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Rinderstapel, pinkfarben
Als die Rinderstapel brannten und wir alle nicht wussten, wie das Grün Englands unter diesem schwarzen Qualm weiter existieren würde, da hast du mich gefragt, welche Haarfarbe ich an dir in diesem Sommer schön fände. Ich fand deine Frage nicht von existenzieller Bedeutung, aber für meinen schäbigen Charakter wertvoll genug, darauf antworten zu wollen.
Dann habe ich geantwortet und deine Reaktion darauf war, dass du wegranntest, raus aus unserer maßgeschneiderten Einbauküche. Der Inhalt in den Töpfen am Herd brodelte und du ranntest weg von dieser Hitze. Weg von uns. Raus in die Welt, die du so nie kennen gelernt hattest. Du hattest diesen pinkfarbenen Lippenstift aufgelegt. Ich wollte nur über die Stapel von Treblinka mit dir plaudern, weil mir das zu diesem Zeitpunkt angemessen erschien. Ich hatte schon den Brut geöffnet, sah dich in deinem trägerlosen Kleid, ich sah deine bestrumpften Beine und stellte mir alles dazwischen mit lebhafter Fantasie vor. Ich wollte dir dieses Pinkfarben wegküssen, dir weiter Anlass geben, für mich Tiernamen zu erfinden. Ich wollte nicht, dass du so wegranntest. Du ranntest mit Tränen weg und deine Stöckel klapperten auf dem Fliesenboden wie Gewehrschüsse.
Später dann war es dieses Restaurant.
Du kanntest den Kellner dort von deinen unzähligen Besuchen mit Leuten, die dir genehm waren und nicht die Fragen stellten, die meinem schwachen Geist immer wieder zugute kamen. Zur Hilfe kamen. Nur, um dir die Abende zu verpatzen.
Sind es wieder deine Flashes , fragtest du. Ja, sagte ich. Es war nie mehr. Meine Flashes, die ich mir erzeugen konnte wie ein Geisteskranker seine Endzeit, die liebtest du anfänglich an mir. Du sagtest Flashes zu meiner Verwirrtheit. Du hattest es notwendig, diese Anglizismen zu gebrauchen.
Ich will von einem Kind reden, sagte ich.
Wahnsinniger, gabst du zur Antwort und ich blickte tief in den Rest vom Wein in meinem Glas und war ganz still, ganz alleine.
Ich möchte, dass du ein Buch liest, sagte ich und, dachte an Genet und dabei drängte ich mich in keiner Weise in deine Seele. Deine Beine hattest du an diesem Abend wieder lang unter der Porzellanplatte des Tisches ausgestreckt und die Hummerscheren knackten zwischen deinem Zahnweiß.
Wie kann ich dich nicht lieben, dachte ich. David Ashcroft sang hinter den Seidenvorhängen und ich glaubte einen Möwenschwarm im Krieg zu sehen. Ob der Wein gut war, sagtest du mir jedenfalls mit der dir angeborenen Bestimmtheit. Wenigstens meintest du es so.
Wir tranken die Nacht zu einem Ende. Zu unserem. Es begann mit den Rinderstapeln. Ich hatte mir überlegt, dir rosafarbene Strümpfe zu deinem Lippenstiftpink zu schenken. Ich fand dazu nicht die Zeit, die ich gebraucht hätte, um die Stapel, egal wo sie gestapelt waren, zu vergessen. Ich sah das Kleid, in dem du stecktest, ich sah deine weißen Brüste darin und ich war einmal mehr Mann. In diesem Restaurant habe ich deine offenen Beine herbeigesehnt. Es hätte dazu keiner rosafarbenen Strümpfe bedurft.
Die Rinderstapel.
Ich hätte davon nie beginnen sollen. Ich hatte uns damit den Abend verdorben und all das, was von uns geblieben war. Das Lippenstiftpink werde ich mir merken. Nicht weil ich das muss. Ich kann es so einfach, wie du es aufgetragen hast, nicht vergessen. Ich weiß auch heute, wie du die Strümpfe über deine glatten Beine ziehst. Immer weiter ziehen wirst. Weil gerade deine Beine nach dieser vollendeten Behandlung schreien. So überzogen zu werden. Danach schreien sie. Nach dieser Seide. Ich habe dich in meinem Wahnsinn dabei beobachtet. Ich konnte nicht wegblicken, von dem, das du mir zu sehen gabst. Wie ein Machthaber, ein trunkener Lagerkommandant, fühlte ich mich dabei. Du warst mein Insasse. Der Einzige. Die Einzige. Welch kleines, schäbiges Lager ich unterhielt.
Wenn die Nacht mehr als kalt ist und der Frost draußen den klammen Mond erwürgt, denke ich an das Restaurant, damals als die Rinderstapel brannten drüben auf den Inseln. Hast du dieses eine Kleid aufgehoben, dieses eine über dem das Pink auf deinen Lippen nicht von Treblinka sprechen wollte? Der Kellner hatte schwarzes Haar, trug es gefärbt und zurückgekämmt. Ihr ward euch ähnlich. Ich war das Fremde für dich. Der ganze Abend war fremd für dich. Ich hatte keine Ringe dabei. Jetzt würde ich sie in der Tasche meines Anzugs finden.
Das Licht der Kerzen hatte uns betrogen.
Ich schmücke die kommenden Weihnachtstage mit einem frisch gefällten Baum und den blitzenden Kugeln eines vergangenen Jahres. Trägst du deine Strümpfe noch in denselben Farben wie damals, als dir der Bissen im Hals stecken blieb, Kleines?