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Reise in die Unendlichkeit

Beitritt
04.09.2001
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Reise in die Unendlichkeit

Das Licht brach sich in dem kleinen Rest Flüssigkeit in der Tiefe des Glases...wie eine kleine Pfütze. Wenn man das Glas bewegte, schaukelte die Flüssigkeit hin und her, wie die Wellen eines Sees.
Ihr Blick verlor sich im Glas. Sie sah durch die Flüssigkeit, durch das Glas hindurch in eine weite Ferne. Es schien als würde der kleine weiße Fleck reflektierten Lichts sie anziehen. Fast wie ein goldener Hoffnungschimmer in einem dunklen Tunnel. Sie steuerte darauf zu, es war wie ein Sog, der sie nicht mehr loslassen wollte.
Die Pfütze wurde zu einem Teich, der Teich zu einem See und der See wurde zu einem Meer. Ein Meer ohne Ende. Weite...Unendlichkeit...
Sie nahm den Geruch von Wasser und Salz wahr, wild preschten die Wellen an die scharfen Klippen. Der Wind zerzauste ihr Haar und flüsterte ihr Geheimnisse ins Ohr. Ihr Blick verlor sich im Meer. Sie sah durch das Meer hindurch.
Und plötzlich breitete sie ihre Arme aus und begann damit zu schlagen, immer schneller, bis sie abhob. Ein Windstoß erfaßte sie und trug sie empor in den weiten Himmel. Sie ließ alles hinter sich. Sie war frei. Sie flog der untergehenden Sonne entgegen, schoß im Sturzflug auf die Wasseroberfläche zu und riß sich kurz vor dem Aufprall wieder hoch. Sie flog so weit hinaus, daß sie nur noch von Wasser und Himmel umgeben war.
Es kam ein Sturm auf. Der Himmel wurde schwarz und das Wasser grün und schaumig. Blitze umzuckten sie, Donner ließ sie erbeben und wassergetränkte Sturmböen peitschten ihr ins Gesicht. Es fiel ihr immer schwerer sich oben zu halten und sie verlor beständig an Höhe, bis sie nur noch einen Meter über der Wasseroberfläche war. Dort erfaßte sie eine grün-blau-graue Welle und zog sie mit sich hinab in die Tiefe. Wie viele tausend Streicheleinheiten umschmeichelte sie das Wasser. Zarter als Babyhaut und weicher als Samt und Seide. Sie entledigte sich ihrer Kleider und wurde eins mit dem Wasser. Wie wurde zu einer kleinen Welle, wurde in eine Richtunge gespült und wieder zurückgezogen.
Ihre Haare wurden zu Seetang, ihre Hände zu Quallen, ihre Füße zu Seesternen, ihre Arme und Beine wurden zu Seegurken, ihre Brüste zu Seeigeln und ihr Bauch wurde zu einem Plattfisch. Nur ihr Gesicht blieb, was es war. Das Wasser umgab sie wie ein großes, weiches Bett.
Über ihr das blaue Licht, unter ihr die blaue Finsternis. Doch es gab für sie kein Oben und kein Unten mehr, es gab nur noch Wasser, in dem sie tanzte. Sie war so leicht und doch nicht schwerelos. Eine weiche Masse umhüllte sie, hielt sie fest, schützte sie...
Doch das Meer wollte sie nicht und spie sie ans Ufer. Und dort lag sie nun im Sand, im weichen und zugleich doch harten Sand. Goldener Sand - überall... sie war auch golden von dem Sand. Ihr ganzer Körper war vom Sand bedeckt, wie eine Mumie, sogar ihr Gesicht. Nur noch ihre Augen schienen zu bezeugen, dass sie ein lebendiger Mensch war und doch waren ihre Augen das, was am meisten daran zweifeln ließ, daß sie ein Mensch war, diese tiefen, braunen Meere, ohne Ende, die in das Licht hinein flossen.
Dieses Licht, das sich in dem Flüssigkeitsrest reflektierte, in dem Glas, dem Glas, das auf dem Tisch stand, dem Tisch, der in der Küche des Hauses stand, das Haus, das in der Stadt, auf dem Kontinent, umgeben von dem Meer und dem Himmel, in das Weltall eingeschlossen war, in das die braunen Meere flossen, vereint mit den Wassern und den Himmeln.

 

Hallo bei Kurzgeschichten.de!

Ja, ich gebe es zu, ich oute mich: ich fands schön! Hat etwas unbeschwertes, danach war mir gerade einfach (man darf mir an diesem Punkt naive Romantik vorwerfen). Bei dem Geschichten- und Autorennamen erwartet man sowas auch irgendwie. Schade fand ich nur, daß es keinen richtigen Höhepunkt gibt, sondern gegen Ende nur so "ausplätschert".

Eigentlich ist es auch keine Geschichte, da es keine Handlung hat. Da kann man sich wieder streiten ob es überhaupt hierher gehört. Versuche dich doch an eine Art Märchen oder etwas fantastisches in dieser Richtung.

 

Die Gedankenreise ist tatsächlich fantasievoll beschrieben. Sie spricht alle Sinne an.
Wie wäre es, diese Reise in eine kleine Rahmenhandlung einzubauen: Z.B. eine Seherin wird nach der Zukunft befragt, ein angehender Schamana wird initialisiert, ein Prinz träumt von seinem zukünftigen Land etc. In eine solche Rahmenhandlung könnte man dann auch einen Spannungsbogen einarbeiten (vergl. Kritik von Templer Ganta)

Schreiben, schreiben, schreiben!

Dietmar

 

Ich kann ich den Kommentaren hier nur anschließen; auch ich fand die Geschichte echt schön und phantasievoll. Sie plätschert zum Schluß leider wirklich etwas aus, wie @Udo ja schon meinte... Aber ansonsten bin ich begeistert; weiter so! ;)

Griasle
stephy

 

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