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Requiem einer Liebe

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07.10.2002
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Requiem einer Liebe

Ein letztes Mal Verdis Requiem, ein letztes Mal mit dir, nur du und ich, Stationen einer Liebe ein letztes Mal erleben in meinen Gedanken, die dich nicht mehr erreichen. Und du, was hörst du jetzt wohl?

Mein Kopfhörer sitzt fest, meine Augen sind geschlossen, ich werde versinken in Glück und Schmerz, so wie es war und nicht mehr sein wird.

Requiem - Dies irae. Du stehst vor mir, die Nacht ist bitter kalt und klar und über uns der Himmel mit all seinen Sternen, an denen ich mich nicht satt sehen kann. Sie sind so nah, als würden wir inmitten von ihnen stehen. Du siehst so wunderschön aus, siehst mich an, die schwarze Mütze tief in deine Stirn gezogen, den Kragen deines Mantels hochgestellt. Dein Mund macht mir Sehnsucht und in deinen Augen sehe ich tausend Fragen, Fragen die du mir einmal stellen wirst und auf die ich keine Antwort finden werde. Ich weiß, dass es diesen Moment nie wieder geben wird, ich nie wieder so nah bei den Sternen sein werde. Ich erstarre für Sekunden, spüre die beißende Kälte längst nicht mehr und habe, jetzt am Anfang, Angst vor dem Ende. In dieser Nacht weinst du - zum ersten Mal, in dieser Nacht sage ich dir, dass ich dich liebe - zum ersten Mal.

Offertorio. Wir tanzen in einem Rapsfeld, ohne Musik und doch werden wir von dem selbem Rhythmus bestimmt. Der Himmel über uns ist unendlich blau, der Duft des Sommers hüllt uns ein, ein warmer Wind streift unsere Gesichter, während unser Tanz uns wie auf Wolken schweben lässt. Wie frei wir sind, von allem, es gibt nur uns und diesen Augenblick des Glücks. Ich kann nicht fassen, wie sehr ich dich liebe, ich kann nicht fassen, warum ich mich zu dieser Liebe nicht bekennen kann und darf. Doch jetzt, nicht daran denken, nicht an das denken, was sein wird.

Sanctus - Agnus dei. Dein Körper schimmert im Kerzenlicht, das kleine, flackernde Schatten auf deine Brust und deinen Bauch wirft. Ich muss dich unentwegt ansehen, muss dich einbrennen in meine Seele und meinen Körper. Schweißtropfen auf deiner Stirn, ich warte, bis sie mich erreichen, sich auf meiner Haut vermischen und ein Teil von dir mit mir ein Ganzes wird. Deine Augen sind fast geschlossen, dein Mund, aus dem dein schneller werdender Atem dringt, ist halb geöffnet. Ganz langsam spüre ich die Welle auf mich zukommen, höre deinen Schrei auf ihrer Schaumkrone, du schreist, dass du mich liebst, ich werde davon getragen und höre mich flüstern, „mehr als ich sagen kann“.

Lux aeterna. Ein Orgelkonzert, nur für uns. Durch die Fenster des Dom’s strahlt die Sonne, als würde sie ihre Finger nach uns ausstrecken, uns ihre Strahlen als Straße in die Ewigkeit anbieten. „Lass uns auf sie steigen, nach oben klettern, fort von hier“, sage ich und spüre deine Hand, die meine mit festem Druck umschließt. Ich weiß, du fragst mich jetzt, obwohl du schweigst. Wir sehen uns nicht an, sehen nach vorne, das Lichtspiel betrachtend. Beim Ausklingen der letzten Orgeltöne drehe ich mich zu dir und sage, „warte noch, nur noch ein bisschen, diese Liebe ist es wert“. Du lächelst mich sanft an, in deinen Augen sehe ich Trauer, als du nickst und antwortest, „ich kann gar nicht anders“.

Libera me. Es ist wieder kalt geworden, unser zweiter Winter, doch immer noch kein gemeinsamer. Das Leuchten unserer Augen ist verschwunden, das Leuchten, das war, als die Hoffnung noch existierte, als ich dich noch mit Hoffnung nährte. Ich weiß, was du mir jetzt sagen wirst, ich spüre es, ich verstehe es, ich ertrage es, weil ich dich liebe, auch wenn ich nicht bei dir sein kann. Wir küssen uns, unsere Lippen zittern, wir küssen uns ein letztes Mal und unsere Tränen sind kalt, wie Eiskristalle. Du gehörst zu mir, für immer, aber jetzt wirst du gehen, muss ich dich gehen lassen, bevor es dich zerstört. Libera me.

 

Hallo Deja-vu!

Das Requiem, welch wunderschöne Musik...Ich mag den Aufbau Deines Textes, die einzelnen Stationen der Liebe, die nicht sein darf (dazu passt das Requiem ja auch)...allerdings hat mich die erste Station etwas überrascht: dies irae, der Tag des Zorns, wenn ich mich recht erinnere, und dazu die Beschreibung des ersten Liebesgeständnisses? Ich weiß schon, es ist der erste oder zweite titel, aber Du beschreibst ja nicht alle Titel als Stationen. Irgenwie hab ich da Probleme mit der Interpretation...das letzte Teilstück, libera me, befreie mich, passt hingegen auf eine seltsame Art und Weise. Befreien wovon? Von der Last?
Der flüssige Stil, die Beschreibung, all das zaubert die Bilder, die Du inhaltlich beschreibst...insgesamt schön, bei der einen Textstelle allerdings bin ich noch unsicher...

Mit vielen Grüßen, Anne

 

Servus Deja-vu!

In jeder Menschenseele, in der sich Reste einer Liebe befinden, die deiner Geschichte nahe kommen, wird man die Orgel spielen hören, den Schmerz fühlen und die Sehnsucht nachklingen lassen. Wundeschön hast du diesen Text komponiert.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo Anne, hallo Eva!

Vielen Dank dafür, dass ihr euch der Geschichte angenommen habt.

@Anne: Ich freue mich, dass du das Requiem von Verdi auch so schön findest. Nun, ich wollte auf jeden Fall alle 7 Sätze des Requiems in die Geschichte mit aufnehmen und halt auch in der richtigen Reihenfolge. Dies irae ist ja einer der umfangreichsten Sätze in diesem Requiem und beinhaltet unter anderem auch die "Tage der Tränen". Diese Geschichte ist der Ablauf einer Liebe, die schon unter ungünstigen Voraussetzungen beginnt. Tränen fallen ja schon in der ersten Nacht. Deshalb und im Hinblick auf die "Tage der Tränen" fand ich Dies irae dann wieder passend. Libera me, da dachte ich an die Befreiung beider Protagonisten. Befreiung aus einer Liebe, die keine Zukunft hat und Befreiung von dem Schmerz, der dieser Liebe sicher noch lange folgen wird. Es freut mich, dass du die Geschichte, trotz der Unsicherheit, schön fandst.

@Eva: Deine Zeilen waren ein sehr großes Kompliment für mich, ich habe mich sehr darüber gefreut.

Euch beiden einen lieben Gruß
Karin

 

Hallo Deja-Vu,
einen wunderschönen Text hast du da gschrieben, beinah kamen mir Tränen.
Traurig sind die Worte, schön sind die Bilder und die Musik ist das Bett der Sätze.
Liebe Grüsse ********Merlinwolf*********

 

Hallo Deja Vu,

also ich gestehe Verdi schreibt Opern, das weiss ich. Aber ansonsten war es das. Mein letztes Konzert war n Blues Konzert. Aber es geht hier um was anderes um diesen tollen Stil den du drauf hast. Der erinnert, ich schrieb es schon an unsere Eule.

"....strahlt die Sonne, als würde sie ihre Finger nach uns ausstrecken, uns ihre Strahlen..." danke, ist geklaut.

Fragt dich jemand, Kannst du schreiben? Zeig ihm/ihr dieses hier. Und erzähle ihnen, "Mir werden sogar Sätze geklaut"

lieben gruss stefan

 

Hallo Merlinwolf, hallo Archetyp!

Vielen, lieben Dank für eure Antworten. Ich habe mich sehr darüber gefreut.

@Merlinwolf: Es hat mich sehr berührt, dass diese Geschichte solche Emotionen bei dir hervorrufen konnte. Was soll ich sagen, es ist auch eine Geschichte, die viele Tränen gekostet hat.

@Archetyp: Du klaust mir einen Satz - ich denke, dass ich über diese Aussage sehr stolz sein kann. Aber Vorsicht, ich gehe möglicherweise in deinen Geschichten auch auf Raubzug. ;)

Einen lieben Gruß und Dank an euch beide
Karin

 

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