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Randwelten
Randwelten
Schon kurz nachdem sie das Schiff verlassen hatten, wurden die Gesichtszüge des Vaters noch faltiger. Der undurchdringliche Unterton im Ausdruck war ohnehin, seit ihrer Abreise vor drei Sonnen, nicht von seinem Antlitz gewichen. Eine fremde Mischung aus Anspannung und Erregung. Diese Seite des Vaters kannte Greedi nicht, in günstigen Momenten erhaschte er Blicke auf dessen Gesicht, ohne das dieser es merkte. Ebenfalls mit ihnen gekommen, war der alte Tankjan.
Geführt von zwei Bantashi, die sie am Landepunkt erwartet hatten, brach der fünf Kopf starke Trupp nun in die Dämmerung des späten Abends auf. Während sie einen nach Westen steil abfallenden Kamm, auf der sonst kargen und zerklüfteten Landschaft überquerten, konnte Greedi, wenn er weit zurückblickte, die Silhouette des glänzend schwarzen, leichten Jägers erkennen, die sich majestätisch gegen den grauen Hintergrund abzeichnete. "Im Krieg, wie im Frieden, bleiben eure Schiffe dennoch schwarz", ein Satz den der Begleiter seines Vaters kurz nach dem Aufbruch verlauten ließ, ein Satz, den Greedi sein Leben lang in Erinnerung behalten sollte.
Den Abhang hinab führten felsige Pfade in ein weites Talbecken. Sie kamen an die Ausläufer eines alten Waldes. Immer tiefer schritten sie voran, den großen Bantashi folgend, die sich sicher ihren Weg durch das zunehmende Unterholz suchten. In der Nähe konnte Greedi immer wieder dunkle Tümpel und Moore ausmachen, deren Oberfläche sich leise in der Finsternis kräuselte. Nach einer Weile waren sie auf einem weiten Pfad angelangt, auf dem man in der Ferne die, vom Mondlicht beschienene, Kolonie sehen konnte. "Drei Monde", korrigierte sich Greedi. Zu beiden Seiten waren die Bäume geschlagen, sie wanderten den letzten Abschnitt ihres Weges unter dem klaren Sternenhimmel. Die Weite der unendlichen Dinge war jedoch belanglos, für die Drei gab es in diesem Augenblick nur die drohende Nähe ihrer Situation.
Als sie am Rande der Ansammlung aus kleinen, dreckigen Stahlhütten ankamen, wurden sie sogleich in ein teilweise unterirdisch verlaufendes Gebilde geführt. Aus dessen schmalen Öffnungen, knapp über dem Boden, drang ein rötlicher Lichtschimmer. An der Treppe, die in die tieferen Gänge schwenkte, wartete ein kleiner, pelziger Bantashi, mit einer rot leuchtenden Kugel in den klobigen Händen, der die Gruppe durch mehrere, verzweigende Röhren geleitete. Greedi ging dicht hinter dem alten Tankjan, sein Vater schritt hinter dem kleinen, leuchtenden Etwas hinterher. Im Schein des Lichtes, das den runden Gang kegelförmig erhellte, erkannte Greedi, unter den Kutten der beiden Männer, die hervor blitzenden Klingen ihrer kurzen Schwerter. Diese Auffassungsgabe sollte sich im weiteren Verlauf seines Lebens noch als nützlich erweisen. Sie kamen in einen kleinen, engen Raum, mit gewölbter Decke, leicht erhellt durch mehrere knisternde Kugeln, die in den Ecken standen. Helle Schreie drangen an sein Gehör, noch bevor Greedi die Schwelle überschritten hatte.
Auf einer Holzpritsche lag eine schreiende, verkrampfende, nass geschwitzte und elend anzuschauende, weibliche Bantashi. Als die zwei Führer hinter ihnen in den Raum traten, murmelte einer von ihnen unverständlich dumpfe Geräusche. "Sie haben sie hier herunter gebracht, um ihre Schreie nicht zu ertragen. Niemand hier kann ihr helfen, darum die Botschaft", entnahme Tankjan dem Gemurmel, während sein Blick leer im Raum verlief. "Sieh zu Greedi." Sein Vater stieß den Sohn leicht nach vorne und breitete neben einer Feuerstelle, in einer Nische, winzige Instrumente aus. Während Tankjan und die beiden großen Bantashi die Frau hielten, sah Greedi in die Augen seines Vaters: "Sie bekommt ein Kind."
"Ich weiß", antwortete Greedi.
"Nichts weißt du. Alle ihre Muskeln pressen auf den einen Moment hin. Alle ihre Gedanken stoßen in eine Richtung. Aber dieses Leben will nicht geboren werden, in die fremde Welt. Denk daran, Ruhe wird es nie finden. Aber wir sind nicht hier, um über seinen Wert zu richten, nur um zu helfen."
Er stand auf und schritt auf die Frau zu. Nach einer Weile griff er mit beiden Händen in die klaffende Öffnung am Bauch und zerrte, riss, einen Körper heraus. In einem letzten Aufbäumen biss die Bantashi eine tiefe Wunde in Tankjans Schulter, der sie am Oberarm gehalten hatte. "Verdammte Tashi Hure!" Die übrigen Pelzwesen schauten nur stumm, während die Schreie erstickten, der Widerstand erstarb, das Leben entwich.
Der Vater hielt indes ein bluttropfendes Knäuel in die Höhe, prüfte und lächelte dann kurz. "Greedi, sieh her, ein Junge. Wie fühlt es sich an, Zeuge und Gehilfe einer schöpfenden Kraft zu werden?"
Aber der Junge blieb still und zitterte, während er den Blick starr gegen die Wand gerichtet hatte, dem Triumph des Vaters ausweichend.
Weder er, noch der weise Tankjan hätten ahnen können, dass der alte Greedi in vielen Jahren an diesen Ort zurückkehren sollte. Sein Schwert und sein Hass brachten schnellen, heißen Tod über die erblühte Welt am Rande des Universums. Blut stand in den Straßen der mächtigen Stadt, wie ein Meer zwischen Küsten, und der Tag fiel stumm mit der Nacht. Es war sein Djihad. Lange nachdem der Vater schon gestorben war.