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Rockband sucht Sänger

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10.07.2003
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Rockband sucht Sänger

„Wo sind denn die anderen Jungs? Liegen bei dem schönen Wetter wohl lieber im Schwimmbad und kippen sich einen hinter die Binde, hm?“, fragte Mr. Wineman und stieß ein kurzes, bellendes Lachen aus, während sie den Kiesweg zur Tennisanlage entlanggingen. „Es gibt keine anderen Jungs, Sir. Ich spiele allein“, antwortete Dave so freundlich es ihm möglich war. Wineman hatte ihn wichtigtuerisch an der Einfahrt erwartet, ihm gezeigt wo die vermögenden Gäste des Tennisclubs ihre Stammparkplätze hatten und welche davon Dave auf keinen Fall benutzen durfte, da sie für Gäste reserviert waren, die zwar nur einmal im Jahr kamen, aber darauf bestanden ihren eigenen Stellplatz jederzeit nutzen zu können.

Während sie den Weg entlanggingen, konnte Dave sehen, dass sich an die dreißig Spieler auf den Tennisplätzen tummelten. Einige spielten ein Einzel, andere ein Doppel, andere standen nur in der Gegend herum und unterhielten sich. Von allen Seiten war das laute Plop der Aufschläge zu hören. Für Dave hörte es sich wie das Knallen von Sektkorken an. Einige der wohlhabenden Gäste würden später wahrscheinlich auch noch die eine oder andere Flasche Champagner zischen, schätze er.
„So, so, du machst also alles alleine? Ein Alleinunterhalter sozusagen?“. Wineman hatte ein dreckiges Grinsen aufgesetzt, als hätte er einen unanständigen Witz gemacht, den nur er verstand.
„So ähnlich, ja. Alleine kann ich besser arbeiten“, stimmte Dave ihm zu und wünschte sich nichts sehnlicher als endlich die Tür des Bandraums hinter sich zu schließen, den Verstärker auf Maximum aufzudrehen und die ersten Riffs von Smells like teen spirit in die Gitarre zu dreschen. Diese Umgebung machte ihn krank, all die feinen Pinkel in ihren weißen Tennisdresses, ihren Sportsocken und ihren braungebrannten Tennisarmen. Ärzte, Rechtsanwälte, Firmenbosse, etliche von ihnen mit einer stattlichen Blondine an ihrer Seite, an denen nichts außer ihrer Dummheit echt zu sein schien. Und dieser Typ Wineman, Besitzer, Betreiber und Instandhalter der Tennisanlage machte ihn ebenfalls krank. Er war ihm schon beim ersten Blickkontakt unsympathisch gewesen und Dave war sicher, dass dies auch auf Gegenseitigkeit beruhte. Wineman hatte ihn wie einen interessanten Käfer betrachtet, der exotisch und vielleicht sogar ein bisschen gefährlich aussah.

Einige der Gäste hatten ihr Spiel kurz unterbrochen, gaben vor sich ihre Schnürsenkel zu binden, beobachteten Dave in Wahrheit aber argwöhnisch aus dem Augenwinkel. Er war nicht weiß gekleidet, hatte keinen Sportdress und keine Turnschuhe an. Stattdessen trug er wie immer seine abgerissene, leicht fleckige Jeans, ein T-Shirt der Hives (mit den neueste Tourdaten) und eine schwarze Sonnenbrille. Anstelle eines Tennisschlägers hatte er seine E-Gitarre über der linken Schulter hängen.
Als sie endlich die Eingangshalle des Clubs betraten, wehte Dave eine Wolke aus Parfum und schwüler Luft entgegen. Irgendwo musste auch eine Lounge sein, man hörte Stimmengewirr, Gelächter und das Klirren von Gläsern. „Immer mir nach Sonny, der Raum ist unten im Keller“, sagte Wineman und öffnete eine Stahltür neben den Toiletten. Dahinter führte ein Treppenhaus in die Dunkelheit.

Dave war Hobbymusiker, das heißt er sang und begleitete sich selbst auf der Gitarre. Und da es sehr schwer war einen guten Drummer zu finden, hatte er sich auch das Schlagzeugspielen selbst beigebracht. Gute Drummer waren wie schöne Frauen...zwar gab es einige, aber die meisten waren bereits vergeben oder wohnten zu weit weg, um sich öfter als nur einmal im Monat zu treffen. Fand man dann schließlich doch einen, stellte man fest, dass die Interessen zu unterschiedlich waren. Dave liebte Punk- und Grungemusik. Er hatte einen einigermaßen erträglichen Job, eine nette, tolerante Freundin, trotzdem war er nicht wirklich mit seinem Leben zufrieden. Die Musik war für ihn eine Art Besessenheit geworden, wie die Suche nach dem heiligen Gral. Seinen Lebensunterhalt mit Musik zu verdienen, das war das Ziel das er sich gesetzt hatte. Seinen Job sah er nur als Hobby, die Musik aber war sein Leben.

Seit Jahren komponierte er seine eigenen Songs, und sie waren nicht etwa schlechter als das Zeugs das im Radio gespielt wurde, nein, ihm fehlte einfach der Schritt zum Durchbruch. Was ihm am meisten gefehlt hatte, die letzten Jahre, war ein eigener Übungsraum, wo er so laut und so lange spielen konnte wie er wollte, ohne dass die Nachbarn die Polizei verständigten. Deshalb hatte er vor drei Wochen eine Annonce aufgegeben. „Musiker sucht Bandraum zu Übungszwecken“. Er hatte seine Hoffnungen auf ein Minimum heruntergeschraubt, da dies nicht seine erste Anzeige dieser Art war, dennoch hatte Wineman nur einen Tag nach Erscheinen der Annonce angerufen.
Dave hatte zwar noch nicht verbindlich zugesagt (und wenn der Raum voll Rattenscheiße wäre, würde er dies auch nicht), aber er war guter Hoffnung, schließlich war dies eine piekfeine Tennisanlage, und hatte deshalb vorsorglich sein Auto mit allem Equipment vollgeladen. Schlagzeug, natürlich noch in Einzelteilen, Gitarre, Bass, Verstärker.

Sie hatten den Fuß der Treppe erreicht und hier unten sah der Tennisclub alles andere als piekfein aus. Dicke Spinnweben hingen an den Wänden, in einer kleinen Nische stapelten sich dreckige Handtücher und Putzlappen. Ein schwacher Schimmelgeruch hing in der Luft.
„Okay, hier wären wir“, keuchte Wineman. Der Fußmarsch entlang der Anlage und die 30 Stufen abwärts hatten die Selbstgefälligkeit des Mannes auf ein annehmbares Niveau reduziert. Wineman war ca. 50 Jahre alt, seine braungebrannte Glatze sah selbst im matten Kellerlicht aus, als hätte er sie mit Schuhcreme eingerieben und unter seinem Tennisshirt wölbte sich ein bemerkenswerter Bierbauch, der beim Gehen leicht auf und ab wippte. Er mochte zwar der Besitzer des Tennisclubs sein, aber Dave bezweifelte stark, dass Wineman die letzen zehn Jahre aktiv gespielt hatte.

„Mein Schwager Greg wollte den Raum zuerst haben. Sagte, er brauche einen Ort wo er ein bisschen abschalten und an seinen Gedichten schreiben kann“, schnaubte Wineman und man konnte deutlich die Verachtung in seiner Stimme hören.
„Ich denke eher, er wollte für ne Weile dem Gekeife meiner Schwester entgehen, was ich gut verstehen kann. Jedenfalls hat er’s nicht mal zwei Stunden da drin ausgehalten. Sagte was von wegen schlechtem Karma in dem Raum. Oder Hare Krishna. Keine Ahnung, irgend so ein Wort, dass diese Pseudo-Intellektuellen benutzen. Armer Irrer“. Die Verachtung in Winemans Stimme hatte sich fast schon zu Wut gesteigert, während er an einem übergroßen Schlüsselbund rumfummelte und den passenden Schlüssel suchte.
„Jedenfalls alles umsonst. Hab umsonst die Wände frisch streichen lassen, die Löcher vergippst, das übliche eben. Ich war heilfroh als ich deine Anzeige gelesen habe.“ Endlich hatte er den richtigen Schlüssel gefunden und stemmte sich mit der Schulter gegen die schwere Stahltür.
„Die klemmt ein bisschen. Müssen noch neue Scharniere rein, aber wenn du fest drückst, geht es.“ Dave nickte und sah über die Schulter von Wineman in den stockdunklen Raum.

„Immer rein in die gute Stube“, sagte Wineman und tastete mit der Hand nach dem Lichtschalter. Eine Neonröhre erwachte flackernd zum Leben.
Es war sehr kühl in dem Raum, was eine Wohltat war nach der brennenden Junisonne auf dem Tennisplatz und Dave bekam eine leichte, aber angenehme Gänsehaut. Als erstes fiel ihm der starke Geruch nach frischer Farbe auf, vermischt mit kaltem, abgestandenem Rauch. Schwach konnte Dave auch den Geruch von Moder oder Schimmel wahrnehmen. Aber keine Rattenscheiße in den Ecken.

„Riecht noch ein bisschen streng, ich weiß. Aber keine Fenster.....keine Frischluft“, sagte Wineman achselzuckend, als hätte er seine Gedanken gelesen.
Zu sehen gab es nicht besonders viel. Es war einfach ein Weißgestrichener, quadratischer Kellerraum, keine Möbel, nicht mal ein Hocker, kein Fenster. In Gedanken war sein Equipment schon aufgebaut. In der Mitte an der Rückwand das Drum, Verstärker und Mikro daneben.
„Dürfte genau das sein was du suchst, richtig Sonny? Der Beton hier ist extra-dick, du hörst also keinen Furz von oben.“ Wineman überlegte kurz, als ob er sich erst jetzt Gedanken über die Miete machen würde. „Hm...weil du mir sympathisch bist und weil es hier so stinkt...sagen wir 60 Dollar im Monat, einverstanden?“.
„Geht in Ordnung“, antwortete Dave sofort. Er hatte keine Lust mit diesem Typen zu diskutieren, er wollte sich nur die Gitarre umschnallen, ein kühles Bier zischen und weiter an einem seiner neuen Songs arbeiten. Er holte ein paar Scheine aus der Hosentasche und gab Wineman das Geld, auch wenn es ihm vorkam als hätte er soeben seine Seele an den Teufel verkauft.

Wineman nickte zufrieden und übergab ihm den Schlüssel. „Wenn was ist, ich bin oben in meinem Büro. Falls du was zu trinken willst...hinten im Geräteraum ist ein Automat“, sagte er und deutete auf den Raum am anderen Ende des Kellerflurs.
„Na dann...viel Spaß“, grinste er wieder verächtlich und stapfte die Stufen hinauf.
Dave lehnte die Gitarre an die Wand und atmete genüsslich ein. Es war kühl, es war totenstill, niemand da der ihn ablenken könnte, optimal um in Ruhe zu arbeiten. Nachdem er eine Zigarette geraucht hatte, sah er sich fit genug um seine restliche Ausrüstung aus dem Wagen zu holen und hier herunter zu schaffen. Das bedeutete zwar, dass er mindestens dreimal (eher viermal) an der feinen Tennisspieler-Gemeinde vorbeimusste, aber dann konnte er endlich loslegen.

Eine Stunde später war es dann tatsächlich vollbracht. Er hatte fünfmal den Weg vom Auto bis zum Bandraum zurücklegen müssen, so ein Schlagzeug bestand immerhin aus mehr Einzelteilen als man denken mag, und die ganzen Kabel und Mikrofone waren auch noch da. „Dank“ Mr. Wineman hatte er auch noch den schweren 100 Watt Verstärker den weiten Weg schleppen dürfen. Denn natürlich wäre es untragbar für die übrigen Gäste gewesen, wenn Dave sein Auto für 5 Minuten vor dem Club geparkt und den Verstärker ausgeladen hätte.
Während er eine weitere Zigarette rauchte, betrachtete er stolz sein Reich. Schlagzeug stand an seinem Platz, Verstärker hatte Saft, Gitarre war angeschlossen und spielbereit. Wineman hatte Recht gehabt. Von Oben war wirklich kein Ton zu hören. Weder Gelächter, noch das Plop der Tennisbälle. Sobald man die Tür dieses Raums hinter sich schloss, war es als würde man sich Watte in die Ohren stecken.

Dave griff sich die Gitarre und begann zu spielen. Wie immer wenn er Musik machte, war er vollkommen in Gedanken versunken. Es war als würde er die Töne nicht nur hören, sondern sie richtig spüren, wie Nadelstiche. Die Finger huschten flink über das Griffbrett der Gitarre und er hatte sehr bald ein gutes Riff samt passender Gesangsstimme ausgearbeitet. Als er nach einer Überleitung zum Refrain suchte, bewegte sich etwas. Nur ganz kurz im Augenwinkel, aber es reichte um Dave wie von einem Stromschlag zusammenzucken zu lassen. Seine Finger trafen den falschen Ton und aus dem Verstärker war ein hohes, heulendes Ooiiiing zu hören. „Oh Shit“, fluchte Dave. Die hohe E-Saite war gerissen. Verwundert und mit einem Puls von 180 sah er sich in dem schwach beleuchten Raum um. Nichts.
Sein erster Gedanke galt Wineman. Vielleicht war der Typ reinspaziert und wollte nachsehen ob Dave auch wirklich Musik machte, oder den Raum zu perversen Spielchen an sich selbst nutzte. Aber der Raum war absolut leer. „Vielleicht eine Ratte“, dachte Dave.
Langsam konnte er verstehen, was Winemans Schwager mit „schlechtes Karma“ gemeint hatte. Der Raum hatte unbestritten etwas Unheimliches an sich. Vielleicht kam es von der ab und zu flackernden Neoröhre, oder von dem modrigen Geruch...oder vielleicht auch von etwas, dass hinter seinem Rücken unbemerkt vorbeigehuscht war.
Je länger Dave sich darin aufhielt, desto mehr fühlte er sich eingesperrt und isoliert.....wie in einer Gefängniszelle. Vielleicht hätte ich mich doch nach einem besseren Raum umsehen sollen, vor allem nach einem billigeren, dachte er verdrossen. Aber egal, er hatte einen neuen Song, den er heute noch fertig machen wollte, deshalb machte er sich noch ein Bier auf (das lauwarm war, da der Automat im Keller nicht richtig kühlte) und entfernte die gerissene Saite. Vorsichtshalber hatte er immer einen vollen Satz extra dabei.
Da, wieder der Hauch einer Bewegung, vermischt mit leisem Rascheln. Diesmal hatte ihm sein Auge keinen Streich gespielt. Da war tatsächlich etwas...hinter dem Schlagzeug.
Vorsichtig ging er darauf zu, die Gitarre hielt er an ihrem Hals wie einen Baseballschläger gepackt, bereit um zuzuschlagen. Aber es war keine Ratte, sondern ein Blatt Papier hatte das Rascheln erzeugt.

Ich könnte schwören, dass der Raum vorher leer war, dachte Dave. Aber vielleicht hatte er das Papier auch nur im flackernden Licht übersehen.
Es war ein beidseitig bedrucktes Stück Papier. Ein Notenblatt, wie er selbst schon hunderte davon in Händen gehalten hatte. Interessant, dachte Dave. Also muss vor ihm noch eine andere Band hier geprobt haben. Schließlich hatte Winemans Schwager Gedichte geschrieben, keine Musik gemacht. Warum hat der Fettsack mir das verschwiegen, wunderte er sich.

Neugierig darauf, was andere Hobbymusiker so zustande brachten, begann Dave zu spielen. Der Song war einfach aufgebaut und das Lesen der Noten bereitete ihm keine Schwierigkeiten.
Klasse, einfach Klasse, bewunderte er die Ohrwurmmelodie, die seine Finger da spielte. Andererseits ärgerte er sich auch, dass nicht er die Melodie geschrieben hatte. „Das ist absolut geil“, murmelte er vor sich hin, während er immer und immer wieder den Song durchspielte. Wer wohl die Musiker sind, die ihn erfunden haben? Hey, vielleicht hatte hier früher eine berühmte Band geprobt und der Zettel war vergessen worden? Vielleicht Metallica oder Nirvana?
Andererseits war sich Dave sicher, diesen Song noch nie im Radio oder auf MTV gehört zu haben. Na wenn das nicht mein Glückstag ist, grinste er still vor sich hin. Warum sich die Mühe machen und selbst was erfinden, wo der perfekte Song doch direkt vor meiner Nase liegt?

Er wollte diesen Song heute noch aufnehmen, abmischen und ihn dann sofort Melanie vorspielen. Sie würde begeistert sein. Wenn er mit diesem Song keinen Plattenvertrag bekam, dann mit gar keinem. Aber zuerst noch die Saite auswechseln.

Als er in seiner Gitarrentasche nach der Saite suchte ertönte hinter ihm das laute Wuschhhh des Crashbeckens. Der Schreck der ihm diesmal durch den Körper jagte, glich mehr einem Blitzschlag als einem Stromstoss und seine Zähne stießen klappernd zusammen. Dieses eine Geräusch hatte genügt, um ihn in einen starren Felsbrocken zu verwandeln. Seine Füße fühlten sich taub und hölzern an, als seien sie eingeschlafen. Trotzdem schaffte er es sich halb herumzudrehen. Er kam sich wie eine Figur aus Matrix vor, die in Zeitlupe agierte. Aber der Raum war immer noch leer. Es saß niemand auf dem kleinen Hocker hinter den Drums, niemand versteckte sich hinter dem großen Verstärker. Nur das Blatt Papier lag regungslos am Boden.

Okay, das war’s. Ich packe mein Zeug zusammen und werde so schnell es geht von hier verschwinden, dachte Dave. Den Song konnte er auch bei sich zuhause aufnehmen. Sein Herz schlug immer noch viel zu schnell in der Brust und sämtliche Nackenhärchen hatten sich aufgestellt. Bum bum bum bum bummm. Diesmal waren es die Toms, die wie von Geisterhand ihren typischen Sound von sich gaben. „Scheiße, was soll das, verdammt noch mal?“, schrie Dave den leeren Raum an, als könne dieser ihm antworten. Als die Basstrommel ihr hämmerndes Bum Bum Bum von sich gab, hatte Dave genug gesehen. Er würde Wineman holen. Der Typ mochte ein überheblicher Fettsack sein, aber vielleicht wusste er, was hier passierte, vielleicht hatte sein Schwager Ähnliches erlebt.

Er stürmte zur Tür, stemmte sich mit aller Kraft dagegen...verschlossen. Ungläubig schüttelte Dave den Kopf. So was konnte nicht im wirklichen Leben passieren. Oh du Idiot, tadelte er sich selbst, so wird sie natürlich nie aufgehen. Von außen drücken, von innen ziehen, du Arsch.
Das Schlagzeug spielte noch immer unregelmäßige Rhythmen, ein Schlag auf das Hi-Hat, ein Kick auf die Base-Drum. Es überprüft es...natürlich, dachte Dave. Ob die Felle richtig gespannt sind, ob die Becken richtig angeordnet sind...verdammt, was passiert hier nur? Die Stöcke lagen immer noch unbenutzt auf dem Hocker, trotzdem schepperte das Schlagzeug munter vor sich hin. Und nicht nur das, auch der Raum selbst veränderte sich...schien größer zu werden, dann wieder zusammenzuschrumpfen. Alles schien vor Daves Augen zu verschwimmen, sich zu dehnen, sich zusammenzuziehen. Das Licht der Neonröhre hatte von grellem weiß zu einem orange-rot gewechselt, flimmerte wie Sand in praller Sonne. Die Temperatur war von Kühlschrankkälte auf Saharahitze gestiegen und Dave kam sich vor wie in einem überdimensionalen Mikrowellenherd, dessen Leistung auf 800 Watt eingestellt worden war.
„Scheiße, scheiße, scheiße!!“. Dave kreischte. Er versuchte die Tür mit einem Ruck aufzureißen, taumelte aber vor Überraschung und Schmerz zurück, als der glühende Türknauf seine Hand verbrannte. Ein leises Zischen ertönte und er konnte verkohlte Haut riechen. Hinter ihm erwachte die Bassgitarre zum Leben und gab einen tiefen, treibenden Beat von sich, schien auf den Rhythmus des Schlagzeugs einzusteigen. Die Melodie...das ist die Melodie auf dem Notenblatt.

Der Rhythmus beruhigte ihn, machte ihn müde wie diese asiatischen Chillout-CDs, die Melanie manchmal hörte. Seine Beine schienen sich in Holzbalken verwandelt zu haben und hörten nicht mehr auf die Befehle seines Verstandes. Die ganze Szenerie hatte etwas traumähnliches...das wabernde orange Licht, die unerträgliche Hitze...ja, fast war es so, als wäre Dave Teil einer tollen Bühnenshow, die Luft aufgeheizt von tausend hysterischen und schwitzenden Fans. Seine Hände waren willenlos, zumindest war es nicht mehr sein Wille, der sie veranlasste die Gitarre vom Boden aufzuheben. Das Notenblatt war überflüssig, er konnte die Melodie auswendig. Nahtlos stieg er in den Rhythmus des Schlagzeugs ein, der Bass begleitete ihn mit dröhnendem Beat. Die Hitze schien sich in loderndes Feuer verwandelt zu haben und Dave fühlte sich, als gäbe er ein Konzert für Luzifer persönlich. Doch dies war mittlerweile ohne Bedeutung. Sein Verstand hatte aufgehört zu existieren, etwas Größeres, Reineres als er selbst hatte sein winziges Ich in eine kleine Nische tief in seinem Kopf verdrängt. Keine Schmerzen, keine Selbstzweifel, keine Depressionen. Nur Schweiß, der ihm in Sturzbächen von der Stirn tropfte um sofort auf dem glühend heißen Boden zu verdampfen. Irgendetwas erinnerte ihn an die gemütlichen Grillabende früher bei seinen Großeltern. Wenn Grandpa zu viel getrunken hatte, konnte es schon mal vorkommen, dass er das Fleisch zu lange auf dem Grill liegen lies. Hätte er sich selbst beobachten können, hätte er einen jungen Mann gesehen, dessen Gitarre in die Hände eingebrannt war, wie geschmolzenes Plastik. Sein Gesicht blubberte wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht. Seine Haut warf Blasen wie Käse auf einer Pizza. Aber die Melodie war gut...so gut, dass sie ihm nie langweilig werden würde, auch wenn er sie hundert Jahre spielen müsste.

Wineman war überrascht, als er eine Stunde später vor dem Bandraum stand. Eigentlich war er nur nach Unten gegangen, um nach dem Rechtem zu sehen. Der Kellerraum hatte etwas Merkwürdiges an sich, unbestritten. Natürlich würde er das nie vor einem Interessenten zugeben, aber Wineman betrat den Raum niemals alleine. Und er würde es nie wagen, die Tür von innen zu schließen. Wahrscheinlich war es die kindische Angst vor dem Eingesperrtsein, aber nach der Sauerei, die damals da drinnen passiert war, wäre es wohl besser, den Raum für immer dichtzumachen. Er hatte es nicht selbst gesehen, sein Vater hatte ihm davon erzählt, aber die vier jungen Männer mussten ausgesehen haben, als wären sie...geschmolzen, ja, das war das richtige Wort. Geschmolzen und zerronnen wie eine Kerze.

Hätte sich der junge Bursche nicht auf seine Annonce gemeldet, hätte er den Raum auch dichtgemacht.
Aber er war überrascht. Der Junge spielte gut, er spielte sogar verdammt gut. Und, Moment mal...hatte er nicht gesagt, er mache alles allein, ein Alleinunterhalter? Nun, da drinnen war eine komplette Band, so wie es sich anhörte. Aber egal...solange ich mein Geld bekomme, ist es mir gleichgültig, wie viele Penner da drin sind.
Gut gelaunt und diese tolle Melodie pfeifend stapfte er wieder nach Oben. Er brauchte jetzt ein kühles Bier, irgendwie war es heute verdammt heiß.

 

Hi Mike!

Deine Geschichte gefällt mir, wirklich. Bis auf ein paar Kleinigkeiten hast Du die interessante Idee sicher umgesetzt, Stil und Sprache gefallen mir, ebenfalls die Charakterisierung von Dave und Wineman. Auch die Atmosphäre und der Spannungsaufbau haben es mir angetan.

Aber wie immer zuerst die Detailanmerkungen:

„Wo sind denn die anderen Jungs, hm? Liegen bei dem schönen Wetter wohl lieber im Schwimmbad und kippen sich einen hinter die Binde?“, fragte Mr. Wineman
Das "Hm" würde mir nach dem zweiten Satz besser gefallen, da es für mich den Wunsch nach einer Antwort oder noch eher Bestätigung impliziert, ähnlich wie "'Ne" oder "Gell". Und das passt doch eher zur zweiten Frage, oder?

Wineman hatte ihn wichtigtuerisch am Parkplatz erwartet, ihm gezeigt wo die vermögenden Gäste des Tennisclubs ihre Stammparkplätze hatten und welche Parkplätze Dave auf keinen Fall besetzen durfte, da sie für Gäste reserviert waren, die zwar nur einmal im Jahr kamen, aber darauf bestanden ihren eigenen Stellplatz jederzeit nutzen zu können
Abgesehen von den Wortwiederholungen - die übrigens noch an anderen Stellen vorkommen - gefällt mir "besetzen" nicht so gut. "Benutzen" fände ich persönlich sinniger.

dass sich an die 30 Spieler auf den Tennisplätzen tummelten
Auch wenn nur Zahlen bis einschließlich Zwölf ausgeschrieben werden müssen, würde ich keine als Ziffer darstellen. Naja, bei so komplizierten Dinger wie 21.423.461,501² kann man da schon mal 'ne Ausnahme machen. ;)
Aber Ausgeschrieben sehen sie einfach schöner aus.

ein T-Shirt der Hives (mit den neueste Tourdaten)
Weiter würde ich in Prosatexten auf Einfügungen in Klammern verzichten. Wenn die Zusatzinfo wichtig genug ist, erwähnt zu werden, dann sperr sie nicht in Klammern ein, sondern binde sie lieber im Text ein.

Seinen Lebensunterhalt mit Musik zu verdienen, dass war das Ziel das er sich gesetzt hatte.
"das"

wo er so laut und so lange spielen konnte wie er wollte, ohne das die Nachbarn die Polizei verständigten.
"dass"
Wenn Du "das" durch "jene" oder "welche" (oder auch "dies", unschön: "was", etc. pp.) ersetzen kannst, wird es mit einem "s" geschrieben, ansonsten mit zweien.

unter seinem Tennishirt wölbte sich ein bemerkenswerter Bierbauch
"Tennisshirt"
Ein paar Flüchtigkeitsfehler dieser Art kommen noch vor (z.B. Hare Krishna), check doch nochmal den Text.

Eine Stunde später war es dann tatsächlich vollbracht. Er hatte fünfmal den Weg vom Auto bis zum Bandraum zurücklegen müssen, so ein Schlagzeug bestand nämlich aus mehr Einzelteilen als man denken mag
"Nämlich" klingt für mich belehrend, als ob Du etwas näher erklären willst. Dadurch sprichst Du unbewusst den Leser an, der (zumindestens ich) dann im Lesefluss unterbrochen wird. Wörter wie "Immerhin" sind mE besser geeignet um ganz nebenbei etwas näher zu erläutern.


Also, wie ich schon sagte: Deine Geschichte gefällt mir gut. Nur das Ende finde ich etwas enttäuschend, besonders wegen der letzten Andeutung von Wineman - was geschah denn damals?
Ich weiß, es ist schwierig, eine Geschichte kunstvoll abzuschließen, ohne dass zu viel erklärt wird und man Gefahr läuft in blöde Klischees abzudriften. Ich würde dann aber auf Andeutungen verzichten, wenn sie denn nicht unbedingt notwendig sind.

Ich persönlich mag Geschichten lieber, wenn ich am Ende weiß, was warum passiert ist. Glaube aber, dass das hier nicht unbedingt passen würde, bzw. bei Dir gefällt mir der nichtaufgelöste Schluss recht gut. Aber irgendetwas fehlt mir bei Dir, oder vielleicht sind mir aber auch Andeutungen zu viel. Keine Ahnung. :hmm:
Warten wir einfach ein paar weitere Reaktionen ab.

Aber ansonsten, Hut ab, erzählerisch gehört Deine Story zu jenen, die mir hier besonders gut gefallen.

 

Hallo!

Endlich hat sich mal ein "alter Haudegen" von KG.de die Zeit genommen, eine meiner Storys unter die Lupe zu nehmen und dann: ausgerechnet eine meiner schlechteren Storys. Also hab ich schon das Schlimmste befürchtet *g*

Dafür freut mich dein Lob natürlich um so mehr, vielen Dank!

Die von dir angesprochenen Fehler (es sind einige, ich weiß) werde ich schnellstmöglich beseitigen. BTW: Schule ist schon ein wenig lange her...ich dachte immer, ein scharfes ß schreibt man nur direkt nach dem Komma?

Zum Schluß der Story:
Nun, da kann man sich selber was ausdenken. Aber ich hätte es so gedacht, daß in diesem Raum irgendetwas Böses herrscht und sich seine Bandkollegen selbst "sucht". Deshalb auch der Titel "Rockband sucht Sänger". Als Köder dient dazu das Notenblatt.

Oder Variante 2:
Eine andere Band hat diese teuflische Melodie komponiert, wurde wahnsinnig und dann haben sie sich alle selbst umgebracht. Daher sprach Wineman von einer "Sauerei".

Jeder kann die Variante nehmen, die ihm besser gefällt *g*

Vielen Dank und Gruß
Mike

 

Hm, wenn das eine Deiner schlechteren Geschichten ist, sollte ich vielleicht mal die Guten lesen. :hmm: :D

Wegen dass/daß: Ich glaube auch, dass dieses Wort nur nach Kommas kommt, zumindestens fällt mir gerade nichts Gegenteiliges ein. Aber "das" kann ebenfalls nach einem Komma kommen, z.B. Das Mädchen, das (welches) blonde Haare hat. Oder: Ich sah sie, das (jenes) Mädchen mit den blonden Haaren.
Von daher ist es auf keinen Fall eine verlässliche Regel für die dass/das-Wahl.

Btw: Meine Variante ist, dass irgendwann eine Band durch einen (evt. selbstverschuldeten) Brand im besagten Raum umkam und Dave in einer Art Zeitschleife das Ganze nach-, bzw. miterlebt. Inwieweit die Melodie dazu führte (wollte das "dämonische" Notenblatt gefunden werden um somit die Zeitschleife einzuleiten oder erschien es in einer ganz unwichtigen Rolle erst durch die Zeitschleife?) ist hierbei für mich das Unheimliche. Oder kam die Band auf die selbe Weise wie Dave um? Und seit wann passieren diese "Brände" dann schon? Usw., usw. ... :D

 

Hi nochmal!

Mit dem scharfen ß meinte ich dies hier:
"wo er so laut und so lange spielen konnte wie er wollte, ohne das die Nachbarn die Polizei verständigten."

Hier kommt also auch ein ß, obwohl es nicht direkt hinter dem Komma steht?

Deine Variante hört sich auch gut an. Vielleicht mach ich den Schluss noch eindeutiger, mal hören was die anderen dazu sagen.

Gruß
Mike

 

Ach so! *an stirn klatsch*
Jap, hier kommt es auch zum Einsatz, da "ohne" ja sozusagen dazu gehört. So wie beispielsweise auch "so" (so dass), im Fachmund heißt das dann "Konsekutivsatz".
Gibt noch mehere Varianten, z.B. mit "auf (dass)", "dadurch (dass)", etc. Hab extra für Dich gegoogelt. :D

 

Hi Mike,

also ich bin in meiner Meinung etwas zwiegespalten. Deine Charakterisierung und die Atmosphäre, die langsam aufgebaut wird haben mir gut gefallen. Dein Stil liest sich größtenteils sauber und flüssig. Der Raum hätte auch für mich etwas Unheimliches. Ein großer, leerer Raum. Mhhh, weiss nicht ob es nur mir so geht, aber wenn ich in sowas drinstehe wird mir sofort Schwindelig. Und dieses Gefühl hält lange an :(
Also was das betrifft hast du einen Wunden Punkt bei mir getroffen. Sehr unheimlich und gut beschrieben.

Allerdings hat mir das Ende nicht besonders gut gefallen. Die Idee an sich ist originell, trotzdem hätte ich mir etwas anderes erhofft. Ist jetzt wahnsinnig subjektiv, aber ich hätte mir das Böse in Form eines Geistes bzw Monsters gewünscht. Die Vorstellung, dass da plötzlich irgendetwas über den kalten Boden robbt. Woahhh, jo da hätts mich wesentlich mehr gegruselt :D
Frage mich gerade, wo der Horror in deiner Geschichte liegt. Eigentlich ist der Typ ja glücklich, dass er jetzt mit seiner Diablo-Band auf den Putz hauen kann.

Aber was solls, ich habs auf jeden Fall nicht bereut die Geschichte gelesen zu haben, weil gut geschrieben und zwischenzeitlich auch sehr spannend.

Kann mir nicht helfen, aber deine Geschichte wäre meiner Meinung nach bei X-Faktor gut aufgehoben. Dafür willst du mich jetzt wahrscheinlich erschlagen, aber das ist jetzt echt nicht Negativ gemeint.

Du sagst, dass dir deine anderen Geschichten wesentlich besser gefallen. Dann werd ich mich bei Gelegenheit mal darauf stürzen. Deine Schreibe gefällt mir, nur meine Vorstellung von Horror geht bei dieser Geschichte ein wenig verloren.

Im Nachhinein merke ich, dass ich dir mit dieser subjektiven Kritik gar nicht helfen konnte hehe
Aber ich hab sie nunmal gelesen und musste jetzt einfach mal meinen Senf dazu abgeben :p

schönen gruß
*Christian*

 

Hallo zusammen!

@Bibliothekar
Fehler wurden verbessert. Vielen Dank für's googeln, ist sehr nützlich.

@Fabian
Schön das es dir gefallen hat. Ja der Schluß...natürlich könnte ich auf die Schnelle noch was dazuschreiben, aber ich will die Story nicht verschlimmbessern. Immerhin ist die Story eigentlich schon vorbei, da wäre es blöd, wenn ich Wineman noch stundenlang erzählen liese, was damals passiert ist. Hab aber noch ein kurzes Sätzchen am Ende eingebaut, denke dadurch sollte es klarer werden.

@Anima
Du, mir hilft jede Meinung. Bin froh wenn überhaupt jemand antwortet :D
Jeder gruselt sich vor was anderem. Manche haben Angst vor Spinnen, andere lässt das völlig kalt. Da ich selbst Musik mache, würde ich es gruselig finden, wenn meine Instrumente sich plötzlich selbständig machen. Wenn ich dann auch noch eingesperrt bin und ich gegrillt werde...hm, mich würde es gruseln. Aber das ist auch subjektiv.
Ein Monster oder einen Geist habe ich grundsätzlich abgelehnt bei dieser Story. Ich dachte mir "gähn, nicht schon wieder ein Zombie oder Geist". Solche Storys gibt's wie Sand am Meer. Da fand ich es interessanter, den Raum selbst unheimlich und böse sein zu lassen. Im Prinzip eine sehr altmodische Geschichte, nur in modernem Design.

Vielen Dank für's Lesen!

Gruß
Mike

 

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