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Rinderstapel, pinkfarben

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02.11.2001
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Rinderstapel, pinkfarben

Als die Rinderstapel brannten und wir alle nicht wussten, wie das Grün Englands unter diesem schwarzen Qualm weiter existieren würde, da hast du mich gefragt, welche Haarfarbe ich an dir in diesem Sommer schön fände. Ich fand deine Frage nicht von existenzieller Bedeutung, aber für meinen schäbigen Charakter wertvoll genug, darauf antworten zu wollen.
Dann habe ich geantwortet und deine Reaktion darauf war, dass du wegranntest, raus aus unserer maßgeschneiderten Einbauküche. Der Inhalt in den Töpfen am Herd brodelte und du ranntest weg von dieser Hitze. Weg von uns. Raus in die Welt, die du so nie kennen gelernt hattest. Du hattest diesen pinkfarbenen Lippenstift aufgelegt. Ich wollte nur über die Stapel von Treblinka mit dir plaudern, weil mir das zu diesem Zeitpunkt angemessen erschien. Ich hatte schon den Brut geöffnet, sah dich in deinem trägerlosen Kleid, ich sah deine bestrumpften Beine und stellte mir alles dazwischen mit lebhafter Fantasie vor. Ich wollte dir dieses Pinkfarben wegküssen, dir weiter Anlass geben, für mich Tiernamen zu erfinden. Ich wollte nicht, dass du so wegranntest. Du ranntest mit Tränen weg und deine Stöckel klapperten auf dem Fliesenboden wie Gewehrschüsse.

Später dann war es dieses Restaurant.
Du kanntest den Kellner dort von deinen unzähligen Besuchen mit Leuten, die dir genehm waren und nicht die Fragen stellten, die meinem schwachen Geist immer wieder zugute kamen. Zur Hilfe kamen. Nur, um dir die Abende zu verpatzen.
Sind es wieder deine Flashes , fragtest du. Ja, sagte ich. Es war nie mehr. Meine Flashes, die ich mir erzeugen konnte wie ein Geisteskranker seine Endzeit, die liebtest du anfänglich an mir. Du sagtest Flashes zu meiner Verwirrtheit. Du hattest es notwendig, diese Anglizismen zu gebrauchen.

Ich will von einem Kind reden, sagte ich.
Wahnsinniger, gabst du zur Antwort und ich blickte tief in den Rest vom Wein in meinem Glas und war ganz still, ganz alleine.
Ich möchte, dass du ein Buch liest, sagte ich und, dachte an Genet und dabei drängte ich mich in keiner Weise in deine Seele. Deine Beine hattest du an diesem Abend wieder lang unter der Porzellanplatte des Tisches ausgestreckt und die Hummerscheren knackten zwischen deinem Zahnweiß.
Wie kann ich dich nicht lieben, dachte ich. David Ashcroft sang hinter den Seidenvorhängen und ich glaubte einen Möwenschwarm im Krieg zu sehen. Ob der Wein gut war, sagtest du mir jedenfalls mit der dir angeborenen Bestimmtheit. Wenigstens meintest du es so.
Wir tranken die Nacht zu einem Ende. Zu unserem. Es begann mit den Rinderstapeln. Ich hatte mir überlegt, dir rosafarbene Strümpfe zu deinem Lippenstiftpink zu schenken. Ich fand dazu nicht die Zeit, die ich gebraucht hätte, um die Stapel, egal wo sie gestapelt waren, zu vergessen. Ich sah das Kleid, in dem du stecktest, ich sah deine weißen Brüste darin und ich war einmal mehr Mann. In diesem Restaurant habe ich deine offenen Beine herbeigesehnt. Es hätte dazu keiner rosafarbenen Strümpfe bedurft.

Die Rinderstapel.
Ich hätte davon nie beginnen sollen. Ich hatte uns damit den Abend verdorben und all das, was von uns geblieben war. Das Lippenstiftpink werde ich mir merken. Nicht weil ich das muss. Ich kann es so einfach, wie du es aufgetragen hast, nicht vergessen. Ich weiß auch heute, wie du die Strümpfe über deine glatten Beine ziehst. Immer weiter ziehen wirst. Weil gerade deine Beine nach dieser vollendeten Behandlung schreien. So überzogen zu werden. Danach schreien sie. Nach dieser Seide. Ich habe dich in meinem Wahnsinn dabei beobachtet. Ich konnte nicht wegblicken, von dem, das du mir zu sehen gabst. Wie ein Machthaber, ein trunkener Lagerkommandant, fühlte ich mich dabei. Du warst mein Insasse. Der Einzige. Die Einzige. Welch kleines, schäbiges Lager ich unterhielt.

Wenn die Nacht mehr als kalt ist und der Frost draußen den klammen Mond erwürgt, denke ich an das Restaurant, damals als die Rinderstapel brannten drüben auf den Inseln. Hast du dieses eine Kleid aufgehoben, dieses eine über dem das Pink auf deinen Lippen nicht von Treblinka sprechen wollte? Der Kellner hatte schwarzes Haar, trug es gefärbt und zurückgekämmt. Ihr ward euch ähnlich. Ich war das Fremde für dich. Der ganze Abend war fremd für dich. Ich hatte keine Ringe dabei. Jetzt würde ich sie in der Tasche meines Anzugs finden.
Das Licht der Kerzen hatte uns betrogen.

Ich schmücke die kommenden Weihnachtstage mit einem frisch gefällten Baum und den blitzenden Kugeln eines vergangenen Jahres. Trägst du deine Strümpfe noch in denselben Farben wie damals, als dir der Bissen im Hals stecken blieb, Kleines?

 
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Aq, du schlägst mir deine Geschichten ins Gesicht, jede Einzelne Zeile. Machst mich fertig, lässt mich zurück, ein Gebirge von Ungläubigkeit.
Nein, ich kann es nicht mehr ertragen. Dieser Neid er wächst. Ich blute schon. Ja, es tropft gewaltig. Dieser Wunsch! Dieser Wunsch, deine Geschichten geschrieben zu haben ... längst zum extentiellen Bedürfnis geworden. Prügelst mich mit deinen Sätzen, jeder Einzelne, ein Stich ins Herz, ganz tief.


Liebe Weihnachtsgrüsse and dich Aq, Stefan

Woooowwwwwwwwwwwwwwwwww!

 

Oh, no,
da ist wieder alles drin und trotz der surealen Handlung tauchen die Feuer der Scheiterhaufen die ganze Story in ein flackerndes Licht.
Schon oft bei deinen Geschichten gedacht und geschrieben, heftig, ganz heftig.
Alles liebe***********Merlinwolf***********

ein Satz noch
@ Arche - blute doch nicht und neide nicht, dein Stil ist genauso gut, nur anders und wo wäre die deutsche Dichtung wenn jeder das Gleiche zu Papier bringt. Denk doch nur an "Wir helden von Karo sieben" und all die anderen Worte. Du hast ihnen Beine gegeben und eine Identität. Sieh nur, was aus "Chuck" geworden ist
Alles liebe auch an dich *Merlinwolf******

 

Hei Aq, ich habe es noch mal gelesen, mein Blick ist ernster geworden. Zwei, drei Worte, keine Bedeutung für den, der nicht das Paar auf der Kaimauer im Norden kennt. Ich glaube nicht an Merlin´s Surrealismus. Hab kurz ein Fallbeil im Text gesehen! Auch ich verwechsle Darsteller und Schreiber oft. Wie soll ich mich dagegen wehren?

Liebe Weihnachtsgrüsse Arche

 

Die Geschichte lässt mich den ganzen Tag schon nicht los. Sie steckt in mir wie ein Granatsplitter. Normalerweise kriegst du meine „Kritiken“ immer persönlich gesagt. Hier habe ich länger gebraucht, um wirklich etwas dazu sagen zu können. Und ob ich sie wirklich verstanden habe, wer weiß das schon. Weiß hier der Autor überhaupt, was er da Großartiges vollbracht hat. Und das nach einem Flash? Was für tiefe Gefühle stecken da bloß noch in dir?

Rinderwahnsinn. Geschehener Wahnsinn in Treblinka. Wahnsinniger Protagonist?
Wahnsinniges „normales“ Leben in einer doch so wahnsinnigen Welt.

„Wir tranken die Nacht zu einem Ende. Zu unserem.“ Das Ende der Liebe?

„Ich fand dazu nicht die Zeit, die ich gebraucht hätte, um die Stapel, egal wo sie gestapelt waren, zu vergessen.“ Keiner wird diese Stapel jemals wirklich vergessen, auch wenn man nicht ständig daran denkt. Und es werden -leider- immer wieder irgendwelche „Stapel“ brennen, um uns an längst vergessene „Wahnsinnigkeiten“ zu erinnern.

Gute Schriftsteller, wie auch du es einer bist, werden uns immer wieder daran erinnern. Was soll ich noch schreiben? Dein Stil ist auch hier wieder unverkennbar. Du bringst die Menschen zum nachdenken und zum zweifeln. Zu den Beinen will ich hier mal nix sagen. -- Isa --

 

Es war ein kleiner nächtlicher Anfall von mir, diesen Text zu schreiben. Ich danke euch dafür, dass ihr ihn gelesen habt. Werde nun tatsächlich eine Schreibpause versuchen, um euch nicht unter meinem Überangebot zu ersticken.

Arche, Stefan,

wie Merlinwolf schon sagte. Jeder hat seinen Stil und du hast deine Worte, die anders sein müssen, um genauso oder schöner zu sein. Kein Neid, Arche. Du bist nur deinen Worten und Sätzen verantwortlich. Es gibt auch den Arche- Stil. Es ist so.
Ich wollte über die BSE- Scheiterhaufen einen besinnlichen Strick zu einer schamlosen Vergangenheit drehen. Gedanken dazwischen auch zu Weihnachten anregen. Das Mann- Frau- Thema ist allgegenwärtig in den meisten Texten. Surrealismus passt hier.

Morphin,

ja, ich hatte viel Zeit zu schreiben und es funktionierte auch sehr gut. Eine Pause wird trotzdem nicht schaden. Danke auch für deine Berichtigung.

Merlinwolf,

ja, der Surrealismus einer Liebe, das Ende nur durch ein Gespräch herbeigeführt. Ungewollt. Die Scheiterhaufen geben dem Text die Düsternis. Ich halte nichts von der Helle, du weißt ja.


Ich wünsche euch allen schöne ruhige Weihnachten und ein bißchen Erholung vom aqualingischen Stil.

Aqua

 

Ich hoffe hier denkt keiner "Scheiße der beisst vor Neid in den Schreibtisch, der ist aber verbohrt!"

Quark, es ist ´ne form von Bewunderung. Naja ... kleine Fehlinterpretation ist mir ja auch noch gelungen. Aber wo ich auch hinblicke ich sehe nur immer Fallbeile! Auch im Bekanntenkreis, .... hab ja auch einen. Wirklich ein Fallbeil nach dem anderen!

Naja. aber der Stil, den du benutzt...der ist schon total geil.

Ich bin nicht neidisch, kein bißchen ... ich schwöre!!

Smiley setzt ich nicht, du magst die Dinger nicht!

Bis dann und zum achtenmal Frohes Fest ihr beide

Archetyp

 

Lieber Aqualung!

Habe dem Text anfangs unrecht getan. Er schien mir ein neuerlicher Aufwasch von in letzter Zeit ständig Wiederholtem zu sein. Denn er ist, wenn auch in einer ähnlichen Schiene gefahren wie schon einige zuvor, doch eine sehr eigenständige Geschichte und, wie immer, wortgewaltig.

Die Darstellung unterschiedlichster Stapel die das Leben hinterlässt, das Verbinden von Einzelschicksalen und Weltgeschehen, ist dir hier, einmal mehr, wirklich vortrefflich gelungen. Das Darstellen von kosmetischen Nebensächlichkeiten in einer Welt die Tiere verbrennt !! war gekonnt und man findet sich wieder auf dem Boden des Realen ein. Dann noch der Macht fühlende Lagerkommandant, der eigentlich nur geduldeter Betrachter ist - ja Aqua, ich war nicht im Recht damit, die Geschichte so oberflächlich zu betrachten. Vielleicht hat mich aber auch die Farbe Pink gestört, weil ich die so gar nicht mag. :p

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Hállo Aqua!

Der Titel ist gewöhnungsbedürftig, pink kann ich nicht besonders leiden, aber der Text, der ist eibnfach mal weider spitze in meinen Augen. Es ist mir unbegreiflich, wie Du so viele, so gute Texte rausschreiben kannst, einer gewaltiger als der andere, Aqua...

liebe Grüße...

 

Mir ist sowieso alles unbegreiflich, Maus, Maus.
Es ist nicht änderbar.

Aqua

 

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