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Ravioli wie jeden Samstag

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31.08.2003
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Ravioli wie jeden Samstag

Ich hasste die Samstage nach langen Partys. Der Kopf dröhnte immer so und erst beim zweiten Versuch erwischte man den Henkel der Kaffeetasse, nach dem er sich zuvor energisch dagegen gewehrt hatte. Wie heilender Sirup durchfloss der doppelte Espresso meine Kehle. Ich musste unbedingt wach werden, denn in einer Stunde würde der Supermarkt schließen.
Der Espresso wirkte, langsam. Zusätzlich rieb ich noch mit den Händen heftig meine Wangen.
„Aufwachen, Paul, es ist Zeit zum Einkaufen.“

Kurze Zeit später saß ich dann auch endlich in meinem roten BMW und sämtliche Ampeln verliebten sich sofort in ihn. Es war wohl wieder einer dieser Tage, wo man besser zu Hause geblieben wäre, im gemütlichen Bett und mit einem schönen Videofilm.
Der Parkplatz des Einkaufszentrum war wie immer voll und auch die lästigen Zweite- Reihe, Ich-bin-gleich-zurück Parker hatten sich an einigen Stellen schon breit gemacht. Die erste Runde im Parkplatzrondell näherte sich langsam ihrem Ende und ich machte mir schon Gedanken über die zweite, als plötzlich ein unscheinbarer Toyota direkt vor meiner Nase ausparkte. Blinker setzen, antäuschen, einparken und siegessicher lächeln.
Kaum hatte ich die Schiebetür passiert, drückte mir auch schon ein freundlicher Mitarbeiter des Marktes einen kleinen Korb in die Hand.
„Der ist für Sie, mein Herr.“
„Ähm, danke.“ Kostenlose Einkaufskörbe, das war wirklich ein seltsamer Tag.

So, was stand auf meiner Liste? Ravioli, Basilikum, Putenfleisch und O-Saft. Das sollte sich alles schnell erledigen lassen. Umso besser, es gab nichts Schlimmeres für mich, als ein samstägliches Einkaufen.
Zielsicher steuerte ich das Nudelregal an und wollte schon nach den Ravioli greifen, doch zu meiner Überraschung standen da keine Dosen mehr. Da war gar nichts, noch nicht einmal das auszeichnende Preisschild. Verwirrt schaute ich auf meine Uhr. Es war Samstag, eine viertel Stunde bis Kassenschluss. Soweit ich wusste, hatte die Singleanzahl in dieser Stadt keine exponentielle Steigerung erfahren, also wo zum Teufel waren dann die ganzen Raviolidosen? Aus den Augenwinkel erspähte ich einen Mitarbeiter des Marktes, groß und schlank, mit dicker brauner Hornbrille.
„Entschuldigung?“
„Ja, bitte.“
„Sind die Ravioli heute aus?“ Entsetzt blickte er mich durch seine Brille an und starrte dann an mir vorbei, dann zeigte sich ein Lächeln um seinen Mund.
„Da sind sie doch und auch noch reichlich davon.“
Ruckartig drehte ich mich herum und schaute verwirrt auf die mir sofort ins Auge springenden Raviolidosen.
„Ähm, danke“, stotterte ich und nahm eine der Dosen aus dem Regal. Ein seltsamer Tag, am besten sollte ich schnellstens wieder zurück in meine Wohnung. Ohne weitere Verzögerung ging ich in Richtung Kasse. Jede Kasse war offen und an jeder standen Schlangen von bis über den Rand gefüllten Einkaufswagen. Jetzt fehlte nur noch ein nackter alter Mann mit langem grauem Bart, der nur von einem Plakat gekleidet wurde, mit der Aufschrift „Das Ende ist nah“.
Ordentlich stellte ich mich an die Kasse, wo die Kassiererin den Eindruck machte, ihren Job wesentlich schneller zu erledigen als ihre Kolleginnen. Sofort drehte sich ein Mann mittleren Alters zu mir um.
„Oh, junger Mann, Sie können gerne vorgehen, Sie haben ja nicht soviel.“
„Ähm ... danke schön.“ Ein wirklich seltsamer Tag.
Ich wurde sogar mehrere Plätze nach vorne gelotst, direkt hinter die erste Kundin, die gerade ihre letzten Sachen im Einkaufswagen verstaute und ein angeregtes Gespräch mit der Kassiererin hielt.
„... meine Güte, ich hätte nicht gedacht, dass das soviel Arbeit macht.“
„Frau Schulz, Sie haben heute auch wirklich viel eingekauft.“
„Ja, ja, wem sagen sie das! Es ist viel mehr als sonst, aber wir haben ja auch jetzt zwei Mäuler mehr zu füttern.“ Bei diesen Worten griff Frau Schulz sich an ihre Bluse und zog sie langsam nach oben. Mein Atem stockte und ich war etwas überrascht von den zwei zusätzlichen Mündern, die bei Frau Schulz aus dem Bauch herauskamen.
„Oh, Sie haben sogar zwei, wie beneidenswert, aber der eine reicht mir auch“, sagte der Mann hinter mir und zog ebenfalls sein Hemd nach oben. Auch er hatte einen zusätzlichen Mund auf seinem Bauch, der gerade genüsslich vor sich hin kaute. Das war zu viel für mich, hastig drückte ich mich an Frau Schulz vorbei und rannte so schnell ich konnte zur Ausgangstür. Kurz bevor ich sie erreicht hatte, schaute ich noch einmal nach hinten. Überall waren jetzt Leute, die ihre Bäuche entblößt hatten und alle hatten einen oder mehrere zusätzliche Münder darauf. Leider hatte ich mich mit dem Abstand zur Glastür verschätzt und zudem war ich wohl für den Öffnungsmechanismus zu schnell und so knallte ich ungebremst gegen das dicke Panzerglas ...

... irritiert öffnete ich meine Augen und blickte auf meinen stark in die Jahre gekommenen Parkettboden. Meine rechte Wange schmerzte und auch mein rechtes Knie machte sich bemerkbar. Was ein seltsamer und absurder Traum.
Eine halbe Stunde später war ich schon auf dem Weg zum samstäglichen Einkauf. Begleitet von einer konsequenten Rotphase erreichte ich meinen Zielort, den Supermarkt, deutlich später als geplant. Nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden hatte, schlenderte ich – den pochenden Du-hättest-lieber-nicht-feiern-sollen Kopfschmerz ignorierend – zur Eingangsstür. Kurz bevor ich durch sie hindurchtrat, fiel mein Blick auf eine Frau Mitte dreißig, die mich freundlich anlächelte. Es war Frau Schulz, die sich immer noch lächelnd den Bauch mit zwei unnatürlichen Erhebungen streichelte.

 

Moin Volker,

Erstmal herzlich willkommen auf KG.de.

Ich machs mal kurz vorweg: Deine Geschichte hat mir insgesamt leider nicht wirklich gefallen.
Zwar sauber, kurzweilig und flüssig geschrieben, aber inhaltlich mMn ziemlich dünn. Es gibt einfach tausende Geschichten, die sich mit Einkaufserlebnissen beim Aldi beschäftigen. Lange Schlangen an den Kassen, unfreundliche Verkäufer etc. Dieses ganze Thema ist in meinen Augen ziemlich ausgelutscht und du bietest auf humoristischer Ebene wenig neues. Die skurrilen Einschübe (verschwindende Raviolidosen, Münder in Bäuchen) sind zwar interessant, verlieren durch das Ende für mich aber an Klasse.

Den Anfang fand ich ziemlich gut (der Satz mit den verliebten Ampeln und die typische Einkaufsliste eines Singles), aber dann verlor sich der Text eben leider in dieser alten Thematik.
An der Stelle, an der es dann wieder interessant wurde und die Münder in den Bäuchen eine skurrile Komponente hinzufügen könnten, wacht dein Protagonist auf und alles war nur ein Traum. Seit Dallas damals ist sowas so ziemlich das Schlimmste, was ein Autor seinem Leser antun kann ;)
Im Ernst, ich persönlich mag solche Auflösungen prinzipiell überhaupt nicht, aber das ist natürlich nur meine Meinung.

Insgesamt in meinen Augen eine zwar ziemlich gut geschriebene, aber thematisch mich leider nicht ansprechende Geschichte. Würde mich aber freuen, bald andere Sachen von dir zu lesen, denn gut schreiben kannst du mMn auf jeden Fall.

 

Hallo Volker,

diese Einkaufsgeschichten sind doch recht bekannt, durch „Das Ende ist nah“ hast Du auch das Ende der `normalen- Alltagsdurcheinander-Szenerie´ verlassen. Hier müsste aber noch mehr kommen, als der Einfall mit den Mündern, aber die Richtung hin zur Absurdität stimmt.
Am Ende ist alles nur ein Traum, diese Lösung fand ich langweilig, Du hättest die Geschichte auch zur Spitze treiben können, ohne ernüchternde Erklärung.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo zusammen!

Vielen Dank für die Kritik und das Lob. Beides ist wichtig und genau aus diesem Grund bin bei "kurzgeschichten.de" gelandet.

Zu ProgMan

Das ist nicht meine erste Kurzgeschichte, aber meine
erste, die ich einer größeren Leserschaft vorstelle.
Mal sehen was ich in der nächsten Zeit noch so anstllen kann und vielleicht schaffe ich es ja auch den großen Clou einer fast perfekten Kurzgeschichte.
-
... Mal im Ernst, es gibt nichts schöneres, als sich an den Schreibtisch zu setzen und in einem Rutsch die Worten aus der buchstäblichen Feder fliessen zu lassen. Ich denke da stimmt ihr mir zu, denn das haben wir alle gemein, dieses irrsinnige Gefühl bei jeder Geschichte etwas neues, einzigartiges erschaffen zu haben.

Im diesen Sinne laßt Tinte Buchstaben und Worte auf eure Blätter zaubern.

 

Hallo ProgMan,

ich habe das nicht überlesen, trotzdem vielen Dank für den Hinweis, weil es schon passieren kann, dass man irgendetwas übersieht.
Der Satz gibt zwar dem Ende eine bestimmte Ungewissheit,
rettet die Pointe (für mich) aber nicht.

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

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