das rot. Willst verstehen durch den Umbruch.
Die Beschreibung der Blumenfrau auf dem Markt, im Schnee, mit violetter Nase, das Beobachten, die Entscheidung, Blumen zu kaufen, für mich ist das alles wunderbar beschrieben, in Teilsätzen, in Deiner Art zu schreiben. Ein wunderbarer, tiefer Text, der mich nachdenklich zurück lässt. Warum nimmt er alle schwarzen? um zu verstehen, für den Tod. Um über den Rand zu schauen. Auch wenn es der Tod ist.

liebe Grüße... Anne

 

Hei Aq, heute will ich doch mal wieder etwas vernünftiger schreiben. Also, ob ich das alles so verstanden habe, das bezweifle ich nocht. Erinnert ein wenig an Landungsbrücken, vom Stil her.

Mir kommt es vor, als sähe der Rosenkäufer jeden Tag einen Leichenberg in dieser Welt, egal wohin er schaut. Ausgelöst durch ein persönliches Ereignis, aber nicht unbedingt. Jedenfalls ist die ganze Welt grau und schwarz, ohne Lichtquelle. Muss aber wahrscheinlich auch noch mal alles lesen.

Sehr sehr tief, wie immer, das ist toll.

Liebe Grüsse Stefan

 

@ Aqua

Schade, dass er keine rot-schwarz gestreiften Rosen genommen hat – imaginär gesehen, natürlich. Eine Mischung aus hell und dunkel, wie das Leben selbst.

Schöner, tiefsinniger Text, Aqua, wie immer!

lg
liz

 

Hallo Arche, Liz- baby,

einen lieben Dank an euch fürs Lesen. Die Geschichte ist vor länger als einem Jahr entstanden. Es gab zwar keine Leichenberge, aber diese Rosenverkäuferin am Marktplatz. Trennung, Fragen, Erinnerung, Entscheidung, Selbstzweifel, Schuldgefühle.
Die Welt war schwarz. Das hat sich mittlerweile geändert. Es ist ein sanftes Grau daraus geworden, weil es in der Aqua- Welt kein reines Weiß gibt.

Liebe Grüße an euch beide - Aqua

 

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