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Rosamunde P.

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02.11.2001
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Rosamunde P.

Das Tonbandgerät steht auf dem Tisch. Das Band darin läuft. Wenige Kratztöne, sonst Stille.
Ich räuspere mich. Thmm, ja. Also anfangen. Kein alltägliches Interview. Eine Größe des gegenwärtigen Literaturgeschehens sitzt mir gegenüber. Meine Zeitung hat mich geschickt. Ich brauche den Artikel, brauche das Geld, das er einbringen wird.

,Sie schreiben schon lange, Frau P.?’

,Ach, wissen Sie, junger Mann, das Schreiben ist mein Leben. In die Wiege gelegt sagt man wohl dazu. Ich tue den Menschen Gutes, lenke sie weg vom Alltag. Und glauben Sie mir, meine Leser sind dankbar. Schauen Sie, die vielen Briefe. Ich habe ein paar mitgebracht. Danke für die Stunden, Frau P., die Sie mir mit Ihren Büchern schöner gemacht haben. Da, lesen Sie den. Oder der hier. So nett geschrieben das alles. Ja, hören Sie sich das an. Ich verehre Ihre Werke, Frau P. habe alle im Regal stehen, habe alle gelesen. Ein Bild von ihm und seiner Frau ist beigelegt. Und, und, und. Das ehrt mich als Autorin. Diese Anteilnahme, junger Mann.’

Ich beobachte die Gestik ihrer Hände. Sie stiehlt mir meine Erfahrung mit der wiederholten Betonung meiner angeblichen Jugend. Das Schneetreiben vor dem Fenster der Hotelhalle wird dichter. Weihnachten kommt. Bücher sollen möglichst viele geschenkt werden. Ein kurzer Gedanke. Ich frage weiter.

,Wie haben Sie zu Ihrem unvergleichlichen Schreibstil gefunden, Frau P.? Ein Stil, der uns einerseits in seiner schlichten Eleganz, andererseits in seiner heftigen Ursprünglichkeit immer wieder aufs Neue das Schöne in dieser Welt vor Augen führt.’

In ihre Wangen fährt die Röte. Sie scheint zufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs, mit der Art, wie ich meine Fragen stelle. Ich habe sie dort, wo ich sie haben wollte. Ich denke an den Kulturteil der Zeitung, die mich für das Schreiben von Artikeln wie auch dieser einer werden wird, bezahlt. Leichter Ekel kommt auf. Leicht nur. Ich bohre weiter.

,Frau P., unser Blatt ist sehr interessiert daran, ihre Meinung über den Stand der gegenwärtigen Literatur wiedergeben zu dürfen. Nennen wir es den neuen Zeitgeist. Welche Interpretationen finden Sie dafür? Uns unbekannte Autoren drängen in die erste Reihe. Kurzgeschichtenbände sind drauf und dran, den Buchmarkt zu erobern. Junge, wilde Schreiberlinge duellieren sich, schreiben sich mit unbändiger Sehnsucht nach Veränderung die Seele aus dem Leib. Folgen ihren eigenen Gesetzen, pendeln Tiefen neu aus. Sie überschwemmen den Markt, verdrängen Althergebrachtes, verlieren sich in unangebrachtem Zynismus. Ich nenne ein paar Namen, die auch Ihnen, verehrte Frau P., gegenwärtig nicht unbekannt sein dürften. Archetyp, Häferl, Echnaton, Lakita, Aqualung, Maus, ja, auch Maus – um nur einige zu nennen. Stehen die für den Aufbruch in ein neues literarisches Abenteuer? Sind das auch für Sie die neuen Big Joker des geschriebenen Wortes oder sind es lediglich One Night Stands und schon fertig für die Ablage, kaum dass sie gedruckt sind, Frau P.?’
Ich habe eine trockene Mundhöhle. Sie blickt streng.
,Entschuldigen Sie die Anhäufung von Anglizismen’, sage ich.
Sie nickt gnädig. Sie verzeiht mein Neusprech.
Ich warte, was jetzt kommt.

,Junger Mann, Sie sprechen hier mit einer unverschämt klingenden Selbstverständlichkeit die dunkle Seite der Literatur an. Wenn ich das schon höre. Neuer Zeitgeist, Veränderung. Diese Möchtegern- Autoren mit den unaussprechlichen Namen wildern in ihnen unbekannten Revieren, zerstören die stetig vorangetriebene Aufbauarbeit der etablierten Schriftstellerklientel. Was haben wir drum rum geschrieben, den Leuten, den Lesern, die Welt erstrahlen zu lassen. Ich glaube an das Charisma der Meeresbrandung, an den Schmetterlingsschwarm, der sich in duftenden Wiesen verliert. Diese sogenannten jungen Wilden machen doch alles kaputt mit ihren Geschichten, die nur das Dunkle, Schlechte, Böse zum Inhalt haben. Erst recht diese neue Mode, diese Road- Stories – so glaube ich, sagt man jetzt dazu! Junger Mann, da fehlt mir der Zugang. Da fehlt mir das Verständnis. Und glauben Sie mir, ich habe versucht, manches davon zu lesen, zu verstehen. Nehmen Sie die Geschichte mit dieser Laura her. Eklig. Oder die eine mit Chuck. Diese Autoren sind doch krank. Wer will das lesen? Nein, nein. Eine solide Basis muss schon sein. Familie, Glück und so ein Gefühl, wie wenn man bei den Landungsbrücken steht, das gehört beschrieben. Wer will denn was von einer Endzeit wissen, oder dem Suff in irgendeiner Bar ins Gesicht starren? Es gibt doch keine prügelnden Väter. Unsere Familien sind sauber, wir haben nichts zu verbergen. Nichts, sag ich Ihnen. Die wahren Werte dürfen wir nicht verleugnen. Und unsere Welt ist doch so schön, nicht wahr?’

Ich habe die alte Dame über Gebühr beansprucht. Sie ist aufgebracht, betupft mit dem Tuch ihre Schläfen. Ihre Nase glänzt. Spuren von Lippenstift sehe ich auf ihren Schneidezähnen.

,Ich danke Ihnen, Frau P., auch im Namen meiner Zeitung, im Namen aller Literaturinteressierten, für dieses Interview, nach dem wir alle, so glaube ich ganz fest, unsere Standpunkte wieder neu ordnen können, uns an der von Ihnen angesprochenen Größe der deutschen Sprache orientieren dürfen.’

Ich machte, dass ich fortkam.

 

He Aqua!

hehe... hab einige Male schmunzeln müssen. Hast Du mal schlechte Erfahrungen mit dieser Art von Frauen gemacht? Oder was?

Junge, wilde Schreiberlinge duellieren sich...
:thumbsup: :D

achja: muss gleich mal schauen, ob eine gewisse Rosamunde bei uns auf kg eingetragen ist... mann kann ja nie wissen! :D

...ihre Meinung über den Stand der gegenwärtigen Literatur interpretieren zu dürfen.
Sollte es nicht eher nur "widergeben" heißen?

 

Aqua, das ist mir zu sehr durch die Phrasendreschmaschine gedreht, auch wenn mir bei der Pilcher das kotzen kommt.

liebe Grüße, alex.

 

Hey Aqua, ich habe gelacht und ich finde es gut. Du weisst ja, dass es auch in Satire oder Humor hätte stehen können, aber ich glaube sie ist hier genau richtig aufgehoben.

Wieso eigentlich Maus?

Naja macht ja nichts,

Ich habe gelacht und das ist mir wichtig gewesen.

...und wieso dein Name? Fällt mir grad ein!

Und wieso Echnaton und Häferl...aber okay ich habe gelacht.

...und du meinst auch Lakita, na gut!

bis dann Stefan, hehe gut.

 

Hey Aqua!

Das Grinsen im Gesicht, die ganze Zeit. :D Kann es sein, dass Du nicht der größte Fan bist?? Also das zweite Fanzitat, das könnte glatt von mir sein...:D

Ach ja, wieso eigentlich ich, hmmm? Ich bin nur untalentiert für Herzschmerzgeschichten, die kommen nicht so gut bei mir, aber ich geb mir ja eh Mühe in meiner Verzweiflung!!!

*g*

Schöne Grüße, Aqua, Anne :)

 

tja, Aqua
was soll ich sagen? zufällig arbeite ich in der firma, die diese ganzen R.P. filme produziert und dreht. ich sitze bei der postproduction da und muss die mir 5 x hinter einander anschaun, weil ich zeiten stoppen und dialogbücher schreiben muss. und nicht zu letzt mich mehr oder weniger mit dieser reizenden dame auseinandersetzen muss.:D
du denkst bestimmt, daß ich dir jetzt die meinung geige, aber...
nein, ich kenne das problem gut genug und bin froh, wenn ich mal über böses und deprimierendes schreiben bzw. lesen darf. und keine sorge, ich werde der frau p. diese geschichte nicht unter die nase legen.
und ich denk auch nicht, daß es dir was ausmachen würde, oder?:rolleyes:
grinsen musste ich zwar nicht, hab es aber trotzdem gern gelesen.
LG
Daigz

 

Hi Aqualung,

du kannst verdammt gute Geschichten schreiben. Deswegen bist du mir bestimmt nicht böse, wenn ich dir sage, dass diese Geschichte ziemlich schwach ist.

Nehmen wir für einen Moment mal an, dass es eine ernsthafte Geschichte ist. Eine Geschichte, die zwei Positionen (konservativ vers. Nihilismus beispielsweise) aufeinanderprallen lässt. Sehr interessant. Aber leider machst du Frau P. lächerlich. Das war wohl deine Absicht. Doch als Satire scheitert die Sache auch. Denn die weibliche Figur verliert sich in Klischees, die total vorhersehbar sind. Und unheimlich platt.

Es gibt doch keine prügelnden Väter. Unsere Familien sind sauber, wir haben nichts zu verbergen. Nichts, sag ich Ihnen. Die wahren Werte dürfen wir nicht verleugnen. Und unsere Welt ist doch so schön, nicht wahr?’
Das ist schon nicht mehr überspitzt... Das ist irgendwie nur doof.

Tut mir leid, dass ich jetzt gegen den Trend schreibe. Ich würde hier ja gar nichts kritisieren, wenn ich nicht wüsste, dass du - wie ich finde - viel bessere Geschichten machen kannst.

Liebe Grüße

Jan

 

Hallo Leute, liebe Autoren,

endlich eine lustige Aqua- Geschichte, hmm?
Ein paar Schmunzler, Lacher und Grinser konnte ich ja verbuchen.
Danke Arche, danke Maus, danke Philo- Ratte.

Klar ist es Phrasendreschen, Alex. Hab aber auch auf die Tasten gedroschen. Musste mir dies mal antun.

Daigoro,
jetzt poste ich mit dem Mann, der P.Ms. Dialogbücher schreibt.Grüß mir die reizende Dame und zeig ihr meine Geschichte. Geht in Ordnung.Danke fürs gerne Lesen.

Liebe Grüße an euch - Aqua

 

Hallo Jan,

danke für deine Kritik. Ich komme damit klar, weiß auch, dass ich da sehr dick und phasenweise weniger ernsthaft aufgetragen habe.
Ich will Frau P. nicht der Lächerlichkeit preisgeben, Jan. Das erledigt sie sowieso selbst.
Sieh's so: Ich will irgendeinem Unmut Luft machen, suhle mich im Weltschmerz des unbekannten Schreiberlings und hab dies in eine herzzerreißende Geschichte verpackt. Ich habe selbst gelacht beim Runtertippen und war dabei schon auf die Kritiken gespannt. Lies bitte nochmal. Ein paar nicht unwesentliche Links meinerseits sind schon drinnen verpackt. Ein bisschen Schwärze macht alles bunter.

Bleib mir, trotzdem es dir nicht gefallen hat, gewogen.

Liebe Grüße - Aqua

 

Lieber Aqua!

Also lesen läßt sich Deine Geschichte ganz gut, Fehler hab ich auch keine mehr gefunden - allerdings hat die Ratte oben schon was angemerkt, das möchte ich Dich bitten, noch zu beachten ... ;)

Vom Inhaltlichen her finde ich es etwas seicht. Ich fühle mich zwar geehrt, hier positiv erwähnt zu werden, aber irgendwie klingt es schnell hingeschrieben. - Du hättest sicher noch gute Ideen, wie Du das Interview etwas spritziger, origineller gestalten könntest - ich weiß, daß Du das kannst.

Auch der Schluß klingt irgendwie so, als hättest Du Dir gedacht "Jetzt mag ich nicht mehr...". Mit etwas mehr Zeit für die Geschichte könnte sie auf jeden Fall gut werden.

Manchmal entfernt man sich ein bisschen von seinen Werten, vergißt sie für kurze Zeit. Aber es ist dann schön, wenn man wieder beginnt, über Worte nachzudenken, die einem so einfallen (mir fallen auch gerade zwei ein: Qualität und Quantität...) und man dann wieder zurückfindet, sich wieder bewußter wird, was eigentlich zählt. :)

Alles liebe,
Susi

 

Die ,Richtigen Worte' zählen, Susi.
Das ist mir schon klar.
Okay, werde die Story als einmaligen Quantitätsversuch abhaken.

Liebe Grüße - Aqua

 

kein abhaken ohne meinen senf *hehe*.

hi aqua

tja, wie sage ich es dir - es wird dich verblüffen.
das ist die schönste (für mich) geschichte von dir, die ich jemals gelesen habe. vielleicht habe ich bislang einfach nur die falschen werke von dir gelesen, aber dieses hier glänzt mit seinem hervorragenden erzählstil.
(übrigens auch sehr authentisch, wenn ich das steatement zu den chuckgeschichten lese *höhöhöhöhöhö*.
ich bin ziemlich froh, sie gelesen zu haben, das gibt mir nun ein ganz neues bild über dich *smile*.
zum inhalt .. naja, es ist schwierig - du verwendest real existierende bezüge. das ist keine gute idee, wenn die geschichte öffentlich präsentiert wird.
ich denke mal, es ist eigentlich eine art .. leseprobe, eine darstellung eines erzähstils.
bye
barde

 

Puhh, Barde,

was sag ich denn jetzt darauf? Habe wirklich lange überlegt, wie denn meine Antwort auszusehen hätte. mir viel beim besten Willen nichts Entscheidendes und dazu Passendes ein. Ich versuch's mal so: Jetzt schon ein Danke für das Lesen meiner "anderen" Geschichten.

Liebe Grüße - Aqua

 

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