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Ramby I - Der Auftrag
Es war ein trockener Abend in Marokko. In einem kleinen, halbverlassenen Ort spießten gerade zwei Jugendliche einen Hund auf einen zugespitzten Ast und erfreuten sich an seinem ersterbenden Winseln. Währenddessen traten nicht weit davon entfernt drei andere Jugendliche, die sich selbst als beinharte Typen betrachteten, auf einen erst kürzlich angekommenen Touristen ein. Er hatte sie unabsichtlich beleidigt. Wenig später wurden einer von ihnen Opfer eines tragischen Unfalls, sein Klappmesser sprang unvermittelt in seiner Hosentasche auf.
Jeff Pomp, nebenberuflich Bankenrevisor und hauptberuflich Spion, war zu diesem Zeitpunkt schon lange tot und lud niemanden mehr zu einer seiner beliebten feucht-fröhlichen Cocktail-Partys ein. Außer vielleicht ein paar Maden, aber die waren eh schon da und brauchten nicht erst noch eingeladen werden.
Seine Frau machte sich am Deckenventilator im Schlafzimmer zu schaffen, und nach einigen Versuchen gelang es ihr schließlich, sich mit dem Kabel ihres Damenrasierers zu erhängen.
Regen prasselte auf das Dach, unter dem die Anfangsmelodie eines spannenden Actionreissers erklang. Der Bewohner der geräumigen, aber ungepflegten Zwei-Zimmer Wohnung war gerade dabei, ein Stück Erdbeertorte aus dem Kühlschrank zu holen. Die Erinnerung, dass er diesen das letzte mal vor einer Woche geöffnet hatte, tauchte gerade in seinem gut bewaldeten Kopf auf. Und so war es kein Wunder, dass ihm nicht der Spatz in der Hand, oder die Maden im Speck, sondern ganz einfach die Kakerlaken auf der Torte den Genuss verwehrten. Angewidert warf er das Stück Torte mitsamt dem Teller in (oder besser auf) den bereits überquellenden Mülleimer. Achten Sie gut auf diesen Mann, liebe Leser, denn er ist der Held dieser Geschichte.
Er war groß und hatte Muskeln wie ein Stier. Sein schwarzes, lockiges Haar fiel ihm wallend auf die breiten Schultern. Seine Ausstrahlung war männlich. So unglaublich männlich. Hätte der Autor die Intention, sein Glied beschreiben zu wollen, so hätte es mindestens einen Meter lang sein müssen. Nur damit seine Ausstrahlung auch nur annähernd in physischer Form repräsentiert gewesen wäre. Diese Intention hat der Autor allerdings nicht, und so werden sich wahrscheinlich ewige Spekulationen um sein Gemächt ranken müssen. Jede Frau, an der er vorbeilief bekam feuchte Knie und einen wackeligen Schritt. Manchmal auch andersherum. Er war also sehr, sehr männlich. Klar?
Viele in der Stadt hatte ihn schon einmal gesehen, aber kaum jemand kannte seinen richtigen Namen. Man nannte ihn “Ramby”, woher dieser Spitzname kam wusste aber niemand. Er war ein lebender Mythos. Schon zweimal hatte er die Kegelmeisterschaften gewonnen, ohne auch nur eine einzige Kugel geschoben zu haben. Was niemand wissen konnte war, dass er ein Spion, Kriegsveteran, Meister im Shaolin-Kempo und Gabelstaplerfahrer war. Den Gabelstapler fuhr er allerdings nur in seiner Freizeit, wenn keiner hinguckte. Sein Geld verdiente er sich durch gelegentliche “inoffizielle Aufträge”, die ihm vom Innenministerium zugeschleust wurden.
Als Ramby gerade seine Waffensammlung begutachtete, klingelte das Telefon. Es war die hübsche Kleine vom Innenministerium. “Wir haben wieder einen Auftrag für Sie” säuselte sie dem Helden ins Ohr. Er hielt sich nicht lange mit ihr auf. Schließlich konnte ihm ja keine Frau widerstehen und wenn, dann nur so lange, bis er nackt war. Da brauchte er es nicht so genau nehmen. Mit seiner tiefen und eben überaus maskulinen Stimme stellte er die entscheidende Frage. “Um was geht es?” “Ein Treffen mit ihrem Kontaktmann wurde schon in die Wege geleitet. Sie treffen sich mit ihm im dritten Stock des Hauses in der Theodorsgasse gegenüber der kleinen Kneipe mit dem seltsamen Namen. Der rechte Gang, die zweite Tür links. Viel Erfolg!” Mit diesen Worten legte sie auf. Die Leute vom Innenministerium hielten sich am Telefon nie mit langen Erklärungen auf. Das war auch klüger so. In dieser Branche musste man mit allem rechnen. Er machte sich also auf den Weg.
Sein Kontaktmann war ein alter Bekannter von ihm, mit dem er vor zehn Jahren zusammen einige gefährliche Aufträge ausgeführt hatte. Er war zwar zu keinem Freund von ihm geworden, jedoch war er zumindest eine Person, die er wirklich respektierte.
“Hallo Mik”, begann Ramby die Unterredung. Mik erhob sich von dem Plastiksessel, auf dem er gesessen hatte und schüttelte dem Helden die Hand. “Ich hätte nie gedacht, dass ich dich je wieder sehen würde, Ramby.” “Ging mir auch so”, war die ehrliche Antwort. Mik lächelte bedauernd, “ich habe leider nicht sehr viel Zeit, deswegen werde ich es kurz machen. Du musst nach Marokko fliegen, einer unserer Agenten ist gestern tot in seinem Haus aufgefunden worden, die Todesursache ist bislang ungeklärt. Seine Frau hat sich allem Anschein nach erhängt. Wir gehen davon aus, dass es Mord war.” “Wer ist der Tote?” Fragte Ramby. “Jemand, den du sehr gut kennst. Es ist Jeff Pomp.” Das Gesicht des Helden verzog sich für einen Sekundenbruchteil. Jeff war der einzige Mensch gewesen, mit dem ihn mehr als nur das Geschäft verbunden hatte. “Es tut mir leid, er war ein guter Agent. Ich kann dir leider keine Details mehr geben... weitere Einzelheiten werden dir vor Ort mitgeteilt. Dein Flug geht morgen um halb 10." Er zog etwas aus seiner Manteltasche "hier ist dein Ticket.” Mik überreichte es ihm. “Ich hoffe, du kannst die Sache klären.” Ramby nahm das Ticket entgegen und nickte. Mik deutete einen Gruß an und verließ den Raum.
Unser Held stand noch etwa eine Minute schweigend da und dachte über den Auftrag nach. Es schmerzte ihn, dass gerade Jeff gestorben war. Jeff hatte ihm schon einmal das Leben gerettet, er wäre damals fast an einem Stück Sushi erstickt. Er war der einzige gewesen, dem er seine emotionalen Probleme erzählen hatte können. Jeff hatte sogar nur ein einziges Mal gelacht, als er sich sein damaliges Erektionsproblem von der Seele geredet hatte.
Und jetzt war er tot.
Wäre er nicht so männlich gewesen, hätte er sicher geweint. So zuckte er nur kurz mit der Schulter und machte sich auf den Weg nach Hause, um seine Hosen einzupacken. Er verachtete nämlich alle Männer, die ihren Oberkörper bedecken mussten.
Am nächsten Tag nahm er den Flug nach Marokko.
To be continued...