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Rindslende alias Wildschwein

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25.05.2014
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Rindslende alias Wildschwein

Emil hatte einen dieser Landgasthöfe, wie sie in den Siebzigern überall in ländlicher Gegend anzutreffen waren. Das Personal bestand meist aus dem Wirt selbst und seiner Ehefrau, die die Köchin war. Ähnlich war es auch bei Emil gewesen, nur dass er seinen Gasthof allein bewirtschaftete. Sein Gasthof hatte in all den Jahren noch nie geschlossen gehabt. Urlaub hatten immer nur die Gäste. Plötzlich aber drohte dieser regelmäßige Betrieb gestört zu werden: Emil musste sich in ärztliche Behandlung ins Krankenhaus begeben. Seine Galle streikte. Er war sozusagen steinreich. Das Schlimme an der Situation war, dass sich die Stammkunden einen anderen Gasthof für ihre Skatabende suchten. Die andere Laufkundschaft kam sowieso nur zufällig bei Wanderungen vorbei, das würde sie auch später so machen.
Nach einigem Hin- und Her-Überlegen fasste er den Entschluss, für seine Auszeit eine Vertretung zu engagieren. Und dafür kam nur Henry in Frage, ein Schulfreund. Der hatte zwar keine Ahnung von der Küche, aber seine Frau war eine begnadete Köchin. Henry hatte schon manchmal zum Maitanz ausgeholfen. Emil war ganz zufrieden damit, wie Henry sich am Tresen geschlagen hatte und auch das Bedienen konnte man ihm überlassen.
Zu seiner Freude und Überraschung sagte Henry zu, ohne lang zu überlegen. Seine Frau könne auch mitmachen, die sei sowieso zu Hause.
Emils Gasthof war ein richtiger Landgasthof. Die Dorfbewohner kamen, um das eine und andere Bier zu trinken, sich zu unterhalten und Skat oder Doppelkopf zu spielen. Gegessen wurde zu Hause. Und das wirkte sich natürlich auf seine Speisekarte aus. Die war mehr als übersichtlich. Montag bis Mittwoch gab es Bockwurst und Warmes Eckchen, vielleicht noch einen Tatar. Genau so ging es Freitag bis Sonntag weiter. Eine Ausnahme bildete der Donnerstag. Da hatte Emil seit einem Jahr einen Tag des besonderen Angebots eingeführt. Am kommenden Donnerstag stand Wildschwein auf der Karte.
Emil musste am Montag Morgen im Krankenhaus einrücken, es war Sonntag Nachmittag, also noch Zeit, mit Henry alles durchzugehen. Emil schloss seinen Gasthof um 18:00 Uhr, dann setzte er sich mit Henry an den Stammtisch und sie machten die Übergabe bei einem Glas Bier.

Die ersten drei Tage hatte Henry als Gastwirt so recht und schlecht überstanden. In der Woche kamen nur wenige Wanderer, die bei ihm einkehren wollten. Die Abende waren auch eher ruhig, nur ein paar Bauern trafen sich auf ein Bier am Stammtisch. Die wenigen Bockwürste, die er warm zu machen hatte, verlangten ihm nicht zu viel ab. Schwerer war es dann schon, wenn er Warmes Eckchen zubereiten musste. Das gute Zureden der Gäste, die ihn ja alle kannten, machte ihm Mut.
Schließlich kam der gefürchtete Donnerstag, und damit die Herausforderung, Wildschwein auf die Teller und Tische zu bringen. Der Tag des besonderen Angebots war bei den Dorfbewohnern zu einer Beliebtheit geworden. Deshalb ging es nun darum, keinen Fehler zu machen.
Henry hatte bereits am Morgen, als er in den Gasthof gegangen war, das Fleisch aus der Tiefkühltruhe genommen. Als Elfriede später nachkam sah sie es sich an. Das war alles andere als Schwein, geschweige Wildschwein. Was sie vor sich hatte, sah verdammt nach Rindslende aus. Aber Rindslende gab es erst vergangene Woche. Wo war das Wildschwein? Sie schaute in der Tiefkühltruhe nach, aber von Wildschwein war dort keine Spur zu finden. Henry zuckte nur mit den Schultern. Emil hatte nichts davon gesagt, dass noch etwas zu besorgen wäre.
"Da müssen wir wohl oder übel noch mal Rindslende machen", sagte sie zu Henry. Dieser erwiderte, er habe Emil fest versprochen, die Karte einzuhalten und Wildschwein anzubieten.
‘Zweimal hintereinander das gleiche besondere Angebot kann man sich nicht leisten’, hatte Emil gesagt. Emil hatte wohl in seiner Hektik, die ihn wegen der bevorstehenden Operation erfasst hatte, vergessen, das Wildschwein zu besorgen. Elfriede schaute zur Uhr. In die fast fünfzig Kilometer entfernte Stadt zu fahren und Wildschwein zu besorgen, kam nicht mehr in Frage. Die Zeit drängte inzwischen.
"Die Bauern merken das nicht, die kriegen ihr Wildschwein", sagte Elfriede schließlich. Sie fand die ländliche Mentalität immer etwas einfältig. Sie würde den Bauern schon ein Wildschwein zurecht würzen, die würden sich ihre Mäuler lecken nach dem Essen. Mit Entschlossenheit goss sie Buttermilch, die sie im Kühlschrank fand, in eine große Schüssel und legte das Fleisch hinein, das sie zuvor mit Nelken und Speck gespickt hatte. Eine Stunde sollte dem Fleisch schon einen Geschmack verleihen, der nicht mehr an Rind erinnern könnte. Wenn das Fleisch noch länger in der Buttermilch hätte liegen können, wäre der Schwindel noch perfekter gewesen.
Elfriede hatte den Bräter vorgewärmt und Fett erhitzt. Sie legte die gesalzenen und gepfefferten Fleischstücke in den Bräter und briet sie von allen Seiten scharf an. Im Nu war der Raum vom Duft bratenden Fleisches erfüllt. Henry hatte sich inzwischen über die Kartoffeln gemacht, die er geschält und die großen in zwei Hälften geteilt hatte. Sie standen nun in einem großen Topf mit Wasser bedeckt und gesalzen bereit, gekocht zu werden. Am Herd zischte es laut und es quoll eine dichte Dampfwolke empor, als seine Frau erst den Portwein und dann den Rotwein in den Bräter goss. Dann gab sie die vorbereiteten Gemüsezwiebeln und die Wacholderbeeren zu dem Fleisch. Dann füllte sie den Bräter mit dem bereitgestellten Wildfond auf. Das Fleisch hatte bereits eine schöne Bräunung angenommen. Nun musste die Rindslende alias Wildschwein nur noch ein wenig köcheln, dann war sie gar.
Elfriede schaute auf die Uhr und bemerkte, dass sie noch mal weg muss. Es würde nicht lange dauern, Henry sollte auf den Braten achten und ihn in zehn Minuten vom Herd nehmen. Sie hatte die Temperatur des Kochfeldes schon ein wenig nach unten geregelt. Beim Hinausgehen gab sie ihrem Mann noch auf, die Preiselbeermarmelade in die Soße zu rühren, wenn er den Bräter vom Herd nähme. Alles andere werde sie machen, sobald sie zurück sei. Und an die Kartoffeln solle er denken, die brauchten auch noch eine halbe Stunde.
Henry nickte zur Bestätigung und ging seiner Beschäftigung am Tresen weiter nach, die er inzwischen aufgenommen hatte. Er sah nach der Uhr, dann ging er zum Herd, um das andere große Kochfeld einzuschalten, damit er die Kartoffeln aufstellen konnte. Dann nahm er den großen Topf mit den Kartoffeln und goss ein wenig von dem Wasser ab, damit der Topf nicht sofort überkochte. Die Marmelade könnte er auch gleich einrühren, dachte er, damit hätte er hier alles erledigt. Damit nahm er ein Glas Marmelade aus dem Schrank und löffelte die Hälfte in den Sud. Dann ging er aus der Küche und kontrollierte den Schankraum. Er entdeckte einen Mülleimer, der noch nicht ausgeleert war und brachte ihn hinaus. Draußen kam sein Nachbar vorbei, der sich nach Emils Befinden erkundigte. Sie gerieten ins Quatschen.
Henry schreckte zusammen, als Elfriede ihm mitteilte, dass sie zurück sei, denn in dem Moment fiel ihm der Bräter ein, der noch immer auf dem Herd stand. Entsprechend fiel die Tirade aus, die über ihn hereinbrach, als Elfriede die Küche betrat. Die Kartoffeln waren inzwischen angebrannt - Henry hatte zu viel Wasser abgegossen. Das Fleisch war trocken und zäh geworden und als Elfriede einen Löffel nahm und die Soße kostete, hatte er zum ersten Mal seit ihrer Ehe Angst um seine Frau, denn sie stand mit weit aufgerissenen Augen da und rief: „Was, um Gottes Willen, hast du in die Soße gerührt?!“ Er zeigte auf das Glas, das noch auf dem Tisch stand. Elfriede nahm es in die Hand und öffnete es, um hineinzuriechen. Ein stechender Geruch ließ sie sofort zurückweichen.
„Das ist keine Marmelade, du Esel, das ist Chutney!“, rief sie und Henry stand mit hängenden Schultern da. Inzwischen zwängte sich dunkelgrauer Qualm aus dem Kartoffeltopf und es roch reichlich angebrannt.
„Das kann keiner essen“, stellte Elfriede niedergeschlagen fest, als sie sich an den Tisch setzte und den Kopf in die Hände stützte. „Was machen wir jetzt?“, fragte sie tonlos. Henry setzte sich zu ihr und legte einen Arm um sie.
„Wir haben’s doch versucht“, wollte er seine Frau trösten.
Sie wischte sie sich mit dem Handrücken eine Träne von der Wange und fragte: „Ob sie’s gemerkt hätten?“
Henry schwieg dazu. Dann wandte er sich ihr zu und sagte fest: „Ich fahr jetzt zum Kaufland. Die haben leckere Wiener Würstchen. Die gibt’s heute mit Kartoffelsalat. Ist auch mal was anderes als immer nur Bockwurst.“

 

Hallo khnebel,

sorry, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich bei dir hochgradig unbeliebt mache, aber diese Geschichte ist nix.
Sie ist langatmig erzählt, enthält erst am Ende so etwas wie einen Hauch von Spannung und ist leider null lustig.
Schade.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo lakita,

das kann ich vielleicht sogar verstehen. Es war ein Versuch, eine Geschichte, die ich so gegen 1984 mal geschrieben habe, und das Manuskript aufgrund nicht nachvollziehbarer Umstände abhanden gekommen war, neu aufzuschreiben. Wir hatten damals eine Lesung als Zirkel und da hatte ich diese Geschichte beigesteuert und war damit sehr gut angekommen. Das hat aber den Grund, dass man damals bei uns nicht einfach mal so in den Laden gehen konnte und Rindslende kaufen konnte. Dass Du meine Geschichte nicht lustig findest liegt daran, dass Eberhard Cours, als er in den Westen ging, seine Witze auch nicht mehr erzählen konnte. Wenn bei uns eine ganze Republik flach gelegen hat, wenn er sich über Kaffeesahne lustig machte, die es eben nicht immer gab, hat im Westen nicht mal einer gelächelt. Heute ist uns das auch klar.
Ja, dann sage ich auch, dass es schade ist, aber ich kann damit leben. Vielleicht gefällt Dir eine andere Geschichte von mir, die noch kommen wird. Ich lass mich deswegen nicht entmutigen. Ich danke Dir jedenfalls für Deine ehrliche Meinung.

Lieben Gruß

khnebel

 

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