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Rosa Galoppa
Rosa Galoppa
Zum ersten Mal sah ich sie auf einer Horst-Janssen-Ausstellung und das Erste, das mir an ihr auffiel, war ihr Arsch. Ihr gigantischer Arsch. Sie stand mit dem Rücken zu mir, sah sich eine Peniszeichnung an, als die schwache Deckenfunsel sanft ihren Körper streifte und einen noch riesigeren Schatten ihres gewaltigen Arsches an die Wand schmiß. Ich war so fasziniert. Unglaublich viel Fleisch. Sie trug ein langes weinrotes Samtkleid und ihre roten Haare zu einem langen Zopf geflochten.
Ich streifte umher wie ein geiler Triebtäter, versteckte mich hinter dieser Säule, verbarg mich hinter jener Wand und jedesmal lugte ich und schielte dahinter hervor und betrachtete wie sich ihr praller Arsch unter dem Samt bewegte, wenn sie sich bewegte.
Ich sprach sie an. Ich schlich mich hinter jener Wand hervor, hinter der ich mich zuletzt versteckte, tat einen Schritt nach vorne, der morsche Holzboden karrte, noch einen Schritt, ein weiteres Knarren und schon stand ich hinter ihr, zu dicht, atmete zu stark in ihren Nacken und sie erschrak. Sie schreckte zusammen, drehte sich zu mir um und wich, von mir bedrängt, einen Schritt zurück
Verzeihen Sie mir, sagte ich schon und senkte meinen Blick.
Bitte, hauchte sie. Sie sah mich vorsichtig und doch sehr kritisch an.
Mein Blick war immer noch zu Boden gesenkt und ich überlegte, was ich noch sagen könnte.
Ich beobachte Sie schon eine geraume Zeit! sagte ich plötzlich, sah auf, ihr in die Augen und grinste wahnsinnig. Sie erschrak. Hinter dieser Säule und jener Wand verbarg ich mich, um Ihnen aufzulauern!
Sie riß vor Schreck Mund und Augen auf, ihre langen Wimpern klimperten nervöslich und vor Angst.
Darf ich Sie wiedersehen?
Sie sah mich an. Immer noch entgeistert, immer noch zuckten ihre Lider, ließen ihre Wimpern tanzen. So sah sie bedrohlich aus und ich wich einen Schritt zurück. Sie schwieg noch immer, was mich beunruhigte und ich überlegte, was ich noch sagen konnte.
Geben Sie mir ihre Nummer! befahl ich, aber ihr Mund begann nur zu beben, sonst regte sie sich nicht.
Sie sind so wunderschön! sagte ich, ich will sie wiedersehen!
Sie rührte sich keinen Zentimeter und ein fremder männlicher Besucher mußte mich von ihr wegzerren, als ich versuchte sie zu begrabschen.
Ich wurde aus der Ausstellung hinausgeworfen, aber ich wartete unten in einem Gebüsch, wartete, bis mein Fräulein die Galerie verließ. Es wurde allmählich dunkel, es war Herbst und kühl und der Busch, in dem ich hockte raschelte laut und auffällig im Wind, so, als wolle das Rattengewächs mich boshaft verraten. Aber ich blieb hocken und schließlich verließ sie auch die Ausstellung. Wie gesagt war es schon dunkel und ich konnte sie problemlos verfolgen. Sie drehte sich kein einziges mal um. Für eine Frau lief sie ziemlich schnell. Ich mußte ihr beinahe schon nachrenne, um sie nicht zu verlieren.
Schließlich bog sie in eine Seitenstraße ab und öffnete ein kleines Gartentor. Ich versteckte mich so lange hinter einem Laternenmast, bis sie im Haus verschwunden war. Dann schlich ich mich hinterher. Ich laß neben dem Gartentürchen ihren Namen und Hausnummer. Rosa Galoppa, Hausnummer 1. Ich notierte mir Vor-, Nach- und Straßenname und machte mich nun im Stockdunklen auf den Nachhauseweg.
Zu Hause schloß ich meine Wohnungstür auf, knipste das Licht an und setzte mich sofort in mein Schreibzimmer an den Schreibtisch. Ich drehte die Heizung auf, blieb weiterhin im Mantel und Schal so sitzen, bis sich das Zimmer aufgewärmt hatte.
Rosa Galoppa, sagte ich laut und setzte mich kerzengerade hin, dir schreib ich ein Gedicht.
Ich spannte frisches Papier in meine Schreibmaschine und begann zu tippen.
R o s a G a l o p p a.
Ich grabe, grab mich langsam in dich rein, Rosa
grunze, schab mich tiefer nachtwärtsein
sitze draußen, seh dich drinnen sitzen, Rosa, Rosa
will heut nacht noch in dich -
ich bin dein und du bist mein,
es kann unmöglich anders sein
Still steh ich hier
in deinem Garten,
wie lange, Rosa,
muß ich noch warten?
ich bin doch dein und du bist mein,
es kann doch gar nicht anders sein
Mein Kater miaute draußen am Fenster und wollte herein. Das Laub von den Bäume klatschte an die Scheibe und es fing an zu regnen. Ich ließ ihn nicht herein, sondern drehte das Gedicht aus der Schreibmaschine, faltete es, steckte es in einen Briefumschlag, schrieb ihre Adresse darauf, hinten meinen Absender.
Miau, sagte ich, miaumiau und starrte dabei den Briefumschlag an. Am anderen Morgen brachte ich ihn zur Post.
Sie reagierte nicht. Keine Antwort. Nichts.
Rosa Galoppa, wieso schweigst du mich an?
treff dich mit mir, denn sonst bist du dran!
Sie reagierte wieder nicht. Null.
Wer ist Rosa und ganz dick?
Wer ist allein und braucht nen -
Keine Antwort. Also ging ich bei ihr zu Hause vorbei. Ich öffnete das kleine Gartentor, ging den Weg entlang bis vor zur Haustür, stieg die Treppen hinauf und klingelte. Einmal, zweimal, dreimal, viermal, sie öffnete nicht, ich schrie: ROSA! Fünfmal, sechsmal, ROSA, siebenmal, ich polterte gegen die Tür, achtmal, ROSA, MACH AUF, neunmal, ROSA GALOPPA, Zuchtstute! Zeig dich! Trau dich! Zehnmal. Ich hörte auf zu klingeln und setzte mich auf die oberste Stufe und wartete.
Ich sah mich in ihrem Vorgarten um. Der Laub der Bäume hatte alles bedeckt. Mehr Dreckstellen als Rasen und überall verklebten tote Schnecken.
Rosa, nur dich
lieb ich.
Ich wartete bis es Nacht wurde und nun hörte ich Geräusche im Haus. Ich stand auf und schlich mich ums Haus herum, um ein niedriges Fenster zu finden. Ich fand eins, in dem sogar Licht brannte. Ich klopfte an die Scheibe, der Fernseher lief, keine Reaktion, ich klopfte lauter, klopfte mit den Fingerknöcheln gegen das Glas.
Rosa, flüsterte ich.
Der Ton des Fernsehers wurde abgedreht, ich erhaschte Schatten, die durch das Zimmer tanzten. Es war Roooooooooooosa, meine Roooooooooosa.
Sie sah hin und sie sah her und ich klopfte gegen die Scheibe und sie erschrak und erschrak und ihr Herz klopfte außerhalb ihres Brustkorbes, hab keine Angst meine Rosa, meine Rooooooooosa.
Vorne öffnete sich die Haustür und Rosa schrie: Hallo?
Hallo, schrie meine Rosa. Ängstlich und zart, ja so zart, Rosa, Rosa, Rosa -
Ich schlich mich vor zur Haustür, schlich mich um die Ecke, lugte, grinste, sie schrie auf als sie mich sah, ich sagte, meine Rooooosa!
Schreiben Sie mir die Briefe? fragte sie ängstlich.
Ich sprang vor ihr hin auf die Stufen, streckte ihr meine Hände hin, ging vor ihr auf die Knie und sagte: Ja, und wisperte Rooooosa -
Sie rührte sich nicht, Panik machte sie starr und so fügsam.
Ich fragte nach nur einem Rendezvous, dann hat der Spuk ein Ende!
Sie überlegte sichtlich, was mich überraschte und kaute an der Innenseite ihrer Unterlippe herum. Sie zog es tatsächlich in Erwägung.
Am anderen Tag trafen wir uns zum Mittagessen in einer kleinen Wirtschaft mitten in der Stadt. Als sie mir so gegenüber saß, bei vollem Licht, merkte ich erst, wie abstoßend sie doch auf mich wirkte. Ihr Gesicht ekelte mich derart an, tot und eingefallen, die fahle Haut hing ihr von den Wangenknochen. Ich wollte ihr das Jochbein brechen, meine Hand ballte sich schon zu einer Faust, ich hielt sie unterm Tisch versteckt, ich starrte sie an, schwitzte, meine Fingerknöchel waren weiß, ja so sehr ballte ich.
Der Kellner kam an unsren Tisch und ich erschrak vor seinem unerwarteten Erscheinen, stieß aus Versehen mit dem Fuß an Rosas Bein und erschrak erneut. Es fühlte sich stumpf an, hart wie Holz. Es hatte ein Geräusch gemacht. Fleisch macht kein Geräusch, wenn man dagegentritt, aber ihr Bein klang nach Holz. Davon war ich fest überzeugt.
Sie bestellte Schwein, ich wollte etwas Fettes vom Pferd. Während wir warteten, machte ich mir eine Zigarette an. Ich bot ihr auch eine an, aber sie rauchte nicht.
Sie saß mir schweigend gegenüber und starrte auf die Tischkante. Ich folgte ihrem Blick, zog an meiner Zigarette und blies den Rauch in ihre Richtung aus. Sie kniff die Augen zusammen, diese ekligen grauen Gelatineaugen und rieb sie sich bis sie fast platzten.
Es gab nichts zu reden. Sie hatte wahrscheinlich Mundgeruch, sie schnaubte, ich grunzte.
Als der Kellner mit unsrem Essen kam, aßen wir uns gegenseitig auf.
Der Kellner räumte unsre Kochen weg.
Es gibt mehr als Kunst.