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Rauhnacht

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07.01.2017
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Rauhnacht

Hinter dem schwarzen Wald versank die bleiche Wintersonne und schickte ihre letzten Strahlen über die Wipfel der Bäume in das Dorf. Der Schnee war dieses Jahr schon früh gefallen und lag hoch und weiß auf den Feldern und Wiesen, zu beiden Seiten der schmalen Straße und auf den Dächern. Die alten Bauernhäuser duckten sich unter den Schneemassen wie scheue Tiere, aus den Schornsteinen stieg Rauch auf. Im Norden türmten sich tiefschwarze Wolkenberge, düstere Vorboten der Nacht und von noch mehr Schnee. Die dunklen Schatten krochen über die vereisten Weiher auf das Dorf zu und brachten an diesem bitterkalten Tag noch mehr Kälte, die unter den Türen und durch die Fensterritzen in die Häuser kroch.

Die Großmutter entzündete die vier Kerzen auf dem Tisch der Stube. Ihre weiten Röcke raschelten bei jeder Bewegung, im Ofen knackte das Holz. Die Eichentür, die auf den Hof führte, öffnete sich klagend, als der Vater mit dem Kind, einem blonden Mädchen von etwa acht Jahren, eintrat. Sie schüttelten den Schnee von der Kleidung, den dicken Wollmützen und schweren Jacken aus Leder und Fell. Auf dem Tisch dampften zwei Schüsseln mit heißer Suppe. Der Vater und das Mädchen setzten sich und begannen schweigend zu essen, während die Großmutter eine dritte Schüssel nahm und damit zur Treppe ging. Oben, im hinteren Teil des Hauses befand sich die Kammer der Eheleute. Unter der Dachschräge stand das große Bett, in dem die junge Frau lag, das blasse Gesicht eingerahmt von langem, fast weißem Haar, das wie Schnee das Kissen bedeckte. Neben ihr schlief das Baby, ein kleiner Bub, noch keinen Tag alt. Die winzige Hand umklammerte den Finger der Mutter, der hungrige Mund wimmerte leise nach Milch.

Die Großmutter stellte die Schüssel auf den Nachtkasten. Sie strich ihrer Tochter über das Haar und die durchscheinende Stirn, fühlte den schwachen Puls und das heiße Fieber. Der kleine Bub weinte lauter, suchte nach der Nähe der Mutter und nach der Milch. Die alte Frau nahm ihn behutsam auf den Arm. So saß sie auf dem Bett, hielt die Hand ihrer Tochter und den winzigen Körper ihres Kindeskindes, während die einzige Kerze im Raum immer stärker flackerte. Schatten tanzten über die Wand und Dunkelheit breitete sich aus. Die junge Mutter und ihr Baby standen auf der Schwelle zur anderen Welt; die alte Frau spürte, wie die Schatten nach ihnen griffen. Sie blickte aus dem Fenster in die pechschwarze Dunkelheit. Kein Stern war am Himmel zu sehen, so dicht stand die schwarze Wolkenwand. Der heulende Wind rüttelte an den Fenstern, an den Türen und im Gebälk, immer wütender, als fordere er Einlass um sich zu holen, was ihm zustünde. Es war die Silvesternacht, die letzte Nacht des Jahres. In dieser Nacht, so sagte man, öffneten sich die Pforten zur Geisterwelt und die Seelen der Verstorbenen konnten für kurze Zeit zurückkehren in die Welt der Lebenden. Doch nicht nur die Toten gingen auf die Reise, auch die dämonischen Reiter machten sich auf zur Wilden Jagd. Sie ritten mit den Schatten, brachten Dunkelheit, Kälte und den Tod. Diese Nächte zwischen den Jahren, zwischen Altem und Neuem gehörten ihnen und wehe dem, der sich der teuflischen Schar in den Weg stellte.

Die Großmutter hatte die Augen geschlossen. Still und reglos saß sie auf dem Bett, das schwindende Leben in ihren Händen, das einst mit ihr begonnen hatte. Sie lauschte auf die heulenden Stimmen des Windes und wusste, wonach sie verlangten. Das uralte weibliche Wissen um Leben und Tod durchströmte die alte Frau. Sie bettete den Säugling an die Brust der Mutter und ging nach unten in die Stube. Der Vater und das Mädchen waren fertig mit dem Essen und saßen noch immer schweigend im Lichtkegel der vier Kerzen. Die Großmutter sprach zum Vater: „Halte Fenster und Türen geschlossen. Hüte das Feuer, es darf nicht ausgehen in dieser Nacht.“ Dann wandte sie sich an das Mädchen und sprach: „Komm mit mir, Alva.“

Das Mädchen folgte ihr still, voller Ahnung. Die Angst, die bisher ihr Herz beherrscht hatte, wich von ihr, als sie die Kammer der Großmutter betraten. Auch hier entzündete die alte Frau vier Kerzen, die den Raum in warmes Licht tauchten. In der Ecke stand der Alkoven mit den weißen Spitzenvorhängen, daneben das Spinnrad, die gesponnene Wolle in Knäueln aufgereiht. Der ganze Raum war erfüllt vom Duft der Kräuter, die zu Sträußen gebunden von den jahrhundertealten, fast schwarzen Deckenbalken hingen. In einem tropfenförmigen Kristall brach sich der Kerzenschein und kleine Punkte aus Licht tanzten über die im Schatten liegenden Wände, Regale und Kommoden. In einem Mörser aus goldgelbem Messing zerstieß die Großmutter einige getrocknete Blüten. Leise Worte verließen ihre Lippen, Worte der Liebe, Worte des Lichts, seit Jahrhunderten weitergegeben von den Frauen der Familie. Alva lauschte ihrem Gesang, erfüllt von der Kraft dieser weißen Magie. Als die Pflanzen zu feinem Staub zermahlen waren, gab die Großmutter diesen in eine Holzschale, die sie dem Mädchen reichte: „Geh in die Küche, koche die Ziegenmilch und rühre die Kräuter hinein. Dann geh zu deiner Mutter und deinem kleinen Bruder. Diese Milch ist für ihn. Wenn die Stimmen des Sturmes zu laut werden, hab keine Angst. Singe das alte Wiegenlied. Ich bin gleich bei euch.“

Das Mädchen tat wie ihm die Großmutter geheißen hatte. Sie hielt ihren kleinen Bruder im Arm, der hastig von dem Leinentuch trank, das Alva immer wieder in die warme Milch tauchte. Neben ihnen lag die Mutter in unruhigem Schlaf, kalten Schweiß auf der heißen Stirn. Alva trocknete der Mutter das Gesicht und gab ihr einen Kuss. Es hatte wieder zu schneien begonnen und wie dichter Nebel fiel der Schnee in riesigen Wirbeln durch die Nacht. Aus dem Heulen des Windes war ein Brüllen geworden, dem Alva ihren weichen Gesang entgegnete. Die zarte Melodie trieb die Schatten zurück, die nun in den Ecken lauerten, die beiden Kinder beobachtend. Zwei Kinder, Bruder und Schwester, für immer verbunden in ihren Herzen, ob auf dieser Erdenwelt oder jener in den Himmeln. Sie hatten sich, hatten einander. Niemals mehr würden sie alleine sein.

Mit raschelnden Röcken betrat die Großmutter die Kammer. In ihren Händen hielt sie eine uralte Räucherschale, gefüllt mit getrockneten Kräutern und einem glimmenden Holzspan. Diese Schale stellte sie auf den Tisch am Fenster, vor dem die Dunkelheit wütete und Einlass verlangte. Sanfter Rauch stieg auf und der wärmende Duft ergriff Besitz von der Kammer, drängte die Schatten weiter zurück und mit ihnen den Geruch nach Krankheit und Tod. Die alte Frau und das Mädchen erhoben ihre Stimmen und sangen die alten Weisen, während der Sturm immer leiser wurde, bis schließlich eine flüsternde Stille eingekehrt war. Das Glimmen des Holzspans wurde schwächer, die Schatten dunkler; doch die Wilde Jagd war nicht vorüber, sie wartete. Die Großmutter ergriff Alvas Hand und die ihrer Tochter. Gemeinsam bildeten sie einen Kreis, Hüterinnen des Lichts, der Wärme und des Lebens. Die uralte Macht durchströmte sie. Alva blickte zu ihrer Großmutter, die mit geschlossenen Augen lächelte, im stillen Gespräch mit ihren Ahninnen, die sie nach Hause riefen. In dieser Nacht würden sich die Reiter der Wilden Jagd nicht mit heiligen Kräutern und Worten zufrieden geben. Altes musste weichen, um Platz für Neues zu schaffen, ein gelebtes Leben gegen ein gerade begonnenes. Die alte Frau öffnete die Augen und sah Alva bei ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder liegen. Alle drei waren eingeschlafen, atmeten ruhig und tief. Das Fieber war weg, der Hunger des kleinen Bub gestillt. Die Großmutter küsste jedes ihrer Kinder zum Abschiede.
Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm gelegt. Die Sonne schien durch das Fenster und glitzerte auf der alten Weihrauchschale. Als die Mutter erwachte, nahm sie ihre schlafenden Kinder in den Arm. Fest hielt sie die beiden, so fest, als wolle sie den Jungen und das Mädchen nie wieder loslassen. Der Vater saß auf einem Stuhl vor dem Bett. Sein Kinn war auf die Brust gesunken, er schnarchte leise. Die Großmutter lag in ihrem Alkoven. Ihre Augen waren für immer geschlossen; ihren Mund aber umspielte ein glückliches Lächeln. Sie war nach Hause gekehrt, vorausgegangen; denn der Tod ist nicht das Ende, sondern gleichzeitig Beginn im ewigen Kreislauf des Lebens.

 

Hallo Namar,

willkommen hier im Forum!

Richtig gepackt hat mich deine Geschichte leider nicht. Das mag vielleicht auch an deinem Schreibstil liegen. Sieh dir zum Beispiel jeweils den ersten Satz deiner Absätze an:

Die Großmutter entzündete [..]
Die Großmutter stellte [..]
Die Großmutter hatte [..]
Das Mädchen folgte ihr [..]
Das Mädchen tat [..]
Das setzt sich dann auch innerhalb der Absätze fort. Eine der Personen tut irgendetwas. Subjekt, Prädikat. Das wirkt für mich monoton und wenig fesselnd.

In einem tropfenförmigen Kristall brach sich der Kerzenschein und kleine Punkte aus Licht tanzten über die im Schatten liegenden Wände, Regale und Kommoden. In einem Mörser aus goldgelbem Messing zerstieß die Großmutter einige getrocknete Blüten.
Beide Sätze fangen gleich an, das solltest du ändern.


Das uralte weibliche Wissen um Leben und Tod durchströmte die alte Frau.
[..]
In ihren Händen hielt sie eine uralte Räucherschale, gefüllt mit getrockneten Kräutern und einem glimmenden Holzspan.
[..]
Die uralte Macht durchströmte sie.
"Uralt" scheint mit eine deiner liebsten Adjektive zu sein. ;)


Die Familie bleibt mir als Leser sehr fremd und wenig plastisch. Vielleicht könntest du die Charaktere etwas ausformen. Lass sie doch etwas mehr miteinander reden, zumindest die (namenlose) Großmutter und Alva.


Grüße
Holger

 

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