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Rike und die Elfenkönigin
Rike und die Elfenkönigin
Rike erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Heute war der erste Ferientag und sie hatte sich viel vorgenommen. Mit ihrer Freundin Maike wollte sie gleich nach dem Frühstück auf den Spielplatz gehen. Ihre Puppen Gitti und Klara sollten natürlich auch mit. Auch Maike wollte ihre beiden Lieblingspuppen mitbringen und dann wollten alle zusammen ein Picknick veranstalten. Picknick deshalb, weil Frau Bollermann, ihre Lehrerin, am letzten Schultag mit der gesamten Klasse auch ein Picknick veranstaltet hatte und das hatten den beiden Freundinnen so sehr gefallen, dass Sie spontan beschlossen, am ersten Ferientag auch gleich so ein Picknick mit ihren Puppen zu machen.
Schnell stand Rike auf. Sie ging ins Bad, um sich frisch zu machen. Normalerweise musste ihre Mutter Sie immer drängen. Rike wasch dich vernünftig; Vergess nicht auch deine Zähne zu putzen; Mach das Waschbecken danach wieder sauber; und so ging es laufend. Heute jedoch ging alles wie von selbst. Na ja, vielleicht war das alles nicht so gründlich, wie Mutter es gerne hätte, aber es waren ja schließlich auch Ferien. Rike ging fröhlich aus dem Bad. Stopp, Sie hatte die Türklinke schon in der Hand, als sie ein Geräusch hörte. Hm Hm klang es von der Fensterbank her. Nochmal ein Räuspern und dann erklang eine helle Kinderstimme.
„Würdest du mich wohl freundlicherweise aus meiner misslichen Lage befreien?“ hörte sie jemanden sagen. Rike sah sich um, konnte aber niemanden entdecken. Aber da hatte doch jemand mit ihr gesprochen. Sie schüttelte den Kopf. Na, dann hab ich das wohl nur geträumt, dachte sie. Gerade als sie die Tür öffnen wollte, hörte sie wieder diese helle Kinderstimme.
„Ich bin hier, hier im Wäschekorb unter der Fensterbank. Meine Flügel haben sich irgendwie festgeklemmt. Ich kann mich nicht mehr befreien“. „Flügel festgeklemmt? Was soll das denn?“ dachte Rike.
Neugierig ging Sie zum Wäschekorb. Obenauf lag ein Handtuch. Sie konnte zunächst nichts anderes sehen als die Wäsche, die im Korb lag und gewaschen werden sollte. Doch dann bemerkte sie eine Bewegung unter dem Handtuch. Sie nahm das Tuch zur Seite und sah dann; Ja was sah sie eigentlich? Da zappelte so ein kleines Wesen, das aussah wie ein Mensch, aber eigentlich viel zu winzig war für einen Menschen. Irgendwie war es mit seinen Flügeln an der Gürtelschnalle von Papas Hose hängen geblieben und konnte sich nicht mehr daraus befreien.
„Nun hilf mir doch schon“, hörte sie die Kleine wieder sprechen.
Rike griff automatisch, ohne viel nach zu denken, an den Gürtel und hob ihn etwas an.
„Aua, du tust mir weh“, rief dieses seltsame Wesen. „Sei doch bitte vorsichtig mit meinen Flügeln, die wachsen so schwer wieder nach“.
Obwohl Rike das alles nicht begreifen konnte, versuchte sie vorsichtig dieses kleine Wesen aus der Schnalle zu befreien. Schon bald hatte sie es geschafft.
„Na da hab ich ja nochmal Glück gehabt“, sagte die Kleine. „Ich danke dir für deine Hilfe. Darf ich mich vorstellen? Ich heiße Leona und komme aus dem Elfenreich. Gestern Abend bin ich durch das geöffnete Fenster geflogen, weil das Sonnenlicht in dies Zimmer fiel und es so wunderbar leuchtete. Aber dann kam eine große Frau ins Zimmer und schloss das Fenster. Ich konnte mich gerade noch in diesen Korb mit der Wäsche flüchten, damit sie mich nicht sah. Zu allem Unglück, schmiss Sie dann noch dieses nasse Handtuch obenauf, so dass ich fast erstickt wäre. Aber mir blieb keine andere Wahl, ich musste mich vor der Frau verstecken, da ich sonst, wenn sie mich gesehen hätte, für immer und ewig an dieses Haus gebunden gewesen wäre. Unsere weisen Zauberer sagen nämlich, wenn man von einem erwachsenen Menschen bei Tageslicht erkannt wird, dann muss man für immer bei ihm bleiben. Das wollte ich natürlich nicht, denn dann könnte ich gar nicht mehr mit meinen Freundinnen aus dem Elfenreich spielen.
„Aber ich habe dich jetzt doch auch gesehen. Und überhaupt, was bedeutet Elfenreich? Warum bist du so klein und sprichst wie eine Erwachsene mit mir? Ich habe dich noch nie hier gesehen“.
Fragend sah Rike dieses fremde Persönchen an.
„Nun, bei Kindern ist das etwas anderes. Sie glauben noch an das Gute im Menschen. Sie sehen noch die schönen Farben der Pflanzen und Blumen in der Natur. Sie erfreuen sich an den bunten Schmetterlingen und sie hören schöne Musik. All das, was wir Elfen auch mögen und deshalb brauchen wir keine Angst zu haben“.
„Aber, ich habe noch nie von Elfen gehört. Was seid ihr denn für Wesen? Du siehst eigentlich so aus wie wir Menschen, aber du bist so klein und hast diese seltsamen Flügel“.
Die kleine Elfe schüttelte den Kopf. „Siehst du, das ist typisch für die Erwachsenen. Sie erzählen ihren Kindern nicht, dass es uns gibt, weil sie einfach nicht glauben wollen, was sie nicht sehen können. Dabei haben ihre Großeltern Ihnen schon von uns erzählt. Alle Eltern sollten ihren Kindern die Wunder der Natur zeigen. Bist du vielleicht schon einmal bei Einbruch der Dunkelheit mit deinen Eltern durch die Natur gewandert? Hast du die Fledermäuse oder die Glühwürmchen gesehen? Wobei ich sagen muss, meine Freunde die Waldelfen, werden oftmals mit Glühwürmchen verwechselt. Da musst du dann schon ganz genau hinsehen, um sie zu erkennen. Wir Elfen lieben einfach alles was funkelt und glitzert. Deshalb bin ich ja auch in dieses Zimmer geflogen. Die Abendsonne glitzerte so schön. Das Sonnenlicht wurde durch die Parfümflasche deiner Mutter reflektiert. Es sah wunderbar aus und ich konnte es von meiner Wohnung aus sehr schön sehen“.
„Wieso von deiner Wohnung aus“, fragte Rike. „Wir wohnen hier doch ganz alleine, außer meiner Freundin Maike und ihren Eltern, wohnt hier doch niemand in der Nähe. Wie konntest du da in unser Badezimmer sehen? Wo wohnst du denn?“
„Na da drüben in dem herrlichen Weißdornbusch. Wir Elfen lieben Holunder und Weißdornbüsche und Euer Weißdornbusch ist prächtig gewachsen. Ich lebe dort mit meiner ganzen Familie. Mein Bruder Thor ist allerdings kaum dort. Er ist immer unterwegs, aber meine Mutter Delfina und mein Vater Ribard haben uns dort eine hübsche Wohnung gebaut“.
„In unserem Weißdornbusch? Wie kommt es, dass ich dich noch nie gesehen habe?“, fragte Rike.
„Das liegt wahrscheinlich daran, dass du deine Umgebung noch nie so richtig betrachtet hast. Wir Elfen besitzen die Fähigkeit, uns der Natur anzupassen. Schau mal aus dem Fenster. Siehst du dort die verschiedenen Bäume und Sträucher? Kennst du ihre Namen? Weist du, was sie gerne mögen? All das haben dir deine Eltern sicherlich nie erzählt, weil sie einfach den Blick für die Natur verloren haben. Nur wer im Herzen den ehrlichen Wunsch trägt all das zu sehen, den besuchen wir Elfen auch und zeigen Ihm die Wunder der Natur“.
Rike war wie erschlagen. Für sie war alles völlig normal und selbstverständlich gewesen. Nie hatte sie über die Pflanzen und die Natur um sie herum nachgedacht. Sie musste unbedingt mit ihren Eltern darüber reden. Schon wollte sie sich umdrehen und hinaus gehen, als sie erneut von der kleinen Elfe angesprochen wurde.
„Würdest du jetzt bitte das Fenster öffnen, damit ich wieder nach Hause kann. Meine Eltern werden sich bestimmt schon Sorgen machen“. Dabei tanzte sie unruhig auf der Fensterbank herum.
Wie in Trance ging Rike zum Fenster und öffnete es. Schon flog die kleine Leona davon.
„Sehen wir uns noch einmal wieder?“, rief Rike hinter ihr her, aber die kleine Elfe hörte es schon nicht mehr. Sie war wieder im Weißdornbusch verschwunden.
Nachdenklich schloss Rike das Fenster. Ich muss das nachher unbedingt Maike erzählen. Ich wette sie glaubt mir nicht. Und Mutter? Wird sie mir glauben? Bestimmt nicht. Besser ich bespreche es erst einmal mit Maike dachte sie und ging aus dem Zimmer.
Nach dem Frühstück wollte Rike gleich zu ihrer Freundin Maike, aber ihre Mutter hielt sie zurück.
„Halt, mein kleines Fräulein“, rief sie, als Rike schnell aufstand und zur Tür lief, „Bevor du gleich wieder verschwindest, werden wir zwei einkaufen gehen. Zieh dir schnell deine Jacke an und dann können wir auch gleich los“.
„Oh Mama, muss ich unbedingt mit? Ich würde viel lieber mit Maike spielen. Du kannst doch auch alleine einkaufen gehen“. Rike sah ihre Mutter mit ihren großen, blauen Augen so lieb an, dass diese gar nicht umhin konnte, ihrer Tochter zu erlauben, mit Maike zu spielen.
„Aber nur, wenn Maikes Mutter nichts dagegen hat, dass du solange drüben bleibst, während ich einkaufen gehe“, sagte sie. „Ich werde mal dort anrufen“.
Natürlich hatte Maikes Mutter nichts dagegen und so rannte Rike schon bald aus dem Haus, zu ihrer Freundin hinüber. Als sie an dem Weißdornbusch vorbeikam, blieb sie kurz stehen und schaute, ob sie irgendetwas sehen konnte. Der Busch stand aber da, wie immer. Oben in der Spitze schlummerten einige bunte Schmetterlinge ansonsten konnte sie nichts entdecken. Schnell rannte sie weiter, dabei bemerkte sie gar nicht, dass ein kleiner bunter Schmetterling heftig mit seinen Flügeln hin und her schwang.
Maike stand vor dem Haus und wartete schon. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass Rike gleich kommen würde. Sie freute sich jedes Mal, wenn sie mit ihr spielen konnte. Besonders heute. Wollten sie doch ihr erstes großes Picknick mit ihren beiden Puppen machen. Sie hatte Tom und Pedi, so hießen ihre beiden Lieblinge, auch schon angezogen und wartete nun mit den Beiden vor der Tür.
„Da bist du ja endlich“, rief sie schon von weitem als sie Rike kommen sah, „Ich warte schon. Wir wollen doch heute unser Picknick machen“.
Rike blieb heftig nach Luft schnappend, vor ihr stehen.
„Ich muss dir ganz was Tolles erzählen“, kam es aus ihr heraus, als sie wieder bei Atem war. „Du wirst es gar nicht glauben wollen, aber es ist wirklich war, in unserem Badezimmer war eine kleine Elfe“. Und dann sprudelte es nur so aus ihr heraus und sie erzählte Maike die ganze Geschichte.
„Ist ja toll, eine richtige Elfe, so mit Flügeln und so?“ rief Maike aufgeregt. „Meine Oma hat mir erzählt, dass es solche Wesen gibt, aber Mama sagte dann immer Oma soll mir nicht solche Märchen erzählen. Aber dann hatte sie ja doch recht. Komm, lass uns schnell zu dem Weißdornbusch. Ich möchte die kleine Leona auch sehen“.
„Ja, aber als ich eben an dem Busch vorbei kam, konnte ich niemanden entdecken“, entgegnete Rike, „hoffentlich ist sie noch da“.
Maike rief ihrer Mutter zu, die inzwischen in der Tür stand und Rike begrüßte,
„Mama wir gehen rüber zu Rike und spielen dort. Bist du einverstanden?“. Ohne auf eine Antwort ihrer Mutter zu warten schnappte Maike sich Rikes Arm und wollte mit ihr los laufen.
„Halt ihr Zwei. Ich möchte dass ihr, solange Rikes Mutter beim Einkaufen ist, hier bei uns auf dem Grundstück bleibt. Und da brauchst du auch gar nicht so zu schmollen“, sagte sie gleich zu ihrer Tochter, die nämlich schon einen ziemlich beleidigten Gesichtsausdruck an den Tag legte.
„Nachher könnt ihr meinetwegen gerne rüber. Damit die Zeit nicht zu lang wird, könnt ihr ja erst einmal hier bei uns ein kleines Picknick machen. Ich habe Euch auch schon ein paar schöne, leckere Sachen vorbereitet. Seht her“.
Maikes Mutter hatte im Flur einen kleinen Tisch angerichtet, den sie jetzt nach draußen stellte. Sie holte noch zwei kleine Karaffen mit Orangensaft und eine Schale mit Obst dazu und stellte alles auf den Tisch im Vorgarten.
„Ich würde vorschlagen, ihr setzt euch jetzt erst einmal mit euren Puppen an den Tisch und macht ein Picknick. Das hattet ihr doch vor, oder täusche ich mich?“
„Ja, Mama, aber bei Rike im Weißdornbusch“, begann Maike, als sie plötzlich einen heftigen Stoß in der Hüfte verspürte. Rike sah sie mit geschlossenem Mund an und bedeutete Ihr ruhig zu sein.
Ach ja, sie durfte da ja nicht mit den Erwachsenen darüber reden.
„Was ist denn mit Rikes Weißdornbusch?“, fragte Maikes Mutter.
„Ach nichts, ich wollte nur sagen, dass wir drüben beim Weißdornbusch spielen wollten, aber wir können natürlich auch nachher dort hin gehen“, antwortete Maike.
Ihre Mutter sah sie ganz erstaunt an. So viel Verständnis war sie von ihrer Tochter gar nicht gewohnt. Versuchte sie sonst doch immer ihren Kopf durchzusetzen. Bestimmt hatten die Beiden mal wieder ein Geheimnis miteinander, dachte sie. „Dann ist ja alles in Ordnung“, sagte sie und ging wieder in ihre Wohnung hinein.
Maike und Rike indessen konnten es gar nicht abwarten, dass Rikes Mutter vom Einkaufen zurück kam. Sie beschäftigten sich nun zunächst mit ihren Puppen. Diese erfuhren natürlich auch sofort die Neuigkeit. Dann genossen sie das zweite Frühstück, denn Maikes Mutter hatte Ihnen inzwischen ein Tablett mit Keksen auf den Tisch gestellt.
Es dauerte dann aber doch noch eine ganze Weile bis Rikes Mutter zurück kam. Maike sah das blaue Auto von Rikes Mutter auf den Hof fahren und sprang sofort auf.
„Rike deine Mutter ist zurück. Lass uns schnell rüber gehen. Ich sag Mama bescheid“. Maike sprang auf und rannte ins Haus.
Die beiden Freundinnen gingen mit ihren Puppen und einem kleinen Leiterwagen rüber zum Weißdornbusch. Sie breiteten eine Wolldecke, die sie von Maikes Mama mitbekommen hatten, vor dem Busch aus und ließen sich darauf nieder.
„Wo ist denn jetzt die kleine Elfe?“ fragte Maike, „Oder hast du mir was vorgeflunkert?“
„Ich weis auch nicht wo sie ist, aber ich habe ganz bestimmt nicht gelogen“, antwortete Rike. Es verging eine ganze Weile, ohne dass sich etwas tat. Maike begann allmählich an Rikes Geschichte zu zweifeln. Sie begann mit ihren Puppen zu sprechen.
„Na ja, ich glaube Rike hat geträumt, denn bestimmt würde sie uns ja nicht anlügen. Sie ist doch unsere beste Freundin und Freunde belügen sich nicht“. Dabei schaute sie heimlich zu Rike hinüber.
Rike saß auf der Decke und schaute immer wieder auf den Weißdornbusch. Was, wenn sie tatsächlich nur geträumt hätte, dachte sie. Kann es denn sein, dass man so intensiv träumt, dass man hinterher wirklich glaubt was man im Traum gesehen hatte, tatsächlich selbst erlebt zu haben? Aber sie war sich ganz sicher mit der kleinen Elfe gesprochen zu haben. Sie drehte sich zu Maike hinüber.
„Maike ich habe das wirklich erlebt. Die kleine Elfe hat mir von der Schönheit der Natur erzählt und schau doch mal, wie schön der Flieder dort drüben blüht. Und unser Holunderbusch. Sieht er nicht prächtig aus? Die vielen bunten Schmetterlinge, die hier herumschwirren. All das habe ich sonst nie so beachtet. Erst als Leona mir davon erzählte wurde mir bewusst, wie schön wir es hier haben“.
„Du hast ja recht“, entgegnete Maike, „Es ist wirklich wunderschön hier. Aber warum können wir deine kleine Elfe denn nicht sehen?“.
„Aber ihr könnt mich doch sehen“, erklang auf einmal eine helle Stimme im Weißdornbusch. „Ihr müsstet nur mal nach oben sehen“.
Erschrocken sahen die beiden Freundinnen sich um. Wer hatte da mit ihnen gesprochen? Rike hatte sich zuerst wieder gefasst und sah nach oben in den Busch. Zunächst erblickte sie nur die bunten Schmetterlinge, die sich an der Spitze des Busches tummelten. Doch dann sah sie Leona. Sie saß inmitten der bunten Schmetterlinge auf einem Zweig und sah auf sie herab.
„Da, siehst du Maike, dort ist Leona“.
Maike sah fasziniert nach oben. Auch sie hatte dieses kleine Wesen auf dem dünnen Zweig entdeckt. Toll, dachte sie. Hatte Rike also doch recht gehabt. Es gibt diese kleine Elfe wirklich. „Willst du nicht zu uns auf die Decke kommen? Dann können wir vielleicht zusammen mit unseren Puppen spielen“.
Leona flog zu ihnen herab und setzte sich auf die Seitenwand des kleinen Leiterwagens, den Rike und Maike mitgebracht hatten.