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Rodarath und Gromorr

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27.01.2004
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Rodarath und Gromorr

Der Himmel war so dunkel wie ein Teppich aus Pech inmitten eines lichtleeren Fleckens des Weltraums. Es war eine Neumondnacht. Rodarath stand einsam inmitten des nächtlichen Regens auf einer schwach beleuchteten Brücke. Die Brücke war nicht besonders Groß, bot jedoch Platz für zwei Fahrstreifen, je Fahrtrichtung eine. Von der linken Seite kam der Lichtkegel eines Brückenlichtes auf ihn herab, was ihn nur halbwegs beleuchtete da er zwei Meter neben der Lampe stand und das Licht aus beinahe drei Metern Höhe herunter schien. Er sah aus wie ein in der Mitte aufgeteilte Gestalt im Dunkeln, den Blick nach unten auf den Fluss gerichtet, eine Seite beinahe völlig in Düsternis eingetaucht und die andere Seite leicht aufgehellt. Sein kurzes Haar war klatschnass vom starken Regen und er sah zu wie die Tropfen auf der Wasseroberfläche des Flusses ihre Kreise zogen, immer wieder durchbrochen von anderen Tropfenkringel oder leichten Wellen.

Rodarath hatte davon gehört dass einige Vampire etwas gegen Regen und Wasser hatten. Eine Ablehnung dagegen oder eine Art Allergie die sogar Schmerzen und Unwohlsein im Regen als Folge hatte. Doch er verspürte nichts dergleichen, und er war ein Vampir. Ein Vampir der das Aussehen eines Mannes mittlerer Größe Ende zwanzig mit schwarzen Haaren und dunklen Augen hatte, jedoch schon 67 Jahre auf der Welt wandelte. Im Vergleich zu anderen Vampiren war er damit noch relativ jung. Allerdings hatte er in diesen Jahren oftmals sprichwörtlich die Hölle durchgemacht. Und nun musste er sich eingestehen dass er einen Fehler machte: er war mit einem Werwolf befreundet...

Er kannte den Werwolf seit fast einem Jahr erst und sie haben sich eher flüchtig kennen gelernt. Allerdings wusste er dass er nicht länger mit dem Werwolf befreundet sein konnte. Es war schon seit Jahren Krieg zwischen der Wolfsbrut und den Untoten. Ein Krieg in dem man Farbe bekennen und loyal auf einer Seite stehen musste. War man nicht für eine Seite, war man gegen sie. Es gab nur schwarz und weiß, nur links und rechts. Dazwischen gab es nichts. Und er hatte die Frechheit besessen mit einem Werwolf in dieses "Nichts", in dieses "Dazwischen" ein zu tauchen. Er hatte es gewagt eine Lücke zu füllen wo keine sein durfte. Und es flog langsam auf.

Sein "Macher", sein Meister oder auch sein Vorgesetzter in diesem Krieg namens Hegat hatte ihn seit Tagen intensiv beobachtet und herausgefunden dass Rodarath sich heimlich mit einem Werwolf traf. Hegat stellte ihn vor die einfache doch schwere Wahl: entweder Rodarath tötete den Werwolf oder Hegat würde ihn verraten was dazu geführt hätte dass man Rodarath unerbittlich und ohne Gnade verfolgte und tötete. Vampire duldeten keinen Verrat in diesem Krieg und nichts anderes als das stellte es für sie dar.

Rodarath wollte einerseits die Freundschaft nicht aufgeben, aber andererseits hing er an seinem Leben. Er genoss es mit dem Aussehen eines Menschen in der Blüte seines Lebens durch die Welt zu wandern, Orte zu bereisen und Erfahrungen zu sammeln. Und er hatte erst die Hälfte der Welt gesehen. Es gab noch so viel mehr und Rodaraths Neugier und Wissensdurst war noch lange nicht gesättigt. Wozu gab es denn schließlich die Unsterblichkeit wenn man sie nicht auskosten konnte? Warum unsterblich sein wenn man doch sterben konnte? Wenn auch dieses "Sterben" schwieriger zu bewerkstelligen war als bei normalen Menschen. Fakt ist dass er vor seinen eigenen Leuten derzeit am meisten Angst hatte, denn es ging um seine Unsterblichkeit derer man ihn leicht berauben konnte. Zumindest wenn man sich auskannte oder ein Gleichgesinnter war.

Er konnte aber nicht einfach den Werwolf, seinen Freund, töten. Das wäre etwas was für ihn unmöglich in Frage käme. Einen Freund zu töten ist schlimmer als wenn man selbst getötet werden würde. So empfand er es zumindest. Doch weiß er was Vampire mit einem Verräter machten bevor dieser endgültig die Gnade des endgültigen Todes erfuhr. Es war grässlich tagelang in einem Zimmer eingeschlossen zu werden wo man auf einer Eisenbank angekettet da lag und ein kleiner Lichtstrahl der Sonne in Punktgröße langsam das linke Bein durchbrannte. Das waren Höllenqualen, wie zumindest die Nervenzerreißenden Schmerzensschreie der so gefolterten Vampire vermuten ließen.

Knoblauch, Kreuze, magische Rituale, Spiegel und allerlei mehr waren weitere Foltermethoden die ein perverser Folterknecht immer wieder neu kombinierte. Er war zwar "nur" ein Mensch, doch das war auch notwendig damit er durch seine eigenen Foltermethoden nicht selbst zu Schaden kam, wie z. B. wenn er Kreuze oder Sonnenlicht einsetzte. Zu seiner Bewachung waren immer zwei Vampire im Raum anwesend, immer bereit einzuschreiten falls der verzweifelte und gequälte, verräterische Vampir eine Chance sah sich zu rächen. Und gegen diese Bewacher war kein Kraut gewachsen. Sie waren aus dem Hohen Rat der Vampire und Jahrhunderte wenn nicht sogar ein, zwei Jahrtausende alt. Und der Zweck der Folter war einzig und allein Information aus dem Verräter zu quetschen. Bis dieser den Tod wählte und auch wirklich keine Informationen mehr freigeben konnte.

Der Folterknecht bekam das Versprechen in einem selbst gewähltem Alter oder kurz vor bzw. bei seinem natürlichen Tod zu einem Vampir gemacht zu werden. Und das sogar von einem Vampir aus dem Hohen Rat. Etwas Besonderes in den Augen der Vampire und in den Augen der Menschen die unbedingt ein Vampir werden wollen. Eine Art Vertrag zwischen Mensch und Vampir, der nach uraltem Vampirkodex auch hundertprozentig eingehalten wurde, denn auch nur der Hohe Rat der Vampire selbst konnte solch ein Versprechen geben. Bis dahin pflasterten übel zugerichtete Vampirleichen oder die Erinnerung an ihre Schmerzensschreie und an ihr katastrophales Ende den Weg des Folterknechts.

So wollte Rodarath nicht enden. Und er wusste dass jetzt in diesem Augenblick sein Meister Hegat, selbst ein Mitglied des Hohen Rates, ihn aus dem Hintergrund beobachtete. Hegat selbst hatte zwar weder angedeutet dass er ihn beobachtete noch ihn irgendwie ausgefragt wann oder wo er den Werwolf wieder begegnen würde, doch wusste Rodarath aus Erfahrung dass Vampire die unter einem Verdacht standen von ihren Meistern oder speziell ausgesuchten Vampiren, so genannten „Sichter“ oder „Augen“, beobachtet wurden. Zumindest konnte sich Rodarath jedoch darauf verlassen dass Hegat bei seiner Unsterblichkeit schwor bisher niemanden von seinem Verdacht gegen Rodarath erzählt zu haben. Sonst würden jetzt schon Kopfgeldjäger hinter ihm her sein oder ihn beobachten und zuschnappen wenn er dem Werwolf begegnete.

In erster Linie jedoch konnte er diese Information nicht nutzen. Er konnte z. B. nicht einfach hingehen, Hegat aufsuchen und ihn töten in der Hoffnung dass es niemand raus bekam und er untertauchen konnte. Zum einen weil er seinem Meister, der der ihn "gemacht" und unterrichtet hatte, unendlich dankbar für das Geschenk der Unsterblichkeit war und zum anderen weil er selbst auch sterben würde wenn sein Meister sterben würde.

Die Beziehung zwischen Meister und Erweckten, gemachten Vampir war ganz eng mit deren Unsterblichkeit verbunden. Solange der "Neue" oder vom Meister erweckte Vampir noch nicht selbst ein Meister war, konnte der erweckte Vampir sterben sobald sein Meister starb. Ein Meister starb jedoch nicht wenn sein Schützling starb. Er konnte sich genügend Schützlinge aussuchen, immer zu und unendlich viele. Das Ziel eines neuen Vampirs war selbst so bald wie möglich Meister zu werden um sich vom eigenen Meister los zu sagen. Dies ging aber nur nach strengen Richtlinien und ein neuer Vampir musste erst allerhand lernen und von der Welt gesehen haben bevor er sein Wissen oder ein Teil von sich an andere Schützlinge weitergeben durfte. Für Rodarath war es bislang noch nicht an der Zeit gewesen.

Also überlegte er weiter was er tun konnte um aus diesem Dilemma in dem er steckte heraus zu kommen oder ob es überhaupt ein "heraus" gab. Er starrte weiter herab zum Fluss während der Regen nass und kalt auf ihn klatschte, an ihm herunter lief und gemeinsam mit den Abermillionen anderen Regentropfen auf der Wasseroberfläche auf schlug. Er fühlte sich als hätte er egal wie er es drehen oder wenden wollte sein Leben verwirkt. Er würde diese Nacht wohl nicht heil überstehen...

# # #

Gromorr, der Werwolf, wanderte schnell im Schatten der regnerischen Nacht durch die Stadt. Er war jetzt nicht mehr in Menschengestalt. Er war jetzt als Bruder der Wölfe unterwegs. Eine Gestalt die mehr Wolf als Mensch war. Durch seine Werwolfkräfte, seiner muskulösen Statur, seinen verbesserten Reflexe und seiner erhöhten Schnelligkeit bewegte er sich kraftvoll und geschmeidig. Er stürzte sich von Häusern und Bäumen auf andere Häuser oder Bäume, schlich durch dunkle Straßen oder rannte ungesehen von einem Häuserblock zum anderen. Entgegen aller Klischees und Gerüchte war in dieser Nacht kein Vollmond am Himmel doch wandelte er trotzdem in seiner Werwolfgestalt durch die Nacht. Noch dazu an einem Neumond. Er war schließlich auch schon ein älterer Werwolf, der die Macht hatte sich selbst am Tage und mondunabhängig zu verwandeln wie es ihm beliebte. Und in dieser Nacht traf er sich mit einem neuen Freund: einem noch jungen Vampir namens Rodarath.

Dieser Vampir stand bereits mitten auf einer Brücke und schien zu grübeln. Gromorr sah ihn schon aus hunderten Metern Entfernung und wurde langsamer. Etwas Ähnliches wie Freude kam in ihm hoch. Doch diese Empfindung wurde zu was anderem je näher er der Brücke kam.

Mit seinen äußerst scharfen Sinnen merkte er es: etwas war nicht wie sonst. Zuerst fiel ihm auf dass der Vampir nicht alleine war. Er roch noch einen anderen Vampir. Obwohl die Vampire in erster Linie für Werwölfe nur nach Tod oder Blut der Vampiropfer rochen, haftete jedoch ein ganz eigener Geruch den Vampiren an. Eine Art Mischung aus dem sehr schwachen Restgeruch des Menschen der der Vampir einmal war, gepaart mit dem Geruch des Todes und einer eigenwilligen Duftnote die bei jedem Vampir anders ausfiel.

Einmal begegnete Gromorr sogar einer Vampirin die schwach nach Jasmin und Thymian roch. Nur ein Werwolf konnte überhaupt diese feinen Nuancen im Geruch auseinander halten. Und sie roch in erster Linie nach Jasmin, schwächer nach Thymian. Dieser Geruch hatte fast schon etwas Animalisches an sich und Gromorr hätte gerne diese einzigartige Vampirin näher kennen gelernt. Doch versuchte sie ihn zu töten und er hatte keine andere Chance gehabt als sein eigenes Leben zu retten in dem er ihres beendete. Schade drum aber so waren eben nun mal die Vampire; immer Auge um Auge und Zahn um Zahn. Bedauerlich.

Gromorr roch nun einen Vampir den er schon einmal gerochen hatte. Damals aber nur sehr schwach und ohne die Empfindung dass es ein Vampir war. Erst jetzt bemerkte er dass der Geruch der eines Vampirs sein musste. Vor Tagen hatte genau diesen Geruch in der Nase gehabt, ohne jedoch genau sagen zu können von wo der Geruch kam oder was ihn aussonderte. Jetzt war er sich sicher: es war ein Vampir der ganz in der Nähe war. Vielleicht nur 300 Meter entfernt. Und er stand still, war jedoch genauso nervös wie Gromorr es von Rodarath annahm. Gromorr schlussfolgerte daraus dass Rodarath den anderen Vampir kannte, dass beide irgendeine Verbindung hatten. Gromorr bekam den Gedanken dass er vielleicht in eine Falle lief. Aber warum hatte er bei Rodarath bisher eine aufrichtige Freundschaft gespürt wenn dieser Gromorr jetzt doch in eine Falle locken will? Irgendwie passte das Ganze nicht zusammen. Vorsichtig näherte er sich der Brücke, ging leise ohne ein Wort zu sagen oder einen Laut von sich zu geben auf Rodarath zu, blieb aber in geduckter, sprungbereiter Haltung etwa zehn Meter an seiner Seite stehen.

"Hallo Gromorr!" begrüßte Rodarath ihn. Seine vampirischen Sinne müssen ihm signalisiert haben dass Gromorr in seiner Nähe war. Gehört hatte er nichts, da Gromorr darin geübt war keinen Laut von sich zu geben. Und sehen konnte Rodarath Gromorr auch nicht, da Rodarath den Fluss unter der Brücke betrachtete. Gromorr nahm es zur Kenntnis und wollte Antworten. Deswegen fing er an zu reden. "Rodarath, was stimmt hier nicht? Halte mich nicht für dumm. Bisher hast du es nicht gewagt, also tue es jetzt auch nicht. Wolltest Du mich in eine Falle locken?"

Erstaunt drehte sich Rodarath zu Gromorr um und erwiderte "Werwölfe, immer so direkt und ehrlich. Sie kommen ohne Umschweife auf den Punkt!" Rodarath lächelte bekümmert, wenngleich er sich fragte wie Gromorr von der Situation wissen konnte.

"Wir haben es nicht nötig mit anderen zu spielen wie Ihr Vampire. Wir jagen und töten, jedoch foltern wir nicht oder lügen jemanden was vor!" grummelte Gromorr nun die Zähne zeigend. Die Situation gefiel ihm nicht. Ebenso wie ihm die ungewöhnliche Begrüßung gefiel.

"Ich hatte niemals vor dich anzulügen..." sagte Rodarath mit ernster Miene zu Gromorr gewandt. "Und doch hast du es getan...?" wollte Gromorr wissen. "Nein, hör auf so zu reden und lass es mich erklären!" verteidigte sich Rodarath. Rodarath fühlte sich kotzelend. Diese Situation war etwas was er nicht wollte, was er vermeiden wollte. Aber er steckte nun bis über beide Ohren in der jetzigen Lage und musste es durchstehen. Ganz gleich mit welchem Ende auch immer.

"Ich bin dabei als Verräter der Vampire bloßgestellt zu werden. Mein Meister stellte mir ein Ultimatum..." fuhr Rodarath fort. Gromorr verstand nun und meinte düster "Lass mich raten... er will sehen wie du mich tötest?". Gromorr kam langsam auf Rodarath zu. Rodarath war erneut erstaunt und wusste im ersten Moment nicht warum Gromorr auf ihn zukam. Außerdem verwirrte ihn das Wort „sehen“ im Satz des Werwolfs. "Ich... ich will dich nicht töten. Ich weiß nur nicht wie ich aus dieser Situation kommen kann, ohne dass du darunter leiden musst! Ich habe kaum Erfahrung was den Krieg angeht und von meiner eigenen Art werde ich beobachtet und noch dazu hinter vorgehaltener Hand des Verrates beschuldigt!"

"Du hast wohl auch laut eurem Kodex deine Sippe verraten. Doch aus einem Grund der dir bestätigt dass du nicht eine gefühlskalte Maschine, ein untotes Monstrum bist sondern etwas was sich zum Besseren ändern will. Du hast mir selbst gesagt dass du diesen Krieg nicht verstehst und auch kein Teil davon sein willst. Ich habe was den Krieg angeht mein eigenes Volk ebenfalls verraten, wenn wir solch einen strengen Kodex hätten..." erklärte Gromorr Rodarath wie als würde er etwas einem Kind erklären. Dabei merkte Gromorr wie der andere Vampir näher zu kommen schien. Langsam aber dennoch war dessen Fährte immer deutlicher aufzuspüren. Rodarath schien davon nichts zu merken.

Der Regen schien leicht nach zu lassen während Rodarath den Kopf wieder drehte, so dass er gerade über den Fluss Richtung Horizont blickte. Er sagte langsam und mit bitterer Stimme "Ich weiß nicht wie ich als Vampir sein muss. Alles was ich will ist aus der mir gegebenen Unsterblichkeit etwas zu machen, etwas zu erreichen. Und ich bin meinem Meister auch ewig dankbar dafür dass er in mir den Vampir erweckt hat. Doch verstehe ich den Krieg nicht.Ich werde ihn wohl nie verstehen."

Gromorr zweifelte am eigenen Verstand. Er bekam eine verrückte Idee, die vielleicht sogar klappen könnte. Noch während er bemerkte dass der andere Vampir nun schnell näher kam und gerade erst mögliche Ahnungen über die Folgen seines Tuns in seine Gedanken schossen, ging er auf Rodarath instinktiv zu und befahl ihm mit scharfem Ton "Beiß mich in den Nacken..."

"Was?" Rodarath glaubte nicht richtig zu hören. Doch bevor er etwas Weiteres erwidern konnte sprang Gromorr auf ihn zu und biss ihn in den Nacken. Der plötzliche Schmerz raubte ihm beinahe die Sinne. Er wurde aggressiv und tat es Gromorr gleich: er biss seinem Freund in den Nacken. Gromorr meinte auf einmal schwer atmend und mit aggressivem Unterton in der grummelnden Stimme "Gut so. Sauge mein Blut in dich wie ich auch dein Blut sauge!" Rodarath tat es, obwohl er nicht richtig erkannte was es bringen sollte. Er ahnte zwar etwas aber hielt es für unmöglich. Und selbst wenn es klappen sollte, was würde es an der Situation ändern? Zum Schmerz durch den Werwolfbiss im Nacken kam der brennende Geschmack des gestärkten Werwolfblutes hinzu. Rodarath schien fast von innen zu verbrennen. Er schrie und auch Gromorr schrie, er musste wohl gerade dasselbe durchleben.

Beide Wesen, Vampir und Werwolf umschlungen in einer Umarmung von makabren Todesküssen, hörten plötzlich einen Vampir grässlich aufschreien. Dieser Vampir kam rasch im niedrigen Fluge näher und schrie aufgeregt von Tod, Verrat und Verschwörung. Gromorr stand mit dem Rücken zu dem anfliegenden Vampir namens Hegat, weshalb sich Gromorr, immer noch seine Wolfszähne in das Fleisch des Vampirs Rodarath drückend und dessen Blut saugend, um 180 Grad drehte. Dabei löste er nicht seine Umarmung von Rodarath sondern drehte ihn mit sich. Rodarath ließ es geschehen und saugte ebenfalls weiterhin das Blut des anderen.

Hegat landete drei Meter entfernt von den beiden umschlungenen Kriegsfeinden, die gerade dabei waren alles zu verraten an was sie glaubten. Hegat verachtete sie, fuhr seine messerscharfen Nägel und Zähne aus und ging langsam auf die beiden zu. "Ihr seid verrückte Verräter, alle beide. Ihr verdient nicht die Unsterblichkeit!" waren die letzten Worte des Vampirs Hegat als dessen Kopf zu Boden fiel und der Körper mit den beiden hoch erhobenen Armen tot niedersank. Gromorr hatte ihm mit der messerscharfen Klaue den Kopf abgeschlagen. Hätte der Vampir Hegat gerade erst ein frisches Mahl gehabt, würde nun Blut aus dessen Körper oder von Gromorrs Klaue rinnen. Doch dem war nicht so. Vielleicht deshalb gelang es Gromorr auch diesen höheren Vampir so zu überraschen was zu dessen Untergang führte.

Rodarath erschrak sich fast im gleichen Moment in dem Hegat schrie, löste sich aus Gromorrs Umarmung und drehte sich um. Er sah noch wie der Kopf auf den Boden aufschlug und der Körper wie im Kampf gegen den Tod nicht wusste ob er fallen oder stehen soll und deswegen zitternd und taumelnd langsam niedersank. Er konnte es nicht glauben, doch er spürte wie er frei wurde, frei von Verpflichtungen gegenüber seinem Meister der nun tot vor ihm lag. Ungläubig und noch den scharfen Geschmack des Werwolfblutes im Mund schmeckend starrte er seinen ehemaligen Meister an. Rodarath war nicht tot. Er dachte wenn sein Meister starb würde er verbrennen, zu Asche zerfallen oder irgendwie auseinander gerissen. Oder anderes. Doch nichts davon geschah, er stand einfach nur aufrecht neben Gromorr und lebte weiter. Und er spürte auch warum, denn irgendwie begannen seine Sinne sich zu schärfen, zu erweitern. Er wurde was anderes.

Gromorr trat an seine Seite. "Tut mir leid dass es so kommen musste!" bedauerte Gromorr und blickte ebenfalls zu Boden auf die Leiche. Diese zerfiel sehr langsam zu staub, Zentimeter um Zentimeter. "Hätte es nicht geklappt wären wir jetzt alle tot." fügte er hinzu.

Rodarath nickte. Er spürte weder Zorn noch Trauer noch Freude. Er wollte nur nichts mehr mit seiner Vampirart zu tun haben, jene Vampire die ihm verboten einen Werwolf als Verbündeten, als Freund zu kennen. Jene Vampire die ihn getötet hätten wenn er nicht seinen Werwolffreund getötet hätte. So sehr er auch traurig über den Tod von Hegat und zeitgleich ein wenig zornig auf Gromorr, der Hegat tötete, war, so sehr wusste er jedoch dass Hegat sterben musste, wollten sie beide, Gromorr und Rodarath, weiterhin existieren.

Rodarath spürte wie der leise Zorn auf Gromorr langsam zum Zorn auf Hegat wurde. Hegat wäre sein Untergang gewesen. Gut dass er tot war. Hegat bedeutete ihm nun nichts mehr. Rodarath war zuerst verwundert über seine Gedankengänge, doch ihm wurde bewusst dass sie ein Teil seiner neuen Wesenheit waren, der Wesenheit zu der Rodarath wurde. Er war nicht länger ein Vampir mehr, sonst wäre er auch direkt beim Tode seines Meisters Hegat gestorben. Er war was anderes geworden.

Eine Art von Einsicht reifte in ihm heran, die er früher nicht besessen hatte. Eine Einsicht die das Beste aus der Welt der Vampire und der Welt der Werwölfe in sich vereinbarte. "Dank dir habe ich den Sinn des Lebens gefunden!" meinte er ernst und einsichtig zu Gromorr gewandt, der im ersten Moment nicht wusste was er meinte. Rodarath fuhr fort "Wir sollten uns nicht bekriegen sondern uns gegenseitig Wissen lehren und friedvoll zusammen Leben. Gemeinsam sind wir stark. Nur dieser Krieg macht uns zu Monstern in dem wir uns gegenseitig umbringen und belügen! Wir müssen nicht Feinde sein."

Gromorr wusste nicht so recht was er davon halten sollte. Es klang nicht verkehrt, doch hatte er nicht aus dieser Überlegung oder Weltansicht heraus gehandelt sondern rein instinktiv. Er wusste nicht mal dass es klappen würde Rodarath von dessen Meister durch den Blutaustausch zu befreien. Hätte es nicht geklappt wäre Gromorr gemeinsam mit dem brennenden Rodarath gestorben. Gromorr hatte etwas Ähnliches schon einmal gesehen.

Ganz nebenbei bemerkte Rodarath dass Hegat sein Wort gehalten hatte. Hätte Hegat einem anderen Vampir von seinem Verdacht erzählt, würden Gromorr und Rodarath jetzt von unzähligen Vampiren umkreist und bekämpft werden. Doch nichts geschah. Gromorr und Rodarath standen einfach nur auf der Brücke und sahen zu wie der Körper Hegats zu staub wurde. Ein Häufchen Asche waren die Überreste eines alten Vampirs, die der inzwischen schwächere Regen davon spülte.

So entstand die Legende von zwei eng befreundeten Wesen die weder Mensch noch Werwolf noch Vampir waren. Es waren neuartige Wesen der Nacht die alle Traditionen und Regeln hinter sich ließen und entgegen allen Gesetzen lebten. Pazifistische Verräter an ihrer eigenen Art, denn sie wollten keinen Krieg unterstützen, einen Krieg wie er schon über drei Jahrtausende tobte. Sie wollten sich neuen Aufgaben stellen, die dunklen Wege genau wie die kriegslüsternen und ketzerischen Wesen hinter sich lassen. Und sie wurden gejagt von sämtlichen Wesen der Nacht, denn diese dachten nicht so wie sie selbst. Jedenfalls noch nicht. Ein Wandel der Zeit hatte begonnen und sie waren der Grund dafür...

 

Hi Zothos,

ich finde mit dieser Geschichte ist Dir ein guter Einstand bei kg.de gelungen.
Idee und Umsetzung gefallen mir sehr gut.
Bei den Dialogen solltest Du immer dann, wenn der Sprecher wechselt, eine neue Zeile beginnen. Das macht die Geschichte flüssiger zu lesen. Ansonsten hat mir Dein Schreibstil gefallen.
Was in der Geschichte noch fehlt, ist eine Erklärung warum Vampire und Wehrwölfe miteinander Krieg führen. Dagegen fand ich die Beschreibung der Umgebung am Anfang etwas zu umfangreich, da sie für die Handlung in Deiner Story keine große Rolle spielt.
Eine Farge habe ich noch an Dich. Wie schaffen es die beiden sich gegenseitig in den Nacken zu beissen und dabei noch die Umgebung zu beobachten?
Insgesamt hat mir die Story gefallen. Mach weiter so.:)

Gruß
Jörg

 

Hallo Jörg!

Danke fürs Lob. :)

Stimmt, die Dialoge sollte ich wirklich anders schreiben. Die Beschreibung der Umgebung wollte ich als Stilmittel benutzen (schwach beleuchteter Vampir im Regen auf der Brücke schaut hinunter zum Fluss) weil mir auch genau das Bild im Geiste war als ich die Geschichte schrieb. Ich dachte "das kommt gut"! *G*

Das mit dem Krieg der Werwölfe gegen Vampire ist so eine Sache. In vielen Romanen und Geschichten bekriegen die beiden "Völker" sich weil sie sich ähneln und Wesen der Nacht sind, jedoch sind die einen untot und haben teilweise magische Kräfte und die anderen sind mit unglaublichen, körperlichen Attribute ausgestattet. Beide "bekommen durch einen Biss oder Blutaustausch Nachwuchs" und die Werwölfe als Wolf-Verwandte Spezies hassen das unerklärliche, unnatürliche und das was eigentlich tot sein soll wie z. B. Untote Vampire. In vielen Rollenspielen gibt es auch solche Hintergründe "Werwolf gegen Vampir", deswegen bin ich einfach davon ausgegangen dass das der Leser weiß oder sich zusammen reimen kann. Was natürlich ein Trugschluss ist wenn ein Leser noch nie eine solche Geschichte gelesen hat. Guter Hinweis.

Wie die beide es schaffen die Umgebung zu "beobachten"? Nunja, der Werwolf und der Vampir haben beide Hegat gehört und der Werwolf löste sich vom Griff (und Biss) um Hegat zu köpfen.

Aber ich mag gute Kritik. Bitte weiter so. :D

 

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