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Romani: ite domum
König Pyrrhus von Epirus war ein außerordentlicher Verhandlungsführer. Sein Lächeln war so hell und freundlich, seine Augen so strahlend ehrlich, dass auch schon mal ganze feindliche Armeen spontan zu ihm übergelaufen sind. Er konnte aber auch anders: seine schwarzen Augenbrauen zusammenziehen und seine Passion aufbrausen lassen wie die Wogen des Ozeans unter Boreus‘ eisigem Atem.
„Du verwechselst was, Römer. Ich habe euch besiegt. Zweimal. Vernichtend. Mit ganz vielen Toten. Und was verlange ich denn dafür, dass ich Euch verschone? Will ich Euren schlechten, sauren Wein oder Euren kitschigen Goldschmuck? Nein, Pyrrhus ist reich an all diesen Dingen! Ich will nur, dass ihr meine Freunde in Tarent in Frieden lasst und die Stadt nicht mehr bekriegt. Dafür habt ihr nicht nur meine Gnade. Nein, ich werde Euer bester Bundesgenosse und helfe Euch, die anderen italienischen Städte Rom Untertan zu machen. Und eure zahlreichen Kriegsgefangenen, die in meinen Kerkern seufzend ihr trauriges Los verfluchen, lasse ich ohne jedes Lösegeld frei. Ich weiß nicht, was du sonst noch von mir verlangen möchtest! Willst du dich vielleicht darüber hinaus mit meiner schönen Gemahlin unter den Zypressen drüben vergnügen? Mir geht die Fantasie aus für großzügigere Angebote!“
Der einäugige Gesandte aus Rom trotzte dem Ansturm mit steinerner Miene. „Unsere Forderungen sind einfach. Verlasse Italien. Dann hast du Frieden.“
„Ach Römer“, antwortete Pyrrhus, „wie soll ich denn meinen Phalangitai in die Augen blicken, wenn ich nach diesen epischen Schlachten einem verprügelten Jungen gleich das Feld räume?“
„Dein Problem“
„Das ist genau das, Römer, was mit euch falsch läuft. Ihr könnt keine anderen Perspektiven sehen, als die euren.“, sagte Pyrrhus, grinste diebisch und klatschte zweimal. Der Vorhang hinter dem römischen Gesandten fiel zu Boden. Dahinter verbarg sich ein riesiger, gepanzerter Kriegselefant, der von seinem Reiter angetrieben einen ohrenbetäubenden Schrei ausstieß, ob dessen der Römer zusammenzucken musste.
„Man könnte sagen, ihr seht den Elefanten im Raume nicht!“, fügte Pyrrhus triumphierend hinzu.
„Wir fürchten weder dich, noch deine Truppen, noch deine Ungeheuer. Verlasse Italien, oder stelle dich uns abermals im Kampfe“, stammelte der errötete Gesandte und stürmte aus der Villa.
Eine bedrückende Stille senkte sich über den Raum. Der Elefantentreiber gab dem Tier Futter. Man muss es belohnen, wenn es sich benimmt. Pyrrhus blieb noch einige Augenblicke regungslos sitzen, seufzte und stieg vom Thron. „Cineas! Komm mit. Mich drängt‘s, in den Arkaden zu spazieren!“ Der Hausphilosoph folgte seinem zusammengesackten König. „Was ist denn los mit diesen Leuten. Ich musste für die Posse die Tür umbauen und ein Gerüst für den Vorhang errichten lassen. Ich dachte, er wäre zumindest amüsiert!“
„Die Römer haben kein Humor. Für solche Feinheiten müssten sie mit einer dem Maultier überlegenen Auffassungsgabe gesegnet sein.“, meinte der Philosoph.
„Eben. Genau deswegen sterben in jeder Schlacht so viele Menschen.“, antwortete Pyrrhus. „Wären das normale Leute, würden die sehen: ‚die Schlacht ist verloren‘ und einfach das Feld räumen. Aber nein, die bestehen förmlich drauf, dass man jeden einzelnen von ihnen abmurkst! Und wofür? Für ihre Freiheit? Für ihre Frauen und Kinder? Nein, wegen einer Stadt in Süditalien, die sie dem Erdboden gleichmachen wollen. Nichts gegen den Heldentod. Leonidas starb für die Freiheit. Aber er nahm es mit Humor. Als ihm der Perser ankündigte, dass die Pfeile die Sonne verdunkeln würden, sagte er, dass er dann halt im Schatten kämpft. Das ist doch ein Charakter, nicht? Kein Vergleich mit diesen bornierten Idioten.“
„Warum tust du dir das an?“, fragte Cineas, während die Wächter hinter ihnen sich abmühten, den Elefanten wieder aus der Villa zu führen. Pyrrhus blickte den Philosophen etwas perplex an. „Naja, ich habe den Tarentinern versprochen, sie zu beschützen.“ „Die Römer haben den Tarentinern versprochen, sie alle umzubringen.“, meinte der Philosoph ruhig.
Der König zog seine Mundwinkel nach oben, mehr zu einer Grimasse als zu einem Lächeln. „Fang nicht schon wieder mit Sophistik an, Du! Du redest so, als ob es dasselbe sei, ein Leben zu retten oder ein Leben auszulöschen.“ Der Philosoph lächelte überlegen „Mögen Eure Gründe sich auch im Detail unterscheiden: Sich im Felde gegenüberstehen und wegen eines Versprechens tapfere Männer in den Tod zu führen ist ein Verhalten, das du mit den Römern gemein hast.“
Die Wachen hatten angefangen, dem Elefanten die Rüstung abzunehmen, weil er sonst einfach nicht durch die Tür passte. „Aber sind die Gründe denn gleichgültig? Bei denen ist es doch sinnloser Rachedurst, bei mir der Edelmut eines Retters in der Not!“
„Aber was für Leute rettest du denn da? Für wen müssen deine edlen Krieger in den Tod? Haben die Tarentiner Rom nicht unnötig brüskiert? Und hast du nicht selbst ständig über ihre Feigheit geflucht? Würden sie, statt sich beständig dem Genusse hinzugeben, ein ordentliches Heer aufstellen, bräuchten sie dich doch nicht.“
Der König brauste auf „Wie? Meinst du, ich sei ersetzlich? Aber ich bin doch Pyrrhus, der muskulöseste König in ganz Hellas! Man meißelt Statuen nach meinem Körper und singt Lieder über meine Taten! Der beste Heerführer seit Alexander, nicht weniger!“
„Also ist es doch nur Eitelkeit“, sagte der Philosoph und grinste. Der Elefant hat die Villa indessen endlich verlassen. Die Wachen führten ihn in sein Gehege.
Pyrrhus seufzte. „Vielleicht. Aber was soll ich denn tun?“
„Ein anderes Land erobern. Eins mit Humor“, schlug der Philosoph vor.
„Aber dann haben die humorlosen Römer doch gewonnen!“, entgegnete Pyrrhus.
„Sie haben erst gewonnen, wenn du selbst stur geworden bist wie ein Römer“, sprach Cineas und blinzelte.
Der König zog seine Augenbrauen zusammen und hielt kurz inne. Aus der Ferne brüllte der Elefant. Man konnte ihn im ganzen Lager hören. Pyrrhus lächelte plötzlich, richtete sich auf und sprach: „Hast recht. Ab nach Sizilien! Ich hörte, in Syrakus würden Komödien aufgeführt. Außerdem: hieß deren Tyrann nicht Dionysios? Ein Land, das seine Söhne so nennt, kann nicht verkehrt sein“.
„Das ist die Einstellung“, meinte Cineas und umarmte seinen König.