Was ist neu

Robotprobleme

Seniors
Beitritt
03.07.2004
Beiträge
1.585
Zuletzt bearbeitet:

Robotprobleme

„Chef, darf ich Sie mal .. .“
„Was ist denn jetzt schon wieder. Wie soll ich bei diesen ständigen Unterbrechungen denn zum Arbeiten kommen. Und Sie wieder, Herr Brommeier. Mir schwant schreckliches.“
Brommeier, ein dreißigjähriger Robotroniker, konnte keinen Moment stillstehen. Kein Wunder, dass er dürr war wie eine Bohnenstange. Er schluckte zweimal, wedelte ein wenig mit seinen Armen und schaukelte dann im Takt seiner Worte vor dem Schreibtisch des achtundfünfzigjährigen Chefingenieurs Robert Wolters hin und her. „Robot 12-BX-2811 benimmt sich eigenartig.“
Wolters schaute seinen Mitarbeiter aus müden Augen an. Er saß gebückt hinter seinem Schreibtisch und man sah seiner Haltung an, dass ihn die Last seiner Arbeit niederdrückte. Es gab Wetten, wann Wolters ganz unter dem Schreibtisch verschwinden würde, aber noch schien es nicht so weit.
„Und was bedeutet eigenartig? Würden Sie mir das freundlicherweise auch noch verraten? Hellsehen kann ich bisher nicht, als ob das jemanden interessieren würde. Also was ist nun? Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“
„Nun er erledigt seine Arbeit programmgemäß. Ein Mitarbeiter steckt die Materialkarte ein und schon geht er los und holt das bestellte Teil. Aber wenn er keine Aufträge hat, na ja, also dann ..“
„Singt er oder hält er ein Schläfchen? Haben wir alles schon gehabt.“
„Nein, nach fünf Minuten Pause verlässt er den Raum und kommt nach kurzer Zeit mit einem Kasten Bier wieder. Das Bier verteilt er an die Arbeiter. Ich habe davon bisher nichts gewusst, aber heute wurde wohl sehr wenig Material benötigt und wir mussten jetzt alle Arbeiter der Gruppe 12 vorzeitig nach Hause entlassen.“
„Das verstehe ich nicht. Wieso mussten sie die Arbeiter gehen lassen.“
„Weil sie eben nicht mehr gingen, sondern vor sich hin torkelten. Das war auf der Arbeit viel zu gefährlich.“
„Ach ja, wie oft habe ich der Finanzabteilung schon gesagt, sie sollen mehr Geld bewilligen. Wir können uns nur gebrauchte Robots leisten und dann kommt so etwas dabei heraus. Wahrscheinlich hat irgendjemand bei dem vorherigen Besitzer zum Gaudi der Mitarbeiter am Programm herumgebastelt und wir müssen jetzt damit zurechtkommen. Also analysieren Sie das Programm und beseitigen Sie den Fehler. Wieso kommen Sie mit so einer Kleinigkeit überhaupt zu mir?“
„Nun ich kann Programmblöcke einspielen und auch wieder entfernen, aber die Analyse und Korrektur von Programmen wird erst im siebten Semester gelehrt. Und ich habe ja nur meinen Bachelor nach vier Semestern absolviert.“
Wolters schaute nur ungläubig.
„Naja, soweit ich weiß, sind Robotroniker und Computroniker mit Magisterabschluss der Finanzabteilung zu kostspielig und mit zu viel unnützem Wissen vollgestopft.“
Wolters trommelte auf den Schreibtisch und ließ dann seinen Kopf auf die Platte sinken. „Ich halte das nicht mehr aus. Wissen ist offensichtlich nur noch für Eliten wichtig. Wenn keine Arbeiter mehr da sind, dürften sich die Bierkästen inzwischen stapeln. Was sollen wir nun unternehmen? Das Bier in alle Abteilungen verfrachten?“
„Ich dachte, vielleicht könnten Sie sich ja persönlich darum kümmern. Ich meine, Sie sind der Chef und da .. .“
„Mein lieber Brommeier, ich bin jetzt achtundfünfzig Jahre alt. Was denken Sie denn, was vor fünfunddreißig Jahren gelehrt wurde? Wir hatten einige Roboter aus Japan und haben gelernt sie extern zu steuern. Da musste jeder Handgriff eingegeben werden. Die Roboter damals waren dumm.“
„Na ja, heute sind sie auch nicht gerade schlau.“
„Also wenn sie mal die Roboter damals und die heute vergleichen, dann besteht da aber ein sehr großer Unterschied im Grad der Dummheit. Gehen Sie mal in die Abteilung Drei. Dort laufen immer mal Freaks herum, die bei uns ein Praktikum absolvieren und hinreichend Programmierkenntnisse haben. Suchen Sie einen, der Robots umprogrammieren kann und weiß, was er tut. Und dann hoffen wir, dass der Bierstrom versiegt.“

***​

„Chef, darf ich Sie mal .. .“
Wolters schien die Luft auszugehen. Er sackte hinter seinem Schreibtisch zusammen und stöhnte „Schon am frühen Morgen:“
„Es geht um den 32-ZZ-255.“
„Das sagt mir nichts. Ist der etwa neu?“
„Ja, gestern Vormittag angeliefert worden.“
„Und schon nicht mehr funktionsfähig. Wo sind wir bloß gelandet?“
„Waren wir unterwegs, Chef? Oder was meinen Sie?“
„Nun erzählen Sie schon. Was tut der 32-ZZ-255?“
„Nichts. Jedenfalls manchmal.“
„Reden Sie einfach weiter. Sie werden ja merken, wenn ich vor Erschöpfung einschlafe.“
„War das jetzt ironisch gemeint? Jedenfalls, der Robot arbeitet vier Stunden an dem Fließband, so wie es ihm einprogrammiert wurde. Er nimmt von drei Bändern jeweils ein Teil, setzt die Teile zusammen, verschraubt sie und legt das neue Teil auf ein anderes Fließband. Aber dann hört er einfach auf zu arbeiten und steckt seine rechte Hand in eine Steckdose. Und die Produktion an den Fließbändern bricht zusammen. Aber der 32-ZZ-255 rührt sich zwei Stunden lang nicht mehr. Dann beginnt er wieder zu arbeiten, als ob nichts geschehen sei. Der Produktionsleiter fordert jetzt einen zweiten Robot, damit die beiden abwechselnd eingesetzt werden können. Ich habe mich an den Praktikanten gewandt, der 12-BX-2811 umprogrammiert hat. Aber der meinte, so eine Maschine habe er noch nicht gesehen, da wisse er nicht weiter.“
„Woher auch. Der Robot ist doch sicher gebraucht gekauft?“
„Ja, soweit ich weiß, er sieht schon ein wenig mitgenommen aus.“
„Und rollt zu verschiedenen Einsatzorten. Wird er dort mit einer Steckdose verbunden?“
„Genau, er hat ein Verlängerungskabel, das man in eine Steckdose stecken soll. Deshalb waren die Arbeiter ja so erstaunt, dass er noch eine Steckdose benutzt.“
„Dann gehen Sie jetzt mal zurück und entfernen den stationären Stecker aus der Steckdose. Wenn sich dann nichts ändert, ziehen Sie mal kräftig an dem Kabel. Und lesen Sie bitte mal das Herstellungsjahr und die Betriebsstunden aus.“
Zehn Minuten später: „Also das Stromkabel war nur ein Gummischlauch, der in den Robot geklemmt war. Das Herstellungsdatum ist 2044, er ist also drei Jahre alt und er hat 25.000 Betriebsstunden gearbeitet.“
Herr Wolters seufzte tief auf. „Oh ihr Gutgläubigen. Möge euch der Himmel erleuchten. Aber bitte ein bisschen plötzlich.“
Jetzt stand Herr Brommeier verwirrt da. „Ich verstehe nicht.“
„Setzen Sie sich hin. Ich werde ein wenig Zeit benötigen um Ihnen das in einfachen Worten zu erklären. Dieser Robot 32-ZZ-255 war bereits veraltet, als Sie in den Kindergarten kamen. Vor dreißig Jahren haben wir den 32-ZZ-417 in dieser Firma verschrottet. Er war unser letztes Exemplar dieser Reihe“
„Woher wissen Sie das? Sie haben den Automaten doch noch gar nicht gesehen. Oder doch?
„Vor dreißig Jahren habe ich zuletzt ein Exemplar gesehen. Aber das wichtigste Erkennungsmerkmal haben Sie mir ja soeben berichtet. Hören Sie jetzt erst einmal zu, dann können Sie Fragen stellen. Damals hatten alle mobilen Elektrogeräte, also Autos, Roboter, U-Bahnen und so weiter schwere Akkus, die nur wenige Stunden Strom liefern konnten. Im Jahr 2030 wurde endlich der leichte Vierschicht-Akku erfunden und damit hatten die alten Akkus ausgedient. Aber weil diese alten Akkus nur eine kurze Laufzeit hatten, waren die mobilen Robots mit einem speziellen Stromabnehmer ausgestattet. War ihr Akku leer, beendeten sie ihren Einsatz und fuhren aus einem Arm drei Stifte aus, die sie in die nächste Steckdose steckten. Und der Ladevorgang nahm dann sehr viel Zeit in Anspruch.“
„Das verstehe ich, aber woher sollten wir diesen Robot kennen, wenn er schon so lange nicht mehr verwendet wird.“
„Die Geschichte der Robotik interessiert anscheinend nicht mehr. Man kann heute ja alles nachschlagen. Warum soll man da noch irgendetwas lernen. Aber man informiert sich natürlich nicht, sondern vertraut gefälschten Daten. In meiner Jugendzeit war das Manipulieren des Kilometerzählers und der Herstellungsdaten bei gebrauchten Fahrzeugen ein lukratives Geschäft. Man musste immer misstrauisch sein, wenn man keine Ahnung hatte. Aber heute ist wohl wieder blauäugiges Vertrauen angesagt.“

***​

„Chef, darf ich Sie mal .. .“
„Ich möchte nur einen Arbeitstag erleben, an dem ich diesen Satz nicht höre.“ Herr Wolters schaute trübsinnig auf Herrn Brommeier. „Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich jetzt sagen: Verschwinden Sie.“
„Haben Sie das zu dem Robot auch gesagt?“
„Wollen Sie etwa behaupten, ein Robot sei verschwunden?“
„In der Werkhalle zwei wird seit gestern um vierzehn Uhr und elf Minuten der Robot 13-PQ-299 vermisst.“
„Also um vierzehn Uhr und zehn Minuten stand er noch an seinem Platz und um vierzehn Uhr und elf Minuten löste er sich in Luft auf.“
„Nicht ganz. Vielmehr wurde ihm aufgetragen, ein Ersatzteil aus dem Ersatzteillager vier zu holen. Und dann ging er los und ist nicht wieder aufgetaucht.“
„Bin ich eigentlich der letzte Mensch in dieser Firma, der noch gelernt hat, sein Gehirn zu benutzen?“
„Ähm, darüber müsste ich erst einmal nachdenken, aber ich verstehe nicht, was das mit dem verschwundenen Robot zu tun hat.“
„Nun, ist er im Ersatzteillager angekommen?“
„Nein, eben nicht. Das ist ja das komische.“
„Also ist er immer noch auf dem Weg zum Ersatzteillager vier.“
„Aber es sind keine zweihundert Meter Fußweg von der Werkhalle zum Lager und niemand hat ihn in den letzten Stunden auf dem Weg gesehen.“
„Wie lange ist 13-PQ-299 hier tätig?“
„Also er war schon vor mir da. Ich meine, er ist zehn Jahre in der Firma.“
„Vor zehn Jahren wurde ihm also der Plan des Firmengeländes einprogrammiert, damit er wusste, wie er wohin kommen konnte.“
„Genau.“
„Und wie kam man vor zehn Jahren in das Ersatzteillager vier?“
„Der Eingang ist vorne neben Halle drei. Aber soweit ich weiß, besteht dieser Eingang erst seit drei Jahren. Glauben Sie etwa, der Robot steht vor einem Eingang, den es nicht mehr gibt? Aber dann müsste er doch auffallen und er kann doch sprechen und hätte bestimmt jemanden gefragt.“
„Sicher, wenn er jemanden getroffen hätte.“
„Wieso, auf dem Gelände laufen doch ständig Mitarbeiter herum.“
„Vor sechs Jahren sollte die Halle drei erweitert werden. Deshalb wurde der Eingang zum Lager vier zugemauert und ein neuer Eingang eingebaut.“
„Dann steht der Robot eben vor dem alten Eingang. Aber ich frage nochmal: Wieso sieht ihn niemand und wieso fragt er niemanden?“
„Wäre er ein Mensch, würde man von ihm sagen, er sei ein wenig stur. Als Robot hat er nie gelernt, zurück zu gehen. Er verfolgt zielbewusst seinen Auftrag und wenn er nicht weiterkommt, bleibt er stehen und geht nicht zurück, um sich neue Anweisungen zu holen.“
„Das kann ich nachvollziehen. Aber wo ist er denn nun?“
„Der Robot oder der frühere Eingang?“
„Beide natürlich.“
„Der Ingenieur, der die Bauzeichnungen für Halle drei erstellt hat, hatte sich vermessen. Das hat wie üblich niemand bemerkt. Als die Arbeiten abgeschlossen waren, lag Halle drei nicht direkt neben Halle zwei, sondern zwischen beiden befand sich eine schmale Sackgasse, die bald durch eine Tür verschlossen wurde, damit sich kein weiterer Müll ansammelte.“
„Ja, die Tür kenne ich. Ich habe gedacht, das ist ein Notausgang von Halle drei.“
„Der Gang führt stattdessen genau zu dem früheren Eingang vom Ersatzteillager vier.“
„Jetzt weiß ich also, wo der frühere Eingang liegt. Aber so ganz begreife ich noch nicht. wo denn der Robot abgeblieben ist.“
„Na, wenn Sie denken gelernt hätten, wäre es Ihnen klar und logisch: 13-PQ-299 kommt an die Tür, öffnet sie, da er ja alle Türen auf dem Gelände öffnen kann, tritt in den Gang und schließt die Tür wieder. Er ist schließlich ein ordentlicher Robot. Dann geht er den Gang entlang, durch den er gerade durchpasst und steht am Ende vor einer Wand. Er sieht keine Tür, aber ich erinnere mich, dass an der Wand von Halle zwei die Türsprechanlage zum Lager angebracht war. die damals nur abgeklemmt wurde und sich jetzt nutzlos an der Seite einer Tür befindet, die gar nicht mehr da ist.“
„Und der Robot drückt geduldig auf die Klingel und wartet, dass ihm jemand die Wand öffnet.“
„Genau, solange bis sein Akku leer ist.“
Herr Brommeier schaute eine Zeitlang wie ein leicht verwirrter Robot, dann stürmte er aus dem Büro.
Nach fünfzehn Minuten kam er wieder hereingeschossen: „Wir haben jetzt ein langes Kabel verlegt, damit der Akku wieder aufgeladen werden kann. Und die Konstruktionsabteilung hat vorgeschlagen, den Robot durch ein neueres Modell zu ersetzen.“
„Nun ja. Wir haben früher laufend in jedwede Elektronik Updates eingespielt. Aber heute wird höchstens mal eine Platine gewechselt, wenn der Hersteller eine neue Version zuschickt. Wie man den Lageplan im Robot updaten kann, weiß wahrscheinlich niemand mehr. Aber so ist eben das heutige Leben: Wenn die Maschine nicht mehr geht, wird sie eben verschrottet. Das ist doch viel einfacher und strengt den armen Kopf nicht übermäßig an.“
„Also. Chef, manchmal verstehe ich sie wirklich nicht.“

***​

„Chef, darf ich Sie mal .. .“
„Nein. Kommen Sie morgen wieder.“
„Dann wird es zu spät sein.“
„Ach, geht die Welt unter?“
„Nein, aber die Firma wird überschwemmt.“
„Brommeier, wir liegen hier auf einem Berg, mindestens dreihundert Meter über dem Stausee. Wo soll das Wasser da wohl herkommen?“
„Kein Wasser, Gummiringe.“
„Wieviel haben Sie heute schon getrunken, Herr Brommeier?“
„Herr Wolters! Ich muss doch bitten. Endlich hat die Finanzabteilung der Anschaffung eines völlig neuen Produktionsrobots zugestimmt und dann geht alles schief.“
„Eigenartig. In dieser Firma geht doch nie was schief. Also, was ist?“
„Die Konstruktionsabteilung hat dem 96-AP-804 mit seinem Programmmodul eingegeben, Dichtungsringe zu produzieren. Herr Engelbrecht aus der Abteilung hat mir erklärt. dass diese Ringe aus vier Teilen bestehen, die ineinander eigepasst werden müssen. Mit Maschinen haben wir das noch nicht hinbekommen, weil deren Steuerungsprogramme nicht fein genug sind und in Handarbeit dauert die Herstellung eben sehr lange. Es gibt fünf Programme für die unterschiedlichen Dichtungsringe. Die Ingenieure haben den Robot jeweils einhundert Muster erstellen lassen und die auf Herz und Nieren überprüft. Die Muster waren einwandfrei, also wurde der Robot beauftragt, jeweils fünftausend Dichtungsringe zu erstellen. Das wäre dann genügend Material für die Produktion von zwei Wochen gewesen und der 96-AP-804 hätte eine andere Aufgabe erhalten.“
„Na gut, aber fünfundzwanzigtausend Dichtungsringe würden nicht einmal mein Büro überschwemmen.“
„Soweit ich feststellen konnte, hat Herr Engelbrecht von der Konstruktionsabteilung das Programm gestartet und die gewünschte Anzahl eingegeben. Dann hat der Robot irgendetwas angezeigt und Herr Engelbrecht hat gemeint, er wolle wissen, ob die Eingabe fertig sei und hat deshalb auf Ja gedrückt.“
„Und?“
„Dann hat der Robot angefangen zu produzieren. Er ist ja wirklich hochmodern mit einem eigenen Warenwirtschaftsprogramm und eigenem Bestellwesen. Heute morgen haben sich die Mitarbeiter gewundert. In der Werkhalle standen 10 Materialboxen mit Gummiringen. Der Robot hat sie mit Aufklebern versehen, aus denen sich der Inhalt ergibt. In jeder Box waren demnach zehntausend Gummiringe. Da war klar, dass irgendetwas schief lief.“
„Herr Engelbrecht hätte wohl lieber auf Nein drücken sollen.“
„Ja, nach Studium des Handbuches wurde deutlich, dass der Robot vermutlich gefragt hatte, ob die Maßeinheit Materialbox sei. Schließlich ist er für die Produktion großer Mengen ausgelegt. Und jetzt füllt er also fünfundzwanzigtausend Materialboxen mit zweihundertfünfzig Millionen Dichtungsringen.“
„Ich glaube, wir brauchen keine Überschwemmung zu befürchten. Weder haben wir so viele Materialboxen noch haben wir genügend Dichtungsringe. Er wird also schon aufhören, wenn das Material verbraucht ist.“
„Eben nicht. Heute morgen standen die ersten LKW vor dem Tor mit Materialboxen und Dichtungsringen en Masse. Inzwischen ist die Straße mit anliefernden Fahrzeugen blockiert.“
„Eigentlich kann ich ja nur lachen. Ist noch niemand auf die Idee gekommen, den Not-Aus-Knopf zu betätigen?“
„Doch, gleich heute Morgen. Aber der Knopf ließ sich nicht drücken und da meinte Herr Engelbrecht, man müsse den Knopf wahrscheinlich herausziehen.“
„Unwahrscheinlich, aber gut. Ist dann was geschehen?“
„Ja, der Knopf ist mit einigen Platinen aus dem Robot herausgeschossen, aber der stört sich gar nicht da dran.“
„Vielleicht sollte man ihm einen ordentlichen Fußtritt versetzen:“
„Das hat Herr Engelbrecht ja getan und daraufhin hat der Robot zurückgetreten. Die Unfallklinik hat inzwischen vorgeschlagen, bei uns eine Filiale zu eröffnen.“
„Das ist doch absurd. Wieso denn so ein Vorschlag?“
„Der Robot tritt nach jedem Menschen, der sich ihm zu nähern versucht. Und er hat seine Produktionsgeschwindigkeit erhöht. Ich fürchte, wir haben einen durchgeknallten Robot.“
Herr Wolters griff zum Telefon und sprach etwa zehn Minuten mit jemandem. Herr Brommeier machte dabei wieder einmal die Erfahrung, dass das Mithören einseitiger Gespräche wenig Informationen bringt. Herr Wolters dagegen grinste immer mehr. Dann legte er den Hörer zurück und begann haltlos zu lachen.
„Was ist denn passiert, wen haben Sie angerufen, haben Sie eine Lösung?“
„Ganz einfach. Ich habe den Verkaufsleiter der Robotindustrie AG angerufen. Sie hatten uns einen anderen Robot aus der Serie zum Kauf angeboten. Aber der Leiter unserer Finanzabteilung wollte unbedingt diesen haben. ‚Sieht doch genauso aus und ist um zehn Prozent günstiger.‘ Der Kaufvertrag für dieses Sonderangebot befindet sich gewiss in der Finanzabteilung. Aber auf ihm steht ausdrücklich rot unterstrichen, es sollte mit größter Vorsicht bedient werden.“
„Warum das denn?“
„Nun, die Konstrukteure hatten ein wenig herumexperimentiert und jetzt neigt dieser Robot dazu, nun, sagen wir mal, bockig zu werden, wenn ihm etwas nicht passt.“
„Wie schrecklich. Was können wir denn jetzt tun?“
„Zwei Mitarbeiter der Robotindustrie AG sind bereits unterwegs. Sie werden den Robot mit einem gezielten Laserstrahl außer Gefecht setzen und uns auch gleich ein Exemplar ohne Absonderlichkeiten gegen den entsprechenden Aufpreis mitbringen.“
„Ja aber, warum haben sie uns dann überhaupt diesen Robot verkauft? Da hätte doch wer weiß was geschehen können.“
„Nun, ich denke, die Mitarbeiter in der Robotindustrie AG wollten uns verdeutlichen, dass wir uns auf sie verlassen müssen und das kaufen sollten, was sie uns anbieten, damit wir nicht laufend Robotprobleme haben.“
„Aber wir haben uns doch immer ausgesucht, was uns zusagte.“
„Und was ist dabei herausgekommen? Das haben wir doch in den letzten Tagen erfahren dürfen.“
„Und jetzt? Sollen wir etwa keine gebrauchten Robots mehr kaufen?“

„Morgen beginnt mein Resturlaub und in zwei Wochen gehe ich in den Ruhestand. Dann wird es in der ganzen Firma keinen Angestellten mehr geben, der hinreichend geschult ist und gelernt hat, seinen Verstand zu nutzen. Wie will die Firma dann mit den Macken und Fehlern gebrauchter Robots umgehen. Und für neue Robots gibt es außer der Robotindustrie AG keinen anderen Anbieter. Ich denke, die Firma wird sich künftig darauf verlassen müssen, dass ihr die Maschinen verkauft werden, die sie tatsächlich benötigt.“
„Das klingt aber nicht gut.“
„Vor dreißig Jahren haben Wissenschaftler vor der Entwicklung gewarnt, dass Wissen immer mehr für unnützen Ballast gehalten wurde und Forschung nur noch für Eliten an den Hochschulen der Industriekonzerne von Bedeutung war. Langsam haben wir das Bildungsniveau des Mittelalters erreicht. Schon damals waren Lesen, Schreiben und Rechnen nur für wenige Spezialisten gedacht. Aber was wir der Menschheit damit angetan haben, bemerkt keiner mehr. Die meisten Menschen sind inzwischen gar nicht in der Lage, abstrakt zu denken. Und die es können, haben kein Interesse, sich selbst den Geldhahn zuzudrehen. Also Herr Brommeier: Willkommen in der schönen neuen Welt.“

 

Ich bin neu hier und möchte dir sagen, deine Geschichte hat mir gefallen. Viele Sachen lese ich gar nicht weiter, nach dem ersten Absatz gefällt mir vieles nicht. Über Rechtschreib- und Kommafehler habe ich gar nicht erst gesucht. Ich würde es vermessen fühlen, dir einen Fehler anzukreiden, bei deiner wie ich denke Erfahrung. Wie gesagt, ich stehe voll am Anfang und ich fand sie witzig.
Gruß Karin aus dem hohen Norden bei Dänemark

 

Hallo KrPetersen,

kommst Du aus dem Süden Dänemarks, weil Du so gut Deutsch schreibst?
**Danke für Deine positive Kritik. Ich schreibe sosnt nicht so lange Geschichten und war mir gar nicht sicher, ob diese Geschichte ankommt. Aber jetzt habe ich eine Zustimmung.

Vielen Dank und liebe Grüße

Jobär

 

Nein, ich wohne schon in Deutschland, aber in der letzten Ortschaft vor Dänemark, die Grenze ist nur 3 km entfernt.

Schönen Sonntag noch

Karin

 

Hallo Jobär,

angenehm geschrieben, auch flüssig zu lesen. Inhaltlich aber nicht packend, eher banal und langweilig formuliert, auch sehr oberflächlich gehalten. Deine Geschichte fühlt sich an, wie wenn Opa dem Enkel eine Gute-Nacht Geschichte vorliest, mit der Moral am Ende.

Die Thematik ist natürlich hochbrisant, weshalb ich es schade finde, dass du sie in die Zukunft verfrachtest und anhand der Roboter aufzeigst. Aktuelle Beispiele gibt es mehr als genügend. Gerade das Internet bietet hier unzählige Möglichkeiten an. Manch einer wird sich dann garantiert an einen ähnlichen Vorfall in seinem Leben erinnern, und vielleicht regst du ihn dann zum Nachdenken an. Dass kann deine Robotergeschichte nicht. Sie ist zu entkoppelt von heute. Deshalb würde ich hier auch keine Roboter verwenden.

Packender wäre es auch, wenn die Geschichte nicht in „Listenform“ geschrieben wäre. Es führt doch zu einem sehr passiven Ablauf, sehr viel ist erzählerisch gehalten.

Ich schreibe sosnt nicht so lange Geschichten

Mein Tipp: lass es krachen. Schreiben kannst du ja.

Willkommen in der schönen neuen Welt.

;)

Viele Grüße
Kroko

 

Hallo Kroko,

danke für Deine Kritik. Diese geschichte hat sich ohne meinen Willen so entwickelt und jetzt, wo sie fertig ist, stelle ich mir auch die Frage, ob man nicht eine bissige Satire über Wissenschaftsphobie usw. heutzutage verfassen sollte.*Aber das wäre halt eine andere Geschichte, also lss ich diese erst mal so.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Jobär,

ich lese grundsätzlich gern Science Fiction und mag auch Robot-Geschichten ganz gern, deshalb habe ich mich auf Deinen Text gestürzt. Du hast da sicher einige schöne Ansätze drin, aber die Geschichte funktioniert für mich aus verschiedenen Gründen nicht gut. Ich denke, dass das weniger mit dem Thema der Geschichte zusammenhängt, als viel mehr mit einigen grundsätzlichen Schwächen Deiner Schreibtechnik. Vielleicht helfen Dir deshalb ein paar meiner Empfehlungen:

1) Wie die Menschen reden

Menschen reden natürlich überall ein bisschen anders, abhängig von Land und Kultur, Alter und Bildung, Beruf und Szene. Aber sicher reden sie nicht so:

„Was ist denn jetzt schon wieder. Wie soll ich bei diesen ständigen Unterbrechungen denn zum Arbeiten kommen. Und Sie wieder, Herr Brommeier. Mir schwant schreckliches.“

oder so:

„Und schon nicht mehr funktionsfähig. Wo sind wir bloß gelandet?“
„Waren wir unterwegs, Chef? Oder was meinen Sie?“

oder so:

„Reden Sie einfach weiter. Sie werden ja merken, wenn ich vor Erschöpfung einschlafe.“

oder so:

„Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich jetzt sagen: Verschwinden Sie.“

Das klingt alles zu manieriert, zu sehr auf einen Kalauer abzielend, zu sehr nach Dieter Hallervorden und Eddi Arent. Doch was in einer Sketch-Show funktionieren mag, funktioniert nicht zwangsläufig in einer Geschichte. Ich würde das komplett rausnehmen, die Figuren kürzer sprechen lassen und allgemein das Geschwafel bändigen.

2) Das Problem mit Dialog-Geschichten

... besteht darin, dass sie nur Bilder aus zweiter Hand erzeugen. Der Leser sieht nie eine konkrete Szene vor sich, in der die Ereignisse der Geschichte ablaufen, sondern beobachtet lediglich zwei Sprecher, die über Dinge reden, die passiert sind. Das macht es schwierig, den Leser in das Geschehen zu ziehen, obwohl Könner des Schreibhandwerks das durchaus fertig bringen.

Das Problem hier ist substanzieller Natur. Wenn einem das Gequassel der Menschen im Alltag auf die Nerven geht, will man nicht unbedingt Geschichten lesen oder Filme schauen, in denen die Protagonisten die ganze Zeit schwafeln. Denn das Gerede der Menschen ist stets eitel. Ihre Handlungen hingegen haben mehr Authentizität, insbesondere, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Und das ist eben auch das Problem Deiner Figuren: Sie reden eitel auf einen Effekt hin, wollen sich aufspulen oder rechtfertigen, das ist (zumindest für mich) sehr ermüdend, denn ich kann die Figur hinter ihrer Fassade kaum erkennen.

3) Weitschweifigkeit ist eine Sünde

Naja, zumindest, wenn man eine spannende Geschichte erzählen möchte. Du kommst bei Deinen Erläuterungen zu dem problematischen Verhalten der Robots einfach nicht auf den Punkt. Aus diesem Grunde würde ich die Verschnörkelungen rauskürzen. Hier zum Beispiel:

„Die Konstruktionsabteilung hat dem 96-AP-804 mit seinem Programmmodul eingegeben, Dichtungsringe zu produzieren. Herr Engelbrecht aus der Abteilung hat mir erklärt. dass diese Ringe aus vier Teilen bestehen, die ineinander eigepasst werden müssen. Mit Maschinen haben wir das noch nicht hinbekommen, weil deren Steuerungsprogramme nicht fein genug sind und in Handarbeit dauert die Herstellung eben sehr lange. Es gibt fünf Programme für die unterschiedlichen Dichtungsringe. Die Ingenieure haben den Robot jeweils einhundert Muster erstellen lassen und die auf Herz und Nieren überprüft. Die Muster waren einwandfrei, also wurde der Robot beauftragt, jeweils fünftausend Dichtungsringe zu erstellen. Das wäre dann genügend Material für die Produktion von zwei Wochen gewesen und der 96-AP-804 hätte eine andere Aufgabe erhalten.“

Wenn ich das so lese: Konstruktionsabteilung - 96-AP-804 – Programmmodul – Dichtungsringe - Herr Engelbrecht – Steuerungsprogramme - fünf Programme – unterschiedliche Dichtungsringe - einhundert Muster - fünftausend Dichtungsringe – Produktion ... Es grenzt an Masochismus, einen solchen Abschnitt konzentriert zu lesen. Wer so etwas mag, liest wohl hobbymäßig Gebrauchsanweisungen. Das ist zu trocken, zu lang, zu trivial.

Ich werde mal in andere Geschichten von Dir reinschauen und melde mich dann noch mal.

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus,

danke für Deine ausführliche Kritik. Ich hatte mir überlegt, ob ich Science-Fiction überhaupt auswählen soll, denn meine Geschichte ist eigentlich keine Robotergeschichte. Ich werde mir meinen Text noch genauer nach Deinen Anmerkungen anschauen, aber auf den ersten Blick vermute ich, dass Du von meiner Geschichte etwas erwartet hast, was sie nicht erfüllen wollte und, so wie sie geschrieben ist, auch gar nicht kann.

Liebe Grüße

Jobär

 

Von der Idee her finde ich die Geschichte gut. Wolters ist der letzte Mitarbeiter in der Firma, der noch Probleme lösen kann, quasi der Einäugige im Land der Blinden.
Aber für eine Geschichte dieser Art ist sie viel zu lang.
Jede der vier Teilgeschichten soll ja nur demonstrieren, daß Herr Brommelmeier nicht mehr abstrakt denken kann, aber jede ist ein bis zwei Seiten lang.

 

Hallo Schwarzer Ritter,

freut mich, dass Du die Idee gut fandest. Als ich die Geschichte zum dritten Mal umgeschrieben hatte, bestand sie eigentlich aus vier Einzelgeschichten und ich habe lange überlegt, ob ich wirklich eine Serie daraus mache. ich schreibe sonst nicht so lange Geschichten, aber da die "Lösung" für alle vier Teile am Schluss kommt, wäre es keine richtige Serie, deshalb habe ich es so in dieser überbordenden Länge gelassen.

Liebe Grüsse

Jobär

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom