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Razzia - Verpolizistung eines harmlosen Nachtlokals.
Die Bar war zugedichtet, so und so. Die Bar war bummvoll. Kein Tisch, kein Stuhl, kein Barhocker mehr frei. Auf einigen Sesseln saßen Liebende übereinander und küssten sich. Selbst auf den Stehplätzen standen Leute herum. Der Weg auf die Toilette geriet zum reinen Spießrutenlauf. Selbst vor dem Herrenklo stand eine lange Schlange armer Penisse, eine Hand, wie eine Stahlklammer verzweifelnd um den dicken Wasserhals gelegt. Wen ein Stuhl plagte, hihi, der andere jetzt, und wenn der womöglich wegen der vielen nicht zueinander passenden Konsumationen gar noch leicht verflüssigt war, dann hatte man rechtzeitig daran zu denken. Doch es haben Alle rechtzeitig daran gedacht, es gab in der ganzen Nacht kein fürchterliches Gestinke. Gott sei Dank.
Meine Uhrzeiger lagen auf dem Ziffernblatt ganz unten in der Kurve und zeigten so gegen sechs Uhr früh. Alle waren sie wieder einmal gekommen, um mich, den letzten Kaffeehausdichter der Welt schreiben zu sehen, hihihi, und Alle waren sie deshalb wieder einmal völlig dicht. Bei diesem meinem Anblick war es einfach unmöglich, wenigstens halbwegs nüchtern zu bleiben. Ich weiß wirklich nicht, wie lange ich diese schwere Schuld noch ertragen kann. Ich bin ja so schuldig und gebe dies auch offen zu. Ein einziges Geschiagel zersägte das Lokal. Selbst Uraltgott Alkohol floss dahin in Strömen. Alle Blicke waren schwer verixt. Und dabei war ich natürlich, wie immer, wieder einmal vollkommen nüchtern, bis auf zwölf harmlose Cola-Weiß und elf eisgekühlte Tequila. Ein paar Gemixte, zu denen man mich eingeladen hat, habe ich nicht mitgezählt. Ich brauche eigentlich keinerlei Drogen. Ich bin ein völlig nüchterner Schizzoe. Man glaube mir: das reicht allemal.
buji hatte seinen Job schon erledigt. Er schwebte wieder einmal auf Wolke Sieben. Eine Geschichte steckte hinten in seiner linken Hosentasche drin und sie war sogar ganz gut geworden. Selbst mir, dem Lothar, hat sie gefallen. Ich war nun fertig, kaputt, müde, schließlich habe ja ich die Kuliarbeit für meinen buji, den Dichter, erledigt. Und ich schreibe ja die meiste Zeit im Stehen. Da habe ich die stärkste Konzentration. Meist lehne ich an einer Bar, an einem schönen Plätzchen, irgendwo in einer Ecke, wo ich leicht übersehen werden kann, aber gleichzeitig Alles unter Kontrolle habe.
Ich trank gerade meinen obligatorischen Heimgeh-Kaffee. Fünf Minuten noch und dann ab in die Heia. Ich, der Lothar, haderte dabei mit meinem viel zu frühen Geboren-Sein. Ich stellte wieder einmal an meine Zeit, die ich noch nie verstanden habe – und sie mich auch nicht, die schon oft zuvor gestellte Frage - sie war gerade intensivst damit beschäftigt, an der nächsten Generation der Atombombe zu basteln: „Wieso, bitte, funktioniert das Beamen heute noch nicht, meine liebe Zeit, verdammt? Weil du dich nur für den letzten Scheiß in der Welt interessierst, verdammt! Wäre doch weit interessanter, an dieser Technik des Weg- und wieder Zurückbeamens intensiv herum zu basteln, als am nächsten grauslichen Massenmord?“
Doch meine Zeit hörte mir nicht zu, wie immer halt. Dafür aber zwängten sich zwei völlig neue Gesichter durch mein völlig zugedichtetes Stammlokal, so und so. Noch nie zuvor gesehen. Auch sie schiagelten ebenfalls ganz leicht. Lothar dachte: Keine Gefahr für die Leute hier, die Zwei sind selber zwar nicht völlig, jedoch ziemlich dicht. Sie hatten schwarze Lederjacken von der Stange an. Auch der Rest der Kleidung war Marke Jugo-Konservativ. Kraftlos bunt gefärbte Hemden, dazu völlig unpassende, einfärbige, schmale Lederkrawatten. Dunkles braun und grelles Blau, wohl von der heute endlich im Sterben liegenden FPÖ oder schlimmer gar. Na ja, soll mir egal sein.
Doch buji sah, wie sie keinerlei Augen für die vielen, vielen hübschen Mädchen hatten, zumindest waren diese Augen beim Schauen nicht verschwanzt, wie bei manchen anderen Jungs, die um diese Zeit noch immer alleine waren. „Ja, buji, jetzt, wo du es sagst: es sind heute ja fast mehr Frauen als Männer unterwegs, besser wohl Mädchen, wenn man alle unter Fünfundzwanzigjährigen zu den Mädchen zählt. Und in unserem Alter tut man das, hahaha. Ja, du musst es mir nicht dauernd unter die Nase reiben, verdammt. Ich weiß: ich bin ein schon fast achtundvierzigjähriger alter Depp, somit also ein alter Hund. Aber du, du in dich selbst verliebter Dichter, du bist genau so ein alter Depp, wie ich. Ach ne, bist du nicht? Ach, du wurdest erst am Ostersonntag, dem vierten April Neunzehnhundert und neunundneunzig, also vor heute gut sechs Jahren erst geboren, ach ne, wieder geboren, und die Jahre dazwischen die zählen daher nicht. Aha, diese Jahre hättest du, wie diese Reisenden im Weltraum, im Tiefschlaf gelegen, und in solchen Tiefschlafjahren altert man bekanntlich nicht, zumindest nicht so schlimm, aha. Oh bujerl, du bist auch so ein glaubseliger Depp, echt, du glaubst auch Alles, was sie uns in diesen oft so unglaublichen Science-Fiction-Filmen erzählen. Depp. …… Ach, du meinst, das würde schon stimmen. Na ja, wenn du es glauben willst? Echt, manchmal gehst du mir echt mächtig auf den Geist. Immer musst du das letzte Wort haben. Manchmal halte ich dich einfach nicht mehr aus. Kopf tauschen, zumindest ab und zu nur, pro Woche wenigstens für einen Tag, Mann o Mann, so ein ganz normales Hirn haben, das wäre jetzt ein Hit.“
buji der fiese Hund lachte sich einen ab und sagte sonst Nichts. „Ja, lach nur, lach. Ach, buji, leck mich doch am Arsch. Wir machen jetzt einen Abgang! Klar? Ich rufe jetzt unsere Lieblingstaxifrau, die Andrea, an – ich hoffe, sie fährt noch um diese irre Zeit, und dann ab mit uns ins warme Wasserbett. Echt, ich bin so froh, dass ich dieses Wasserbett nun endlich habe, denn seit nun schon über einem Jahr habe ich wenigstens in der Nacht vor dir meine Ruhe. Keine von dir inspirierten und so saublöden Träume mehr, zumindest weiß ich seitdem Nichts mehr davon.“
Da wurden am Eck der Bar zwei Barhocker frei. Zwei schulterfreie, tief ausgebrüstelte Blondinen, die ich eigentlich in Gedanken mit nach Hause nehmen wollte in mein herrlich Wasserbett, haben wohl auch schon ans Wegbeamen gedacht und flüchteten nun nach Hause. Schade.
Statt meinem blonden Himmelsbild belederjackten nun die zwei so absolut unerotisch wirkenden Neuen das Eck der Bar. Sie grinsten sich anzüglich an, waren glücklich, man sah es ihnen an: der Überblick von dort war phänomenal, sogar um eine Spur besser, als der meine, und sitzen konnten sie endlich auch. Sie sahen bis in den letzten Winkel der Bar, hatten also Alles unter Kontrolle, also somit in Deutscher Hand. Ich konnte es körperlich fühlen, dass sie genau Das dachten.
Egal. Ich, der Lothar, griff nach dem Handy. Andrea, meine Lieblingstaxifrau – sie hat im Auto die beste Musik der Stadt, und dann ab mit ihr Richtung Nirvana. „Bist deppert? Spinnst? Wir können jetzt noch nicht gehen, verdammt! Das wird die beste Geschichte für das ganze Jahr.“ „Scheiß drauf. Du mit deinen „besten Geschichten“, verdammt, das sagst du jedes Mal. Außerdem, wir haben heute eh schon so eine, und eine ewig lange noch dazu, im Kasten. Ich bin todmüde. Ich bummse heute nur noch ein zartes Loch in die heimelige Wärme meiner Wassermatratze, hihihi. Also leck mich am Arsch, ich kann echt nicht mehr.“ Ich riss mein Maul bis zum Anschlag auf, so als Beweis, und gähnte mir mächtig Einen ab.
„Außerdem: wo, bitte, siehst du hier noch eine interessante Geschichte. Lauter Dichte. Solche Geschichten haben wir zwei ja eh schon tausende geschrieben. Und die zwei dichten Neo-Nazis da, die wurden schon von millionen von Dichtern und Dichterinnen vor uns bis in den letzten Seelenwinkel hinein geschrieben und beschrieben, so und so. Echt, schön langsam werden mir deine dichten Geschichten fad.“
„Depp! Schau doch mal, wie sich die zwei schwarzen Lederjacken da an der Bar schwer verpolizisten!? Das ist mit Sicherheit die Vorhut von einer Razzia.“ „Ach, geh! Du spinnst! Das bildest du dir bloß ein. Ich bin müde, verdammt, todmüde! Mir ist diese Razzia scheißegal. Ich will nur noch heim, Embryostellung, verstehst, und dann Gute Nacht!“
„Verdammt! Lothar! Mein Dichterschwanz steht metersteif. Und verdammt! Habe ich dich etwa schon jemals enttäuscht?“ Ich überlege kurz. Shit! „Ne, hast du nicht, ….. , aber ….. ich bin tooooodmüde.“
Ich schaute noch einmal zu den zwei Lederjacken hin, so zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren alt. Dicht, und das nicht nur vom Alk! buji meinte: „Sieh doch, die Zwei haben sich womöglich gar aus Beschlagnahmebeständen heraus bedient, die sie der gar nichts davon wissen wollenden Staatsanwaltschaft verschwiegen haben.“ Klar! Das sehe ich auch. Und: Diese zwei Typen gehören so, wie ich, ins Bett zu ihrer Frau Mama und jedenfalls nicht hierher. Shit! Die sind geheimer Einschleich-Untergrund.“ Ich dachte nach.
„Ja, buji, ich gebe es ja zu, du hast wieder einmal Recht. Aber ich bin trotzdem toooodmüde.“ Ich checkte die Schreibzeit einer möglichen Geschichte über das Thema Razzia ab: zwei, ne, drei Stunden mindestens und dann zu Hause am PC noch gut zwanzig dazu. Wenn das überhaupt reicht? Shit! Und die andere Arbeit von zuvor? Diese Mühe war wieder einmal umsonst, für den Hugo. Diese andere Geschichte schreibt sich ja nicht von selber in den PC, und ich komme mit Sicherheit diese Woche nicht mehr dazu, und nächste Woche kommen dann zwei neue. Shit!
Da ließ mich der buji trotzdem nach dem Kugelschreiber greifen, ein zweiter Griff zur linken Hosentasche. Welch herrliches Gefühl! Sieben A4-Blätter weißestes weißes Blatt Papier, unschuldig, noch kein einziges Wort stand darauf. Das Papier spreizte seine Schenkel einladend weit auseinander, bis hinauf zur Decke und war erlebnisbereit. Ich breitete also das zusammengefaltete Papier versuchsweise auf der Bar vor mir aus, strich die Falten glatt und fixierte noch einmal die zwei Lederjacken seitlich von mir an der Bar.
Und: Peng! Ein Adrenalinstoß schnitt sich querfeldein durch meinen ganzen Körper. Geil! Die Müdigkeit war wie weg geblasen.
„Okay. Ich gebe dir noch eine halbe Stunde, also bis ungefähr halb sieben. Wenn bis dahin keine Razzia ist, dann rufe ich uns ein Taxi, okay?“ „Okay. Passt optimal. Mein Dichterschwanz sagt fünfzehn, zwanzig Minuten, vielleicht ein paar Minuten mehr. Passt optimal.“
„Okay. Ich bin wieder putzmunter, schreibbereit. Wie wäre es, wenn wir die Zeit bis dahin nicht sinnlos vergeuden? Wir könnten ja inzwischen ein wenig vorschreiben, was hältst du davon?“ „Super, megasuper klar. Also schreib: „Das Lokal ist völlig zugedichtet.““ „Hey buji, stopp. Verdammt, das hatten wir ja schon. Willst du unsere LeserInnen etwa langweilen?“
„Ach ja, hast Recht. Du bist und bleibst mein bester Lektor, danke sehr. Also schreib: „Die Türe schwingt auf, ein Schäferhund stürzt herein, blickt kurz gerade aus, schaut dann nach links, dann rechts, er sieht uns zwei da sitzen, stutzt und läuft dann schnurstraks zu uns her. Ein Schnüffler nur zwischen unsere ihm natürlich sofort freiwillig hin geöffneten Beine, ein treuer Hundeblick in unsere Augen und er weiß: der Typ da ist zwar völlig hin in seiner Birn, der ist echt nicht echt. Der Typ ist zwar auf seine Art auf den ersten Hundeblick auch irgendwie völlig dicht, aber er ist trotzdem sauber. Der Typ hat halt, so wie sein Herrchen ja auch, um diese völlig irre Zeit noch irgend so eine völlig irre Arbeit zu erledigen.“
Der Schäfer ließ uns rechts von ihm „liegen“ und lief dann von Gast zu Gast. Auch die Mädchen beschnüffelte er zwischen den Beinen, ungeniert. „Mmmmhhh, mmmmhhh,“ dachte er bei einigen, „nicht schlecht,“ schnüff, schnüff, und wieder ab zur oder zum Nächsten. Bei der riesigen, gut einen und einen halben Meter hohen, circa vierzig, stellenweise sogar gut fünfzig Zentimeter dicken Kerze, die am Barende aufragte, wie ein riesiger Penis, der Kopf gesegnet mit dem dicksten Knüppel dieser Welt, da saß ein alter Freund von mir, eine bekannte, überlokale Malergröße unserer Stadt, ganz einsam in sich selbst versunken herum. Seine Blicke kratzten gerade schwerwiegende Gedanken aus dem Nirgendwo. Er war gerade noch von seiner Umwelt völlig abgedichtet, somit in relativer Sicherheit.
Der Schäfer: schnüff, schnüff, und dann schleckte er doch glatt dem Herrn Maler seine linke Hand ab. Dann schaute er links, dann wieder rechts, dann wieder leicht über seine linke Schulter zurück. Sein Herrchen strömte gerade mit sieben, acht, nein, zehn anderen schwarz Uniformierten ins eh schon total überfüllte Lokal herein. Sie verteilten sich brutal im Raum. Sie drängten die auf den freien Plätzen Stehenden einfach weg, manche einfach brutal gegen eine Wand. Jeweils zwei positionierten sich an den Ausgängen und drei ganz hinten beim WC. Einer stellte sich vor der Küchentüre auf. Das Lokal war zugepolizistet. Es gab nun kein Entkommen mehr.
Der Schäfer fand den Blick seines Herrn und sagte: „Schau, der da, der hat noch Kokainstaub auf der Hand, vom besten Schnee der Stadt.“ Das Herrchen grinste sein Hundchen lobend an, nickte „Danke, Rex!“ und suchte dann mit seinen Augen ein blöd herum stehendes Polizistengesicht, das noch völlig grün hinter seinen Ohren war.
buji zu Lothar: „Schreib: „ein Frischling aus der Polizeischule Wien polizistet sich gehorsam an den dichten Maler heran.““ „Lothar zu buji: „Waaaas?“ „Ja, schreib: „polizistet sich“, statt „macht sich an“ oder „nähert sich“ oder was immer für einen Scheiß! Das klingt doch geil, oder etwa nicht? So hat das vor uns noch kein Dichter geschrieben. Wir leben doch heute in einer Gott sei dank fast völlig entanalphabetisierten deutschsprachigen LeserInnenwelt, heute hat doch schon jeder Zweite Matura und jede Zweite sowieso. Heute können sie also fast Alle Lesen, wenn sie nicht gerade in Deutsch mit dem einen erlaubten Fünfer durchgekommen sind, hehehe. Also bitte, wenn das heute Jemand nicht versteht, echt, dann …. Ach, egal, so Jemand liest ja eh gar nicht in den Literaturforen im Internet herum, hehehe, der schaut sich jetzt um diese Zeit gerade die auf DVD gebrannte Wiederholung von Gottschalk oder von John Travolta an, hehehe, oder er surft sich gerade durch das reichhaltige Pornoangebot im Großen W W W.““ buji lachte und fühlte sich megamegageil. Er schwamm in seinem Element, das da „seine ganze Zeit verarschen“ hieß. Haha.
„Ja, hast ja Recht, wie immer! Klingt gut, jetzt, wo du es sagst. Passt.“ Lothar schrieb. „Also weiter: Der Frischling polizistet sich also an den gut fünfzig Jahre alten und so megamegadichten Herrn Maler heran und fordert ihn auf, die Drogen brav auf die Bar zu legen, die er (noch) eingesteckt hat.“ Lothar schrieb das brav.
Herr Maler entdichtete sich in wahrer Zeitlupe, soll heißen: er wurde langsam munter. Er hob seinen Blick. So wie ich ihn kannte, entmalte er sich gerade aus der Kunterbuntheit seines Kopfes heraus. Er war ja eben so ein Schizzoe, wie ich, hihi. Dann ixte er dem Frischling grinsend in die forschen Augen. Der Frischling wunderte sich: verdammt, so klar hat ihm mit einem linken Auge noch nie zuvor ein Jemand in sein linkes Auge geschaut, und gleichzeitig mit dem rechten in sein rechtes auch noch nicht. „Was wollen Sie von mir? Ich habe keine Drogen nicht. Sehe ich etwa wie ein Jemand aus, der so böse Drogen nimmt?“
„Ja. Der Hund hat sogar an ihrer Hand geschleckt. Er hat seinem Herrn gesagt: da ist noch ein wenig Staub vom besten Cola dran! Also, geben Sie es schon freiwillig heraus, seien’s brav, oder müssen wir Sie mitnehmen?“
„Hahahahahaha,“ Herr Maler brach in einen lauten Lachsturm aus. „Hahahahahaha.“ Er war ja eine geborene Frohnatur, man muss bloß seine traurigen Bilder sehen. „Machen Sie sich nicht lustig über mich, sonst …..!“ „Ha! Ha! Ha! Was sonst? Wollen Sie mich etwa gar perlustrieren? Sie stehen wohl darauf, fremden Menschen Ihr geiles Fingerchen in das Arschloch zu stecken, haaa? Sie sind wohl auch eines von diesen bösen, kleinen Schweinchen? Hahahahaha.“ Herr Maler haute sich ab und hörte nicht mehr auf zu Lachen. Irgendetwas fuhr in oder mit ihm, …. und zwar gewaltig.
„Das ist nicht mehr lustig, mein Herr. Ihren Augen sieht man es klar und deutlich an, dass Sie schwer zugedrogt sind. Ihre Pupillen sind so groß, wie die Zehn-Cent-Stücke. Also rücken Sie die Drogen schon heraus. Wir finden sie ja sowieso! Was haben Sie denn mit? Koks, …. und Ecstasy, haaa, klar, …. und so ein Pupurgraserl oder so eine braune Scheiße, völlig frei von Schuhpasta und Urin haben Sie wohl auch dabei. Genau so schauen Sie nämlich jetzt gerade aus.“
Herr Maler ixte mich ganz kurz an, er war kein Quentchen irritiert, er war Profi: „Hey buji,“ sagten seine Augen, „pass auf!“ Er zwinkerte mir dabei leicht ixig mit seinem linken Auge in mein linkes Aug hinein, und dann: „Herr Polizist! Ich stehe gerne für eine genaue Untersuchung zur Verfügung. Sie dürfen mir auch gerne mit ihrem geilen Fingerchen in mein geiles Arschloch fahren, hihihi. Es stört mich gar nicht, hihi, ja, ich bestehe sogar drauf, wenn ich das mal ehrlich so sagen darf. Meine Freundin, die bohrt dort auch immer gerne herum, hihihi. Doch sie ist heute leider nicht zu Hause. Echt, sie sind noch verdammt jung, haben sicher eine feine Haut und wären somit der richtige Fingerersatz. Aber wenn ich das auch noch sagen darf, lieber Herr Polizist, bevor Sie mich aufs Revier abverpolizisten (er hat natürlich abführen gesagt): Sie und Ihr Herr Hund sind leider in einem schweren Irrtum begriffen. Sie belästigen bloß einen anständig braven Bürger, hahahaha. Na ja, jeder Polizist verpolizistet sich bei seinem ersten Mal. Hahaha, bitte, glauben’s ma’s, beim nächsten Mal, da zittern’s nicht mehr ganz so arg, hahahaha. Also fingerln’s mich schon, san’ net feig, verdammt! Hahahahaha.“
Der junge Herr Polizist war baff. Er fühlte eine erste leichte Wut in sich aufsteigen und wollte sich davon befreien. Er wollte etwas sagen. Doch Herr Maler rutschte auf einmal von seinem Hocker. Er fiel dabei dem Herrn Polizisten gegen die Brust. Der richtete ihn gleich wieder gerade. Herr Maler grinste, sagte brav „danke“ und hob dann seinen linken Arm leicht an, so vor seine Brust, er sah kurz aufs Ziffernblatt und zeigte dabei mit seinem rechten Zeigefinger auf seine Uhr: „ Herr Polizist, schauen’s doch, bitte, einmal auf meine Uhr. Sie können doch Uhren lesen, oder? Hahahaha. Echt, ich verspreche Ihnen bei Allem, Was mir heilig ist, echt, sogar bei der Ehre meiner Mutter, und die war immer eine schwer katholische Frau, hihihi, - das Ergebnis dieser Erziehung sehen Sie heute genau vor sich: Hihihihi, hihi, ich habe keine Drogen nicht.“
Herr Maler haute sich ab, er krümmte sich und zwinkerte, so in Hüfthöhe, wieder zu mir her. Jetzt schaute er jedoch auf einmal ganz gerade aus. Er war nun schwer in seinem bildnerischen Element, das hat ihn munter gemacht. Seine Lieblingsbeschäftigung war es ja schon immer, verirrte und deshalb verwirrte Obrigkeiten zu verarschen. Ich liebte ihn dafür und ließ meinen Kuli in seinem wunderschönen Blau über mein weißes Blatt Papier verrasen.
„Echt, Herr Polizist, ich habe echt kein bisschen Gras mehr eingesteckt. Schauen’s“ und dabei stülpte er alle seine Taschen um. Es fehlte nicht viel, und er hätte sich in wahrer Verzweiflung sogar die Innentasche seines Rocks heraus gerissen. Und dabei hüpfte er, leicht gebückt, auf seinen Beinen herum. Wenn doch bloß mehr Platz gewesen wäre? „Schauen’s, Herr Polizist, es ist jetzt halb sieben Uhr in der Früh. Bitte, glauben’s mir das, sand’s net dumm, sie blamieren sich da bloß. Sie blamieren da wieder einmal die ganze Polizei. Sand’s do g’scheit und denken’s noch: Wenn Sie so um halb eins, oder meinetwegen um halb drei Uhr in der Früh gekommen wären, ja, ja dann okay, aber, bitte, bitte, jetzt is halber sieben in der Früh. Echt, ich bin nur noch gut drauf. Bitte, glauben’s mir das. Ich könnte jetzt auf der Stelle das irrste Bild meines ganzen Lebens malen, doch ich bin leider nicht ganz so irre drauf, wie dort mein Freund, der megairre buji. Der schreibt sich drei Mal in der Woche hier in der Altstadt seinen Dichterständer aus seiner Seele hinaus. Verstehen Sie das? Also, ich net. Ich bin leider zu feige dazu, dabei täte ich eigentlich gar Nichts lieber, als dort neben ihm mit meiner Staffel und meinen Pinseln zu stehen, echt. Echt, ich bin ja so ein feiger Hund, das ist mir schon klar. Aber zurück zu Ihnen und zu mir, …. Herr Polizist. Echt, ich habe Nichts, hehehehe, Nichts mehr für Sie, hehe. Es tut mir leid, aber jetzt bin ich eigentlich nur noch gut drauf, verdammt gut sogar. Und, mein lieber Herr Polizist: Sie brauchen nur ganz kurz beim Strafregisteramt anfragen. Dort steht: Herr Maler wurde schon ix Mal mit Nichts erwischt, hahahaha.“
Mein Freund, Herr Maler, krümmte sich. Ich hatte schon Angst, er würde sich gleich zu Tode lachen. Aber dann riss er sich wieder zusammen. (Die Leute um ihn herum, die zuhören mussten, „starben“ dabei auch.) „Lieber Herr Polizist, Sie sind ja noch so jung. Sie müssen das erst noch lernen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Echt, bis auf die legale Droge Bier da vor mir auf der Bar habe ich nichts Illegales mehr da, hahahahaha!“
Herr Frischling war noch superfrisch, gänzlich unerfahren. Er hatte noch keinerlei Erfahrung mit der Polizisterei, also der Leute-Abstierlerei. Man sah es ihm an, er wurde gerade schwer verpolizistet, seine Entrüstung über so viel künstlerische Freiheit stellte ihm unter seiner Uniform die kleinen Härchen auf, Gänsehaut der Wut genannt. Er glaubte es nicht. Er kannte sich ja bei der Verpolizistung von verdächtig erscheinenden Personen noch nicht aus. Er konnte noch nicht heraus filtern, wenn Jemand Blödsinn redete und dabei die Wahrheit sagte. Also packte er meinen Freund fest an seiner Schulter an und trieb ihn vor sich her durch den freien Gang der Bar nach Hinten in die Küche.
Herr Maler grinste mich beim Vorbeigehen wieder zwinkernd an und fing auf einmal ganz laut an zu schreien: „Hilfe! Hilfe! Hilfe! Vergewaltigung! Der anständige Herr Polizist da will mir mit seinem Stinkefinger in mein unanständiges Arschloch fahren. Hilfe! Hilfe! Polizei!“ Er bekam einen heftigen Stoß in den Rücken, so dass er die nächsten Schritte dahin stolperte, dabei fast fiel, aber er war inzwischen schon so munter, dass er dann sogar die enge Kurve in die Küche mit vollem Abstand, also ohne am Türrahmen anzustoßen, nahm.
buji ahnte sich eine Geschichte hinter den Beiden her und beobachtete dann die weiteren Vorgänge im Lokal, während Lothar fleißig schrieb. Lothar kriegte deshalb Alles mit, auch das, das er gar nicht sah, und dachte daher zu buji: „Ach ne, was wird denn das?“ Der Hund hatte inzwischen das ganze Lokal abgeschnüffelt und bis jetzt noch Nichts gefunden. Armer Hund! Da gibt es morgen aber keine Wurstsemmel vom Herrn Polizeipräsidenten. Also trieb man nun alle Schwarzen, und alle Dunkelhäutigen natürlich auch, vor dem Ausgang zusammen, gut fünfzehn an der Zahl. Und das sogar, wenn Einer „Ich Österreich! Ich Österreich“ laut schrie. Man schob sie einfach zur Türe raus. Was für eine rassistisch angehauchte Blamage? Ich, der Lothar, wollte schon aufstehen und mich solidarisch erklären, schließlich bin ich Humanist. Doch buji meinte kalt: „Sitz! Und schreib!“ Ich hoffe, man verzeiht.
„Aha,“ dachte der buji auch schon weiter, „da draußen wartet wohl ein weiteres Heer von Polizisten. Und sieh hin: ein paar von den armen Abgepolizisteten wollen mit unseren Freunden und Helfern diskutieren. Doch kein Pardon, denn alle Schwarzen sind ja Dealer! Also ab mit ihnen aufs Revier, dort werden sie dann genauestens durchgepolizistet. Und sieh hin: Uns Weiße lässt man in Ruhe. Gott sei Dank! Wie nett!“ dachte buji. Und ich, der Lothar, dachte endlich auch: ich hatte nämlich, ehrlich gesagt, jetzt eh nicht die geringste Lust, mich mit so einem Frischling von der Polizeischule Wien über meine unbedingt notwendige Verpolizistung auf einen Polizeiposten wegen meiner Solidaritätsgefühle zu streiten. Und buji wollte ja weiter schreiben. Ich, Lothar, war auf einmal wieder ein wenig müde (von meiner so anstrengenden Auflehnerei) und träumte auf einmal wieder nur noch von meinem so schön warmen Wasserbett.
Kaum hatte ich das gedacht, da sah ich: ich habe mich womöglich umsonst gefreut. Das Hundeherrl steuerte geradewegs auf mich zu. Sein Blick war streng, äußerst streng. Ich, Lothar, konnte es nur fühlen. Buji zu mir: „Blick jetzt ja nicht auf, ja, schreib einfach fleißig weiter. Haha. Das irritiert.“
„Was machen Sie denn da?“ „Ich schreibe.“ „Das kann ich selber sehen, ich bin ja nicht dumm. Was genau schreiben Sie denn da?“ „Ach, eine Geschichte, nur eine schöne Geschichte, um genau zu sein.“ „Was für eine Geschichte? Sind Sie ein Dichter?“ „Ja. Ich schreibe immer hier. Hier in der Altstadt da liegen lauter schöne Geschichten herum, wissen’s, man muss sie als Dichter nur aufheben und schon schaut die Welt wieder ein bisschen aufgeklärter aus.“
„Bei dem Wirbel können Sie was Zusammenhängendes schreiben? Das glaube ich nicht.“ „Ja, das macht mir absolut Nichts aus. Je mehr los ist, umso geiler kann ich meine Konzentration fühlen. Die ist wie eine dicke Mauer, wie ein riesiger Turm, dagegen war das WTC leicht angreifbar. Dabei verschmelze ich dann jedesmal geradezu. Ich werde Ich. Ich kann diese Verschmelzung von Körper, Geist und Seele immer wieder direkt spüren. Das ist wie Sucht, verstehen Sie? Das ist die geilste Sucht der Welt. Die alten Kaffeehausdichter haben ja auch irgendwie so wie ich geschrieben. Ich habe mich schon vor langer Zeit als Dichter der Wahrheit und nur der Wahrheit verschrieben. Und die Wahrheit findet man leider nicht an der gemütlichen Schreibmaschine zu Hause in seinen sicheren vier Wänden. Nur Hosenscheißer und Hosenscheißerinnen schreiben zu Hause, verstehen’s das? Wenn man eine Wahrheit schreiben will, dann muss man zu den Menschen gehen. Man darf sich nicht vor ihnen fürchten, sich verkriechen und sie womöglich auch noch hassen! Verstehen’s Das?“
Herr Hundeherr schaute mich ganz komisch an. Er wollte nicht kapieren, konnte es vielleicht auch gar nicht. Aber er schaute mir dabei tief in die Augen und sah mir an, dass ich sauber war. Aber irgendetwas ließ ihn nicht in Frieden. Das viele Geld für die heutige Razzia war wohl wieder einmal total umsonst gewesen. Sie haben bis auf zwölf magere Ecstasy-Tabletten und ein paar leere kleine Plastiksackerl Nichts gefunden, und die paar E lagen unter der Stiege und haben leider Niemandem mehr gehört. Er wollte also unbedingt noch etwas zum Vorweisen „finden“. Also:
„Was haben Sie denn da in ihrer Tasche drin?“ Auf der Bar neben mir lag meine kleine Umhängtasche. „Ach, mein Handy, eine kleine Geheimkamera, Marke Minolta Dimage X-CIA, mit der ich manchmal die Beweise für meine Geschichten festhalte, denn meine LeserInnen von Heute glauben mir ja leider so oft nicht. Na, und ein paar Zetteln mit Geschichten, die ich immer dabei habe, um sie an so selten daran interessierten Leute zu verschenken. Werbung, verstehen Sie? Ich bin ja nur ein unbekannter Andergraund. Na ja, und einen Reservekuli habe ich als vorsichtig gewordener Dichter natürlich auch noch dabei, und eine Reservebatterie für die Kamera, einen Reserve-Chip, ja, und dann bin ich ja auch noch ein armer Hund von einem Diabetiker, also habe ich Zuckermessgerät und mein geiles Spritzerl auch dabei. Das ist aber Alles, …. glaube ich?!“
„Ach, glauuuuben tuuun Sie? So ist das also: Sie glauben nur, ach ne! Sie wollen etwas verheimlichen vor mir. Machen’s die Tasche auf!“ Ich lege sie ihm hin. „Schauen’s selber nach! Sie müssen schon entschuldigen, aber ich muss schnell ein kleines Sätzchen aufschreiben, sonst reißt mir der rote Faden ab, verstehen’s? Sie müssen dazu wissen, in einem Eck in meinem Kopf läuft immer die Geschichte weiter, was immer sonst auch so passiert, ja, sogar wenn ich mich mit der Polizei unterhalte.“ Ich schreibe schnell etwas ganz, ganz Wichtiges, eine saugeile Wortkomposition, auf das Blatt Papier. Mein Kopf verpolizistelt.
Ein Wunder, er verstand und machte die drei Reißverschlüsse selber auf. Er legte alle Sachen sogar sauber aufgereiht auf die Bar. Respekt. Was ich gesagt hatte, stimmte. Kein illegales Zeug dabei. Den Kaugummi und die drei Mon Cheri (wegen dem Zucker) übersah er. Er hat verstanden. Er schaute sich aber die Spritze natürlich ganz genau an. Er dürfte schon ein wenig schlechtsichtig sein, denn er hielt sich die Spritze gut zehn Zentimeter vor die Nase. Ich wusste, was er da gerade auf der Glasampulle las: NovoRapid Penfill 100 E/ml.
Ich konnte es ihm deutlich ansehen. Er war schwer enttäuscht. Er hatte wohl gehofft, da steht jetzt groß und deutlich drauf: Heroin Kosovo Medelin.Und er glaubte inzwischen wohl nicht mehr an sein Glück. Er dachte bei sich: „Ein völlig irrer Spinner mehr halt auf unserer so besonders von linken Spinnern so unheimlich reich gesegneten Welt, und ein armer Insulin-Junkie ist er auch noch, aber sonst wohl clean. Verdammt, das war heute echt nicht unser Tag.“ Er schaute mir noch einmal tief in die Augen. Er dachte: „Die Pupillen sind müde, aber sonst normal.“ Ich dachte schon: Jetzt ist es vorüber. Ich wollte nur noch ein paar Absätze schreiben und dann ab nach Hause. Das Wasserbett gluckerte laut und deutlich. Mein ganzer Körper fühlte sich auf einmal nur noch wie gerädert an.
Da juckte es den Typen doch noch einmal. Er war halt durch und durch misstrauisch, also schwer durchgepolizistet. Ich hätte wetten können, der arme Hundeherr, der traute nicht mal seiner Frau, wenn er denn überhaupt eine hatte. Der traute höchstens seinem treuen Hunderl. Und dabei vergaß er glatt, dass der arme Hund ja schon von seiner Natur her gar nicht anders konnte. Also: „Und was genau, bitte, Was schreiben Sie da?“
„Eine Razzia.“ „Waaaas?“ fragte er um drei Einheiten lauter. „WAS schreiben Sie da?“ „Na, eine Razzia halt, …. diese Razzia da.“ Er riss mir die sieben Blatt Papier einfach unterm Kuli weg, hielt sich das Papier wieder zehn Zentimeter vor die Nase und las, besser, er wollte lesen, hahahaha.
„Das kann ich nicht lesen.“ „Ja, ich weiß. Manche Leute können das halt nicht, Schicksal. Sie sind ja etwa in meinem Alter, denke ich, und damals gab es die Pisastudie noch nicht. Damals wurde das ja noch nicht überprüft.“ Er verstand zum Glück nicht, aber er sagte: „Dieses Gekritzel muss ich konfiszieren. Das muss überprüft werden, ob es eh nicht staatsgefährdend ist.“
„Naaa, Herr Polizist, bitte nicht. Bitte, tun’s mir das nicht an. Das ist die beste Geschichte meines Lebens. Wenn Sie mir die wegnehmen, die bringe ich nie wieder so gut hin. Wissen’s, Herr Polizist, dieses Schreiben ist wahrscheinlich die schwerste Arbeit von der Welt. Bitte, haben’s ein Erbarmen mit mir.“
Er hatte keines. Jetzt war ER in seinem Element. Er genoss seine Macht und er nahm mir sogar auch noch die anderen Geschichten weg, auch jene, die ich schon ab Mitternacht auf eine andere Geschichte hinten drauf geschrieben habe, so wie ich das ja immer mache. Und dann hat er sich auch noch von meinem Ausweis den Namen und die Adresse abgeschrieben. So ein Arsch. Der arme buji war echt fuchsteufelswild, am Liebsten hätte er diesen Polizistenhund samt seinem so blöde guckenden Hund erwürgt. Aber ich, Lothar, habe ihn zurück und seinen Mund zugehalten. Shit! Der Hund sah mich dabei ganz eigenartig und auf einmal wieder so wachsam an. Ich sah es ihm an, er hat heute etwas Neues dazu gelernt, aber er wusste nicht, was genau. Anscheinend, dachte er, es können also auch „saubere“ Leute „böse“ sein. Und so böse blickte er daher auch. Ich blickte daher böse zurück. Er daher: „Knurr.“ Er dachte wohl: in Hinkunft würde er auch auf Leute mit Kugelschreiber ein genaues Auge haben. Shit! Da wird es dann wohl doch keine neue Ära von Kaffeehausdichtern mehr geben?! Schade, dann bleibe ich wohl mein ganzes Leben lang so unverstanden und sooooo allein. Doch als sein Herrchen dann zu ihm sagte: „Rex, komm!“ Da wedelte sein süßer Schwanz mit ihm und er schritt stolz, seine Schulter zärtlich an seines Herrls Knie, in seine Hundehimmelherrlichkeit aufs Polizeirevier davon.
Das Lokal war endlich wieder leergepolizistet. Mein Freund, der Maler, kam dann zu mir. Er hatte sich schon ein paar Minuten zuvor von seinem Frischling höflich verabschiedet. Er haute sich auf den Barhocker neben mir, lachte sich Einen ab und schaute mir dabei ganz gerade in die Augen. So nette Erlebnisse machen ja bekanntlich munter.
„Echt, des woar vielleicht a Gaudi, sog i da. Geil! Aber der feige Bullenhund hat mich dann doch um meinen letzten Spaß gebracht. Er ist mir nicht mit seinem Finger in mein Arschloch gefahren. Schade, verdammt schade. Dabei habe ich ihn sogar inniglich darum gebeten. Aber irgendein Kollege hat das dann verhindert. Schade. So was wäre jetzt echt nicht schlecht gewesen. Ich liebe Sex um diese Zeit, hahaha.“ Ich lachte mit.
„Und hast du uns eh Alle brav aufgeschrieben, buji, haaa? Hahahaha.“ „Hahahaha, na klar. Aber der Hundebulle hat mir alle meine schönen Geschichten weggenommen, verdammt. Arme Welt. Echt, das ist Zensur. Wenn das so weiter geht, dann bleibt die Welt so dumm, wie eh und je, hahaha. ….. Und, haben’s was gefunden, …. bei dir?“
„Haha, spinnst? Das letzte E habe ich gut eine Stunde vorher genommen.“ „Super. Haha, hast du gesehen, wie sich unsere braven Herren Polizisten wieder einmal brav um unsere schwarzen Freunde gekümmert haben. Den braven Osama haben’s auch wieder einmal mitgenommen. Nur an bösen bin Laden haums kan g’funden, hihi. Echt nett, was? Und der eine Bulle mit der mölzerbraunen Lederkravatte hat sich dabei sogar noch hervor getan. Zärtlich war der nicht gerade. Er glaubt wohl, a braune Haut mocht kane blauen Flecken nicht, haha. Na ja, jetzt ist kein bisschen Multi-Kulti mehr da. Wo führt das wohl noch hin? Unsere Zeit verkazettelt langsam, aber sicher schwaar.“
Wir lachten uns dann beide noch einen Langen ab, ob so viel Expressionismus. Auch Herr Maler liebte ihn. Die Bullen hatten gegen acht Uhr früh die Bar verlassen. Komisch, ich war dann auf einmal überhaupt nicht mehr müde und bin mit meinem Freund noch lange an der Bar sitzen geblieben. Wir betrauerten gemeinsam den Verlust jeglicher europäischer Kultur. Doch als wir so gegen zwei Uhr Nachmittags noch immer nicht gestorben sind, hat uns Klemens, der Kellner, mit dem Rest der Gäste hinaus geschmissen. Eiskalt. Wir haben ja Alle lautstark protestiert, aber es war letztlich umsonst. Klemens war tierisch müde und hatte wohl auch Angst vor einer Nachmittags-Razzia.
Ach ja, noch etwas. Buji hat mir dann die ganze Woche keine Ruhe gelassen. Dauernd hat er mich angejammert, ich solle unbedingt etwas wegen der konfiszierten Geschichten unternehmen. Er hatte ja Recht. Also habe ich am Donnerstag ein wenig herum telefoniert. Ich habe dann erfahren, dass ich mich an die Drogenabteilung bei der Bundespolizeidirektion Linz wenden müsse.
Dort war dann überraschenderweise eine überaus nette Frauenstimme am Telefon, die meinte, ich könnte jederzeit vorbei kommen. Die Zetteln würden bei ihr liegen. Man hätte alle Gedichte und Geschichten zwar als nicht ganz normal, jedoch für nicht staatsgefährdend befunden. Sie wäre noch bis sechs Uhr Abends da. Ich bin dann gleich hin gefahren.
Die Frau Polizistin hatte nicht nur eine überaus nette Stimme am Telefon, uuuhhh, sie sah auch überaus nett aus. Sie war so um die fünfunddreißig Jahre alt, also schon im richtigen Alter für mich. Ich kam gleich in ein überaus nettes Gespräch mit ihr. Ich musste ihr den ganzen Hergang der Konfiskation der Geschichten und auch meiner Eindrücke von der Razzia erzählen. Das arme Mädchen musste sich dabei ja beim Lachen etwas zurückhalten, schließlich standen ein paar ernst blickende Kollegen herum, aber ich konnte es ihr ansehen, dass sie mich verstanden hat. Und sie hat dann auch noch gemeint, dass sie die Gedichte und die Geschichten gelesen hätte und sie hätten ihr alle verdammt gut gefallen. Überhaupt die Geschichte „vorgeet“ wäre ein echter Hit, mal etwas Neues, insbesondere wären manche Wortkreationen echt genial gewesen.
Wow! Wie war ich da happy? Ab und zu ein wenig Lob kann nie schaden, hihi. Selbst im Underground ist man empfänglich dafür. Am Liebsten hätte ich sie gefragt, ob sie nicht Lust hätte, mit mir mal Essen zu gehen? Aber ich habe mich dann doch nicht getraut. Buji hat gemeint, wir hätten keine Zeit für so einen Mist, schließlich wären wir ja verheiratet mit der Schreiberei. Und außerdem: eine Hochzeit mit einer Frau Polizei käme nicht in Frage. Na ja, aber seit dem gehe ich jedes Mal schreiben in die Altstadt, in der Hoffnung auf eine neue Razzia. Vielleicht ist die Kleine ja einmal dabei? Hoffentlich.
© Copyright by Lothar Krist (27./28.3.2005 von 23.20 – 02.50 im Smaragd)
Für jene LeserInnen, die so etwas interessiert:
die Razzia war schon im Oktober 2004. Ich habe die Geschichte davon schon zweimal geschrieben, aber irgendetwas hat jedes Mal gefehlt. Beide Versionen hatten keinen richtigen Pepp, sie waren zwar nicht schlecht, aber nicht „buji-gemäß“. Doch gestern habe ich mit meinem Sohn Jimi, zwölf und ein halbes Jahr alt, wieder einmal eines unser so unterhaltsamen Wort-Spielchen gespielt. Wir suchen uns dabei immer irgendein Hauptwort aus, das noch kein Zeitwort und kein Eigenschaftswort hat, und dem schenken wir dann so eins. Und gestern war das Wort „Polizist“ dran, einfach so, hatte keinen besonderen Grund. Und bei diesem Spiel denkt sich dann Jeder ein Zeitwort oder ein Eigenschaftswort damit aus und der Andere muss dann erraten, was damit gemeint sein könnte.
Jimi sagte zum Beispiel: „Ich werde überpolizistet!“ Ich: „Ach, das ist leicht. Das heißt so viel, wie: ich werde von mehreren Polizisten überfallen und dabei niedergeknüppelt.“ usw. Es ist ein nettes Spiel. Und da hatte ich dann auf einmal genau diese Inspiration. Geil, was?