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Radarkontrolle
Radarkontrolle
(Ein Dialog, wie er sich an so ziemlich jedem Tag des Jahres 2009 ereignen könnte. Auftritt Oma Gertrude, Rentnerin, 83 Jahre und ein Polizist)
Polizist: Guten Tag. Ihren Ausweis bitte.
Oma Gertrude: Meinen Ausweis? Ehm, ja, warum denn? (nestelt umständlich an einer überdimensionalen Tasche herum)
Polizist: Laut StVO Paragraph 414 Absatz 2b haben Sie die Mindestgeschwindigkeit für die „Freie Bewegung in Fußgängerzonen“ um 0.34 km/h unterschritten.
Oma Gertrude: Was habe ich?
Polizist: Laut StVO Paragraph 414 Absatz 2b haben Sie die Mindestgeschwindigkeit für die „Freie Bewegung in Fußgängerzonen“ um 0.34 km/h unterschritten. Zu gut deutsch: Sie sind zu langsam. Auf diese Verkehrsbehinderung steht ein Bußgeld von 75 Euro. Kann ich jetzt bitte Ihren Ausweis sehen?
Oma Gertrude: Aber... (nestelt immer noch in ihrer Tasche)
Polizist: Kein aber, sondern ein bißchen dalli. Wenn Sie das laufende Verfahren verzögern, erhöht sich der Satz des Bußgeldes um weitere zehn Euro pro Minute.
Oma Gertrude: (hat ihren Ausweis gefunden und reicht ihn dem Polizisten) Bitte! Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass ich zu langsam war.
Polizist: Dafür haben wir Handys mit MMS und eingebautem Radar. UMTS macht’s möglich. Wenn ich an die umständliche Ausrüstung von früher denke (schüttelt den Kopf). Ach ja, das Beweisfoto schicke ich Ihnen natürlich via Bluetooth auf Ihr Handy. Moment.
Oma Gertrude: Handy? Blue...was? Habe ich nicht.
Polizist: (ungeduldig, während er den Ausweis mit dem Handy scannt). Natürlich haben Sie das. Aber wenn’s denn sein muß, alternativ kann ich das Beweisfoto auch an Ihre Mailadresse schicken.
Oma Gertrude: Ich habe keine Mailadresse. Mein Enkel hat eine.
Polizist: Na gut, dann eben der. Adresse?
Oma Gertrude: Weiß ich nicht. Ich telefoniere nur jeden Sonntag mit ihm.
Polizist: Na gut, dann stellen wir das Foto in das öffentliche Internet-Archiv der Verkehrssünder. Sie hätten es auch einfacher haben können. Das ganze macht dann 105 Euro. Zahlen Sie bar oder via Mobile Payment?
Oma Gertrude: 105 Euro? Das waren doch eben nur 75.
Polizist: Da hatten Sie mich noch nicht drei Minuten aufgehalten. Ich habe Sie auf die Zusatzregelung hingewiesen.
Oma Gertrude: (erregt) Das ist ja Wucher! Ich zahle keinen Cent mehr als 75 Euro! Ich habe doch nur eine kleine Rente.
Polizist: Eben darum machen wir das ja.
Oma Gertrude: Machen Sie was?
Polizist: Na, die Kontrolle der Mindestgeschwindigkeit gemäß StVO Paragraph 414. Da mittlerweile die Rentner zu den reichsten Bevölkerungsgruppen gehören und eine gerechte, soziale Umverteilung zum allgemeinen Wohl des Volkes notwendig ist, wurde der Paragraph 414 verabschiedet. Der betrifft nämlich eh nur Rentner. Eigentlich auch Kinder, die noch nicht laufen können. Aber Paragraph 414 greift erst bei „Volljährigkeit des Fußgängers“, also mit 18 Jahren. Verstanden?
Oma Gertrude: Das ist ja wohl die Höhe! Jetzt will man uns noch das bißchen Rente mit obskuren Gesetzen nehmen.
Polizist: Das ist nicht obskur, sondern Demokratie. Sie sind übrigens inzwischen bei 135 Euro. Nur zu Ihrer Information: Ich habe Zeit
Oma Gertrude: Anstatt Sie sich um Verbrecher kümmern, rauben Sie arme Rentner ihren letzten Pfennig.
Polizist: Eurocent. Zahlen Sie jetzt bar oder mit Mobile Payment?
Oma Gertrude: (wütend) Ich zahl überhaupt nichts, ich wende ich an die Zeitung. Jawohl!
Polizist: 145 Euro!
Oma Gertrude: Sie sind ein... (schnappt nach Luft, krächzt und fällt um. Offensichtlich ein Herzinfarkt. Der Polizist steht seelenruhig daneben.)
Passant: Wollen Sie der alten Dame nicht mal Erste Hilfe leisten?
Polizist: Tut mir leid, ich bin im Dienst. Alten Menschen, die noch aus der Zeit vor 2005 Rente beziehen darf ich nicht helfen. Dienstanweisung.
Passant: Ach so. Verstehe. Schönen Tag noch.
Polizist: Danke, auch so. (wartet einige Minuten, bis er sicher ist, dass Oma Gertrude sich wirklich nicht mehr bewegt, dann ab)