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Rechtsdrehend

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29.01.2012
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Rechtsdrehend

Schon im Moment des Aufwachens lief der rastlose und quicklebendige Verstand des Horst Dreher auf Hochtouren. Schonungslos offen und kritisch analysierte er die wesentlichen Herausforderungen des Tages.

Es war an der Zeit Joghurt einzukaufen, das wurde ihm schnell klar. Natürlich konnte man nicht einfach irgendeinen Joghurt einkaufen. Er war ja nicht „Otto Normalverbraucher“, der mit einem IQ von 85 (geröstetes Weißbrot hat 77) blindlings durch die Gänge eines beliebigen Supermarktes irrte und wahllos zu einem Nahrungsmittel geringer Güte greift.

Einfach gedacht, wäre ein Joghurt mit rechtsdrehender Milchsäure natürlich naheliegend. Eine bessere Verdauung, schönere Haut, besseres Aussehen und mehr Glück in der Liebe waren die logischen Folgen seines Genusses. Doch Horst Drehers wacher Geist misstraute den platten Werbebotschaften.

Könnte man doch vielleicht mit linksdrehenden Milchsäuren noch bessere Erfolge erzielen? Gibt es unter Umständen ein geldgieriges Machtkartell von umsatzgeilen Industriellen, korrupten Bürokraten und mit billigen Drogen bezahlten Werbern, die künstlich einen Markt für rechtsdrehende Milchsäuren aufrecht erhalten? Man kannte das ja zur Genüge. Diese zwielichtigen Gestalten, die mit einer Vielzahl bunter Armbänder in zwielichtigen Vergnügungsstätten „die Sau raus lassen“ und Horst Dreher sollte die Zeche bezahlen! Damit war ein für alle Mal Schluss!

Es würde ihn ja überhaupt nicht wundern, wenn der feine Herr Wulff schon manch vergnüglichen Urlaubstag mit seiner blutjungen Gattin am Pool der Finka eines Joghurtbarons verbracht hatte, während sich die Milchsäuren unter Kunstlicht in billigen und schlecht beheizten Discounterketten stumpf immer weiter drehten.

Er vermutete, dass wenn man die Sache exakt analysierte und Experten zu Rate zieht, es wohl darauf hinaus laufen würde, dass nur Joghurts mit freilaufenden Milchsäuren wirklich gesund sind. Konnte die Welt solche Wahrheiten jetzt schon vertragen? Wäre er in Gefahr, wenn er schon jetzt in die Öffentlichkeit geht? Sicher wurde er bereits jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet.

Mit einem verschmitzten Lächeln dachte er, dass am Ende des ganzen Verdauungsprozesses alle Milchsäuren sich in seinem Wasserklosett „Taifun“ ohnehin nach links drehen mussten. Er verdrängte diesen närrischen Gedanken sofort. Die Sache war zu wichtig, um sie ins Lächerliche zu ziehen. Vielleicht war er einem Kartell auf der Spur, das klassische Strukturen wie die der Cosa Nostra locker in den Schatten stellte.

Die Analyse machte ihn müde. Will er die Welt ein wenig verbessern, musste er das ausgeruht tun, Fehler konnte er sich in einem solch kriminellen Umfeld nicht leisten. Er beschloss, sich noch für zwei Stunden dem Schlaf hinzugeben.

Er hatte noch Zeit. Die Chefarztvisite kam erst gegen 10.00 Uhr.

 

Passend zur entsprechenden fünften Jahreszeit eine gelungene Geschichte zum Einstieg, ein Thema ergänzend, dass derzeit fröhlich Urständ auf kg.de feiert (selbst unter den Rezensionen), und damit erstmal ein fröhliches Helau, Alaaf, Tachchen und walla-walla, vor allem aber wa lakota,

lieber Wallauer,

oder nach neuer deutscher Rechts- vor Linksdrehung: herzlich willkommen an Bord der Plattform!

Nun, den Namen könnte man bemäkeln, denn alles was einer namens Dreher machte, wären Drehungen, es sei er läge – wir hoffen doch dann, bequem und gemütlich – im Sarg, der Urne, im Mutterboden oder in den Wassern der Weltmeere. Aber den Namen gibt’s nun mal, dass den Maklern diese zwei hässlichen und wirklich entbehrlichen Punkte (oder gings a unterm Strich?) der Umlautung entzogen würde.

Wunderbar und trefflend die gesellschaftliche Annaliese

Er war ja nicht „Otto Normalverbraucher“, der mit einem IQ von 85 (geröstetes Weißbrot hat 77) …
was ja auch politisch erwünscht ist und sich in der Dominanz der Wirtschaft auch im Bildungssektor zeigt und das Wort Adornos bestätigt, dass man nicht dumm geboren, sondern gemacht und hernach gehalten werde (was dann verstärkt wird durch Massenmedien und manches Verlagsunwesen).
Zudem: eine Bananenschale hat zwar weniger IQ als ein Scheibe Weißbrot, doch mehr als eine Pudelmütze, die ihre geringstmögliche Intelligenz allein aus dem Schädel ihres Einwohners gewinnt und damit entzieht, der begeistert mehrere Male Dirty Dancing sich anschauen oder vor Sissi Filmen erstarrt und eine Kaiserin wiederhaben will.
Die einzige ernstzunehmende Satiresendung im Teutschen Fernsehen heißt darum auch treffend Neues aus der Anstalt.

Gleichwohl ist es Dir gelungen, der Kleinkrämerseele auch ein bescheidenes Leckerli zu gönnen:

Gebührt diesem Satz ein weiteres Komma:

Es war an der ZeitKOMMA Joghurt einzukaufen, …,
so wäre nun hier das Komma entbehrlich:
Einfach gedacht, wäre ein Joghurt mit rechtsdrehender Milchsäure natürlich naheliegend,
wiewohl das Denken durch Abgrenzung durchs Komma hervorgehoben wird (und darum auch stehenbleiben könnte), was für den zuvor genannten Fall nicht gilt. Er fällt eindeutig unter die Diktatur der muss-Regelungen zum ansonsten kann-geregelten Infinitivsatz, denn hier hängt die Infinitivgruppe („einzukaufen“) von einem Substantiv („Joghurt“) ab, siehe Duden Bd. 1 K 117 Ziff. 2 und § 75 II der amtl. Regelung der deutschen Rechtschreibung.
Mein Rat, um sich nicht im Gestrüpp der Ausnahmen (die meisten reagieren nur aufs bescheidene und vereinsamt „um“KOMMA wie Du ja auch in der Nachfolgegeburt, um korrekt ein Komma zu setzen).

Ich will nun Deine Spannung nicht überstrapazieren, vor allem aber die Erwartungshaltung des bereits länger anwesenden Mitgliedes dieser Plattform nicht enttäuschen, denn ich meine, dieser gelungene Erstgeborene gewönne noch, wenn der Konjunktiv sich nicht auf die Umgehungsstraße (sprich: Umgangssprache), sondern die breite und wenig befahrene Hauptstraße im Dorf der Hochsprache bewegte. Ein Beispiel, nicht ohne zuvor einen weiteren Hinweis auf ein Kom(m)a*, denn mit dem wenn wird ein weiterer Nebensatz in den Nebensatz eingeschoben

…, dass, wenn man …., es wohl darauf hinausl…
Nun lautet der Satz nun noch:
Er vermutete, dass* wenn man die Sache exakt analysierte und Experten zu Rate zieht, es wohl darauf hinaus laufen würde, dass nur Joghurts mit freilaufenden Milchsäuren wirklich gesund sind,
und verzichteten wir auf die würde-Konstruktion in diesem Satz, er verlöre nicht, sondern gewönne an Würde!
Er vermutete, dass[,] wenn man die Sache exakt analysierte und Experten zu Rate [ziehe], es wohl darauf hinaus [liefe], dass nur Joghurts mit freilaufenden Milchsäuren wirklich gesund [wären].

Wäre er in Gefahr, wenn er schon jetzt in die Öffentlichkeit geht?
Durch den Gebrauch des Konjuntiv II „wäre“ der Modus beizubehalten und das zweite Verb in ihn zu versetzen:
„… in die Öffentlichkeit ginge?“

So viel oder wenig hier an dieser Stelle.
Gern gelesen (sonst stünde hier keine Zeile von mir) und einen Gruß aus’m Ruhrpott vom

Friedel

 

Einem Inschinör ist doch manches zu schwör

Vielen Dank für die umfassende und hilfreiche Kritik. :)
Zu meiner Entschuldigung lässt sich nur sagen, dass ich Mathematik und Physik Leistungskurs hatte... Den flotten Umgang mit Wörtern muss ich noch üben.
Freut mich, dass Du die Geschichte gerne gelesen hast!

 

Nix zu danken und
da gibt's nix zu entschuldigen,

lieber Wallauer!

Klingt vielleicht hart, aber ich wüsste nicht, was es da zu entschuldigen gäbe. Oder hätt' ich was übersehn, nicht bemerkt? Manchmal sieht man ja nicht das, was vor der eigenen Nase vor sich geht.

Bin gespannt aufs nächste Werk!

Bis dann

der Friedel

 

Hallo Friedrichard, passt schon.
Ich bin wirklich positiv überrascht über die fundierte Kritik hier im Forum. Das ist ganz ohne jede Ironie gemeint. Kostet ja auch Energie einen fremden Text so genau zu studieren.
Schöne Grüße aus dem Westerwald

 

grad hatte ich es an anderer stelle davon. bin kein meister einer solch umfassenden, detaillierten kritik. von mir gibst ein kurzes: ich war köstlichst amüsiert von deinem kurzen, knackigen, spritzigen wortgebastel. habs gleich nochmal durch. weils so herrlich war. danke

 

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