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Rechtschreibreform
Man schreibt wie man spricht
oder
Meine Rechtschreibreform in zwei Texten über Muttersprache & Mutterhass
Der Erwerb der Muttersprache erfolgt spielerisch, bis zu dem Augenblick, da das Schreiben, welches ja ursprünglich ein Malen ist, durch Rechtschreibung ersetzt wird, die einem jungen Menschen dann gegebenenfalls eingebläut wird. So entwickelt sich die Liebe der und zur Muttersprache wie die Liebe der und zur Mutter. Denn Mütter sind eine ganz besondere Art von Mensch, die ihre Liebe wie auch ihren Hass und alles, was dazwischen liegt, hinter gleichartigen Verhaltensweisen verbergen können, dass Hass sich als Liebe, Liebe gleich Hass sich gebärdet.
Ich entsinne mich der liebevollen Streicheleinheiten durch einen Holzkochlöffel und den Teppichklopfer, die irgendwann durch Plastik, - auch eine Art von Fortschritt, - ersetzt wurden, da das Holz- und hernach das Korbmodell an Hintern und Rücken der Gebrüder Weh zersprang.
Im Mai 1996 erfuhr ich ein Aha-Erlebnis durch Ulrich Holbeins „Vom Ursprung der Worte“ unter der Rubrik „SPRACHLUPE“ in der „ZEIT“. Da behauptete Herr H., er wisse bei vielen Worten noch ganz genau, wann und wo er sie übernommen habe. Das kann ich von mir nicht behaupten, außer, dass ich mich erinnere, in meiner Kindheit eigenwillige Betonungen für Wörter, die mir fremd waren, benutzt zu haben wie das Dehnungs-"E", das es natürlich nur für mich war, in Spanien (korrekt: ’ʃpa:nįən, ausgesprochen von mir: ’ʃpa:ni:n) oder Italien (i’ta:lįən/i’ta:li:n) oder die Betonung auf die falsche Silbe zu legen wie in Hotel (ho’tɛl/’hotəl) oder alles zugleich wie in Jugoslawien (jugo’sla:vįən/’jugɔsla’vi:n; - eine andere Wortzusammenfügung wie etwa –slawin erinnerte mich zu sehr an Sklaven oder Schlawin/er, so zog ich die Lawine vor). Wie ich aber den vierten Absatz seiner Glosse erreichte, schilderte er eine Begebenheit, die ich in ähnlicher Form erlebt habe:
"Esel: Mit sechs saß ich im Wohnzimmer vor meinem Täfelchen, sollte das Wort ESEL schreiben. Das E stand schon da. Mutti sprach mir das SEL immer wieder vor, verriet aber nicht, wie man's schreibt. Draußen, hinter durchsonnter Gardine, spielten bereits alle Kinder im Hof, auch der noch lang nicht schulpflichtige Eberhard. Ich hielt das dauerhaft ausbleibende SEL für einen einzigen geheimnisvollen Buchstaben. Draußen wurde Roller gefahren. Ich klopfte alle mir bekannten Buchstaben der Reihe nach ab, aber SEL kam nicht. Draußen wurden Sandburgen gebaut. Einsam stand das E da: ich klagte, jammerte, weinte und kam nicht drauf. Ich mußte mich mit dem Rücken zum Hof setzen, um nicht abgelenkt zu werden."
Während Mutti dem kleinen Ulli den Trick doch verriet (der große Ulli, Herr H., setzt dieses Geständnis verschämt in Klammern), gab‘s bei Mama kein Pardon und das sechsjährige Würmchen hätte verhungern können und lebenslänglich Hausarrest bekommen, - (ein Fernsehverbot hätte nichts gefruchtet, da’s noch keinen Fernsehapparat gab) - , wär's ihm nicht selbst eingefallen das z, das e:, das ich schon kannte, und das l (’e:zl). So unterschiedlich kann Muttiliebe & Mamahass sein... Und wie ich dies schreibe, fällt mir wieder ein, dass sie sich später brüstete, dass sie meinem Gejammer "Ich kann das nicht!" nicht nachgegeben hatte. Denn letztlich konnt' ich's wohl.
Man schreibt wie man spricht
&
wie laut Schrift ist!
„man ʃraipt vi: man ʃprɪçt“, bə’haʊptət mɪt fɛstɐ ’ʃtɪmə ’e:bn ’di:zɐ „man“. ’dɑmɪt maint man nɪçt das gə’le:gntlɪçe fɛɐ’vɛksln fɔn „mi:ɐ“ ʊnt „mɪç“, - vi:s di: ’fɔlks’vaishait maint, vɛn zi: dɑ’fɔn zɪŋt
„mi:ɐ ʊnt mɪç fɛɐ’vɛksl ɪç nɪç,
dat kɔmt bai mɪç nɪç fo:ɐ,
ɪç hɑp nən klainən man ɪm o:ɐ,
de:ɐ zɑ:xt mɪç ’alət fɔ:ɐ.“
»’ʃprɛçn ʊnt ’dɛŋkn zɪnt ains, ʊnt di: ’ʃmœkə ’ʃprɛçn zo: kɔ’rʊpt, vi: zi: ’dɛŋkn ʊnt ’ʃraibn – zo:, ’hɑbn zi: gə’lɛrnt, zɔls zain -, vi: zi: ’ʃprɛçn«, bə’ʃraipt kɑrl kraus di: gramati’ka:lɪʃə pɛst um fɔrttsu’fa:rən: »fe:lt nu:ɐ nɔx di: fo’ne:tɪʃə ɔrto’gra’fi:.«
„man ʃraipt vi: man ʃprɪçt!“, maint man mɪt fɛʃtɐ ’ʃtɪmə.
aux nɔx, vɛn man ainən ʃprɑ:χ’fe:lɐ hat? ’o:dɐ vɛn di: ’ʁegln ga:ɐ nɪçt bəaxtət ’ve:ɐdn? ’ne:mən zi: mainən ’nɑ:mən: „Frietrich Wiensteg“. virt baim ’fo:ɐ’nɑ:mən das ’de:nuŋs-e: nɔx gə’ʃprɔxn, - „fri:drɪç“, - zo: fɛɐʃvɪndət es ɪm haus’nɑ:mən, das es ɪn de:ɐ ʃraip’vaizə ’aigntlɪç y:bɐ’flyzik ɪst („vɪnstəg“). de:ɐ haus’nɑ:mə hat me:ɐ mɪt de:m vɪnt als de:ɐ ʃtat vi:n tsu: tu:n.
laut fɛɐ’ʃtʊmt tsʊm ’tsaiçn.
vɪsən zi: ’ybɐhaupt, vi: laut ʃrɪft zain kan? ve:ɐ ’ʃtɪlə hø:rt, vais, vi: laut ʃrɪft ɪst ʊnt li:st kɔn’kre:tə mu’zi:k aus to:n ʊnt rauʃ. das ’tsaiçn vɪrkt laut lo:s. ve:ɐ ’augn hat tsu: ’ze:ən, zi:t, vi: ho:x ’ʃpra:xə zain kan ʊnt li:st kɔn’kre:tə gə’mɛ:ldə aus fɔrm ʊnt bə’veguŋ. di: ’ʃve:rə ’tsʊŋə ʃmɛkt ’bɪtɐn to:n:
vɛns armə ’vy:rmçən mɪt de:m ’grɪfl ’y:bɐ di: ’ʃi:fɐ’tɑ:fl kratst, ’bu:χʃtæ: plɪç ’buχʃtɑ: p fy:r ’bu:χʃtɑ:bn ’tsaiçnət ʊnt dan tsu: ’zɪlbən ʊnt ’ainfaɣən ’vœrtɐn tsu’zamənfast ʊnt dan tsu: ’ainfaɣən ’zætsən tsu’zamənzɛtst, - dan ɪst das hɑrtə ’ɑrbait ʊnt das kɪnt ɪm zys’te:m de:ɐ ’ɑrbait ɪm ’zɪnə ʒã: pjɑ’ʒes ’angəkɔmən ʊnt hat zo:’mɪt ɪm zys’te:m de:ɐ prodʊk’tsįo:n ʊnt kɔnzʊmp’tsįon, kʊrts: de:m kapita’lɪsmus ’zainən plats gə’fʊndn. ’glaubə dɔx ’kainɐ, das di: ’pi:zɑ ’ʃtudįən ’o:nə øko’no:mɪʃəz ɪntə’rɛsə fɛɐ’œfntlɪçt ’vurdn! zɛlpst vɛn de:ɐ mɛnʃ nɔx nɪçt ɪm prodʊk’tsįo:nspro’tsɛs ’angəkɔmən ɪst ’o:dɐ aʊx ʃon vi:dɐ hɛ’raʊs gəfaln ɪst, zo: blaibt i:m dɔx ɪmɐ sainə ’ʁɔlə als kɔnzu’mɛnt e:ɐhaltn.
’kyrtsɐ vɛ:r di:’zɐ tɛkst ’alain ɪn kʊrts’ʃrɪft. dan ’vy:stn vi:ɐ, vi: kʊrts ʃrɪft zain kan. de:ɐ kʊrts’zɪçtɪgə zi:t,aux nɪçt ’ɪmɐ, vi: kʊrts ʃrɪft ɪst.
’ɔyɐ fri:dl (nhd.) - fri:dl (mhd.) - fri:dl (engl.)
Euer Friedel – Vrîdel – Freatle
PS: Nach zwölf Jahren dank @pantoholli die letzte Fluse ...