Was ist neu
Mitglied
Beitritt
24.06.2017
Beiträge
6
Zuletzt bearbeitet:

Rosa

„Attention Monsieur, eine Schlange!“

Da ich Schlangen hasse, fuhren mir die Worte gehörig in die Glieder. Hier, wo täglich hunderte, wenn nicht tausende Touristen diesen felsigen Küstenabschnitt auf den ausgetretenen Kies- und Sandwegen mit ihren staunenden Augen entlang wanderten, hatte ich am allerwenigsten mit einer derartigen Begegnung gerechnet.

Ein älterer Bretone mit einer ungeheuer großen Nase, deren rot-blaue Färbung nicht nur von den fein ziselierten Äderchen an der Hautoberfläche, sondern vermutlich auch vom wohlschmeckenden Cidre herrührte, stand in seinen braunen Cordhosen und grob gestrickter Wolljacke vor mir und lächelte mich mit interessierten Augen freundlich an. „Sie tut aber nichts“, versuchte er mich zu beruhigen, „solange man nicht auf sie tritt“. Ohne viel Vertrauen in seine Worte sah ich mit Erleichterung wie das ungeliebte Tier in einer Steinritze verschwand. „Ich danke für ihre hilfreiche Warnung“, ließ ich jetzt etwas entspannter vernehmen. „Oh, gerne Monsieur! Wissen sie, bei diesem herrlichen Wetter wollen die Schlangen die wärmende und prickelnde Sonne spüren, wie wir Menschen auch. Und so kommen sie hervor, legen sich auf die aufgeheizten Steine und vergessen den Alltag, wie wir Menschen auch.“

Wir begannen langsam den Kiesweg gemeinsam entlang zu gehen. “Woher sprechen sie so gut Deutsch?“, fragte ich ihn. „Ich war im Krieg in Deutschland und lernte damals ihre Muttersprache.“ „Und sie haben sie bis heute behalten?“, unterbrach ich ihn wegen meiner Neugierde unhöflich. „Oui, Monsieur. Mir hat ihre Sprache seither Freude bereitet. Und bald nach dem Krieg kamen viele - auch deutsche - Touristen hierher und, tres bien, ich habe die Sprache immer ein wenig mit ihnen geübt.“ „ Das finde ich sehr ungewöhnlich“, meinte ich, „die Franzosen haben uns Deutsche nicht in bester Erinnerung.“ „ Eh oui, Monsieur, was habe ich im Krieg nicht alles gesehen. Und, vielleicht vergessen wir Bretonen, unter uns gesagt, wir unterscheiden uns in manchen Dingen von Franzosen, anders und besser. Und, Monsieur, ich weiß um eine ganz andere Vergangenheit. Möchten Sie sie hören?“ Wie von Zauberhand hielt er mir eine Stofftasche entgegen und ließ mich einen Blick hineinwerfen. Gänzlich unverpackt befand sich in der Tasche ein crosses Baguette, ein gelb-rotes, herb duftendes Stück Käse und als Krönung eine Flasche Cidre. „Sehr gerne“, freute ich mich und folgte willig und gerne dem Hinweis seiner einladenden Hand.

Ich ging mit ihm auf einen von Wind, Wasser und Moosen geglätteten riesigen rosa Granitfelsen. Für sein Alter erklimmte er behende diesen großen Steinbrocken und wir setzten uns auf die glatte, sonnenerwärmte Oberfläche. Sonne, Wind, Wasser, Kühe, saftiges Gras, Getreide, Äpfel und nicht zuletzt die Pflege alles dessen durch die Menschen mit ihren Fähigkeiten um diese Naturprodukte zu veredeln, schien er im Bewusstsein zu haben, als er bedächtig, ja fast schon besinnlich seine Köstlichkeiten aus der Stofftasche hervorholte. Mit dankbarem Gesichtsausdruck reichte er mir Brot und Käse. Wie undankbar verschlingen wir meist zu Hause unser Essen.

„Nur wenige Touristen kennen diesen Platz hier oben Monsieur. Ist er nicht herrlich?“ Vor uns lag der wohl schönste Küstenabschnitt der Nordbretagne - die Granit de Rose. Eingepackt in das Azurblau des Himmels und dem blauen Meer türmte sich unter uns der rosa glühende Granit, wie nirgend sonst wo, zu einer einzigartig dramatischen Felsenlandschaft. Unterbrochen von grün und lila getupften Heidekrautinseln, gelbem Ginster und wildem Brombeer erhoben sich die bizarrsten und zerklüftetsten Felsformationen, die ich jemals sah. Mit rhythmischem dumpfem Klopfen brach sich das klare Wasser des Atlantiks in den unterspülten Felshöhlen des Granits und kehrte gischtbeladen zurück.

Sein Käse war würzig und scharf und so biss ich hastig in das Βaguette, um Milderung zu erreichen. Der feiste Bretone hielt mir schmunzelnd die Flasche Cidre entgegen. Ich nahm sie dankbar an.

Rechts, von Wasser leicht umspült, stand Schloss Costaeres. Mit seinen Türmen an den Ecken und den spitzkegeligen silbernen Dächern könnte es Walt Disney gebaut haben. Henry Sienkiewicz soll hier vielleicht den Bestseller „Quo Vadis“ geschrieben haben. Vielleicht, so steht es zumindest im Reisführer.

Neben anderer vieler Interpretationen würdiger Felsformen, grüßte uns ganz weit hinten ein riesiger Gesteinstorso, der oben einen Kopf hatte. Nase, Augen und Mund schienen von einem Bildhauer eingemeißelt zu sein. Auf dem Kopf lag oder stand die Unmöglichkeit eines gekippten Hutes, der nur mit der Hutkrempe auf dem tragenden Kopffelsen aufsaß und eigentlich runterfallen müßte. „Bon, er heißt sie willkommen“, hörte ich die feste Stimme des Bretonen. Er sah mich von der Seite äußerst interessiert an. „Regarder vous, Monsieur, ich sagte ihnen, ich weiß um eine andere Vergangenheit. Gemeinhin glaubt man die einzigartig rosa Farbe dieses wunderbaren Küstenabschnitts käme von der Beimengung roten Feldspates, als alles hier vor langer Zeit entstand. Aber Monsieur, ich weiß es besser. Dieser Weg, den sie gegangen sind und an dem sie ihre unangenehme Begegnung mit der Schlange hatten, birgt ein großes Geheimnis.“ Ich hatte tatsächlich im Reiseführer die Feldspatversion gelesen. Der Blick des Breto..... – ja eigentlich empfand ich ihn bereits als so etwas, wie einen Freund – also der Blick meines bretonischen Freundes verlor sich etwas in die vor uns liegende Landschaft.

„In ihrer Sprache, Monsieur kennt man den Begriff des Barden. Ein Barde war früher ein Verfasser und Bewahrer von Erinnerungen, damit ein Stamm sein historisches Bewusstsein erhalten konnte. Ich, Monsieur, verfüge nicht über die bewahrenden Geschichten unseres bretonischen Volkes. Aber ich bin in der Lage, ihnen etwas über eine historische Begebenheit in meiner Familie zu erzählen. Aber vielleicht betrifft diese Geschichte doch wieder alle. Denn alles hängt doch am Ende wieder mit allem zusammen. Und fragen sie mich bitte nicht nach der Jahreszahl, Monsieur, Erinnerungen müssen nicht unbedingt einordenbar sein. Sie sind einfach da und werden bewahrt.“ „Da haben Sie recht Monsieur“, pflichtete ich ihm bei. „Nun, jedenfalls liegt diese Geschichte, die ich ihnen erzählen möchte, schon sehr sehr lange zurück. Und diese hier wird ebenso lange in meiner Familie weitergegeben.“

„Einer meiner frühen Vorfahren - er trug den wunderbaren Namen Loic – verdingte sich als Fischer hier an der Granit de Rose, die wir Bretonen auch Aod ar Vein Ruz nennen. Nach seiner Erzählung besaßen diese Felsen nicht immer diese einmalig wunderschöne rosa Färbung. Die Felsen waren geradeso grau und braun, wie sie sie an der restlichen Küste, beispielsweise unterhalb von Trebourden oder Paimpool finden.

Jedenfalls spielte sich das Leben meines Vorfahren als Fischer in sehr einfacher Weise ab. Er lebte mit seiner Frau Maelle und einem Sohn in einer kleinen Holzhütte. Frau und Kind hatten große Angst, wenn Loic mit dem Boot auf Fischfang ging. Der Tiedenhub zwischen Ebbe und Flut, Monsieur, war damals ebenso seine stolzen zwölf Meter, wie heute. Das Wetter schlug damals ebenso schnell von Sonnenschein in Sturm und Regen um, wie heute. Die Gefahr war also sehr groß, von den plötzlich entfesselten Winden und Wellen mit dem Boot gegen die Klippen gedrückt zu werden und zu zerschellen. All das brachte Unruhe in die kleine Familie, wenn er in der Morgendämmerung sein Boot zu Wasser ließ, um auf Fischfang zu gehen. Aber die Menschen damals hatten noch ein anderes Verhältnis zu den Naturkräften und so spürten sie meist die Gefahr, wenn sie ihre Nase in den Wind steckten. Heutzutage scheinen wir die Fähigkeit für diese Eingebungen verloren zu haben. Vielleicht verlieh ihm aber auch das folgende Ereignis Schutz für sein restliches Leben, denn wie die Überlieferung berichtet, starb er eines natürlichen Todes.“

Als typisch Deutscher und naturwissenschaftlich geprägter Mensch machte sich etwas Enttäuschung über seine Erzählung in mir breit. Wie sollte sich ein grauer Küstenstreifen im nachhinein nachhaltig rosa verfärben. Ich beschloss aber doch weiter zuzuhören. Als Tourist bekam man relativ wenig Kontakt zu den wirklich „Alteingesessenen“. Und schließlich war ich im Urlaub und hatte alle Zeit der Welt.

„Voila, Monsieur, eines Morgens standen vor der Hütte Loic’s drei Männer. Loic erkannte gleich an den herrschaftlichen Kleidern die hohe Herkunft der Herren. Sie baten meinen Vorfahren um Hilfe. Loic entbehrte jeder Vorstellung, wie er den Herren dienlich sein könnte. Er, der arme Fischer, der nichts anderes besaß als seine armselige Fischerhütte mit Boot und nur über das Notdürftigste für seine Familie verfügte. ‚Mein Name ist Maart‘, begann einer der Herren, ‚wir haben eine weite Reise hinter uns und eine äußerst wertvolle Fracht ist Sinn und Zweck unserer Reise. Diese Fracht muss heute abend von hier aus über das Meer gehen. Ein Schiff aus England wird in der Dämmerung hier eintreffen und sie aufnehmen.‘ Loic blickte zum Himmel. ‚Herr, ich bin nur ein kleiner Fischer, aber wenn ich meine Nase in den Wind stecke, so riecht sie für diese Zeit ungezähmten Sturm und Regen. Wenn der Kapitän des Schiffes die Gewässer hier nicht kennt, kann das Schiff leicht an den Klippen zerschellen – ziemlich sicher sogar!‘ ‚Darum sind wir hier,“ sprach ein anderer der drei Herren. ‚Du Loic, kennst die Gewässer wie kein anderer. Wir bitten dich, das Schiff mit deinem Boot auf dem Meer abzuholen und es hierher zum Ankerpunkt zu führen.‘ ‚Wenn das Wetter so kommt, wie ich es fühle, so würde mein eigenes Leben ebenfalls an den Klippen zerbersten und wer ist dann für Frau und Kind noch da? Ich bitte euch, sucht euch einen anderen Tag. Die Bretagne bietet viele schöne Tage, wo die Gefahr gering ist. Dann stehe ich euch gerne bereit Herr.‘ ‚Nein, es bleibt nur heute. Heute muss die Fracht nach Einbruch der Dämmerung aufgenommen und nach Glastonbury in England gebracht werden.‘ Und dann hörte Loic von Maart eine Geschichte aus Israel und über einen Mann, die ihm völlig neu war. Aber der gleiche Instinkt, der bei Loic für das Wetter zuständig war, teilte ihm auch die Wichtigkeit und die Wahrheit dieser Geschichte und dieser Schifffahrt mit. So entschloss sich Loic, dieses Wagnis, auch unter Lebensgefahr, auf sich zu nehmen.“

„Nun, Monsieur, so ließ sich mein Vorfahre auf das Abenteuer ein und bestieg in der Dämmerung sein Boot. Seine Wettervorhersage war verlässlich und sein kleines Boot schwankte wie eine – ich glaube Monsieur - wie ein kleine Nußschale, sagt man bei ihnen, oui?“ Ich nickte. „Also schwankte das Boot wie ein kleine Nußschale durch die Wellen und die heftigen Windböen trieben es auf das offene Meer hinaus, um das Schiff in Empfang zu nehmen und ihm Geleit durch die Klippen zum vereinbarten Ankerpunkt zu geben.

Es war schon ziemlich dunkel, als seine Frau Maette auf einem der erhöhten Felsen nahe des Ankerpunkts, das Feuer, das Loic vor seiner Fahrt zu seiner Orientierung noch entzündet hatte, mit trockenem Schwemmholz nährte. Hoch und groß sollte das Leuchtfeuer sein, damit es Loic deutlich seine Landungsstelle erhellte.

Als sie sich nach einem großen Holzstück bückte, sah sie hinter einigen Felstürmen einen merkwürdigen Zug von Menschen in Kutten mit Kapuzen auf dem Kopf. Und sie kamen hier diesen Weg entlang, Monsieur. In der Mitte der Gruppe war einer, der einen rot strahlenden Gegenstand in Händen trug. Inzwischen nahm der Sturm zu, die schweren Wolken zogen immer schneller über den dunkelnden Himmel. Das Donnern der Wellen, die an den Klippen zerbrachen wechselten sich mit dem Prasseln der unförmigen Wassergestalten die das Meer ausspie und an den Felsen zerschlugen ab. Der triefende Regen klatschte immer heftiger auf die nackten Felsen. Kein Schiff konnte mehr dem wogenden und wallenden Meer etwas entgegensetzen.

Maette hatte große Angst um ihren Loic. Aber ihr Blick wurde magisch vom Leuchten des Gegenstandes angezogen. Das Rot drang in ihre Augen ein und sie hatte das Gefühl, als breite sich der warme Lichtschein begleitet von Ruhe und Gelassenheit in ihrem ganzen Körper aus. Maettes Angst verlor sich in dieser Ruhe und sie ging auf das Licht vertrauensvoll zu. In diesem Augenblick hatte die merkwürdige Prozession ihr Ziel erreicht.

Maette sah, dass das rote Licht aus einem reichverzierten goldenen Kelch entströmte, den der Träger jetzt mit beiden Händen in den Himmel streckte und ein paar unverständliche Worte sprach, um ihn anschließend auf den Felsen zu stellen. Die Kutten tragenden Menschen bildeten einen Kreis um diesen Kelch und dann geschah es. Die wundersame Erscheinung des Lichtes blähte sich kugelförmig, sie schien ins unendliche zu wachsen und hüllte die gesamte Küste in das rötliche Licht. Der Sturm wurde zahm, das Dröhnen des Meeres ließ im Lichtschein des Kelches nach und ähnelte nun einem glatten stillen Waldsee und da sah Maette auch schon ganz nah am Ufer ihren Loic auf seinem winzigen Fischerboot.

Im Gefolge das erwartete englische Segelschiff. Beide konnten gefahrlos am Ufer anlegen und die kuttengewandeten Männer betraten mit dem leuchtenden Kelch das Schiff. Maart trat auf Loic zu und dankte für seinen Mut und seine Hilfe. ‚Du Loic hast mitgeholfen, den heiligen Gral, das Gefäß in das ein Teil des Blutes Christi bei seiner Kreuzigung geopfert wurde, seinem Bestimmungsort in Glastonbury näherzubringen. Wie du siehst beherrscht der heilige Gral die Naturgewalten. Er hat das Meer beruhigt und den Sturm gehemmt. Aber er besitzt die Macht nur, wenn Menschen in freier Entscheidung eine Opfertat bringen, die er als Grundsubstanz für solche Veränderungen in dieser Welt benutzen kann. Diese Tat musste frei sein, denn nichts ist dem Heiligen Gral heiliger, als die Freiheit des Menschen. Und du Loic hast mit deiner freien Tat die Substanz für dieses Geschehnis geschaffen. Dafür sei euch von Herzen gedankt.‘ Maart sprach Lioc zum ersten Mal im Plural an. ‚Gebt dies Geschichte weiter, es ist das Zeugnis, dass die Menschen nichts ohne den Heiligen Gral sind, aber auch der Heilige Gral nichts ohne den Menschen. Er beherbergt die Zukunft des freien Menschen, er schafft die Substanz der freien Individualitäten. Wer ihn findet, findet sich selbst.‘ „Sehr modern Monsieur nicht wahr?“ schaute mich der Bretone prüfend an.

„Das Schiff nahm nun unter hellem Leuchten des heiligen Kelches, Kurs in Richtung England. Das Leuchten ließ nach und bald verschwand ein roter Punkt in der Ununterscheidbarkeit des Horizonts. Und, Monsieur als Lioc mit seiner Familie am anderen Morgen aus seiner Hütte trat, hatte er den gleichen Anblick, wie wir ihn hier heute genießen dürfen. Der graue Granit ist rosa geworden und ihnen Monsieur bleibt es nun ganz alleine überlassen, ob sie der naturwissenschaftlichen Feldspattheorie oder dem Glauben an geistiges Werden den Vorzug geben.“

Damit erhob sich der alte Bretone und wandte sich zum Gehen. „Darf ich sie nach ihrem Namen fragen, Monsieur?“ konnte ich mir nicht verkneifen. Er blickte mir tief in die Augen. Sie leuchteten rot. „Loic!“ Freundschaftlich wandte er sich ab und ging seines Weges.

Mein Weg führte in ein Reisebüro. Ich buchte einen Reise nach Glastonbury.

 

Hallo schriftling

Mhmm naja mich spricht deine Geschichte nicht an. Das kan daran liegen, das ich in einem Land lebe das keine Küste hat.

Ich finde die Dialoge, nicht überzeugend. An gewissen stellen, die wortwahl zu geschwollen, nicht passend.
Zb. ,den wie die Überlieferung Berichtete. Ist wohl technisch richtig, aber klingt nach Historiker, aber es sind doch seine Vorfahren.
Ein Rythmus ist durchaus irgendwo drin. Aber im allgemeinem fehlt mir da was.

Gruss Thelos

 

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

lieber schriftling,
es klingt nun fast wie eine Entschuldigung, aber an historischen Themen hierorts komm ich i. d. R. nicht vorbei und sowohl die Katharer wie der Templerorden (als mutmaßliche Hüter des Grals) waren reale Mächte, die gewaltsam aus der Geschichte entfernt wurden. Die fromme Legende vom Gral aber zieht sich bis in unsere Zeit durch die Literatur - quasi von A(rtus) bis Z(immer Bradley) und Du fügst der Bibliothek des Grales einen kleinen Farbtupfer vom tapferen Fischer (der kleine Mann) hinzu als Entstehungsmythos der Küste der Rosa Granitküste.

Aber ach, Du brauchst mehr als ein Drittel Einleitung, diesen schönen Fleckchen bretonischer Erde zu beschreiben mit wohlegesetzteren Worten, als es eine Reisebroschüre täte, denn die Landschaft spiegelt sich im Gesicht ihrer Bewohner.

Ein älterer Bretone mit einer ungeheuer großen Nase, deren rot-blaue Färbung nicht nur von den fein ziselierten Äderchen an der Hautoberfläche, sondern vermutlich auch vom wohlschmeckenden Cidre herrührte, stand in seinen braunen Cordhosen und grob gestrickter Wolljacke vor mir und lächelte mich mit interessierten Augen freundlich an.

Beschreibung pur, am deutlichsten in der inflationären Verwendung von Adjektiven zu finden und nicht nur bei dem alten Bretonen
... älterer ... ungeheuer großen ... rot-blaue... fein ziselierten ... vermutlich ... wohlschmeckenden ... seinen braunen ... grob gestrickter ... interessierten ... freundlich an.

Dazu gesellt sich dann Flüchtigkeit
..., „solange man nicht auf sie tritt“. Ohne viel Vertrauen in seine Worte sah ich mit Erleichterung wie das ungeliebte Tier in einer Steinritze verschwand. „Ich danke für ihre hilfreiche Warnung“, ließ ich jetzt etwas entspannter vernehmen. „Oh, gerne Monsieur! Wissen sie, ...
Da reißt zunächst ein Punkt aus, der eigentlich die wörtl. Rede beenden soll ("tritt".), bevor Kommas ("...Worte, sah ich mit Erleichterung, wie das ...") vergessen werden, einerseits um den Nebensatz vom Hauptsatz "sah ich mit Erleichterung" zu trennen ebenso wie den zwoten Nebensatz, der nicht schon alleine wegen der vergleichenden Konjunktion "wie" aufs Komma verzichten kann, sondern ein Komma erhalten muss, weil die Konjunktion einen vollständigen Satz ("das ungeliebte Tier verschwand ..."). Und weil Du ja nicht frz., sondern nhd. schreibst, wären die Anredepronomen an den Bretonen in der Höflichkeitsform zu schreiben, also "... danke für Ihre ... Wissen Sie , ..."

Gleich hier dann schon der Hinweis, bei Wortwechseln mit den wechselnden Sprechern die Zeile zu wechseln ...

Ich werd jetzt nicht jede Fluse auflesen, weil Du ein eigenes Interesse daran haben solltest, Fehler auszumerzen, wie auch den hier

Wir begannen[,] langsam den Kiesweg gemeinsam entlang zu gehen.
(die Abhängigkeit der Infinitivgruppe - "zu gehen" - vom Substantiv "Kiesweg" zwingt zur Kommasetzung!)

Dann geschieht etwas, was keinem, der Schreiben will, passieren darf, wenn er sich für ein Verb entscheidet und das Verb nicht als "starkes" erkannt wird

Für sein Alter erklimmte er behende ...
erklimmen - erklomm

Vor uns lag der wohl schönste Küstenabschnitt der Nordbretagne - die Granit de Rose.
Ist im frz. der Granit nicht genauso männlich wie im dt.? Natürlich, die Küste ist so weiblich wie beim Nachbarn ...

Vielleicht, so steht es zumindest im Reisführer.
Nein! Das ist kein Kochrezept, sondern ein Reiseführer ...

Auf dem Kopf lag oder stand die Unmöglichkeit eines gekippten Hutes, der nur mit der Hutkrempe auf dem tragenden Kopffelsen aufsaß und eigentlich runterfallen müßte.
Abgesehen vom Rätsel - hier fällt mir auf, dass Du älter sein könntest, als ich bisher vermute ... Der winzige Einbruch der alten Rechtschreibung ... neuere "müsste" (tatsächlich eine der wenigen nützlichen Neuerungen des Reformatiönchens, das doppel-s für kursilbige, das fine "ß" für betonte Silben zu verwenden, also Fuß und Fluss, wer vorher das und daß nicht unterscheiden konnte, kann es heute mit das und dass immer noch nicht ... Darfstu nachher die "Nussschale" (Nuß!) nicht vergessen!

..., Erinnerungen müssen nicht unbedingt einordenbar sein.
Welcher "Orden"? Besser "einordnenbar" - obwohl monströs gegen den Infinitiv "einzuordnen"

Ich beschloss[,] aber doch weiter zuzuhören.

„Voila, Monsieur, eines Morgens standen vor der Hütte Loic’s drei Männer.
Das Genitiv-s wird im dt. direkt ans Wort gefügt, mit Apostroph darf dort am Namen noch ein Buchstabe - mindestens - als ausgelassen gelten.

Überhaupt musstu in der eigentlichen Erzählung, des Bretonen halt, auf den Wechsel auch der Anführungszeichen achten, Anfang und Ende der wörtl. Rede des Bretonnen normal, innerhalb der Erzählung einfach ... Musstu selber gucken ...

Dann stehe ich euch gerne bereit[,] Herr.‘
(NIcht die Höfichkeitsform im dt. vergessen!

Also: Grundlage: Rechtschreibung, nach Möglichkeit die neuere verinnerlichen und konzentriert arbeiten. Überflüssiges von Notwendigem unterscheiden lernen. Dämm vor allem die Adjektivitis ein, die mag was für Langstrecken sein (und auch da landet man schnell in der Gartenlaube), sie birgt auf der Kurzstrecke Stolpersteine und ist Ballast. Rahmenhandlung wird dann schädlich, wenn sie mit der eigentlichen Erzählung in der Erzählung konkurriert oder zu lang gerät. Mir fällt jetzt nur der Schimmelreiter ein (immerhin ja ne Novelle), aber da begrenzt die Rahmenerzählung sich auf Atem- und gelegentliche Teepausen ... Deine Sprache find ich übrigens in Ordnung, bissken feilen und hobeln, aber bloß nicht zu glatt - kann auch bei einem gar nicht anders sein, der auf Moden pfeift und gelegentlich nicht nur Dialekt/Soziolekt quatschen lässt, sondern auch schon mal bis in mhd. und gar gotische Idiom runtersteigt (letzteres aber auch nurmit dem Vaterunser ...)

Ist halt noch kein Meister vom Himmel gefallen. Da hätt er ja nix mehr von außer einem gebrochenen Genick.

Wird schon werden, meint der

Friedel

 

Hallo schriftling,

willkommen hier bei uns! Wenn deine Absicht ist, zu lernen und an deinen Geschichten zu arbeiten, bist du richtig bei uns.

Du traust dir was zu, versteckst eine Geschichte in einer Geschichte. Kann man machen, muss aber nicht immer funktionieren. Die Rahmengeschichte ist weitaus spannungsärmer, als die eingebettete. Die Erzählung vom heiligen Gral und wie das rote Licht erscheint und die Felsen rosa färbt, das Märchen, finde ich spannend und daraus alleine ließe sich ein spannender Text gestalten. Überhaupt glaube ich, dass du dich beim Schreiben von mystischen Themen, Fantasy, wohl fühlst. Wozu also der Rahmen? Um zu zeigen, wie naturfern und glaubenslos wir leben? Das könntest du auch anders: indem du mit Andeutungen arbeitest, dem Leser Transfer zutraust, das wäre spannend.

Übrigens: wenn du den Text insgesamt reduzierst, all die Füllwörter und unnützen Adjektive entfernst, wird er deutlich an Prägnanz gewinnen. Über Grundlagen verfügst du: Ideen und sprachliche Mittel sind keine schlechte Basis für gute Texte.

Textstellen:

sondern vermutlich auch vom wohlschmeckenden Cidre herrührte, stand in seinen braunen Cordhosen und grob gestrickter Wolljacke vor mir und lächelte mich mit interessierten Augen freundlich an.
die fettemarkierten Wörter ließen sich streichen und: was sind interessierte Augen? Zeig sie dem Leser.

Wie von Zauberhand
so ein furchtbarer Ausdruck, völlig verbraucht. Lass die Handlung wirken, du brauchst die Formel nicht.

dem Hinweis seiner einladenden Hand
was ist eine einladende Hand?

sonnenerwärmte Oberfläche. Sonne,
Sonne kurz hintereinander klingt nicht gut

Henry Sienkiewicz soll hier vielleicht den Bestseller „Qua vadis“ geschrieben haben.
Bildungsblabla, außerdem heit der Roman Quo Vadis.

Unmöglichkeit eines gekippten Hutes
was'n ein gekippter Hut?

Ein Barde war früher ein Verfasser und Bewahrer von Erinnerungen, damit ein Stamm sein historisches Bewusstsein erhalten konnte.
trau dem Leser mehr zu, der weiß schon, was ein Barde ist.

Aber die Menschen damals hatten noch ein anderes Verhältnis zu den Naturkräften und so spürten sie meist die Gefahr, wenn sie ihre Nase in den Wind steckten. Heutzutage scheinen wir die Fähigkeit für diese Eingebungen verloren zu haben.
mein Opa hat zum Himmel geschaut, Wolken beobachtet und der Feuchtigkeit in der Luft nachgespürt, könnte jeder so machen.

ich glaube Monsieur - wie ein kleine Nußschale, sagt man bei ihnen, oui?“ Ich nickte. „Also schwankte das Boot wie ein kleine Nußschale durch
gleich doppelt die Nußschalenmetapher.

Er beherbergt die Zukunft des freien Menschen, er schafft die Substanz der freien Individualitäten.
von welcher Freiheit sprechen wir? Einer rosa-digitalen in der Cloud?

Ich hoffe, du kannst was mit anfangen, wünsche dir rosa-sonnige Gralstage
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

genau auf solche Kritiken habe ich hier gehofft. Gehaltvoll und sachlich korrekt. Durch Deinen und Friedrichards Hinweis, erkenne im Moment, dass die Emotionen, die ich anfangs bei der Geschichte hatte, diese vielen Adjektive hervorrufen. Da wird der Bretone in der Tat schon fast schwärmerisch umschrieben. Da hast Du vollkommen recht. Das heißt für mich künftig, neben dem grammatikalischen und orthographischen Handwerkszeug des Schreibens, muss man auch die auftretenden Gefühle beobachten. Sie wirken scheinbar stark in das Stilistische hinein.

Also die Zauberhand ist ja wirklich schrecklich.

Eine Hand, die durch ihre Bewegung einlädt?

Bis zu Quo Vadis stimme ich uneingeschränkt zu.

Der gekippte Hut, sollte deutlicher beschrieben werden. Es handelt sich dabei wirklich um ein Steingebilde, wo auf einem "Kopffelsen" tatsächlich ein Steinhut in einer gekippten Lage auf dem Hutrand aufsitzt. Ich konnte es wirklich kaum fassen, als ich ihn damals sah. Eigentlich müsste er runterfallen.

Zum "Wetter erschnuppern". Dein Opa mag es noch gekonnt haben, sich mit der Natur zu verbinden. Die meisten schauen heute für solcherlei und anderes ins Smartphone und nicht mehr in den Himmel. Darum bauen wir für diese Menschen Ampeln in den Boden. Ich wollte damit sagen: Wir verlieren durch das Informationszeitalter immer mehr die Fähigkeit zur Intuition.

Und das ist der Kern der Geschichte, die ich vor ca. 10 Jahren geschrieben habe. Ich denke, wir haben die Wahl Cloud oder freie Individualität. Das ist ein erkenntnistheoretisches Problem, welche Bedeutung wir unserem Denken innerhalb unseres Daseins zusprechen. Ob wir ihm den Vorrang als Mittel zur Bedürfnisbefriedigung zusprechen, dann ist die Cloud sicherlich ein großartiges Hilfsmittel für dieses Vorhaben. Oder ob wir es als individualitätsstiftendes Prozessuales betrachten, das einen geistigen Anteil besitzt und der sich dabei als unser Ich manifestiert. Dann nimmt uns die Cloud unsere Existenzgestaltung weg, wenn wir sie idealtypisch zu Ende denken. Aber das führt hier zu weit.

Und zum Schluß: Das mit dem Vertrauen in den Lesertransfer ist mir auch schon aufgefallen. Das liegt wohl auch mit daran, dass ich in meinem Berufsleben Dinge schreiben musste, die in sich den Nachweis der Nachprüfbarkeit haben mussten. Da durften keine Lücken für die Phantasie bleiben. Ich werde aber so gut ich kann, zu lernen versuchen, dieses Vertrauen wieder aufzubauen und stilistisch einfließen zu lassen.

Vielen Dank Isegrims, die Kritik von Dir war mir sehr wertvoll!

 

Hallo Friedrichard,

ich habe Dir auch eine Antwort geschrieben. Leider ist sie hier nicht aufgetaucht. Hast Du sie bekommen?

Viele Grüße
schriftling

 

Hallo Friedrichard,

ich habe Dir auch eine Antwort geschrieben. Leider ist sie hier nicht aufgetaucht. Hast Du sie bekommen?


Nö, nicht angekommen ...

tut mir leid,

lieber schriftling.

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber schriftling,

nur kurz: Den verwunschenen Tonfall finde ich im Grunde ganz angenehm zu lesen. Aber eine Sache muss ich doch loswerden: Der Bretone spricht deutsch. Dann sagt er aber "Monsieur". Umgekehrt gibt es das ja wirklich immer mal wieder: ein Deutschsprechender sagt zu einem Franzosen Monsieur, so als kleiner Witz am Rande. Ein Franzose wird das sicher nicht machen. Und wenn, wäre es albern.

„Ich war im Krieg in Deutschland und lernte damals ihre Muttersprache.“ „Und sie haben sie bis heute behalten?“, unterbrach ich ihn wegen meiner Neugierde unhöflich.
Hab ich nicht gemerkt, dass er ihn unterbricht. Der war doch fertig mit seinem Satz.

„Oui, Monsieur.
Und das ist dann - verzeih mir - doppelt albern.

„ Eh oui, Monsieur, was habe ich im Krieg nicht alles gesehen. Und, vielleicht vergessen wir Bretonen, unter uns gesagt, wir unterscheiden uns in manchen Dingen von Franzosen, anders und besser.
Das ist doch eigentlich auch aus den Fingern gesogen: Warum sollte das so sein?

„In ihrer Sprache, Monsieur kennt man den Begriff des Barden.
Ist ja freundlich, dass er den Typ über seine Sprache aufklärt.


Als typisch Deutscher und naturwissenschaftlich geprägter Mensch
Und wieder ein Klischee ... "Als typischer Mensch des 20. Jahrhunderts" - das ginge.


wie ein kleine Nußschale, sagt man bei ihnen
"Wie eine Nussschale" kann er streng genommen immer sagen, das ist ein Vergleich, der nur verständlich sein muss, und das ist er, wenn Loic doch sagt, dass er sich auf das Boot bezieht. "Die Nussschale schwankte auf den Wellen" - da wäre dann eher die Frage, ob man das auf Deutsch so sagen kann (genau genommen würde er dann wahrscheinlich sagen: "sagt man doch auch bei Ihnen")

Das waren jetzt ein paar mehr Punkte, aber sie betreffen eigentlich alle das Gleiche: die Französelei wirkt auf mich durchgehend künstlich. Das geht so weit, dass es mir weitgehend den Spaß an der Geschichte verdirbt. Das heißt, ich habe dann immer noch Spaß, aber nur noch zum Meckern :D

Besten Gruß
erdbeerschorsch

P.S.: Möchtest du nicht mal "qua vadis" verbessern?

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Erdbeerschorsch,

Danke für deine Anmerkungen.

Quo Vadis habe ich geändert. Hast vollkommen recht.

Also, dass mit dem Barden habe ich eigentlich so gemeint, dass er sich selbst erklärend in das Verhältnis zu so einer Spezies setzt. Mehr wollte er damit nicht sagen.

Der Unterschied zwischen den Franzosen und den Bretonen ist ganz konkret historisch begründet. Du findest ihn kulturell im ganzen Land und auch bei den Menschen. Sie haben zu vielen Dingen ein andere Haltung - dazu muss man sie etwas kennen. Da habe ich wohl das Transfervermögen des Lesers (wie es Isegrims ausdrückt) überschätzt.

Was das Französisch betrifft, ist es mir als Stilmittel sehr wichtig. Da möchte ich eigentlich nichts ändern.
Im übrigen habe ich derartige Anreden von deutschsprechenden Franzosen nicht nur einmal erlebt. Deinen Einwand verstehe ich daher nicht ganz.

Aber nochmal vielen Dank.

Besten Gruß
Schriftling

 

Hi schriftling,

ok, akzeptiert. Dann kommen wir da wohl nicht zusammen. Macht nichts. Aber eine kleine Sache kann ich doch nicht so stehen lassen:

Der Unterschied zwischen den Franzosen und den Bretonen ist ganz konkret historisch begründet
(...) Da habe ich wohl das Transfervermögen des Lesers (wie es Isegrims ausdrückt) überschätzt.

Darum ging es mir gar nicht. Historische Unterschiede hin oder her; die folkloristische Übertreibung, als seien Bretonen keine Franzosen, geschenkt; ich meinte aber eigentlich vor allem: Warum sollten Bretonen - ausgerechnet Bretonen, die ja nicht am wenigsten zu leiden hatten im zweiten Weltkrieg besser vergessen? Was genau heißt "besser", wenn man solche Gräueltaten vergisst? Das ist für mich einfach der falsche Klang. Dass man - in der Bretagne und anderswo - die gegenwärtige Generation nicht persönlich verantwortlich macht, steht ja wieder auf einem ganz anderen Blatt. Aber vergessen - ich weiß nicht, das find ich in dem Zusammenhang nicht gut.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Ich glaube, ich weiß was du meinst. Das könnte durchaus in eine political correctness - Diskussion führen. Da hast du wieder recht.

Danke und beste Grüße

Schriftling

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom