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Rollentausch? Nein Danke!
Beim morgendlichen Ritual der schier endlos scheinenden Trinkwasserverschwendung unter der Dusche kam mir plötzlich die Überlegung in den Sinn, wie es denn wäre, wenn ich nur für einen einzigen Tag die Rollen tauschen könnte, um ein Mann zu sein.
Obwohl ich Klischees nun wirklich nicht sonderlich mag, wunderte ich mich doch darüber, wie viele gängige Klischeebilder doch auch in den Tiefen meines Kopfes verborgen waren.
Dies wohl wissend, bitte ich also bereits an dieser Stelle die Leser, sich nicht auf die Füsse getreten zu fühlen und auch die Leserinnen mögen mir bitte verzeihen.
Wenn ich nur für einen Tag ein Mann sein könnte, dann würde mein Wecker zwanzig Minuten bevor ich das Haus verlassen muss, klingeln.
Das reicht, um auf dem Weg ins Bad die Kaffeemaschine anzuschalten. Da ich schliesslich erst gestern gebadet hätte, wäre meine Morgentoilette nach maximal sieben Minuten beendet, besteht sie doch darin, mir eine grosse Portion kaltes Wasser ins Gesicht zu werfen, um wachzuwerden.
Ungeachtet der Tatsache, dass hier und da noch ein paar Bartstoppeln stehenbleiben, würde ich mich im Schnelldurchlauf rasieren, und mir pro Gesichtshälfte je eine Handvoll des so intensiv duftenden After Shave aus dem Supermarkt ins Gesicht werfen. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel, mit beiden Händen durch die Haare fahren: Frisur sitzt.
Dann noch schnell Zähne putzen und schon sammle ich die überall im Zimmer verstreut liegenden Kleidungsstücke des vorigen Tages auf, die ich mir fast in Sekundenschnelle anziehe, um nur kurze Zeit später meinen Kaffee im Stehen runterzukippen.
Meinen Weg zur Arbeit trete ich natürlich in meinem Auto an, für dessen Pflege mir auch keine Stunde meiner Zeit zu kostbar ist. Und schon bekomme ich auf meinem Weg den ersten Adrenalinstoss dieses Tages verpasst! Laut hupend beweise ich der Frau in dem Kleinwagen vor mir, die gerade vergeblich versucht, in eine überdimensionierte Parklücke zu rangieren, was für ein super Autofahrer ich doch bin.
Endlich an meinem Arbeitsplatz angekommen, muss ich mich natürlich erst einmal mit den Kollegen darüber austauschen, warum nun gerade mein Team in der Bundesliga auf dem absteigenden Ast ist.
In der Mittagspause in der Kantine registriere ich wohlwollend, dass die Neue aus der Buchhaltung wohl eine sehr aufgeschlossene Frau sein muss, kann ich doch die fast nicht wahrnehmbaren Konturen ihres Strings unter dem Rock mit meinen bebrillten Augen noch erkennen.
Mein Blick auf die Bluse der Sekretärin meines Chefs lässt mich beim Abschätzen ihrer Körbchengrösse doch glatt die an mich gestellte Frage meines Kollegen neben mir am Tisch überhören. Aber er erkennt meine Blickrichtung und grinst verständnisvoll.
Leicht gebeugt wegen der vielen Verantwortung, die mir im Laufe meines Arbeitstages wohl einfach nur aus geschlechtsspezifischen Gründen aufgebürdet wurde, begebe ich mich als bekennender Single eiligen Schrittes zu Macdo, um eines dieser meiner Lieblingsdoppeldinger als Abendmahlzeit zu erstehen.
Natürlich weiss ich, dass ich mir damit ein paar Kalorien zuviel des Guten getan habe, aber ich bin ja eh schon auf dem Weg ins Fitnessstudio. Warum auch nur einen Gedanken über gesunde Ernährung verschwenden?
Mein extremer Flüssigkeitsverlust, der durch meine sportliche Aktivität entstanden ist, muss natürlich danach erst mal gemeinsam mit den Kumpels in der Kneipe an der nächsten Ecke wieder aufgefüllt werden.
Die Trauer über den so unerwarteten Abstieg meines Lieblingsteams lässt mich auch hier immer noch nicht los und so hätte ich doch über hitzige Diskussionen fast vergessen, dass ich heute abend noch mit meiner neuesten Bettgefährtin verabredet bin.
Etwas abgehetzt stehe ich bei ihr in der Tür, irgendetwas undeutliches von schon wieder Überstunden murmelnd, und tue einfach so, als würde ich ihr beleidigtes Gesicht, weil ihr mit viel Liebe und Hingabe extra für mich gekochtes Candlelightdinner nun ziemlich abgekühlt in der Küche steht, nicht wahrnehmen.
Um den Abend doch noch zu retten, schlage ich vor, dass wir danach nicht mehr wie geplant gemeinsam rausgehen, sondern uns lieber zusammen einen kuscheligen Fernsehabend auf der Couch machen sollten.
Als Herrscher über die Fernbedienung zappe ich bereits nach den ersten Minuten wild in allen Programmen hin und her, ihre Einwände ignorierend, schliesslich bin ich ja multitaskingfähig, nein besser noch, hyperthreadingfähig, und sehe so halt mehrere Filme in der gleichen Zeit, in der eine Frau nur einen einzigen Film sehen würde.
Sie jedoch nimmt mich beim Wort, beginnt sich an mich zu kuscheln, und damit wären ja nun wirklich alle Voraussetzungen für eine wunderschöne gemeinsame heisse Nacht gegeben.
Aber, erschöpft wie ich von diesem harten Tag, der inzwischen hinter mir liegt bin, fällt mir doch tatsächlich bereits Sekunden später laut schnarchend die Fernbedienung aus der Hand ...
Mein Fazit:
Ich will doch lieber eine Frau bleiben!
© chaosdiva