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Risikogeschäfte

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19.04.2008
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Risikogeschäfte

Perfekt in Szene gesetzt flankieren sie den Weg, schenken Vorüberkommenden ihr käufliches Lächeln, fordern mit kunstvoll beleuchteter Fassade zum Zugreifen heraus: Verpackungen, eine knalliger als die andere, versichern vom Klammerbeutel bis zur Lümmeltüte grellbunt ihre Unentbehrlichkeit.
Dezent beplätschert Musik die vollklimatisierte Wohlfühloase, wird nur unterbrochen von kleinen Einspielungen, die große Aussagen transportieren:

Haben Sie gesehen?
Heute zwei für eins!
Dreiunddreißig-Prozent-Vorteil!
Supersparangebot! Nur heute!
Zahlen Sie doch einfach später!
Sie sind es sich wert!

Jeder muss sich angesprochen fühlen von dieser Stimme, der verheißungsvollen, die leise und sanft, mit einem Schuss Dreck im Timbre, Empfehlungen säuselt. Wünsche weckt. Bedenken zerstreut.
Die Beschallung verhilft dem Hammerwerk, das sowieso schon in Gretas Kopf werkelt, zu einem atemberaubenden Schlagrhythmus.
Eigentlich sollte sie sich auskurieren, nicht Puddingknie und geschwollene Lymphknoten spazierenführen. Ihre Nase läuft mit der Werbeendlosschleife um die Wette und gewinnt sicher das Rennen.
Aber Deal ist Deal. Und den hat Greta mit Oma Kranopke aus dem Parterre:
„Mädel, meine Füße woll'n nicht mehr so. Würdest du einmal in der Woche für mich einkaufen? Du kannst mein Tabakkontingent dafür haben.“
Ein gutes Geschäft. Für beide. Greta bekommt in der Krankenversicherung keine Rückstufung wegen exorbitanter Qualmerei, und auf Oma kann das Geriatrieversorgungszentrum lange warten. Schließlich kauft sie ja noch selber ein, kann ihren Alltag allein bestreiten.
Vom Schneeregen vollgesogene Mäntel drängen sich an fünf Kassenbändern. Die aufsteigende Feuchtigkeit mischt sich, trotz ausgeklügelter Lüftungsanlagen, in die Ausdünstungen der Wartenden, und Atmen wird zur Tortur.
Jemand hat in Parfüm gebadet. Widerlich.
Ein schlaksiger Jüngling, ganz blass um die Nase, drängelt sich an Greta vorbei nach vorn. Mit gewaltiger Fahne im Schlepptau. Wie der sich aufführt, kotzt er wohl gleich aufs Band oder in den nächsten Mantelkragen.
Kann ich mich dann gleich danebenstellen. Wie lange dauert das heute bloß? Ausgerechnet wieder die Schlange erwischt, wo es am langsamsten vorwärts geht. Werd' das wohl nie lernen.
Endlich! Greta kann Omas Identitätskarte ins Terminal, die Einkäufe über den Scanner schieben.
„Haben Sie unser Angebot für das neue Pie Äjtsch Emm gesehen?“, fragt die Computerstimme.
Wie soll man denn gleichzeitig auspacken, scannen und aufpassen, dass die Kasse nicht doppelt und dreifach registriert?
„Es ist günstig wie nie! Die neue Gesundheitsreform fördert ausdrücklich individuelle Diagnostik und Selbstmedikation! Mit Steuererstattung!“
Das hättet ihr wohl gerne, was? Zweitausend Globaldollar für ein Kabuff in Herzhäuschengröße? Hab noch nie Steuern gezahlt. Auch nicht, als ich noch Arbeit hatte, du dummes Ding!
Greta lädt weiter ihre Einkäufe aufs Band.
„Einzigartige Neuerung! Ihr 'Personal – Health – Modul', exklusiv nur bei uns mit Nullprozentfinanzierung! Selbstverständlich ist der Impfstoff gegen das gefürchtete Goldhamstergrippevirus implementiert! Jeder hat bisher gekauft!“
Glaub ich gerne. Aber ohne mich. Mein Breitbandantibiotikum hole ich mir alle zwei Wochen mit euren Schnitzeln!
Greta scannt und beobachtet die Preisanzeige.
„Dürfen wir einen Kaufvertrag für Ihr 'Personal – Health – Modul' vorbereiten?“
„Nein!“
Du liebe Güte, diese Automaten sind wirklich penetrant. Vor zwei Jahren saß unsereiner noch genau dort, wo jetzt diese Nervensäge verschraubt ist. Technik, die begeistert!
Als Greta die Verpflegung für Omas Kater einscannt, meldet sich das Ding erneut: „Nur einmal Katzenfutter? Heute ist es im Angebot. Sie sparen dreiunddreißig Prozent! Wollen Sie wirklich nur eine Packung kaufen?“
„Warum denn nicht? Ich bin doch am Wochenende alleine“, grinst Greta und bedauert gleich darauf ihre Entgleisung.
Nur mit „Ja“ oder „Nein“ kann der Automat etwas anfangen. Alles andere geht ihm über die Programmschnur und ist strafbar wie Häuserwände beschmieren oder Katalogverweigerung.
Greta hört noch draußen das Lamentieren der Kasse: „Kaufen, Katzenfutter kaufen! Kaufen, Katzenfutter! Angebot! Heute! Heute! Heute!“
Aufgehängt, die Gute. Nur weg, bevor einer feststellt, dass ich gar nicht Oma Kranopke bin!
Widerstand gegen die Konsumgewalt. Kauf mit fremder Identitätskarte. Erschleichung falscher Krankenkasseneinstufung. Sozialschmarotzertum.
Na, das gäbe aber ordentlich was aufs Kerbholz! Lieber Gott, oder wie du auch immer heißt: Nimm die verflixte Datei mit den hoffentlich gehimmelten Kartendaten zu dir!

***​

Jupp Feldmann, Vorstandsvorsitzender des börsenbegleitenden Konsortiums, zeichnet die Debütantin in den allerschönsten Farben:
„Das neue Produkt ist am Markt eingeschlagen wie eine Bombe, es wird dem Unternehmen regelrecht aus den Händen gerissen. Allein im letzten Monat konnte für das 'Personalisierte Gesundheitsmodul' eine Umsatzsteigerung von dreißig Prozent verzeichnet werden. Das ist sowohl überzeugenden Behandlungserfolgen, als auch den uns verbundenen Marketingeinheiten zu verdanken! Die gesetzliche Grundversorgungskasse bekundet nach dem Zuspruch der Privatversicherer ebenfalls starkes Interesse. Nun ist es an der Politik! Sie muss für den Erwerb des 'Personal – Health – Moduls', zum Wohle unserer Bürger, noch bessere juristische Rahmenbedingungen schaffen! Bei weiterer Verbreitung der Grippe in dem bisher gesehenen Tempo, kann nur PHM noch eine flächendeckende medizinische Versorgung gewährleisten. Wir prognostizieren für AGNUMAMAD einen sehr erfolgreichen Börsengang. Das zugeflossene Kapital wird unserem Behandlungsmodul zur Eroberung weiterer Absatzmärkte, ach, was sag ich, zur Eroberung der Welt verhelfen!“
Feldmann lehnt sich behäbig zurück, sonnt sich im pflichtgemäßen Applaus und beantwortet einige vorbereitete Fragen, die von handverlesenen Pressemitarbeitern gestellt werden.
Ein Vertreter der Politikerkaste ist das i–Tüpfelchen für das Event zum going public. Er redet mitreißend von Leistungsträgern und ihren Leiden, versichert, dass Versprechen gehalten werden und bestellt Manna für alle.
Nach versprochenen Versprechungen über Bürgschaften und staatliche Zuschüsse enthüllt er publikumswirksam und breit grinsend das neue Firmenschild. Nennt es verschmitzt sein Einstandsgeschenk, schließlich wird er das Unternehmen künftig tatkräftig begleiten. Zumindest in den Büchern. Auf der Ausgabenseite. Als außerordentliches, außerordentlich teures, Mitglied im Aufsichtsrat.
Das fein ziselierte Kunstwerk, ein Gemeinschaftsentwurf von Doop und Bettacker, glänzt im Blitzlichtgewitter wie die Zukunft von:

Associated Global Network
for
Universal Medical Applications
and
Mobile Assembling of Diseasecontrol.

Eine Frage am Rande, die dem neuen Key-Account-Manager nach der Presseveranstaltung auf den Nägeln brennt, beantwortet Feldmann unwillig aber bestimmt: „Nein, es ist nach Menschenermessen ungefährlich. Die paar Grippeviren, die wir über Kaufhauslüftungen verteilen, sind aus beherrschbaren Stämmen. Ihre Symptome heizen die Kaufwilligkeit für PHM an. Man gönnt sich doch eher mal etwas Gutes, wenn's einem schlecht geht, oder? Ein bisschen Schwund ist natürlich immer dabei. Geschäftsrisiko.“

 

Hallo butterblume01,

deine Satire auf die Unverschämtheit der Kaufhausketten und gewissenlose Konzerne und die Zusammenarbeit beider hat mir sehr gefallen. Dazu nimmst du die Überlebensstrategien der Menschen am unteren Rand der Gesellschaft charmant aufs Korn. Das Verhalten der automatischen Kasse erinnert mich an blutsaugende Parasiten, sehr schön sichtbar an diesem Satz:

„Dürfen wir einen Kaufvertrag für Ihr 'Personal – Health – Modul' vorbereiten?“

Sehr schön, wie das asoziale Verhalten der Unternehmen als normal gilt, die kleinen Regelwidrigkeiten der Konsumenten aber kriminalisiert werden:
Widerstand gegen die Konsumgewalt. Kauf mit fremder Identitätskarte. Erschleichung falscher Krankenkasseneinstufung. Sozialschmarotzertum.

Du steigerst das alles noch am Ende, als herauskommt, dass UGNUMAMAD die Menschen krank macht, um ihr Zeug verkaufen zu können. Das "bisschen Schwund" und "Geschäftsrisiko" ist schön zynisch. Es bedeutet wohl, dass einige "Kunden" ins Gras gebissen haben.

Eine wunderbare Satire auf das asoziale Verhalten der Konzerne also. :)

Das hier ist nicht ganz korrekt:

Allein im letzten Monat konnte für das 'Personalisierte Gesundheitsmodul' eine Umsatzsteigerung von dreißig Prozent, nach Steuern, wohlgemerkt, verzeichnet werden.
Steuern ändern sich normalerweise nicht von einem Monat auf den anderen. Die Steuer spielt also in Bezug auf die Umsatzsteigerung keine Rolle.

Sprachlich fand ich es auch toll, besonders den Anfang:

Perfekt in Szene gesetzt flankieren sie den Weg, schenken Vorüberkommenden ihr käufliches Lächeln, fordern mit kunstvoll beleuchteter Fassade zum Zugreifen heraus: Verpackungen, eine knalliger als die andere, versichern vom Klammerbeutel bis zur Lümmeltüte grellbunt ihre Unentbehrlichkeit.
Dezent beplätschert Musik die vollklimatisierte Wohlfühloase, wird nur unterbrochen von kleinen Einspielungen, die große Aussagen transportieren
Die vielen Adjektive haben hier den Charme von Plastikblumen. Sehr schön auch die doppeldeutige Wortwahl, die mich an Prostituierte am Straßenrand denken ließ.

Beste Grüße,

Berg

 

Hallo Berg,
vielen Dank für Deine freundliche Kritik.
Das mit der Steuer werde ich gleich bereinigen, Du hast recht. Ich hab Gewinn und Umsatz durcheinandergemantscht. Peinlich.:hmm:
Ja, genau. Je größer die Sauerei ist, um so eher klappts auch, dass man damit durchkommt.:D
Die Assoziation zu Bordsteinschwalben war genau so gedacht.
Käuflichkeit ohne Grenzen.:D
Danke nochmal.


LG ingrid

 

Hallo butterblume01,

um es gleich vorweg zu nehmen: Die Satire ist dir gelungen, ich fand sie unterhaltsam und amüsant zu lesen. Ich stimme Berg zu: Insbesondere die Zynik gefiel mir an der Geschichte, vor allem am Ende.

Die Zukunftsvision mit der Dreistigkeit der Werbeanpreisung und mit den automatisierten aufdringlichen Kassen, die den Konsumenten Produkte aufschwatzen, ist ja eigentlich gar nicht soo abwegig, wenn hier auch, wie es sich für eine Satire gehört, überspitzt dargestellt. Kein Wunder, dass deine Protagonistin Widerstand leistet, es gefällt mir gut, dass sie sich von der Reklame nicht benebeln lässt.

Sprachlich ist die Story sehr lebendig geschrieben, gleich der erste Satz trifft es gut: Perfekt in Szene gesetzt. Ich konnte mir die Werbe-/Konsumwelt beim Lesen gut vor Augen führen, bildlich, wie in einem Science-Fiction-Film.

Sehr schöne Sätze, hier ein paar Beispiele:

Eigentlich sollte sie sich auskurieren, nicht Puddingknie und geschwollene Lymphknoten spazierenführen.
:)

Wie der sich aufführt, kotzt er wohl gleich aufs Band oder in den nächsten Mantelkragen.
Kann ich mich dann gleich danebenstellen.
:D

Ausgerechnet wieder die Schlange erwischt, wo es am Langsamsten vorwärts geht. Werd' das wohl nie lernen.
Spätestens nach diesem Satz dürften sich viele Leser wohl gut mit der Geschichte identifizieren können. Zumindest kennt jeder dieses Phänomen, sich an der langsamsten Kasse anzustellen. :D

„Es ist günstig wie nie! Die neue Gesundheitsreform fördert ausdrücklich individuelle Diagnostik und Selbstmedikation! Mit Steuererstattung!“
Glaub ich gern, wenn sich dadurch die Ausgaben für das Sozial- und Gesundheitswesen senken lassen. :D Und nirgendwo sonst gibt es so viele Reformen wie in dieser Branche.

Mein Breitbandantibiotikum hole ich mir alle zwei Wochen mit euren Schnitzeln!
:D :D

Allein im letzten Monat konnte für das 'Personalisierte Gesundheitsmodul' eine Umsatzsteigerung von dreißig Prozent verzeichnet werden.
Die Umsatzsteigerung hört sich sehr nach Gewinnmaximierung an, obwohl es im Gesundheitswesen - zumindest in staatlichen Einrichtungen - ja eher um Kostendeckung geht. Aber im Zuge der Privatisierung vieler Einrichtungen und Unternehmen, durch die auch das Gut "Gesundheit" immer mehr vermarktet wird und es trotzdem auf satte Gewinne ankommt, passt es hier sehr gut.

Die paar Grippeviren, die wir über Kaufhauslüftungen verteilen, sind aus beherrschbaren Stämmen. Ihre Symptome heizen die Kaufwilligkeit für PHM an.
:D

Ich denke nicht, dass es bei der derzeitigen demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren zu wenig Kranke geben wird. Aber warum nicht durch ein Grippevirus nachhelfen, wenn man dann ein bestimmtes Produkt erfolgreich verkaufen kann? :)

Orthographisch ist der Text sauber ausgearbeitet. Eine Kleinigkeit: "i – Tüpfelchen" m. E. ohne Leerzeichen.

Der Titel passt.

Hab die Kurzgeschichte gerne gelesen. Hoffe, ich konnte dir mit meinem Feedback weiterhelfen.

Viele Grüße
Michael

 

Sehr gut! Kurze, scharfe Bilder, schnell geschnitten, mit Pointen die treffen. Weil sie genau treffen und gemein treffen und genau so knapp an der Realität ist die Story das sie Unbehagen hervorruft.
Einziger Kritikpunkt: Das Verteilen der Viren. Das ist mir etwas zu schnell abgehandelt, aber sonst: Top!

 

Hallo Michael, Hallo Phiberoptic,
auch Euch vielen Dank für Eure schönen Rückmeldungen.
So langsam fühl ich mich ein bissel gebauchpinselt, kanns noch nicht glauben.
@Michael:

Die Umsatzsteigerung hört sich sehr nach Gewinnmaximierung an, obwohl es im Gesundheitswesen - zumindest in staatlichen Einrichtungen - ja eher um Kostendeckung geht.
Ja,klar, aber Gesundheitseinrichtungen, egal ob staatlich oder privat, kaufen ein. Die liefernden Unternehmen sind selbstverständlich bestrebt, ihre Gewinne zu maximieren. Pharmaindustrie und aufgebauschte Schweinegrippehysterie sind da gewinnträchtig beispielhaft.:D
Die Leerzeichen hab ich gleich mal rausgemacht. Ich vertrau Dir.;)
@phiberoptic:
Das Verteilen der Viren. Das ist mir etwas zu schnell abgehandelt,
ja, irgendwo wirds immer knapp.:Pfeif:
Ich hab auf Zeichenbegrenzung geschrieben. Und Sachen, von denen ich nicht wirklich Ahnung hab, die kommen gerne mal nur andeutungsweise.
Vielen Dank Euch auch!
LG Ingrid

 

Hallo butterblume01,

phiberoptic hat diesen Text schon vor zwei Tagen empfohlen. Auch ich finde ihn sehr empfehlenswert. Die Markierung hat etwas länger gedauert, da ich als Moderatoren-Neuling noch nicht wusste, wie das geht.

Bei zukünftigen Texten von dir in ähnlicher Qualität werde ich es wissen. ;)

Beste Grüße,

Berg

 

Oh, das ist ja toll!
Ganz vielen Dank, ich freu mich riesig :)
und weiß momentan überhaupt nicht, was ich sagen soll, außer: Danke!
Da habt Ihr mir aber einen richtig richtig schönen Abend beschert. :) :)
LG Ingrid

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, eine light daherkommende feine Geschichte, über die alles schon incl. Lob & berechtigter Empfehlung - congratulations!,

dear Butterblume,

gesagt erscheint, dass ich zunächst nur die Krämerseele herauslass, denn bisher blieb ungenannt -

erstaunlich, wie ich finde, ist's niemand aufgefallen? -

>am Langsamsten<
(im Abschnitt >Wie lange dauert das heute bloß? Ausgerechnet wieder die Schlange erwischt, wo es am Langsamsten vorwärts geht.<),
das „wo“ klingt nach Baden-Württemberg, nach regionaler Sprechweise. Besser vielleicht: „in der es …“ und >am Langsamsten< klein, da nicht „an dem Langsamsten“, sondern der Superlativ, keine Substantivierung von "langsam" ist.

Und „wo“ ich mir das >wo< nicht verkneifen kann, frag ich mich: was wäre „eigentlich“ bei einem Satz wie

>[uneigentlich] sollte sie sich auskurieren, nicht Puddingknie und geschwollene Lymphknoten spazierenführen<,

denn der Vorläufer des Adverbs „eigentlich“ war zu mittelhochdeutschen Zeiten ein „eigenli(c)h“, was nix anderes als [leib]eigen bedeutete. Mit der Wandlung zum Adverb erlebte „eigenliche“ den Bedeutungswandel zu „ausdrücklich/bestimmt“. Heute böten sich „ursprünglich“ und/oder „genau genommen“ an, denn „wirklich“ – was auch ginge – ist sich inzwischen auch totgelaufen i. S. von
„Das ist wirklich wirklich?“ –
„Aber ehrlich!“

Währenddessen fällt mir dann auf: Virtually hats Butterblümchen die richtige Wahl getroffen, aber in des Wortes ursprünglicher Bedeutung, denn selbst wenn wir uns frei von Sklaverei wähnen, so sind wir doch süchtig auf Konsum und Leibeigene unserer eigenen Gesellschaftsform.

Behaupte keiner, er wäre gefeit gegen jedes Marketing!

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, Friedrichard,
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Das große "Langsamsten" ändere ich gleich, scheint ein Mechanismus nach "am" bei mir zu sein, bei dem dann das Substantiv vordrängelt. Diesmal unberechtigt.
Bei "wo" hatte ich tatsächlich auch überlegt. Ursprünglich stand sie "in der Schlange", weshalb ich mich gegen "in der es am langsamsten vorwärts geht" und fürs umgangssprachliche Wo(nix Württemberg, Thüringen) entschieden hab.
Ich überleg es mir, meine aber im Moment noch, dass sie sich nicht unbedingt grammatikalisch korrekt was denken muss.;)
Das "eigentlich" ist rein aus dem Bauch und in totaler Unkenntnis der Herleitung "passiert". Nu ja, das mach ich immer so.
Umso mehr musste ich über die eigentliche (wirklich wirkliche?:D) Herkunft und Deine augenzwinkernde Passendmachung lachen. Bist Du manchmal etwas spitzfindig?:Pfeif:
Ich danke Dir.

LG Ingrid

 

Hallo butterblume,

hat mir auch gefallen, dein kleines fieses Teil. Und das will schon was heißen, denn Szenen aus dem Konsumrauschtempeln gibt es ja wie Sonderangebote im Supermarkt. ;) Du bringst hier aber eine angemessene Frische rein, weidest die Szene nicht zu sehr aus und pointierst zielsicher.
Tja und dann die Wende zum Vorstandsvorsitzenden, das ist echt klasse. Hatte schon eine leicht diebische Freude beim Lesen, aber -wie das bei guten Satiren sein soll-, bleibt auch ein Hauch des Unbehagens zurück.

grüßlichst
weltenläufer

 

Vielen Dank, Weltenläufer, für deinen freundlichen Kommentar.
Scheint so, als wär mir mal ein kleines Stück Zynismus verständlich gelungen.
Passiert mir eher selten.
Danke.

LG Ingrid

 

Hallo Butterblume,

das hat mir richtig gut gefallen und ständig habe ich gedacht: Bald ist das bei uns soweit, da fehlt schon heute nicht mehr viel. Oft komme ich mir in Konsumtempeln genauso vor wie in Deiner Geschichte.
Ob wir das langfristig noch verhindern können? Ich wage es fast zu bezweifeln. Die westliche Konsumwelt steuert voll darauf zu.

Jedenfalls eine sehr gelungene Satire und eine tolle Geschichte, die ich sehr gerne und mit Spaß gelesen habe.

Herzliche Sonntagsgrüße
Giraffe :)

 

Liebe Giraffe,
es ist wohl reichlich überfällig, dass ich mich für Deine schöne Rückmeldung bedanke. Ich hab mich sehr gefreut, dass Dir meine kleine Story gefallen hat.
Vielen herzlichen Dank!
LG butterblume

 

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