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Regenwolken
Er setzte sich in seinen Wagen und schloss die Tür. Im Rückspiegel sah er das Haus in dem er mit seiner Frau und seiner Tochter wohnte. Es war ein Backsteinhaus, ungefähr zwanzig Jahre alt, mit einem weißen Zaun darum und eigentlich wunderschön. Und wenn er nicht etwas unternehmen würde, würde er das alles nicht mehr wieder sehen. Das wusste er seitdem er am Morgen auf gewacht war.
Das Erste, was er gesehen hatte, waren die dicken grauen Regenwolken die sich vor dem Dachfenster über seinem Ehebett sammelten. Er wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Seine Frau hätte schlechte Laune, wenn sie erwachte. Und da er derjenige war, der sie wecken würde, würde er auch zuerst darunter leiden.
Sie mäkle dann an ihm herum. Sie würde sagen, dass er zu oft arbeite und sich zu wenig um die Familie kümmere und dass er sowieso unterbezahlt sei.
Er würde nicht besser reagieren. Er riefe, dass sie ja auch arbeiten könne und er sich um das Haus kümmern könne.
Sie stritten sich so sehr wie nie zuvor, und schließlich würde sie beleidigt sagen, dass sie zu ihrer Mutter fahre. Sie nähme den Wagen mit.
Dann könnte er seine Tochter nicht mehr zur Schule fahren und müsste zur Arbeit laufen.
Mit schlechter Laune und viel zu spät dran liefe er durch die Stadt, nur mit dem Gedanken an seine Frau.
Unachtsam würde er eine ältere Dame mit Krückstock anrempeln. Diese würde stürzen. Er würde ihr aufhelfen und weitergehen, während sie wütend hinter ihm her schriee und mit ihrem Stock wedeln würde.
Ohne sich noch einmal umzudrehen liefe er noch unachtsamer weiter. Er übersähe die rote Ampel und liefe einfach auf die Kreuzung. Wo ihm ein blauer Bus mit weißer Aufschrift entgegen käme. Er hätte nicht einmal mehr die Zeit, zu lesen was dort in weiß stand, würde vom Bus erfasst werden und qualvoll sterben.
Da war es doch besser zu fliehen, dachte er sich und ließ den Motor an. Mit dem beruhigendem Gedanken im Hinterkopf, dass seine Tochter und seine Frau vermutlich erst in ein paar Stunden erwachen würden, fuhr er los.
Er fuhr aus der Ausfahrt und überlegte sich, wo er jetzt hinfahren sollte. Am besten wäre es für ein paar Tage die Stadt zu verlassen. Er würde einfach warten bis das Wetter besser war, denn das war ja an allem schuld, und dann würde er zurückkehren als wäre nichts gewesen.
So wollte er es machen. Er fuhr aus der Stadt auf die Landstraße. Er könnte zu seinen Eltern fahren. Die wollte er ja schon längst mal wieder besuchen.
Mit überhöhtem Tempo raste er seinem Ziel entgegen, das nur noch einige Kilometer entfernt war. Er wollte gerade einen langsamen Traktor überholen, als er ein leises Knacken vernahm. Er fuhr auf seine Spur zurück und schaute sich nach dem Entstehungsort des Geräusches um.
In diesem Moment sprang das Handschuhfach auf und einige Handbeschriftete Kassetten seiner Tochter fielen heraus. Er erschreckte sich und fuhr auf den nächstgelegenen Parkplatz.
Plötzlich bemerkte er das unter den Kassetten ein Foto seiner Frau lag. Sie lächelte ihn an. Er hatte ganz vergessen, dass es dieses Foto überhaupt gab. Wie war das nur dort hingekommen?
Er sah nach vorne und bemerkte gerade noch, dass eine ältere Frau den Parkplatz überquerte. Er bremste scharf und fuhr an ihr vorbei.
Als er ihr ins Gesicht sah erschrak er. Es war die selbe Frau, die er in Gedanken gesehen hatte. Sie wedelte wütend mit ihrem Stock.
Er fuhr noch ein paar Meter weiter, parkte seinen Wagen am Rand des Parkplatzes hinter ein paar Bäumen und stieg dann aus seinem Wagen um Luft zu holen.
Tief atmete er durch und lehnte sich an den Wagen. Dann ging er ein paar Schritte.
Gerade als er hinter den Bäumen hervor kam und seinen Kopf abwandte, sah er noch den blauen Bus mit der weißen Aufschrift auf sich zu rasen. Doch dieses mal konnte er lesen, was dort in weiß stand. -AUSWEGLOS