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Roadtrip
Es war mir ein wohlbekanntes Gefühl den nächtlichen Asphalt im Regen feucht werden zu sehen. Immerhin war die Straße in all den Jahren meine einzige Geliebte geblieben. Der einzige Freund, den ich in all diesen Jahren gehabt habe, saß auf dem Beifahrersitz und starrte mit leerem Blick in den Rückspiegel. Wir haben uns immer auf eine sehr zurückhaltende Art verstanden.
Ich wusste beispielsweise, sein Schweigen, als sich die Nadel der Kraftstoffanzeige dem verheißungsvollen roten E näherte, war als ermunterndes Kommentar gemeint. Es sind ebenjene Gesten, die das Reisen in Gesellschaft ausmachen. So kommt niemals etwa das Gefühl des Alleinseins auf.
Frohen Mutes hielt ich also an der nächsten Tankstelle, wo ich ausstieg um mit dem Tankwart zu handeln, während Gustav auf das Auto aufpasste. Unsere routinierte Vorgehensweise bedurfte nie vieler Worte, schlichter Blickkontakt reichte da völlig aus. Es war ja nicht so, als wäre Gustav an sich schüchtern gewesen, aber er war sehr unsicher bezüglich seines Aussehens. Er hatte nun einmal eine furchtbar ungesund aussehende, blasse Hautfarbe, und sein eher intensiver Körpergeruch verleitete ungehobeltere Mitbürger manchmal zu äußerst unfreundlichen Aussagen.
Als ich gerade mein Wechselgeld zählte und versuchte Smalltalk mit dem Tankwart zu halten, der meine Begeisterung für den nächtlichen Regenschauer leider überhaupt nicht teilte, hörte ich ein weiteres Auto an der Zapfsäule halten. In diesem Moment hatte ich bereits eine üble Vorahnung und beeilte mich, die Transaktion so schnell wie möglich abzuwickeln. Das half allerdings auch nichts mehr, noch bevor die Flügel der elektronischen Tür ganz geöffnet waren, vernahm ich bereits ein entsetzliches Kreischen aus der Richtung meines Wagens.
Ich stürmte hinaus, und binnen Sekunden erreichte ich die Übeltäter. An der Zapfsäule stand nun auch ein kleiner, brauner Mercedes, und daneben zwei Frauen, die durch die Fensterscheiben meines Wagen blickten. Eine etwas beleibtere Brünette, und eine Blondine im Minirock, beide schrien sie wie blutende Säue.
"Oh Gott, Gustav!" schrie ich "Ihr Schweine, lasst doch Gustav in Ruhe! Der arme Gustav!" und versuchte die beiden zu verscheuchen, indem ich wild mi den Armen wirbelte. Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass man größer und beängstigender wirkt, wenn man ausschweifend gestikuliert. In meinem Adrenalinrausch schwang ich mich dann hinters Steuer, ohne den beiden weiterhin Beachtung zu schenken, und fuhr los.
Gustav nahm das ganze kommentarlos hin. Er hatte sich nie von etwaigen Provokationen zu Ausfälligkeiten verleiten lassen. Ganz im Gegenteil, sein Wesen war ein pazifistisches, und menschliche Agression verstörte ihn meistens so sehr, dass er sich in einen katatonischen Zustand zurückzog.
Einige Meilen später war diese bedauerliche Begegnung auch schon wieder vergessen. Ich gedachte gerade die Stimmung wieder etwas anzuheitzen, indem ich eine CD von Wagner, einem ganz besonderen Liebling Gustavs, einlegte, wurde aber unterbrochen, von dem Geräusch einer Polizeisirene.
"Fahren sie rechts ran!" hieß mir eine autoritäre Stimme durch ein Megaphon, und da ich wusste, wie schnell sich Polizisten in ihrer Maskulinität angegriffen fühlen können, gehorchte ich auch. Gustav antwortete darauf, indem ihm ein Augapfel herausfiel.
"Manchmal könntest du ruhig ein wenig hilfreicher sein." zischte ich ihm zu und kurbelte das Fenster herunter. Im nächsten Moment lehnte sich auch schon ein gebräunter Cop, dessen Friseur vermutlich aus einer Kaserne stammte, mit seinen durchtrainierten Armen an die Tür meines Wagens.
Er fing an in seinem Beamtenjargon mit mir zu reden "Mister wir haben Grund zu Annahme..." aber dann blieben seine Augen an Gustav hängen "Heilige Scheiße!".
"Na hören sie mal!" sagte ich "Ich verbitte mir eine derartige Ausdrucksweise!"
Er sah mich lange an, wobei ich nur vermuten kann das er versuchte einen durchdringenden Blick, wie in die Cops im Fernsehen beherrschen, zu imitieren und sagte "Na gut du Psycho, das da musst du mir jetzt mal erklären." während er mit nacktem Finger auf Gustav zeigte. Da warf ich alle meine guten Vorsätze über Bord und verpasste ihm eine Ohrfeige.
"Sie Wüstling, so können sie doch nicht mit einem menschlichen Wesen reden!"
Einige Sekunden vergingen, in denen der Polizist wohl zu perplex war um irgendetwas von sich zu geben. Allem Anschein nach befand ich mich also in einem Teil des Landes, in dem Zivilcourage ein Fremdwort war. Schließlich drehte er sich doch zu seinem Wagen und rief "Fred! Bring mir den Taser!"
Wie ein dressierter Affe betrat ein weiterer, weniger gut trainierter Polizist die Bildfläche. "Hier Chief." sagte er in einem Tonfall, der mich, subtil aber doch, an Aufnahmen von der Hitlerjugend erinnerte. Nun, Orwell hat uns ja gewarnt, dass es eines Tages so weit kommen würde, aber ich für meinen Teil, war nicht bereit, meine Freiheit kampflos aufzugeben.
Gerade als mein Unterdrücker sich umdrehte öffnete ich die Wagentür und rammte sie ihm mit ganzer Kraft in die Kniekehle. Mit einem kehligen Schrei ging der Goliath zu Boden, und ich holte gleich nochmals aus, wobei ich ihn diesmal an der Schläfe erwischte. Der andere unternahm jetzt den Versuch mich zu Tasern, ich trat Reflexartig auf das Gaspedal, und der Wagen setzte sich in Bewegung, begleitet von einem Rumpeln und Knacksen, als die Hinterreifen die Beine des Chiefs zermalmten.
Wie man sich vorstellen kann, waren unsere Nerven noch ziemlich aufgerieben, als wir ungefähr eine halbe Stunde später eine Raststation erreichten. Gustav allerdings, kroch genau in diesem Moment eine Spinne aus dem Mund. Ich schmunzelte und sagte "Ach Gustav."