Was ist neu

Rauchringe

Mitglied
Beitritt
07.02.2013
Beiträge
5

Rauchringe

Sie war rausgegangen, nur zum Rauchen. Die Kälte stach ihr ins Gesicht, umklammerte ihre Finger, ertränkte ihre Lungen. Sie musste weg vom Haus, weg von hier, um nicht gesehen zu werden von den Eltern, die ihr das Rauchen verbieten wollten. Also lief sie, durch die Kälte, bis raus aufs Feld. Mit klammen Fingern zündete sie die Zigarette an. Sie nahm den ersten Zug, zog tief den Rauch in die Lunge, inzwischen ohne husten zu müssen. Sie blies den Rauch aus. Der Himmel war grau und wurde schnell dunkel und schwarz. Die Spitze der Zigarette leuchtete rotorange in der dämmrigen, kalten Luft. Sie nahm noch einen Zug, hoffte dass er sie entweder weit weg bringen würde, oder töten. Sie spürte die eisige Kälte, blies den grauen Rauch aus. Gedanken und Fragen und versteckte schwarzblaue Sehnsüchte ließen sie zittern, oder war es die Kälte – sie wusste es nicht. Es fing an zu regnen. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal geweint hatte. Eine fast verblasste, fast verlorene Erinnerung an heiße, volle, ehrliche Tränen, die ihren Durst nach Erkenntnis und Leben immer so zuverlässig gestillt hatten, brach irgendwo hinter dicken grauen Betonwänden in ihrem Herzen hervor. Sie wusste nicht, wann sich diese Erinnerung in ihr Herz eingebrannt hatte. Es tat nicht weh. Nichts tat weh, kein Weinen, kein Bluten, nicht mal das Leben. Sie hatte kein Leben, das war schon längst irgendwo verloren, eingetauscht gegen Glück. Glück wozu? Wofür? Woher? Sie zog an der Zigarette und blies den Rauch aus, in Ringen. Sie zitterte und machte sich keine Gedanken mehr um das ewige Warum. Niemand sah sie hier, niemand kam je hier her. Sie war allein. Die Rauchringe waren im Dämmerlicht kaum zu erkennen, nur zu erahnen, aber sie wusste, dass es schöne, runde Ringe waren. Sie hatte es inzwischen gelernt. Vielleicht, wenn sie lange genug suchen würde, lange genug darauf bestehen würde, vielleicht würde sie ihr Leben wieder finden und es wieder zurücktauschen können im großen Pfandhaus dieser, ihrer Welt? Aber was würde der Pfandleiher verlangen? Was könnte sie ihm geben, was hätte sie zu geben? Sie wusste doch nicht mal, wo sie anfangen sollte und wie. Die Zigarette war fast aufgeraucht. Die leuchtende Spitze näherte sich ihren klammen bleichen Fingern. Sie zog noch einmal und warf dann den Zigarettenstummel auf den eisigen Boden. Wie lange könnte er der Kälte standhalten? Langsam atmete sie den Rauch aus, so langsam sie konnte, aber ihr Atem war kurz, ihre Lunge zu klein und selbst als sie allen Rauch ausgeatmet hatte und keine Luft mehr in sich hatte, leuchtete ihr der rotorange Punkt noch vom Boden entgegen. Sie verschloss wieder ihr Herz und trat den Stummel auf dem frostigen Boden aus. Was machte es für einen Unterschied, ob sie atmete oder nicht, wenn sie sowieso nicht mehr lebte?

 

Hallo Nopstu,

willkommen auf KG.de.

Ein junges Mädchen geht in die Kälte hinaus, um eine zu Rauchen. Uns begleiten ihre Gedanken, sie ist nicht gut drauf, mehr noch, sie ist depressiv.
Ohne Antagonist oder Plot ist das nicht viel Stoff für eine KG, aber okay, sie ist ja auch kurz gehalten.
Deinem Stil nach würde ich Dich für eine(n) Anfänger(in) halten, talentiert, aber ausbaufähig wie der Rohbau eines Hauses.
Du verwendest zu viele Adjektive. Speichere Dir den Text unter Übung ab und streiche alle – ja, alle! – Adjektive heraus, danach entscheide, welche Du wirklich behalten willst. Du wirst sehen, viele Stellen kommen jetzt stärker rüber.
Verb-Konstruktionen wie „ertränkte ihre Lungen“ sind nicht wirklich toll zu lesen. Prüfe, welches Verb (starke Verben verwenden!) wirklich in den Satz passt, ich nehme Dir nicht ab, dass Kälte eine Lunge ertränkt.
Mich als Leser würde an einem greifbaren Beispiel interessieren, warum das Mädchen so schlecht drauf ist. Ansonsten ist mir ihr Leid zu allgemein, geht mir nicht nahe.

Ciao, nastro.

 

Hallo Nopstu

Sie ist schön eingekleidet, deine kleine Geschichte über den jugendlichen Daseinsschmerz. Dennoch lässt sie mir mehr offen, als sie beantwortet. Ich fragte mich u. a. nach dem philosophischen Aspekt, na ja, ich orte ihn mal im Schmerz, den die Protagonistin ausdrückt.

Sie musste weg vom Haus, weg von hier, um nicht gesehen zu werden von den Eltern, die ihr das Rauchen verbieten wollten.

Das Verbot war folglich nicht ausgesprochen. Was hat sie denn angetrieben, auf Distanz zu gehen? Das Gewissen, nicht im Sinne der Eltern zu handeln oder, dass es eben nicht zu einer Sanktion kommt? Doch beides scheint mir etwas vage, nicht dem Empfinden einer Jugendlichen gerecht, deren Erfahrungen sie bereits mit dem Leben hadern lassen.

Sie nahm den ersten Zug, zog tief den Rauch in die Lunge, inzwischen ohne husten zu müssen.

Lungen, es sind normalerweise deren Zwei.

Sie nahm noch einen Zug, hoffte dass er sie entweder weit weg bringen würde, oder töten.

Hatte sie wirklich einen solchen Gedanken? Selbst wenn es nicht eine gewöhnliche Zigarette wäre, etwa der Tabak mit Cannabis durchsetzt, reichte es kaum für mehr als ein Gefühl. Und töten, ein Zug einer Zigarette? Das setzt entweder eine enorm organische Labilität voraus oder einen unrealistischen Todeswunsch.

Sie hatte kein Leben, das war schon längst irgendwo verloren, eingetauscht gegen Glück.

Ah, hier haben wir etwas, worüber Philosophen sinnierten, Glück. John Stuart Mill sah es als Ziel in seinem Werk „Utilitarismus“, »das grösstmögliche Glück für die grösstmögliche Anzahl von Menschen«. Dabei betonte er, dass es nicht auf die Quantität des Glücks (Lust) ankommt, sondern auf ihre Qualität. Wenn ich in diesem Kontext jedoch obenstehenden Satz lese, der das Leben gegen das Glück vertauschte, verwirrt es mich. Die einzige Logik, die mir hier einsetzbar scheint, wäre da das Nicht-Ich der buddhistischen Philosophie, jedoch nicht jenes der Subjektphilosophie oder der Existenzphilosophie. Doch scheint mir es ist nicht dies und erschliesst sich mir nicht.

Glück wozu? Wofür? Woher?

Sie stellt es ja auch wieder in Frage. Hängt auch nicht lange der Suche nach einer Antwort nach, oder sind es die Ringe des Rauchs? Warum nicht, es ist eine Frage der Interpretation.

Was machte es für einen Unterschied, ob sie atmete oder nicht, wenn sie sowieso nicht mehr lebte?

Ich denke inzwischen, die Antwort liegt hierin. Dieses Vakuum, welches die Protagonistin in sich fühlt. Der Weg ins Leben ist an einem Steilhang, dessen Grat sie noch nicht erklommen hat, doch unwissend, was sich dahinter auftun mag.

Man kann also schon einen Gehalt hineininterpretieren, dies wäre auf verschiedenste Weise möglich, doch letztlich überträgt es ein Vakuum auf den Leser, da ihm unklar bleibt, war es dies, das es ausdrücken sollte.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Lieber Nopstu,

an sich ist deine Geschichte sehr schön. Nur haben sich mir, als Leserin, einige Fragen gestellt.
Zum einen wäre es vielleicht gut gewesen eine kleine Vorgeschichte zur jungen Dame mit einzubringen.
Aus welchem Grund hat sie das letzte Mal geweint.
Welches Glück ist ihr widerfahren?

Wie auch schon im Kommentar zu von nastro ist mir deine vielfache Verwendung der Adjektive aufgefallen, was nicht unbedingt schlecht ist, aber manchmal ist weniger mehr.
Mein Tipp wäre es, den Text vor dem Online stellen einer anderen Person zu geben und sie bitten einmal drüberzulesen.

Dennoch fande ich es schön dargestellt und gerade der letzte Satz war meiner Meinung nach wunderbar und sehr treffend gewählt-

Herzliche Grüße,

PR0T0TYPE

 

Hallo ihr Menschen,
Danke für die ehrliche Kritik! Ich habe hier zum ersten Mal anderen Menschen eine Geschichte von mir zum lesen gegeben und habe eure Kritik gut nachvollziehen können.

An Nastro: Das mit den Adjektiven ist mir bisher nicht aufgefallen, vielen Dank, hat mir sehr weiter geholfen.

An Anakreon: Diese Geschichte ist, um ehrlich zu sein, nur ein Gedankenlauf von mir selber. Du hast Recht mit dem Vakuum, aber genau das wollte ich erreichen: nämlich dass der Leser sich so leer fühlt wie die Protagonistin. Die Protagonistin weiß nicht wirklich warum sie sich so fühlt, wie sie sich fühlt. Da ist eben nur die Leere. Irgendwie ist dieser Text weniger eine Kurzgeschichte sondern viel mehr ein Tagebucheintrag in der dritten Person. Die Protagnistin hat ein solches "gepampertes" und problemloses Leben mit ihren Eltern (das ist das "Glück"), dass sie nicht weiß wofür sie lebt und nur noch Leere da ist, wie es vielen Jugendlichen geht, zumindest wie ich die Erfahrung gemacht habe. Ich weiß nicht ob das jetzt so verständlich war...

An Prototype: Danke für das Kompliment mit dem Schlusssatz, ich mag ihn auch (: . Und das mit den Adjektiven habe ich mir auch noch mal klargemacht und in anderen Geschichten umgesetzt.

Danke für eure Kritik!

Nopstu

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom