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Rastaman

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01.05.2012
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Rastaman

Ich war siebzehn, als Stefanie mir meine Harre abschnitt. Sie sollte nur die Seiten meines Kopfes rasieren wo unterhalb des Ansatzes meiner Rastalocken aufhören. Ich liebte meine Rastalocken. Sie waren gepflegt und hatten endlich eine stattliche Länge erreicht.
Ich bin mir sicher, irgendwas von Sicherheitsabstand gesagt zu haben. Als es zu spät war und sie eine Schneise in meine Locken geschlagen hatte, hielt sie kurz inne. Sie schaltete den Rasierer aus. Alles war still.
Wie schlimm ist es? , fragte ich ernst. Ich sah sie an und dachte daran, wie schade es ist, sie ab sofort für immer hassen zu müssen. Sie war verliebt in mich und ich in sie und ihre Vespa PX 200. Schlimm, sagte sie und führte mich in den Flur vor den Garderobenspiegel.
In den neunziger Jahren des 20 Jahrhunderts wurde mit Frisuren allerlei Grausames angestellt. Einige Jahre lang besonders von Menschen, die entweder Kurt Cobain oder Mc Hammer stilistisch missverstanden hatten. Als ich mich ansah war klar, dass es keine andere Lösung gab: Du musst es zu Ende bringen, sagte ich ihr und ging zurück ins Bad.
Mein Vater gab mir zwanzig Mark dafür, dass ich endlich zur Vernunft gekommen sei und mit der Glatze nun zumindest –Zitat: „Aussicht auf das Entstehen eine Frisur geschaffen“ hatte. Ich trage immer noch Glatze. Selten, aber manchmal, wenn ich mir den Kopf rasiere, denke ich an Stefanie und ihre PX 200. Manchmal ließ sie mich fahren, obwohl ich keinen Führerschein hatte. Dann setzte sie sich auf den Sozi, hielt sich an mir fest und tat, als vertraute sie mir. Das war gelogen, aber sehr wichtig für mich.

Ab und an muss mal eine neue Haarschneidemaschine her. Europäische Maschinen sind für das Schneiden dicken, krausen Haares nicht ausreichend motorisiert. Einige Monate geht es gut, dann macht das Ding schlapp und man kann wieder los und ein Neues besorgen. Kürzlich war es wieder so weit. Diesmal hatte ich mir vorgenommen, eine unkaputtbare Haarschneidemaschine zu kaufen. Koste es, was es wolle. Ich schilderte dem Fachverkäufer für Haarschneidemaschinen und Rasierapparate mein Anliegen, er nickte, ging, kam wieder und hielt zwei Packungen in Händen. Das eine Gerät habe schon einen überdurchschnittlich starken Motor, sagte er. Doch es gebe immer wieder Menschen wie mich – er meinte dunkelhäutige, traute sich aber nicht es auszusprechen – die gezielt nach dem anderen Rasierer fragten. Er sei noch stärker und offenbar sehr beliebt bei uns – er meinte dunkelhäutige Menschen, traute sich aber nicht es auszusprechen. Er sagte noch etwas über die Verpackung und Missverständnisse, aber ich grub in meinem Geldbeutel bereits nach meiner EC-Karte und hörte nicht zu. Mehr Power! Ich konnte die nächste Rasur kaum abwarten. Wir verabschiedeten uns per Handschlag. Netter Kerl eigentlich. Schrecklich unbeholfen im Umgang mit Menschen wie dir, aber nett, dachte ich. In der Bahn holte ich die Packung nochmal aus der Tüte. Die Bedienungsanleitung beginnt so: vor der Schur sollten Sie das Fell in jedem Fall von groben Verschmutzungen befreien. Sandpartikel o.Ä. können dazu führen, dass der Schneidsatz beim Scheren sehr schnell stumpf wird. Deshalb bürsten Sie das Fell vor der Schur, entfernen Sie Filz, oder baden Sie Ihren vierbeinigen Freund mit einem milden Shampoo. Bitte beachten Sie, dass alle Verfilzungen vor dem Bad entfernt werden müssen!

Sami Omar

 
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Hallo Sami,

Also mir gefällt die Rastamangeschichte besser als die anderen beiden. Stilstisch ist er besser, der erste Absatz hat keinen schelchten Flow, das mit der Freundin finde ich gut. Die Begegnung mit dem Haarvekäufer weniger so, die Schilderung des schwarzen Haars ist okay, die Pointe zum Schluß zieht bei mir nicht.
Insgesamt ist der Text ein selbst-ironischer Schwarzenwitz. Nicht unsympathisch, aber halt schon plakativ. Und für mich bei weitem nicht bissig genug.
Aber ich kann mir gut vorstellen, dass diese Texte gut ankommen, wenn du sie auf der Bühne vortägst.
Es gibt halt einen großen Unterschied zwischen Standup-Comedy und dem, was wir hier machen. Ich kenn das halt von Poetry-Slams ... ich kenn da einen, der ist wirklich mega-erfolgreich in dieser Szene, geht auf die Bühne und macht auf bescheiden und verkauft sich gleichzeitig als größter Literat Deutschlands. Also der hat schon Talent, das ist wirklich eine Kunst, so wie der sich auf der Bühne verkaufen kann, dass alle denken, er will sich gar nicht auf der Bühne verkaufen. Wahnsinn. Und dann erzählt er halt einen Witz nach dem anderen, sind auch gute Witze dabei, der hat Talent, aber ich kenn den halt länger … – früher hat er mit 17 versucht Fantasy-Romane zu schreiben, ist dabei gescheitert, dann machte er mal beim Poetry Slam mit und schau mal an! Wie viel mehr dann geklatscht wird! Wie viel mehr Ansehen das gibt! Dann brauchte er im Eigenverlag ein Buch mit Gedichten raus, und jeder kannte ihn bei uns in der Schule. Ja, und jetzt pfeilt der stundenlang an Texten, die maximal fünf Minuten zum Lesen brauchen dürfen, und darauf ausgerichtet sind, junge Frauen zum Lachen zu bringen. Weil wer die zum Kichern bringt, der gewinnt jede Show, weil junge Frauen am lautesten Lachen und alle Jungs dann mitlachen wollen. (Ist jedenfalls meine Theorie …)
Aber wie bringt man 15-Jähirge Mädels zum Lachen? Nun, eigenlich ist das gar nicht so schwer … und eben das ist das Problem.
Was will man schreiben?
Also ich bin auch schon ein paar Mal aufgetreten, und manche Texte kamen besser an, manche schlechter, hab nie gewonnen, dann habe ich mal einen Text vorgelesen, der hieß "Irgendein Nazi hat meine Freundin gefickt", hier kam der gut an … dort war halt echt mal Totenstille im Klub. Hab seitdem auch keine Einladung mehr von den Veranstaltern bekommen. :)
Aber egal, auch wenn gar niemand geklatscht hat, man steht auf der Bühne, man schwingt die Eier ein bisschen, und alle wissen, wer du bist. Das reicht schon. Bist du nicht der Typ, der diese abgefuckten frauenfeindlichen Texte auf der Bühne vorliest ... klar gehe ich mit dir was trinken! :)
Meine besten Kumpels: Singer-Songwriter/"Philosoph", DJ/"Electronic Musician", Rapper/"Lyrical Genius" ... da wird sehr viel gepost, das macht mich fertig manchmal, aber scheiß drauf, man steht auf einer Bühne und schon flippen die Frauen aus. Das ist einfach so. :)
Also wenn man schnelle Anerkennung sucht, für den ist das Forum hier der falsche Weg. Da ziehen diese Fünf-minuten Dinger auf der Bühne besser. Meine besten Texte sind alle viel zu lang, ich werde damit nie auf eine Bühne gehen können, um irgendwelchen fremden Leute zu beeindrucken … also in der Hinsicht ist es schon auch brotlos, was wir hier treiben. Das muss man halt mit sich selbst ausmachen. Was will man?
Hier gibt es halt kein Sympathiebonus für gutes Aussehen oder schwarze Haut oder den Mut, sich überhaupt auf die Bühne zu trauen. Hier zählt wirklich nur der Text, und deswegen geht es hier anders zu. Menschen, die sich richtig mit Literatur beschäftigen, fassen so Texte einfach anders auf als die Leute bei diesen Veranstaltungen, da fällt dieses Gesellige weg, dass wir dich kennen und Spaß haben wollen, das ist einfach ein anderes Publikum.
Aber lass den Kopf nicht hängen. So schlecht ist der Text nicht, ich finde da sind gute Ansätze drin, ich will dir hier nur klarmachen, warum er nicht so ziehen wird, wie du es vielleicht sonst gewohnt bist. Schau dich vielleicht hier um, guck dir die anderen Texte an. Solltest du Lust haben, literarischer zu schreiben und weniger Comedy zu machen, kann man viel lernen hier.

MfG,

JuJu

 

Hej Sami Omar,

hat mir gefallen, wobei ich damit eher den ersten Teil meine, den ich zwar nicht holterdipolter-witzig finde, aber gut zu lesen. Er hört zu früh auf, aber bis dahin hab ich nichts zu meckern.

Vielleicht solltest Du den zweiten Teil mal ganz unabhängig vom ersten lesen, beide Seiten wirken nach meinem Empfinden klarer, ehrlicher, wenn man sie getrennt begreift, ich krieg da sowieso nicht anders hin, eine Trennung empfinde ich jedenfalls.

Ist nicht viel, aber vielleicht hilft es Dir, neue Einblicke zu bekommen,

Mach's gut und schreib weiter,
Ane

P.S.:Sorry, aber das muss raus: Wirklich verdammt lustig finde ich den Text in Deinem Steckbrief, da fühle ich mich endlich mal nicht so humorlos wie sonst immer in dieser Rubrik.

 

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