Recycling
Wir leben in einer modernen Welt mit allem Komfort.
Was wir brauchen, haben wir, was wir wollen, bekommen wir. Was wir nicht brauchen, werfen wir weg.
Vor unseren Türen stapelt sich der Abfall: leere Dosen, leere Flaschen, die Kartons der neuen Stereoanlage oder die Verpackungen der eben erst gelieferten Ikeamöbel.
Naja, nicht vor unserer Türe, aber an den Rändern der Städte, oder einfach nur rund um den Mistkübel des Nachbarn, rund um den Papierkorb im Park oder rund um die Sammelstellen im Hof.
Sammelstellen wurden bereits für jede Sorte Abfall gefunden, für alles wurde schon ein Plätzchen bereitgestellt - nur für den Gedankenschrott - für den noch nicht.
Der Müll, den unser Kopf tagtäglich produziert, wird nicht recycelt - nicht gesammelt und gepreßt zu einem hübschen kleinen Würfel. Er läßt sich nicht verbrennen und einäschern, nicht in einer Deponie entsorgen und auch, wenn wir ihn im Wald vergraben löst er sich nicht in Luft auf.
Der einzige Weg, den wir gefunden haben, ihn loszuwerden, ist die Beschäftigung damit: Darüber reden, sich mit ihm befassen, spielerisch die Gedanken drehen, um sie möglichst von allen Seiten zu betrachten. Das beste Medium - fand *man* heraus -, ist für diesen Zweck der Kommentar:
Wir kommentieren alles, was um uns herum passiert. Alles verdient einen Beitrag in den Medien - sei es der Krieg im Nachbarland, sei es ein gestürzter Sportler, eine Hochzeit im Königshaus, der kleine Mord von nebenan, die Asche am Kragen unseres Gegenübers. Alles und Jedes wird kommentiert, gnadenlos mit einem Zusatz versehen und ist zumindest einer Fußnote würdig.
Damit wir wissen, was wir denken sollen.
Damit wir wissen, was wir fühlen sollen.
Die Schule des heutigen Lebens! Wir werden solange mit Nachrichten und Berichten zugebombt, bis wir allem gewachsen sind. Bis uns nichts mehr kümmert und wir mit allem fertig werden können - unsere Gefühle unter Kontrolle haben, mit der Realität umgehen können und vor allem mit uns selbst.
Bis wir den Krieg vor unserer Türe genauso wie den Musikantenstadl im Fernsehen einfach abschalten können und uns keine Sorgen mehr zu machen brauchen.
Dies ist zumindest ein Weg, Abfall zu reduzieren - nämlich den Gedankenschrott in unseren Köpfen.
[Beitrag editiert von: Häferl am 12.03.2002 um 17:05]