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Rache an Ron
Er greift zu den massig gespritzten Bananen, von denen er wieder nur zwei essen wird und packt sie ganz nach oben in den Einkaufswagen. In Gedanken geht er noch mal die Liste durch: Mehl, Butter, Eier, Bananen, Äpfel, Brot. Ron Cartersen hat es sich angewöhnt, nie auf die Liste zu schauen.
Das wäre es dann für heute, denkt er. Er geht zur Kasse und stellt sich an. Im Supermarkt sind nur zwei Kassen geöffnet, demnach ist die Schlange ziemlich lang. Als er sich angestellt hat, sieht er sich ganz in Gedanken versunken die rosane Wolljacke der älteren Frau vor ihm an. An der Kasse begrüßte er die Kassiererin, eine alte Freundin: „Guten Tag.“
Gleichfalls. Wie gehts dir den heute?“, fragte die Kassiererin.
„Wie immer.“
Sie sagt die Summe, die er zu zahlen hat, obwohl die Zahl direkt neben ihr steht und wünscht ihm noch einen schönen Tag.
Er geht zu Fuß, also packt er die Sachen in den Korb, den er mitgenommen hat und stellt den Einkaufswagen zu den Anderen.
Ganz schön kalt heute, denkt er und zieht den Kragen seiner dicken Wolljacke höher.
Seine Brillengläser beschlagen mal wieder, also nimmt er die Brille ab und säubert sie am Ärmel. Ron ist Ende 28 und arbeitet in einem Büro für eine Firma, die Kunstlederartikel verkauft. Der Job langweilt ihn, deswegen freut er sich auf den Urlaub nächsten Monat.
Als er den Chip vom Wagen eingesteckt hat, betrachtet er die Umgebung. Er wohnt zwar in einer Stadt, aber am äußeren Rand. Deswegen ist hier nicht viel los, aber so kann man die Natur genießen.
Auf einmal fällt ihm jemand auf: Ein Mann seht an eine Mauer eines Friseursalons gelehnt. Daran ist nichts ungewöhnlich, aber der Typ trägt vollkommen schwarze Kleidung und eine Kapuze verdeckt sein gesamtes Gesicht bis auf den Mund.
Ron fragt sich, wie der überhaupt etwas sehen kann. So ein Gothic-Look ist noch nie sein Fall gewesen.
Irgendwie ist es unhöflich, jemanden die ganze Zeit anzustarren, also wendet er seinen Blick ab und macht sich auf den Weg nach Hause.
Als er nach einigen hundert Metern über die Straße gehen will, seiht er nach rechts und links, um zu kontrollieren, ob keine Autos kommen. Auf einmal sieht er den Gothic wieder, diesmal näher als vorher. Wieder steht er an eine Mauer gelehnt. Verfolgt er ihn etwa, fragt er sich in Gedanken. Doch diesen Gedanken verwirft er gleich wieder. Er kann auch einfach dort hingegangen sein, weil er sich dort mit seinen Freunden treffen will. All dies denkt Ron, als er über die Straße geht.
Nachdem er endlich zuhause angekommen ist, macht er sich erst einmal einen schöne heißen Tee und setzt sich damit an seinen Schreibtisch. Draußen beginnt es zu dämmern, man erkennt nicht mehr viel in der Dunkelheit. Doch irgendwas in der Dunkelheit macht ihn stutzig. Dort, an seinem Fenster erkennt er eine Silhouette. Als er kurz zu seinem Tee sieht, ist sie weg. Ein eiskalter Schauer läuft ihm den Rücken herunter. Er schreckt auf, als das Telefon klingelt.
„Ja?“, meldet er sich.
Stille am anderen Ende der Leitung.
„Wer ist denn da?“, fragt er.
Immer noch Stille.
„Das ist nicht komisch“, sagt er mit leichter Angst in der Stimme.
„Klick...tututu.“
Wer war das nur, fragt er sich selber. Langsam bekommt er es mit der Angst zu tun. Er glaubt auch nicht mehr, dass er am Fenster einen Fleck vor seinen Augen gesehen hat. Sollte er die Polizei rufen? Doch er hatte ja keine Beweise.
Um sich abzulenken, schaltet er den Fernseher ein. Dort läuft gerade eine Talkshow. Normalerweise würde er bei so einer Sendung umschalten, aber die hellen Farben und lauten Geräusche beruhigen ihn irgendwie. Er schaltet das Licht an und setzt sich in den Wohnzimmerstuhl.
Irgendwann beginnt er wird er müde. Doch als er fast eingeschlafen ist, geht auf einmal das Licht aus und mit einem „Zapp!“ verabschiedet sich auch der Fernseher. Er sitzt dort in vollkommenem Dunkel und ist wieder hellwach. Ein eiskaltes Gefühl der Vorahnung beschleicht ihn. Er tastet sich aus dem Wohnzimmer und holt aus seinem Arbeitszimmer die Taschenlampe, dessen Batterien er schon lange auswechseln wollte. Im schwachen Strahl der Taschenlampe verlässt er sein Arbeitszimmer. In der Dunkelheit fällt ihm alles schlecht auf dieser Welt ein. Es gibt Mörder, die ihre Oper grauenhaft zerstückeln und die Einzelteile essen, Sadisten, die ihre Opfer quälen, bis sie an ihren Wunden sterben und Entführer, die dem Opfer und nahen Verwandten und Bekannten viel geistigen Schaden zufügen können. Doch er schüttelt diese Gedanken ab. Er ist ein erwachsener Mann, der sich nicht um so etwas Gedanken oder Sorgen machen sollte.
Er geht in den Keller, den Strahl immer auf die Stufen gerichtet. Als er unten im Keller angekommen ist, sucht er den Sicherungskasten. Er lässt den Lichtstrahl auf die Wände fallen und obwohl die Lampe so schwach ist, bemerkt er für einen kurzen Moment etwas, er sah etwas Dunkleres, das sich deutlich vom Grau der Wand abprägte. Vor Schreck lässt er die Taschenlampe fallen, die auf dem harten Steinboden natürlich sofort den Geist aufgibt.
Plötzlich hört er eine Stimme: „Hallo, Ron.“
Die Stimme kommt ihm bekannt vor, nur er kann sie nicht zu einer Person, die er kennt, zuordnen.
„Weißt du, wie es ist, mit 17 in ein Gefängnis eingesperrt zu werden, für sieben Jahre? Obwohl man unschuldig ist. Ich war noch so jung, so frisch, hatte noch so viel vor in meinem Leben. Doch jetzt habe ich mein Leben der Rache gewidmet.“
Schlagartig fällt es ihm ein, der Typ hieß Jeff Muoren. Früher hatte er einen Menschen aus einem Reihenhaus laufen sehen. Ein paar Tage später wurde in den Nachrichten gezeigt, dass dort ein grausamer Mord passiert sein soll. Also sollte er den Typen bei der Polizei beschreiben, doch er hatte die Person nur verschwommen gesehen, also dichtete er selbst ein bisschen hinzu, er dachte, dass es einen Typen mit der Beschreibung hoffentlich nicht gab, nur weil er nicht zugeben wollte, dass er den Menschen nicht ordentlich beschreiben konnte. Doch die Polizei fand eine Person mit der Beschreibung und steckte ihn in ein Gefängnis. Ron plagten zuerst Gewissensbisse, doch nach einer Zeit hatte er es geschafft, sich einzureden, dass der Typ echt so aussah und nach einigen Jahren hatte er den Typen vergessen. Wenn er so zurückdachte, war das tatsächlich etwa sieben Jahre her.
All dies fiel ihm ein, wie ein Blitz auf den Boden einschlägt, alle Bilder, alle Gedanken.
„Der Rache an dir!“
Und noch während er das sagte, fässt der Andere seine Hand an und zieht sie wieder zurück. Ron fragte sich, wie er in der Dunkelheit nur so gut sehen konnte. Und vor allem, was der Typ nun machen wollte. Nach einigen Sekunden des Horrors hört er, wie Jeff spricht: „Polizei, schnell“ In dem Haus 3 in der Alfred-Longen-Straße ist ein Mord passiert, ich rufe von der Nähe des Hauses an!“
Danach wird etwas hartes, spitzes in seine Hand gedrückt und wieder weggenommen, dann hört er nur noch ein Schreien und Ächzen. Irgendetwas spritzt seinen ganzen Körper voll. Der Typ bringt sich wohl selbst um!
Oh, Scheiße.