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Respekt
„Hey Kleiner, wenn Du mich noch einmal so blöde angrinst, hau ich Dir eine rein“, krakeelte der Große von gegenüber auf der Kreuzung, steckte sich den Rest seiner Banane in den Mund und warf die Schale nach Rudi und mir. Ich hatte gewaltigen Respekt, schließlich war ich damals gerade mal elf und dieser Peter schon dreizehn!
Diesen und andere Sprüche und Drohungen hörten wir Kleineren fast täglich von ihm, obwohl ich für mein Alter auch nicht wirklich klein war! Mein Freund Rudi, der trotz seiner zehn Jahren unter einer Horde Zweitklässern nicht aufgefallen wäre, bei dem war dieser gesunde Respekt meinerseits schon die pure Angst!
Wenn wir uns auf dem Heimweg von der Schule an der letzten Kreuzung trennten und er sah den großen Peter auf der Straße, dann kam er zurück, ging noch eine Straße mit mir weiter und lief dann hinter den Häusern entlang, obwohl er dadurch ein ganzes Stück mehr zu gehen hatte!
Nur genau an diesem Tag sah man Peter nach der Schule nicht auf der Straße und Rudi wollte die Gunst der Stunde nutzen, um einmal nicht zu spät zum Essen heim zu kommen!
Ich war noch kein Dutzend Schritte weiter gegangen, da hörte ich Rudi schon panisch kreischen.
Peter war wohl in dem Moment um eine der Hausecken gekommen, als Rudi vorbei wollte.
Wie schon des Öfteren hatte Peter, stattliche 1,60 groß und schon fast siebzig Kilo schwer, den kleinen Peter an seinem blonden Wuschelkopf gepackt und zog ihn nun an die Kreuzung, zu der ich auch gleich zurückgelaufen war! „ Hab ich’s Euch nicht schon heute früh gesagt, dass ich heute einem von Euch noch eine reinhaue…“ prahlte er großspurig.
Rudi weinte fürchterlich und ich sah, dass Peter ihn, mit einem bösen Grinsen im Gesicht, wirklich nicht gerade zimperlich an den Haaren zog.
Dieses Bild erweckte in mir einen Heiden Zorn und bevor ich wusste, was ich überhaupt tat, brüllte ich diesen großen Jungen aus der Nachbarschaft an: „ jetzt lass doch mal den Kleinen in Ruhe“!
Stille – man hätte eine Stecknadel fallen hören.
Peter war so perplex, dass er tatsächlich Rudi losließ, der sich sofort an die Hauswand drückte und leise vor sich hin weinte!
Dann sah man bei Peter die Zornesröte ins Gesicht steigen und mir wurde in dem Moment bewusst, dass mein letztes Stündlein geschlagen haben könnte! Wie ein Bulldozer stürmte er auf mich zu um mich zu Brei zu verarbeiten, wie er mir währenddessen lautstark versprach! Weil aber auch mein Zorn gewaltig war erwartete ich ihn, trotz dem Respekt, den ich vor ihm hatte, mit einem kräftigen Stoß mit beiden Fäusten genau auf das Dreieck als er mich am Kragen packte… und er ging zu Boden, nein - er setzte sich so gewaltig auf seinen Hosenboden, dass ihm die Luft wegblieb!
Ich war selbst so überrascht, dass ich nur da stand und auf ihn hinunterblickte auf diesen großen Jungen! Und Peter - während er da so auf dem Pflaster saß und nach Luft ringend zu mir hoch sah, da sah man in seinem Gesicht kein böses Grinsen mehr, nein, man sah wirklich Erstaunen und Respekt.
Als er sich aufrappelte und davon watschelte, während er sich das Hinterteil hielt, sah Rudi zuerst zu Boden, dann sah er mich an wie ein kleines Weltwunder und dann wieder auf den Boden und als wäre für ihn ein Alptraum zu Ende, fing er plötzlich an zu lachen.
Er lachte, bis ihm wieder die Tränen übers Gesicht liefen, diesmal aber nicht vor Angst - und mir war das schon fast peinlich - als er endlich prustend sagte: „Fast… hahaha… fast hätte ich Dich für einen Supermann gehalten, … hahaha, … aber das bist gar nicht wirklich Du gewesen… hahaha…!“
Jetzt war ich doch beinahe etwas beleidigt mit ihm, schließlich hatte ich den großen Peter umgehauen, als Rudi wieder loslegte: „… selber Schuld…hahaha… der wird wohl in Zukunft ganz schön Respekt vor Deinen Fäusten haben, wenn der wüßte, … hahaha… dass er auf seiner eigenen Bananenschale ausgerutscht ist!“