Regentanz
Das Klopfen des Regens ist verstummt. Ich öffne ein Fenster und blicke in die regennasse Welt hinaus. Der Regen hat die drückende Hitze vertrieben und statt dessen atme ich wunderbar frische Luft.
Ein paarmal atme ich tief ein und aus und schließe dann für einen Moment meine Augen.
Ich höre überall leises Tropfen. Von den Dächern tropft Wasser in die Regenrinnen, es perlt von den Blättern der Bäume und Büsche und tröpfelt endlich auf den nassen Boden. Dieser nimmt jedes Tröpfchen gierig in sich auf und wandelt es schließlich in neues, grünes Leben.
Ein Maler hat auf das Grau der Regenwolken einen Regenbogen gezeichnet und mit jeden Pinselstrich, mit jedem Sonnenstrahl wird dieser nun kräftiger und farbenfroher.
Die Welt ist aus dem trommelnden Rythmus des Regens in einen sanften Schlaf gefallen und tankt scheinbar neue Energien.
Dann wende ich meinem Blick von dem farbigen Leuchten des Regenbogens und blicke auf schwarze, tief hängende Regenwolken, die langsam näher treiben. Ein aufheulender Wind peitscht sie voran. Es grummelt leise und bedrohlich in der Ferne. Als die ersten Blitze zuckend über den Himmel grellen und als das Regenbogenbild des Malers langsam verwischt, wird es wieder finster und ich schließe mein Fenster.
Nur Minuten später trommelt es auf meinem Dach, an mein Fenster und etwas dumpfer auf die nasse Erde.
Ein Lied gespielt auf tausend Trommeln und begleitet von leisem Fließen und Plätschern vereinter Regentropfen, formt sich. Es wird von Zeit zu Zeit lauter und wieder leiser, scheint zu verebben und erklingt neu.
Ich stehe vor meinem Fenster und zähle die Regenperlen, die an der Scheibe hinunter rinnen. Manchmal fließen sie zusammen und dann fange ich erneut an zu zählen. Ich würde niemals fertig, wenn der Regen nicht irgendwann enden würde.
Für einen Moment lasse ich die Wasserstrassen an meinem Fenster aus den Augen und verliere mich in dem Licht einer Strassenlaterne. Ihr Leuchten trotzt dem Regen, verzaubert die graue, grollende Welt.
Es scheint mir als würden kleine Wassertropfen das fahle Licht umtanzen. Es ist ein sonderbarer Tanz. Das Wasser spritzt und funkelt scheinbar sinnlos, doch wenn man es aus der selben Entfernung wie ich betrachtet, meint man ein Muster, einen Takt zu erkennen. Fast möchte ich mittanzen, wiege mich hin und her.
Doch dann blitzt es und der Zauber ist verflogen, vielleicht auch niemals wirklich dagewesen.
"Ein tanzender Regentropfen müsste man sein.", denke ich, drücke meine Nase an der Scheibe platt und suche nach neuen kleinen Wundern in dem donnerndem Regenschauer auf der anderen Seite meines Fensters.