Roberta und die Hühnerbeininsel
Roberta, die korpulente Hotelbesitzerin, stieg ächzend und schwitzend eine kleine Anhöhe hinauf, von der aus man die gesamte Hühnerbeininsel überblicken konnte. Die Hühnerbeininsel sah, wie der Name vermuten lässt, wie ein überdimensionaler Donut aus. Roberta stand stöhnend und schnaufend auf dem kleinen Hügel und schaute über ihr Reich - ein wunderschönes Eiland mit einer artenreichen Flora und Fauna. Robertas Blick fiel auf eine kleine Lichtung, die sich direkt unter dem Hügel befand. Dort unten, wo liebliche Blümchen sprossen, genau dort, wo jetzt süße kleine Häschen spielten und vom Aussterben bedrohte Vögelchen nisteten, würde sie ihre riesige Hotelanlage hinbauen. Ein in Robertas Augen wohlgeformter Betonklotz, der Ähnlichkeiten mit einem Riesendominostein aufwies. Dort sollten gestresste und ungeliebte fette Frauen wie Roberta selbst Zuflucht und Entspannung finden.
Roberta sah schon alles genau vor sich. Hunderte, nein Tausende, ach was Millionen und Milliarden von Frauen würden wöchentlich ins Women Drive In einchecken, um zu relaxen und etwas Annerkennung für ihre Taten, wie schlafen, essen, fernsehen, schlafen und essen, zu finden. Robertas Gesicht füllte sich mit einem leicht dümmlichen Lächeln als sie vor sich hin träumte. Im selben Augenblick verdunkelte sich der Himmel. Roberta versuchte hinaufzusehen, aber die Fettringe über ihren Augen hinderten sie daran. ,,Was zur Sahnetorte ist das nur?’’, fragte sich Roberta. Ein von mehreren Helikoptern getragenes Paket plumpste vom Himmel. Genauer gesagt, es plumpste genau auf die Lichtung, auf der gerade noch Häschen spielten, Vögelchen nisteten und Blümchen sprossen. Nur vereinzelt schaute noch ein Hasenfüßchen oder ein Vogelschnäbelchen unter dem rosarot verpackten Paket hervor. Doch Roberta war das Schicksal der armen Tiere und Pflanzen egal. Was für sie zählte war das Paket. Noch auf der Anhöhe stehend, begann Robertas Herz vor Aufregung an laut zu pochen. Padam-Padam-Padam! Roberta rollte den Hügel geschwind hinab und befand sich plötzlich in einer gewaltigen Staubwolke. Sie klopfte sich den Dreck von ihrem immer noch wabbelnden Körper. Die Staubwolke legte sich und Roberta sah das Paket hinauf. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Die Leute vom Otto Katalog hatten das Hotel tatsächlich innerhalb von drei Werktagen geliefert! Als sie das kitschige Geschenkband löste, fand sie, dass das Hotel all ihren Erwartungen übertraf. Das in zart bonbonrosa gehaltene Women Drive In funkelte sie an. Roberta wusste, das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Jetzt müsste sie nur noch die Betten beziehen, die Klobrillen säubern und die Schokolade öffnen. Dann könnten die Gäste auch schon kommen und Robertas Traum würde endlich in Erfüllung gehen.
Ihr Traum? Einmal nicht die dickste Bewohnerin auf der Hühnerbeininsel zu sein.
Robertas Traum war nicht in Erfüllung gegangen. Auch nicht 25 Tage nach der Eröffnung. Noch nicht eine einzige übergewichtige Frau hatte im Women Drive In eingecheckt. Die Betten waren längst von Milben und anderem Getier befallen. Sämtliche Vorräte wurden getreu Robertas Motto: ,,Man kann doch nichts umkommen lassen!’’ mehr oder weniger zwangsweise vertilgt. So fristete Roberta ihr Leben auf der Hühnerbeininsel. Die Hühnerbeininsel wurde in der Sprache der Einheimischen übrigens ,,Gok-Gok-Schenkel im Wasser’’ genannt. Allerdings wurden die Eingeborenen von Roberta aufgefuttert, als der Pizzalieferservice einmal 15 Minuten zu spät kam. Jedenfalls wartete Roberta immer noch auf ihre ersten Gäste. Sie konnte ja nicht ahnen, was sich in der Außenwelt abspielte.
Die Welt, auch bekannt als ’’Amerikanisches Imperium’’, hatte wie jede Woche einen neuen Weltkrieg mit sich selbst angezettelt. Sämtliche Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe und Dreiräder wurden von der US-Army konfisziert. Alle Fastfood Ketten wurden auf Kriegsmaschinerie umgerüstet. Die Bestellung ,,Ein Big Mäc mit Pommes’’ bedeutete jetzt ‚,Eine Panzerfaust mit dreifacher Munition’’. Und ,,Ein Döner komplett zum Mitnehmen’’ hieß ,,Eine kleine Armee zum Mitnehmen und dazu noch eine Bratwurst mit Senf’’. Roberta hatte davon keinen Schimmer.
Aber zurück zu unserer dicksten Freundin Roberta. Sie fing an sich Sorgen zu machen, als ihr auffiel, dass sie seit über drei Wochen nicht mehr ihre Lieblingsserie ,,Schlecht Zeiten, schlechtere Zeiten’’ geguckt hatte. Also stapfte sie in den Fernsehraum und drückte mit ihren Wurstfingern den On-Knopf. Ein helles Licht erfüllte das kleine Fernsehkabuff. ,,Es schneit im Fernsehen!’’, freute sich Roberta. Es dauerte einige Minuten, bis Roberta begriff, dass der ’’Schnee’’ nur bedeutete, dass sie keinen Empfang hatte. Es schneite auf allen Kanälen. War das der Klimawandel, oder etwa das Amerikanische Imperium? Roberta begann sich wieder zu sorgen. Kein Fernseher, kein Radio, keine Gäste und am schlimmsten: das Essen ging zur Neige. Heilige Sahnetorte! Sie musste irgendetwas tun, aber was? Das Denken fiel Roberta schwer, da ihr Kopffett zu stark auf das Gehirn drückte. Sie musste zum Flughafen der benachbarten Bagelinsel. Beide Inseln waren durch einen Bürgersteig verbunden. ,,Verfluchtes Gemüse! Auch noch bewegen.’’, meckerte Roberta. Die Strecke zwischen Women Drive In und Flughafen betrug circa 2,5 Kilometer. Roberta rechnete fünf Tage für diese Strecke ein. Als Proviant packte sie das ein, was sie noch finden konnte. Einige Kilo Dörrpflaumen, Sauerkrautsaft und Knoblauchbrot. Lecker! Sie stopfte all das Essen in ihren rosa Teddybärrucksack von Barbie und marschierte los. Nach anstrengenden 200 Metern schlug Roberta ihr Nachtlager auf. Der Ort war sehr günstig gewählt, da er noch im Schutz des Women Drive Ins lag.
Nach einer kleinen 16stündigen Pause hieß es für Roberta: Proviant einpacken, zumindest das, was nach ihrem feudalen Picknick noch übrig war, und weiter ziehen.
Nach sieben Tagen und etlichen Zwischenstops erreichte Roberta ihr Ziel. Sie stank wie Paris im 18. Jahrhundert und ihre Füße waren übersäht mit Blasen. Erst als sie fertig war mit dem Selbstbemitleiden bemerkte sie, was wirklich los war. Robertas Instinkte hatten sie nicht getäuscht. Etwas war sahnetortengewaltig falsch. Der vom wasserumgebene Flughafen, auf dem eigentlich Robertas Schwertransportflugzeuge parkten (Sie sollten zur Beförderung ihrer Hotelgäste dienen.) war menschenleer. Nur eins der seltenen Rotyrahsschafe graste friedlich neben der Landebahn am Meer. Rotyrahsschafe gab es nur noch wenige auf der Insel, ,,denn sie schmecken sehr gut!’’, sabberte Roberta. Sie wischte sich den Sabber vom Gesicht und widmete sich ihrem eigentlichen Problem. Wo waren die Flugzeuge? Warum hat noch nie vorher jemand von Flugzeugen auf der Insel gesprochen? Was war hier los? Roberta wollte versuchen rauszufinden, was passiert war, aber der Anblick des Schafes lenkte sie zu sehr ab. Roberta hatte Hunger. Langsam schlich sie sich an das Schaf heran. Der Sand knirschte unter der Last Robertas. Gut Roberta, gleich bist du da. Doch plötzlich erblickte Roberta etwas. Etwas so abscheuliches in ihren Augen, dass sie es nicht wahr haben wollte. Ein rothaariger Mann, vermutlich Engländer! Er lag bäuchlings im Sand. Seine Kleidung zerrissen und mit schleimigen Seepflanzen bedeckt. ,,Heilige Sahnetorte’’, dachte Roberta, ,,was soll ich nur machen?’’
Robertas Kindheit verlief suboptimal. Ihre Eltern waren beide sehr gefragte Schönheitschirurgen und nur selten zu Hause. Roberta konzentrierte sich voll und ganz auf ihre schulische Karriere. Bereits in der dritten Klasse war sie Schülersprecherin des Gymnasiums im Nachbarort. Sie hatte alles. Ruhm, Macht, Geld und ein schönes Äußeres. Noch. Denn in der vierten Klasse trennten sich ihre Eltern. Ihr Vater wanderte aus und ließ Roberta bei der Mutter. Erstaunlicherweise verarbeitete Robertas Mutter, Frau Dr. Hildegard Krowlowiscyzkarlowski, ihren Schmerz sehr gut. Jede Woche hatte klein Roberta einen neuen Papi. Einer besser als der andere. Die gesamte soziale Situation in ihrer Familie fraß Roberta auf. Besser gesagt fraß Roberta alles auf, was sich in der Küche befand. Mit dem zunehmenden Gewicht und dem Eintritt in die Pubertät schmolz Robertas schönes Äußeres genau so schnell, wie Eis an einem warmen Sommertag, wenn Roberta es noch nicht vorher gegessen hatte. Aber Roberta machte sich nichts daraus, denn sie hatte ja noch Ruhm, Macht, Geld und ja, auch Liebe. Unsere kleine fette Berta war verliebt. Der süße Bruno war Robertas Freund. Ihr Aussehen war ihm egal, was für ihn zählte waren Dinge wie Ruhm, Macht und Geld. Davon hatte Roberta mehr als genug. Dachte sie...
Bekannt als die ’’reiche Schönheit’’ wurde Roberta zu alle wichtigen Events in ihrer Heimatstadt Schwappingen eingeladen. Egal ob Kaufhauseröffnungen, Schönheitswettbewerben oder Geburtstagsfeiern, Roberta war immer dabei. Doch aus der ’’reichen Schönheit’’ wurde die ’’Reiche’’, und Reichtum allein verhalf Roberta nicht ihren Status in der Öffentlichkeit zu halten. So schwand ihr Ruhm langsam aber sicher dahin. Allerdings war sich Roberta sicher, dass ihre Macht ihr zu neuem Ruhm verhelfen würde. Und mit Bruno an ihrer Seite konnte nichts schief gehen. Jedoch war Bruno nicht unbedingt ein Stubenhocker. Er amüsierte sich liebend gern. Genau das wurde Roberta zum Verhängnis. Auf Grund diverser Fotos, die Bruno und Roberta beim ’’Topfschlagen’’ auf einer eigentlich sehr privaten Geburtstagsparty zeigten musste sie ihr Amt als Schülersprecherin im benachbarten Gymnasium abtreten. Und Bruno? Tat ihm das wenigstens leid? Auf gewisse Weise schon. Er war so traurig, dass er sich ablenken musste. Und was wäre da besser, als eine schöne Runde ’’Topfschlagen’’ mit einer rassigen Brasilianerin? Diese Form der Ablenkung funktionierte so gut, dass Bruno bald alles vergessen hatte. Auch Roberta...
Nun saß Roberta da, allein auf einem Haufen Geld, ohne Macht, Ruhm oder Schönheit, dafür mit einer Mutter, die nie für sie da war und fast jeden Tag neue Kerle mit nach Hause brachte. Was war Roberta nur widerfahren? Warum ist das alles so gekommen? Plötzlich hatte sie eine Erleuchtung. Ihr Vater, Bruno und ihre wechselnden Papis waren an allem Schuld ohne sie wäre alles besser, mit ihrem egoistischen Handeln hatten sie Robertas Leben zerstört. So entwickelt Roberta mit neun Jahren ihren bis jetzt andauernden Hass auf die Männerwelt. Sie entwickelt aber auch ihr Mitgefühl für andere Frauen, die einen ähnlichen Leidensweg hinter sich hatten. Also überlegt sich Roberta einen Plan, wie sie ihren Leidensgenossinnen helfen würde. Und während sie nachdachte, schaufelte sie unentwegt Chips und Gummibären in sich rein, denn denken macht hungrig.
Roberta nährte sich vorsichtig dem Ungeheuer, auch bekannt als Mann. Sie hatte sich Gäste auf ihrer Insel gewünscht, aber keine männlichen. Was zur Sahnetorte sollte sie mit ihm nur machen? Essen? Nein, er sah viel zu zäh aus. Sollte sie ihm helfen? Vielleicht konnte er ihr sagen, was bei Schlechte Zeiten, schlechtere Zeiten passiert war. Das Denken strengte Roberta an. Sie musste endlich handlen! Sie stupste den Mann mit ihrem fetten, in viel zu enge rosa Pumps gepressten Schweißfuß an. Langsam öffnete er seine Augen, schloss sie aber sofort, als er Godzilla, ich meine Roberta, vor sich stehen sah. Roberta stupste ihn erneut an, dieses mal etwas kräftiger. ,,Du? Bist du ein Mann?’’, fragte Roberta. Mr. Rothaar öffnete wieder langsam seine Glupscher. ,,Sieht doch wohl so aus.’’, antwortete er leicht verlegen. Nach einer relativ eintönigen und langweiligen Konversation hatte Roberta folgende Informationen über den Mann gesammelt: er hieß Donald McFriday und war Schotte, er kämpfte in den letzten 28 Weltkriegen des Amerikanischen Imperiums als Marineoffizier, seine Lieblingsfarbe war blau, was Roberta sehr eklig fand. Viel wichtiger war aber, dass er Roberta sagen konnte, warum keine korpulenten Damen auf die Insel kamen. Zum erstenmal in der Geschichte der 29 Weltkriege waren Fastfood Ketten direkt betroffen. Sie servierten nicht mehr deliziöse Burger, denen Fett aus jeglichen kleinen Öffnungen floss. Innerhalb kürzester Zeit nahmen alle übergewichtigen Menschen rapide ab. Alle waren glücklich und zufrieden, abgesehen vom Krieg (der war ziemlich schlimm). Keine einzige Frau wollte jetzt noch in Robertas Hotel, welches speziell für fette, unglückliche Frauen entwickelt worden war. Aber die neue Situation hat auch etwas positives. Roberta war nun ganz offiziell der fetteste Mensch der Welt. Glückwunsch!
Roberta konnte es nicht fassen. War das wirklich passiert, oder wollte Donald sie nur anlügen? Aber warum sollte er das tun? Nur weil er ein rothaariger Schotte war? Nein, Roberta begriff, dass es wahr sein musste. Jetzt war Roberta so bedrückt, dass sie hungrig wurde. Als Donald dies bemerkte wollte er ganz schnell wegrennen. Doch Roberta wollte ihn ja nicht essen. Wie gesagt, er sah sehr zäh aus. Das Rotyrahsschaf allerdings... Lecker! ,,Kannst du das Schaf dort erlegen?’’, brummte Roberta. Verlegen antwortete Donald: ,,Nun, ich denke schon. Ich war ja bei den Marines.’’ ,,Wenn du es wirklich schaffen solltest’’, sagte Roberta vorfreudig, ,,kannst du erst mal bei mir wohnen. Und vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, darfst du dann mal vom Braten kosten.’’ War das eine Drohung? Donald wusste es nicht. Er wusste aber, dass er nicht draußen auf dem Flughafen schlafen wollte. Also macht er sich an die Arbeit und nach wenigen Minuten lag das Schaf vor Robertas Käsemauken. Der Braten würde jetzt sicher auch ganz deliziös nach Käse schmecken, dachte Roberta bei sich. ,,Und wie willst du das Schaf jetzt zubereiten?’’, fragte Donald. Schroff antwortete Roberta: ,,Natürlich schön würzen und dann bei 180°C für zwei Stunden in den Ofen. Dumme Frage! Du bist dumm! Wie alle Männer! Dumm!’’ ,,Wie auch immer. Aber hier gibt es keinen Ofen am Strand.’’ Roberta entgegnete genervt: ,,Natürlich nicht Donald McDummbold von der Dummheide aus Dummstadt! Aber ich habe mehrere Öfen bei mir zu Hause. Das ist nur 2,5 Kilometer von hier. Ich denke, du ahnst, dass du mich tragen musst. Schließlich bin ich schon hergelaufen.’’ Armer Donald. Er tat natürlich, was Roberta ihm befahl. Er wollte ja nicht gefressen werden. Bloß gut, dass er bei den Marines immer viel trainiert hatte. So konnte er Roberta unter Qualen huckepack nehmen. Langsam aber sicher trottete Donald mit Roberta auf dem Rücken zum Hotel. Roberta hatte das Rotyrahsschaf sicher in ihrer linken Achselhöhle verstaut.
In der vierten Klasse musste Robert einen herben Schicksalsschlag ertragen. Die Scheidung ihrer Eltern. Als sie von der vorerst ,,Trennung auf Zeit’’ erfuhr, taumelte sie hin und her und fiel gegen die Unterwäschekommode in ihrem Zimmer. Mit einem ohrenbetäubenden Knall zerbarstete die Kommode und eine von Robertas hässlichen Unterbuchsen landete direkt au ihrem Kopf. Sie wurde ohnmächtig. Als sie wieder zu sich kam, war ihr Vater, Dr. Manfred Krowlowiscyzkarlowski, bereits verschwunden. Nur ein von Robertas Vater beschrifteter gelber Klebezettel hing an Robertas Computer. Auf dem Zettel stand etwas, das Dr. Krowlowiscyzkarlowski noch von seiner Hawaiianischen Großmutter gelernt haben musste: ,,Aloha wau ia oi nui loa!’’ Roberta wusste, was dieser Spruch bedeutete, denn als sie fünf Jahre alt war studierte sie ein Semester die hawaiianische Sprache. Es bedeutet ,,Ich liebe dich sehr!’’ Wie rührselig. Roberta nahm mit ihren zarten Händen den Zettel vom Computer und zerriss ihn in sieben kleine Teile. Dann warf sie ihn in den Mülleimer. Roberta hatte keine Zeit für solche Gefühle. Nicht jetzt! Sie musste ihren Wahlkampf zum Amt des Bezirksbürgermeisters in Schwippingen vorbereiten.
In den folgenden Jahren sah Roberta ihren Papa immer seltener und seltener, was ihr eigentlich auch egal war. Und vor gut einem Jahr war es soweit. Doktor med. Manfred Krowlowiscyzkarlowski ging in die ewigen Jagdgründe ein. Roberta war in tiefer Trauer nach der Beerdigung. Sie weinte sehr viel, denn beim Leichenschmaus gab es keine Shrimps. Doch pünktlich zur Testamentsverlesung hatte sie sich wieder beruhigt. Roberta hatte geerbt. Eine Klatschmohnfarm und eine Insel. Ein raunen ging durch die geldgeile Trauergesellschaft, als sie das hörten. Roberta war immer Papis süßer kleiner Wonnepropen. Der Notar zeigte Roberta Fotos von der Farm und von der Insel. Die Insel sah fulminant aus. Doch was sollte sie nur mit der Klatschmohnfarm? Warum hatte ihr Vater eine Klatschmohnfarm? Wozu brauchte er Klatschmohn? Er war eben wunderlich zum Schluss. Plötzlich ging Roberta ein Licht auf. Die Insel war der perfekte Ort um das Hotel zu eröffnen. Diese unnütze Farm könnte sie verkaufen und den Erlös in das Hotel stecken. Endlich würde ihr Traum in Erfüllung gehen.
Noch in der selben Woche verkaufte Roberta die Farm, packte ihre Sachen, verabschiedete sich von Mutti und flog mit einem Frachtflugzeug von Annis Flugexpress (die einzige Airline, die nur von Frauen gemanagt wurde) Richtung Hühnerbeininsel.
Danke Papa!
Es war Samstag, als der Anfang vom Ende der friedlebenden Inselbewohner begann.
Das Frachtflugzeug landete unsanft auf der hügligen Landebahn aus Sand. Mit einem lauten Knall schlug die sich öffnende Tür auf den Boden. Die Ureinwohner der Hühnerbeininsel vom Stamm der Ham-Ham-Leckres standen gespannt um das Flugzeug herum. Als sich die dichte Staubwolke langsam senkte, wartete in der geöffneten Tür der nackte Wahnsinn (die Klimaanlage im Flugzeug war ausgefallen, und so musste sich Roberta ihrer Kleidung entledigen). ,,Tach auch!’’, grunzt Roberta. ,,Ich komme in Frieden! Ich habe nicht vor euch eures Landes zu berauben, oder eure Flora und Fauna zu beschädigen. Ihr werdet hier weiterhin ein unflätiges, aber erfülltes Leben auf dieser Insel führen können!’’ Dies waren Robertas Worte, mit denen sie versuchte sich bei der Bevölkerung anzubiedern. Es funktionierte auch. Die Einwohner applaudierten und stießen Begeisterungsschreie in ihrer Heimatsprache in die Luft.
Fünf Minuten später war die Hälfte des Tierbestandes auf der Insel von Roberta verspeist worden. Der Großteil der Tiere wurden von Roberta zu Bolognese verarbeitet. Natürlich waren die Inseleinwohner geschockt von dem, was sie sahen. Roberta versuchte sie zu beruhigen und nannte ihr Vorgehen ,,Spagettifizierung’’. Robertas Rhetorikkünste ließen sie auch diesmal nicht im Stich.
Weitere fünf Minuten später machte Roberta einen Verdauungsspaziergang. Dabei zermatschte sie 75% der Pflanzenwelt auf der Insel und 20% der Inselbewohner. Aber selbst Schuld, wenn sie nicht flink genug aus dem Weg gehen...
Plötzlich stand Roberta auf einer Lichtung. Die war der perfekte Standort für ihr Hotel. Sie zuckte aus ihrer rosa PRADA Tasche ein Handy: ,,Hallo, Otto? Ich hätte gern eine Bestellung aufgegeben...’’
Verschwitzt kamen Donald und Roberta am Hotel an. Zum ersten Mal sah Donald das bonbonrosa Women Drive In. Der vom Hotel ausgehende Augenkrebs bei Donald löste ihn etwas von seinen Rückenschmerzen ab. ,,Da wären wir Roberta.’’ ,,Ersten: Für dich immer noch Frau Krowlowiscyzkarlowski. Zweitens: Sind wir schon IM Hotel? Nein. Erwartest du also von mir, dass ich jetzt laufe? Nachdem ich so großmütig bin dich bei mir aufzunehmen.’’ Ohne jegliche Bemerkung trottete Donald durch ein riesiges Portal in die Hotellobby aus rosa Marmor. Der Augenkrebs verschlimmerte sich kontinuierlich. ,,Du kannst mich hier auf der Couch absetzen. Ich muss mich etwas ausruhen von der Reise. Du kleiner Faulpelz kannst dich in die Küche machen und das Schaf zu bereiten. Wie es gemacht wird sagte ich bereits. Und nun lass mich allein. Weck mich zum Essen!’’ Roberta war hungrig und somit schlecht gelaunt. Donald, gutmütig wie er war, ging mit dem Schaf in die Küche. Zweieinhalb Stunden später saßen beide satt und zufrieden am Pool. Das Schaf hatte Roberta gemundet. Donald und Roberta unterhielten sich bis spät in die Nacht. Er merkte, dass sie nur wegen ihres Hungers so gemein war und sie merkte, dass er gar kein so schlechter Mann war. In Folge ihres Gesprächs einigten sie sich darauf, dass sie zusammen im Hotel leben würden und füreinander sorgen würden. Jedenfalls bis der Krieg zu Ende war. Da die Vorräte zur Neige gingen, musste Donald jeden Tag Tiere jagen und Früchte sammeln, während Roberta im Hotel die Stellung hielt und das Essen kochte. Donald machte das nichts aus. Er mochte die tägliche Bewegung.
Sie kamen gut miteinander aus. Natürlich gab es hin und wieder kleinere Streitigkeiten, aber in welcher Beziehung Freundschaft gibt es das nicht? Die Streitereien waren auch immer schnell beiseite gelegt, da Donald (meist aus Angst) schnell nach gab.
Sechs Wochen waren vergangen, seit Donald auf die Insel kam. Die ohnehin schon ausgebeutete Tierwelt auf der Hühnerbeininsel gab nicht mehr genug Essen her, um beide Bewohner gut zu ernähren. Als Donald dies bei seinen täglichen Jagdrundgängen bemerkte, stieg in ihm die Angst. Was, wenn er Robertas Hunger nicht mehr stillen könnte? Sie würde wieder wütend werden. Unvorstellbar, was sie anrichten könnte. Etwas musste passieren. Aber was? Donald setzte sich an den hoteleigenen Strand, wo eigentlich fette Frauen in der Sonne brutzeln sollten, und dachte nach. Es gab weder funktionierendes Fernsehen auf der Insel, noch landeten Flugzeuge auf dem Flugplatz. Also musste der Krieg noch im vollen Gange sein. Donald hasste Krieg. Krieg bedeutete Tod und kein Geschäft für Roberta. In den letzten Wochen war sie ihm etwas ans Herz gewachsen... Was, wenn der Krieg auch die Hühnerbeininsel erreichen würde? Er würde dieses utopische Eiland zerstören. Donald musste das verhindern! Er musste den Krieg stoppen! Er würde damit in die Geschichte der Menschheit eingehen. ,,Schotte legt Grundstein für Weltfrieden!’’, sah er schon als Schlagzeile in allen wichtigen Zeitungen, wie der Bild. Donald hatte seine Berufung gefunden. Nun musste er nur noch Roberta beichten, dass er von der Insel wollte. Aber sie dürfte nichts dagegen haben. Schließlich machte er es auch ihretwegen.
Donald hatte in seinen Gedanken einen Plan gefasst, wie er von der Insel fliehen wollte. Er würde ein Floß bauen und damit einfach wegsegeln. Immer weiter, bis er auf Zivilisation stoßen würde. Perfekt. Es gab nur ein Problem. Roberta. Wie sollte er es ihr beichten? Wie würde sie reagieren? Es gab nur einen Weg das heraus zu finden. Noch am selben Tag ging Donald zu Roberta. Er setzte seinen Dackelblick auf und begann: ,,Roberta, wir müssen reden. Aber bevor du irgendetwas sagst, lass mich bitte ausreden. Bitte unterbrich mich nicht. Also, es war gar nicht so schlecht hier auf der Insel mit dir. Doch wie du bemerk hast, gab es in letzter Zeit Probleme mit der Nahrungsbeschaffung. Es gibt kaum noch was zu futtern auf der Insel. Der Krieg zeigt erste Auswirkungen auf die Insel. Ich habe einen Plan gefasst. Ich werde mit einem Floß die Insel verlassen, um den Krieg zu beenden, damit wir wieder zur Normalität zurückkehren können. Bitte lass mich gehen. Bitte!’’
Clever Donald... Du hast Essen in deine Rede integriert. Damit muss er Roberta überzeugt haben.
,,Heilige Sahnetorte! Ich hatte genau die selbe Idee!’’, jubelte Roberta. ,,Mir reicht’s auch mit diesem Krieg.’’
Alles schien geklärt zu sein. Auf einem Floß, was sehr stabil sein müsste, würden beide die Insel verlassen und gegen das Amerikanische Imperium kämpfen, um den Krieg für immer zu stoppen. Sofort machte sich Donald an die Arbeit für das Floß. Zur selben Zeit packte Roberta das letzte Proviant ein. Plötzlich hörte sie vor dem Hotel einen lauten, mädchenhafte Schrei. Vielleicht ein weiblicher Gast, der auf die Insel gefunden hatte, und der der Anblick des Hotels so überwältigte, dass sie schreien musste. Schnell (jedenfalls für Roberta) rannte sie hinaus, um den Gast zu begrüßen. Doch es war kein Gast. Eine Kokosnuss war auf Donalds rechte Hand gefallen. Allein der Anblick der Verletzung brachte einen zum Juckeln.
Sofort verarztete Roberta den schwerverletzten Donald. Allerdings war klar, dass Donald das Floß nicht vollenden konnte. ,,Du musst es fertig bringen Roberta.’’, sprach Donald. Roberta weigerte sich. Sie wollte nicht die Schuld auf sich nehmen, falls das Floß sie nicht tragen würde. Sie dachte nach, bis ihr eine von Omas Redensarten einfiel: ,,Denk immer daran mein liebes Kind, Fett schwimmt oben!’’ Natürlich! Auch wenn Roberta für ihre Größe nur leicht übergewichtig war und sie überwiegend schwere Knochen hatte was alles mit einem Drüsenproblem zusammen hing, war sie etwas schwerer als Donald. Was sage ich da?!?!?!?!? Das muss wohl daran liegen, dass ich seit Wochen nur über Roberta schreibe... Nein. Ich ziehe meine Aussage zurück. Roberta war einfach nur fett, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte. (Puh, gerettet!)
Donald müsste sich einfach auf Robertas Bauch setzen und steuern. Den Rest würde die Strömung schon übernehmen.
Es gab nur noch ein Problemchen bei der Sache. Roberta war zwar einst klug und zielstrebig, doch ihren Führerschein hatte sie nie gemacht. Vor allem nicht den schwierigsten aller Führerscheine, den Floßführerschein. Wen beide nun auf offener See von einem amerikanischen Watercop kontrolliert werden würden, müssten sie sofort ins Gefängnis. Diese Amis kennen keine Gnade. Doch es gab keine Möglichkeit ihren Führerschein jetzt zu machen, also mussten sie das Risiko erwischt zu werden eingehen.
Noch am Nachmittag stieß Donald mit Roberta in See. Er machte es sich in ihrem überdimensionalen Bauchnabel gemütlich. Roberta versuchte sich vorzustellen, sie läge in einem Wasserbett.
Sie hatten eine lange Reise vor sich...