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Rectory Red (jimmysalaryman)
Empfehlungen hier sind für mich mehr als nur „schöner Text, hat mich erreicht“, sondern zeigen eine best practice des Schreibens – „Rectory Red“ hat mir nicht nur enorm Spaß beim Lesen bereitet und mich sehr gut unterhalten. Sie bietet auch eine best practice in der feinen Beobachtung und dem intensiven, dabei unaufgeregten Sprachstil, der sehr organischen Einbettung der Erotikszenen in die Handlung, und vor allem im Umgang mit dem literarischen Konflikt.
Kurzgeschichten zeigen von Konflikten oft nur einen exponierten ‚spike‘, beschränken sie auf die Zuspitzung, den Moment der Eskalation. Jimmy hat es hier anders gelöst: Es geht um Konflikte, die halb-gelöst und möglicherweise noch schwelend das bisherige Leben eines Protas durchziehen, wobei angenehm offenbleibt, ob sie irgendwann erneut aufbrechen oder er sie als Aspekt seiner Persönlichkeit angenommen hat. Sie sorgen für Spannung, weil die Stimmung kippen könnte, und dienen dem show, don’t tell direkt durch den Sex. Doppelt interessant dabei, dass die Partnerin jünger ist und damit einen anderen - durchaus humorvollen, ironischen - Standpunkt hineinbringt.
Was Taras Prokashko im Interview mit CRAFT zu hochbetagten Autoren sagt, ließe sich ebenso passend auf Protagonisten mittleren Alters beziehen - und eben auf Jimmys Umgang mit dem Konflikt in dieser Geschichte: "... now I see: the most important thing that comes with age is the idea of the duration and the passing of time — not wasting, but simply about this function of it and that it is moving somewhere. Knowing, or first of all understanding, how everything happens over time is the greatest ability of the older writers, since the young cannot have it because they do not know how this evolution takes place. (…) But age, including the age of the writer, gives this access to an understanding of duration."
(... und jetzt sehe ich: Das Wichtigste, das mit dem Alter kommt, ist die Vorstellung von der Dauer und dem Vergehen der Zeit - nicht von der Verschwendung, sondern einfach von dieser Funktion der Zeit und dass sie sich irgendwo hinbewegt. Zu wissen oder vor allem zu verstehen, wie alles im Laufe der Zeit abläuft, ist die größte Fähigkeit der älteren Schriftsteller, denn die jungen können sie nicht haben, weil sie nicht wissen, wie diese Entwicklung abläuft. (...) Aber das Alter, auch das Alter des Schriftstellers, ermöglicht diesen Zugang zu einem Verständnis eines 'Andauerns'.)
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