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Requiem einer Liebe
Ein letztes Mal Verdis Requiem, ein letztes Mal mit dir, nur du und ich, Stationen einer Liebe ein letztes Mal erleben in meinen Gedanken, die dich nicht mehr erreichen. Und du, was hörst du jetzt wohl?
Mein Kopfhörer sitzt fest, meine Augen sind geschlossen, ich werde versinken in Glück und Schmerz, so wie es war und nicht mehr sein wird.
Requiem - Dies irae. Du stehst vor mir, die Nacht ist bitter kalt und klar und über uns der Himmel mit all seinen Sternen, an denen ich mich nicht satt sehen kann. Sie sind so nah, als würden wir inmitten von ihnen stehen. Du siehst so wunderschön aus, siehst mich an, die schwarze Mütze tief in deine Stirn gezogen, den Kragen deines Mantels hochgestellt. Dein Mund macht mir Sehnsucht und in deinen Augen sehe ich tausend Fragen, Fragen die du mir einmal stellen wirst und auf die ich keine Antwort finden werde. Ich weiß, dass es diesen Moment nie wieder geben wird, ich nie wieder so nah bei den Sternen sein werde. Ich erstarre für Sekunden, spüre die beißende Kälte längst nicht mehr und habe, jetzt am Anfang, Angst vor dem Ende. In dieser Nacht weinst du - zum ersten Mal, in dieser Nacht sage ich dir, dass ich dich liebe - zum ersten Mal.
Offertorio. Wir tanzen in einem Rapsfeld, ohne Musik und doch werden wir von dem selbem Rhythmus bestimmt. Der Himmel über uns ist unendlich blau, der Duft des Sommers hüllt uns ein, ein warmer Wind streift unsere Gesichter, während unser Tanz uns wie auf Wolken schweben lässt. Wie frei wir sind, von allem, es gibt nur uns und diesen Augenblick des Glücks. Ich kann nicht fassen, wie sehr ich dich liebe, ich kann nicht fassen, warum ich mich zu dieser Liebe nicht bekennen kann und darf. Doch jetzt, nicht daran denken, nicht an das denken, was sein wird.
Sanctus - Agnus dei. Dein Körper schimmert im Kerzenlicht, das kleine, flackernde Schatten auf deine Brust und deinen Bauch wirft. Ich muss dich unentwegt ansehen, muss dich einbrennen in meine Seele und meinen Körper. Schweißtropfen auf deiner Stirn, ich warte, bis sie mich erreichen, sich auf meiner Haut vermischen und ein Teil von dir mit mir ein Ganzes wird. Deine Augen sind fast geschlossen, dein Mund, aus dem dein schneller werdender Atem dringt, ist halb geöffnet. Ganz langsam spüre ich die Welle auf mich zukommen, höre deinen Schrei auf ihrer Schaumkrone, du schreist, dass du mich liebst, ich werde davon getragen und höre mich flüstern, „mehr als ich sagen kann“.
Lux aeterna. Ein Orgelkonzert, nur für uns. Durch die Fenster des Dom’s strahlt die Sonne, als würde sie ihre Finger nach uns ausstrecken, uns ihre Strahlen als Straße in die Ewigkeit anbieten. „Lass uns auf sie steigen, nach oben klettern, fort von hier“, sage ich und spüre deine Hand, die meine mit festem Druck umschließt. Ich weiß, du fragst mich jetzt, obwohl du schweigst. Wir sehen uns nicht an, sehen nach vorne, das Lichtspiel betrachtend. Beim Ausklingen der letzten Orgeltöne drehe ich mich zu dir und sage, „warte noch, nur noch ein bisschen, diese Liebe ist es wert“. Du lächelst mich sanft an, in deinen Augen sehe ich Trauer, als du nickst und antwortest, „ich kann gar nicht anders“.
Libera me. Es ist wieder kalt geworden, unser zweiter Winter, doch immer noch kein gemeinsamer. Das Leuchten unserer Augen ist verschwunden, das Leuchten, das war, als die Hoffnung noch existierte, als ich dich noch mit Hoffnung nährte. Ich weiß, was du mir jetzt sagen wirst, ich spüre es, ich verstehe es, ich ertrage es, weil ich dich liebe, auch wenn ich nicht bei dir sein kann. Wir küssen uns, unsere Lippen zittern, wir küssen uns ein letztes Mal und unsere Tränen sind kalt, wie Eiskristalle. Du gehörst zu mir, für immer, aber jetzt wirst du gehen, muss ich dich gehen lassen, bevor es dich zerstört. Libera me.