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Rache - eine lovecraftsche Imitation

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15.04.2002
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Rache - eine lovecraftsche Imitation

Mein Name ist Harold Cooper, und ich muß die Geschehnisse dieser Nacht niederschreiben, um herauszufinden, ob das, was passiert ist, in Wirklichkeit geschehen ist oder nur in meinen krankhaften Träumen stattgefunden hat. Ich hoffte, es wäre so. Doch hören Sie sich meine Geschichte an:

Er hätte es nicht tun dürfen, er hätte nicht vom Leichenschauhaus zu mir in mein Haus am Ende der Carroll Street, links bei der Kreuzung zur Baker Street, kommen dürfen. Er hätte nicht das bronzene Schloß im Mondschein aufbrechen dürfen, welches die groß mit gotischen Schnitzereien verzierte, hölzerne Halbflügeltür vor abscheulichem Gesindel, wie ihm sichern sollte. Und auf keinen Fall hätte er durch das Vorzimmer, über mein in im altenglischen Stil eingerichtetes Wohnzimmer in meine Küche schleichen dürfen, im Schutze des schwachen Mondscheins. Er hätte nicht alle Kästen und Laden öffnen dürfen, bis er das große Messer, daß ich damals gekauft hatte, um an Festtagen den gebratenen Truthahn zu zerlegen, und die Portionen an die plappernde Gesellschaft, die an meinem Tisch zu sitzen pflegte, aufzuteilen, fand. Er hätte nicht über die Treppe hinauf zu meinem Schlafgemach schleichen, und den Türknauf drehen dürfen, ohne daß meine sonst so feinfühligen Ohren ein noch so geringes Quietschen oder Knarren zu vernehmen mochten.
Er hätte sich nicht über mich beugen dürfen, bis mir der feuchte, schleimige Geruch seines Atems langsam und stechend in meine Nase kroch, sodaß ich, angewidert von der Abnormalität des Gerochenen, meine Augen aufriß und erstarrte, als ich die Gestalt erblickte, die über ich gebeugt war, und mit meinem Messer zum tödlichen Stoß ausholte. In gedankenloser Leere rollte ich mich weg von der Gestalt, aus meinem Bett, und das Messer stach in die Stelle, an der ich vor einem Augenblick noch wie gelähmt gelegen war. Die plötzliche Bewegung rüttelte mich ein wenig aus meiner Schlaftrunkenheit, doch dies führte zu einer Welle von Panik, die sich in meinem Gehirn ausbreitete, als ich realisierte, daß ich wach war und nicht träumte.
Er hätte sich nicht auf mich stürzen dürfen, mit diesem unbeschreiblichen Schrei, dessen Länge und Tonlage noch nie zuvor von einem menschlichen Ohr vernommen worden waren. Ich wehrte mich verzweifelt gegen seine Messerhiebe, die mit schier unglaublicher Kraft gegen mich gestoßen wurden, und mich an den Armen und Händen schwer verletzten. Blut floß aus offenen Wunden, und durchnäßte meinen Schlafanzug. Durch einen glücklichen Zufall schaffte ich es, ihn trotz meiner Benommenheit mit meinem Fuß wegzutreten. Er stürzte zu Boden und verlor das Messer aus seiner Hand. Ich streckte mich nach meinem Nachtkasten und riß die Lade heraus, deren Inhalt sich über den hölzernen Fußboden verstreute. Für mich war nur mein Revolver, bei dem ich immer peinlich genau darauf achtete, daß er zu jeder Zeit geladen und gesichert war, und der genau vor meiner Hand lag, von Bedeutung. Ich nahm ihn mit meiner blutüberströmten Rechten an mich und entsicherte ihn zitternd. Ich richtete den Revolver gegen die Gestalt, die sich röchelnd bemühte, wieder auf die Beine zu kommen, kniff die Augen wegen dem bevorstehenden Knall zusammen, und drückte ab. Aufgrund meiner schweren Verletzungen und nicht zu vergessen meiner Angst, verfehlte ich seine Brust und die Kugel verirrte sich durch seine Stirn in die Wand, wo sie mit Gehirnmasse und Knochensplittern steckenblieb. Die Gestalt taumelte. Was folgte, hat sich für mein Leben lang in mein Gedächtnis eingebrannt und wird mich noch lange in meinen Alpträumen heimsuchen. Er sprach, und das hätte er unter keinen noch so blasphemischen Umstand befähigt sein zu tun dürfen, während bereits sein Blut von der Tapete rann: „Rache für meinen Tod, Cooper!“ Dann sackte der Körper zusammen und rührte sich nicht mehr.
Diese Worte.
Rache
für
meinen
Tod!
nahmen mir den letzten Rest meiner Selbstbeherrschung. Ich ließ den Revolver fallen und fing an hysterisch und nicht im Besitz meiner selbst, zu lachen und starrte den toten, erschlafften Körper an, während ich selbst neben ihm auf den Boden sank.

Ich habe mich wieder beruhigt, das glaube ich wenigstens, wenn man unter den gegebenen Umständen überhaupt gelassen sein kann. Ich bin fast eine Stunde hier gesessen und habe den Toten angesehen und gebetet, daß er sich nicht wieder bewegt.
Ich habe gerade meine Wunden verbunden, ich denke ich bin nicht allzu schwer verletzt. Wenn auch der Schock noch seine Wirkung tut und ich keine Schmerzen verspüre, habe ich doch viel Blut verloren, da der Boden um mich herum voll von getrocknetem Blut ist. Doch jetzt, wo ich wieder einigermaßen gefasst und bei Verstand bin, werde ich den Leichnam in einen festen Sack schaffen und noch vor dem Morgengrauen mit meinem Wagen zum Elron See fahren, um diesen verdammten Körper an der tiefsten Stelle des Sees zu versenken. Denn, den Mann, den ich heute erschossen habe, hatte ich bereits letzte Nacht getötet.

[ 17.04.2002, 19:40: Beitrag editiert von: Peter Koller ]

 

Hallo Peter Koller und Wow! :eek:
Diese Geschichte hat Tempo, diese Geschichte hat Stil, diese Geschichte hat gefallen!
Besonders genialer Schlußsatz.

Die Sätze sind etwas gewöhnungsbedürftig aufgrund ihrer Länge. Aber ich steh auf sowas, schreibe selbst so. Allerdings verzettel ich mich dann immer am Ende des Satzes. Und das ist Dir zum Glück nicht passiert.

Trotzdem sind mir ein paar Kleinigkeiten aufgefallen:

mit meiner blutüberströmten Rechen
"Rechten"
Messerhiebe, die mit schier unglaublicher Kraft gegen mich gestoßen wurden
Hört sich in meinen Ohren zwar nicht falsch, aber merkwürdig an.
schaffte ich es, ihn trotz meiner Benommenheit mit meinem Fuß wegzutreten.
Hier das Selbe.

Ich glaube auch, dass ein paar Kommafehler vorkommen, aber da bin ich selbst nicht so der Held, also :whocares:

Naja, das ist genau die Art von Gruselgeschichten, die ich liebe. Echt genial.

Ugh

 

Hallo!

Vielleicht geht's ja nur mir so, aber was soll der Schlußsatz bedeuten? :confused: :)

 

Muhahaha! :rotfl:
Sorry, Martin, das musste sein. Les die Story nochmal - der letzte Satz ist der Satz der Sätze!

Ugh

 

Hi!

Also ich muß ehrlich sagen, daß mir die Geschichte nicht so gefallen hat. Der Stil sagt mir nicht sonderlich zu (aber das ist Geschmacksache) und auch die Geschichte ansich hat für mich zu wenig Hintergrund. Einfach wieder eine Art "Ich bring' jemanden um und der verspricht mir Rache"-Geschichte. Mag ich nicht so. :(

Aber nichts für ungut, ja? ;)

Gruß
stephy

 

Hi Peter,

deine Geschichten zu lesen scheint für mich ne sichere Bank zu sein. :) "Rache" hat mir wirklich gut gefallen.
Vor allem nachdem ich gestern noch ein Märchen von dir gelesen habe. Vielfältigkeit macht es halt.

Stark gestört hat mich eigentlich nichts. Allenfalls zwei-drei Kleinigkeiten (man fühlt sich ja nur gut, wenn man was zu nörgeln hat ;) ).
Zwei Dinge hat Biblio bereits angesprochen. Hiebe, die gestoßen werden, sind streng genommen ein Widerspruch. Vielleicht einen Hieb führen?
Genauso "wegtreten". Das kann man vielleicht eine Dose, aber doch schwer einen Menschen.

Ich wehrte mich verzweifelt gegen seine Messerhiebe, die mit schier unglaublicher Kraft gegen mich gestoßen wurden, und mich an den Armen und Händen schwer verletzten.
Ich habe gerade meine Wunden verbunden, ich denke ich bin nicht allzu schwer verletzt.
Cooper scheint echt mit den Nerven am Ende, wenn er sich schon bei sowas nicht so sicher ist ;) .

Sehr gut hat mir dagegen die ständige Wiederholung des "Er hätte nicht ..." gefallen. Zuerst fand ich es zwar störend, aber im nachhinein passt es doch sehr gut zu der Verwirrtheit des Erzählers wegen der schieren Unmöglichkeit der Ereignisse.

Bis dennle

 

Also, nochmal zum letzten Satz. Der ist, und da stimme ich Bib uneingeschränkt zu, der Oberhammer.
:eek:
Und der ist auch der verdammte Grund, warum das ganze Horror ist und nicht einfach nur Spannung. Dadurch wird das ganze doch paranormal (wieder was gelernt bei Akte X).

Also:
Prädikat "wertvoll". :thumbsup:
Krassdas.
Gruß, BBQ!

 

Danke für die vielen Rückmeldungen. Ihr haltet mich am Schreiben!

Biblio:

Den Tippfehler hab ich ausgebessert. Die anderen, etwas "merkwürdig" klingenden Ausdrücke wie "Messer gestoßen" hab ich so gelassen, da ich ja unverschämt Lovecraft nachgeahmt habe und deshalb diesen etwas schnörkelhaften Stil verwendet habe. Mir gefällt das, ich finde es gibt der Geschichte eine gewisse Altertümlichkeit. Aber klingen tut es schon komisch, da habt ihr alle recht. Und "wegtreten" war vorher noch schlimmer, das ist schon das Ausgebesserte..davor wars "gab ihm mit dem Fuß einen Fußtritt" plemplem... was besseres fällt mir nicht ein, ohne den ganzen Satz neu zu machen. Und ich bin sooo müde.

Martin & Stephy:

Habt ihr den Schlußsatz vielleicht nur mißverstanden? Der Typ den Cooper im See versenkt war ein Zombie, der sich für seinen eigenen Tod an Cooper rächen wollte, weil Cooper ihn am Tag davor schon einmal umgebracht hatte. Deswegen kommt er auch aus dem Leichenschauhaus.
War es das oder habt ihr es eh richtig verstanden und nur nicht gemocht?

alles Gute, Peter

[ 17.04.2002, 19:59: Beitrag editiert von: Peter Koller ]

 

Seas Peter!

Dies war die erste deiner Geschichten, die ich gelesen habe, wobei ich vorausschicken muss, dass ich aufgrund des Titels - ich bin Lovecraft-Fan - sehr hohe Erwartungen hatte.
Nun, die Geschichte hat vor allem eines: Tempo und einen fabelhaften Schlusssatz, der der Geschichte eine überraschende, sarkastische Wendung gibt.

Ein großes Problem habe ich mit dem Stil: Dieser wirkt, verzeih!, verkrampft und auf altmodisch getrimmt, verfällt aber teilweise in eine Selbstparodie.
Wobei ich selber schwülstigen Stil pflege und es außerordentlich goutiere, wenn sich "Nachahmer" des Erbes des großen Lovecraft finden, die sich, gleich mir, von negativen Kritiken nicht beeindrucken lassen (was zumindest bei dieser Story ja nicht der Fall ist).

Und ein zweites kleines Problemchen hätte ich, und zwar mit deiner Erklärung betreffs des Schlusssatzes: Ein Zombie ist willenloses Werkzeug seines "Meisters", der ihn erschuf, vulgo "tötete".
Das Wesen, das du beschreibst, ist ein Wiedergänger, aber kein Zombie!

Entschuldige meine Klugscheißerei, aber das musste einfach sein. :)

Auf jeden Fall eine sehr gute Story, die weit überdurchschnittlich ist und deren Genuss mich nicht reute.
Weiter so!

 

Hey Peter!

Super Geschichte, geht wirklich durch und durch.
Das Ende läßt so viele Fragen offen, genau wie ich es mag.
Geh gestimmt schön gegruselt ins mein bettchen, wo ich hoffendlich alleine bleibe :eek:

Freu mich schon auf die nächste Story

Gruß

Rub.

 

Hi Rainer,

hab ich mir gedacht, daß der Zombie ein Ausflug aufs Glatteis war. Hab schon darauf gewartet, daß mir wer erklärt, daß Zombies Menschenfleisch essen und ansonsten recht stupide sind und sicher nix reden und obendrein immer dann auftauchen, wenn in der Hölle kein Platz mehr ist... zumindest nach der George Romero Schule in Pittsburgh ;)

Und du bist wohl eher ein Voodoopriester; ganz andere Zombiemarke. Made in Jamaica. oder? :D

Aber prinzipiell und ganz grob für alle anderen: Zombie = lebender Toter.

Peter

 

PS@Rainer

Widergänger sind vampire.
Oder auch Nocturen.
Bin da recht belesen.

Gründerin des Vereins: Arterhaltung untoter, vormenschlicher Minderheiten :D

Carpe Noctem
Rub. ;)

 

Hallo, Peter Koller!

Lovecraft rulez! Die Imitation seines Stils ist dir voll gelungen; "abscheulichem Gesindel" und "blasphemischen Umstand" ist z.B. absolut Originalgetreu, hihi!
Schreib mehr von dieser Sorte! Bittebitte!
Zum ersten Absatz: Wenn man was aufschreibt, kann man feststellen, ob man es nur geträumt hat? Na egal.
Trotzdem ein Quentchen Kritik: in der Szene, in der du beschreibst, wie der Mann aus dem Leichenschauhaus einbricht, hast du irgendwie gewaltsam einen Haufen Details reingebracht, die da irgendwie komisch wirken. Einmal die gotischen Schnitzereien und dann die Gäste, die den Truthahn essen.
Ansonsten klasse Story mit einer überraschenden Pointe!

Liebe Grüsse
Arry

 

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