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Rache an einem alten Freund (2. Version)

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23.02.2003
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Rache an einem alten Freund (2. Version)

Tengo miedo del encuentrocon el pasado que vuelvea enfrentarse con mi vida...", tönt es aus einem der Cafes. Ich überlege woher ich dieses Lied kenne. Wer hat es geschrieben? Es will mir einfach nicht einfallen, ist aber auch egal. Viel wichtiger ist, dass ich ihn endlich gefunden habe. Nach so langer Zeit.
Schließlich habe ich vierzig Jahre auf diesen Moment gewartet. Jeden Tag, jede Nacht. Wie oft habe ich mir ausgemalt wie es sein wird, endlich Genugtuung zu erhalten? Zu oft jedenfalls um es noch zählen zu können. Eines war mir dabei immer klar gewesen: Ich würde diesen Augenblick auskosten - lange.
Das Licht spiegelt sich in meinen dunklen Brillengläsern. Ich kann es deutlich sehen in einem der Schaufenster, die es hier so reichlich gibt im Künstlerviertel San Telmo. Genauso wie Antiquitätenläden und Musiklokale. Eigentlich ein malerischer Ort. Ein Platz zu schön zum sterben.
Die Sonne steht im Zenit und der Sand glüht. Mir ist heiß und das nicht nur von der Sonne. Es war immer alles so klar gewesen, all die Jahre hindurch. Ich würde ihn finden wenn ich wieder rauskomme und dann würde ich ihn zur Strecke bringen. Es sollte eine richtige Hinrichtung werden. Er würde mir gegenüberstehen und das letzte, was dieses Schwein sehen sollte wären die Augen eines "alten Freundes", die den Hass von 40 Jahren in sich tragen.
Ein alter Mann bin ich nun, mein Haar ist mittlerweile licht und mein Körper zeigt mir deutlich, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Zu sehr wurde er geschunden in den letzten Jahren. Mein Geist ist müde, müde von über 30 Jahren Gefängnis und der anschließenden Hetzjagd auf diesen Verräter. Hätte er sich doch nur gestellt und den Mord zugegeben, dann hätte ich nicht mal ein Jahr bekommen und das wahrscheinlich noch zur Bewährung. Aber nein, er floh. Nach Südamerika, wie sich später herausstellte. Mit all der Beute. Dabei waren wir die besten Freunde bis zu jenem verdammten Tag ...
Ich muss mich zusammenzureißen, für Sentimentalitäten ist jetzt kein Platz. Nur circa fünfzig Meter noch und ich kann vollenden, was ich mir selbst als Aufgabe gestellt habe. Fünfzig Meter, die mir so unwirklich vorkommen, endloser als vierzig Jahre.
Wird er mich überhaupt erkennen? Schließlich sind wir beide viel älter geworden ...und weiser?
Noch einmal geht mir durch den Kopf, was damals geschehen ist. Wie ein Film vor meinem geistigen Auge sehe ich uns als junge, unerfahrene Männer. Ein Streich sollte es werden, damals, als wir bei dem alten Müller eingebrochen sind. Nicht mehr, nur ein dummer Streich. Warum musste er auch zuhause sein? Warum? Es ging damals alles so verdammt schnell. Viel zu schnell um klar zu denken. Vielleicht hätte ich meinen Freund einfach verraten sollen und mich damit selber entlasten? Nein, daran habe ich nicht eine Sekunde gedacht. Er würde sich schon stellen mein Freund, früher oder später. Und auch das Geld, dass wir gefunden hatten würde er dann mitbringen. Ganz bestimmt würde er das! Schließlich hatte er den alten Mann auf dem Gewissen. Er hatte den Kerzenständer genommen und ...
Nur fand man seine Fingerabdrücke später nirgends. Handschuhe hatte er getragen. Schlau war er gewesen. Sehr schlau wie sich erweisen sollte. Geplant hatte er es und zwar genau so wie es gelaufen war. Hereingelegt hatte er mich - seinen angeblich besten Freund!
Ich spüre, wie meine Beine sich in Bewegung setzen, einer inneren Stimme folgend. Die Situation ist günstig. Niemand in der Nähe. Ich hab an alles gedacht. Nicht registrierte Handfeuerwaffe, Schalldämpfer, falscher Bart, sogar die spärlichen Haare habe ich mir dunkel gefärbt. Und doch: Er wird mich erkennen, ganz sicher! Meine Hände sind schweißnass, ich zittere am ganzen Körper. Gut, dass ich ihn noch gefunden habe, wo mir doch nicht mehr viel Zeit bleibt. Wenige Monate, vielleicht nur noch Wochen hat mir der Arzt gegeben. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben. Bis der von mir engagierte Detektiv schließlich doch die rettende Spur hatte: Buenos Aires! Im Ayacucho Palace Hotel wurde er gesehen, beim Mittagessen. Danach ist alles ganz einfach gewesen. Schon drei Tage später hab ich ihn gefunden. Gekostet hat es mich fast all mein Geld. Viel hab ich eh nicht gehabt.
Aber jetzt wird er bezahlen. Bezahlen für all das, was er mir angetan hat. Bezahlen für dreißig Jahre Gefängnis, die ihm gegolten haben. Bezahlen für ein Leben, dass er mir gestohlen hat und das ich niemals mehr zurückbekomme.
Die Situation ist günstig. Es ist um diese Zeit nicht viel los hier. Es ist einfach zu heiß. Der Sonnen schirm unter dem er sitzt wird mich wunderbar verbergen. Die vielen Gassen machen es mir leicht zu verschwinden. Langsam öffne ich den Mantel. Ein letzter Blick. Niemand da. Ich entsichere die Pistole und stehe nun fast direkt hinter ihm. Ich nehme die Sonnebrille ab. Vor mir steht der Mann, der mir vier Dekaden meines Lebens genommen hat. Den Blick genau in die andere Richtung. Nur eine Umdrehung entfernt von seinem letzten Atemzug.
Antippen oder ansprechen? In den Kopf oder ins Herz? Noch was sagen vorher? Alles wird so unklar. Mein Herz rast. Diese verdammte Musik! Diese elende Hitze! Ich kann mein Herz pochen hören, sogar lauter als es damals gepocht hat. Die Zeit scheint nun still zu stehen. Dieses Gefühl kenne ich bislang nur aus den endlos-einsamen Nächten im Knast. Wo aus Minuten Jahre werden können. Wo man trotz zusammengepfercht sein auf engstem Raum das Gefühl von unendlicher Einsamkeit verspürt. Wo man alles geben würde für einen langweiligen Sonntagmorgen am Frühstückstisch mit Frau und Kindern. Oder einem Tag in Buenos Aires...
Direkt ins Herz werde ich ihm schießen, nachdem ich seinen Namen gesagt und er sich umgedreht hat. Ich hole tief Luft und ... "Opa", ruft eine Kinderstimme, "Opa nun komm schon. Du wolltest doch noch mit mir spielen." Er hat Familie. Darüber habe ich nie nachgedacht. Enkel, Kinder, Frau ... Warum ist mir das nie in den Sinn gekommen? Merkwürdig und grotesk, dass ich mir darüber niemals Gedanken gemacht habe. Vielleicht, weil ich niemals ein Leben hatte? Vielleicht, weil ich gedanklich immer nur auf den Menschen von damals fixiert war? Ich weiß es nicht. Ich stecke die Waffe weg. Jetzt hat sich alles geändert. Darf ich mein Leben mit dem Leben vieler bezahlen? Etwas zerstören, dass ich nie hatte - eine Familie? Nein ich werde weder ihr noch mein Leben wegwerfen. Ich werde die restliche Zeit die mir bleibt genießen so gut es geht.
Ich drehe mich um und gehe. Und jetzt fällt es mir plötzlich wieder ein. Carlos Gardels! Das ist der Autor des Liedes. Ich erinnere mich auch wieder an die Bedeutung des Textes:
"Ich hab' Angst vor dem Gestern das heute wieder den Weg mir verstellt. Und nachts im Alptraum bebe ich noch vor Erinnerung. Doch der Wanderer auf der Flucht eines Tages hält er ein. Ist auch im Vergessen das alles gleichmacht mein altes Feuer längst schon gelöscht, bleibt mir versteckt tief im Herzen noch eine klare Hoffnung und die ist mein ganzer Stolz."

 

Hm...
Ich denke dass Du am Schluß die Gedankengänge des Lesers in eine zu offensichtliche Richtung lenkst, so das im letzten Drittel das Interesse des Lesers schnell auf der Strecke bleiben kann.
Und wenn ich mich selbst in diese Situation hineinversetze wäre ich, denke ich mal, entweder gar nicht so weit gegangen oder hätte es letztlich auch zu Ende gebracht.
Letzteres wäre da wohl eher angebracht, gerade weil Du Dich so oft auf die verlorenen Jahre bzw. das verlorene Leben beziehst.
Lobenswert ist Deine klare und deutliche Linie in der Du erzählst. Es fällt dem Leser nie schwer, Dir zu folgen. Jedoch sollte das mE auch nicht immer Absicht sein.

Gruß Diamondback

 

Mmmh... zu offensichtlich? Schwer zu sagen. Ich denke es kommt auf den Leser an. Ich hatte noch eine andere (erste) Version dieser Geschichte. Die war offener, ich werd sie mal im Anschluss posten.
Was aber m.E. auf jeden Fall wichtig ist, ist der Prozess, den der Protagonist während dieser Geschichte durchmacht. Er hat soviel Hass aufgestaut in all den Jahren, so viel über seine Rache nachgedacht und am Ende ist seine einzige Rache sich nicht zu rächen ... da wird in der ersten Version deutlicher denke ich.
Vielleicht war ich hier auch ein bischen zu verliebt in die klare Linie in den Kreis, der sich schließt.
Aber auf jeden Fall bedanke ich mich für deinen angenehmen Kommentar!

 

Rache an einem alten Freund

Vierzig Jahre hat er auf diesen Moment gewartet. Jeden Tag, jede Nacht. Er hat sich oft ausgemalt wie es sein würde endlich Genugtuung zu erhalten. Er würde diesen Augenblick auskosten - lange. Das Licht spiegelt sich in seinen dunklen Brillengläsern. Die Sonne steht im Zenit und der Sand glüht. Ihm ist heiß und das nicht nur von der Sonne. Es war immer alles so klar gewesen. Er würde ihn finden wenn er wieder rauskommt und dann würde er ihn zur Strecke bringen. Es sollte eine richtige Hinrichtung werden. Sie würden sich gegenüberstehen und das letzte, was dieses Schwein sehen sollte wären die Augen eines "alten Freundes", die den Hass von 40 Jahren in sich tragen.
"Ich bin ein alter Mann," denkt er, "mein Haar ist mittlerweile licht und mein Körper zeigt mir deutlich, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Zu sehr wurde er geschunden in den letzten Jahren. Mein Geist ist müde, müde von über 30 Jahren Gefängnis und der anschließenden Hetzjagd auf diesen Verräter. Hätte er sich doch nur gestellt und den Mord zugegeben, dann hätte ich nicht mal ein Jahr bekommen und das wahrscheinlich noch zur Bewährung. Aber nein, er floh. Nach Südamerika, wie sich später herausstellte. Mit all der Beute. Dabei waren wir die besten Freunde bis zu jenem verdammten Tag ..." Er versucht sich zusammenzureißen, für Sentimentalitäten ist jetzt kein Platz.
Es liegen nur ca. hundert Meter Sandweg zwischen den beiden Männern und doch kommt ihm die Distanz endloser vor als vierzig Jahre. "Wird er mich überhaupt erkennen?", schießt es ihm durch den Kopf, "schließlich sind wir beide viel älter geworden!" "...und weiser?", überlegt er.
Noch immer steht dieser fast 60jährige Mann, der unter seinem Mantel mehr trägt als nur eine Handfeuerwaffe - nämlich den Zorn von vielen, elenden Jahren, hundert Meter entfernt von seinem auserkorenen Opfer, dass einmal sein Freund gewesen war und wartet auf eine günstige Gelegenheit, seine Aufgabe zu vollenden. Eine Aufgabe, die er sich selber gestellt hat, als vor vier Jahrzehnten sein Leben zerstört wurde. Ein Streich sollte es werden, damals, als sie bei dem alten Müller eingebrochen waren. Nicht mehr, nur ein dummer Streich. Warum musste er auch zuhause sein? Es ging damals alles so verdammt schnell. Viel zu schnell um klar zu denken. Vielleicht hätte er seinen Freund einfach verraten sollen und sich damit selber entlasten?! Nein, daran hatte er keine Sekunde gedacht. Er würde sich schon stellen sein Freund, früher oder später. Und auch das Geld, dass sie gefunden hatten würde er dann mitbringen. Ganz bestimmt würde er das! Schließlich hatte er den alten Mann auf dem Gewissen. Er hatte den Kerzenständer genommen und ...
Nur fand man seine Fingerabdrücke später nirgends. Handschuhe hatte er getragen. Schlau war er gewesen. Sehr schlau wie sich erweisen sollte. Geplant hatte er es und zwar genau so wie es gelaufen war. Hereingelegt hatte er ihn - seinen besten Freund!
Seine Beine setzen sich in Bewegung, die Situation ist günstig. Niemand in der Nähe. An alles hat er gedacht. Nicht registrierte Handfeuerwaffe, Schalldämpfer, falscher Bart, sogar die spärlichen Haare hat er sich dunkel gefärbt. "Er wird mich erkennen", weiß er nun, "ganz sicher wird er das!" Seine Hände sind schweißnass, er zittert. "Gut, dass ich ihn noch gefunden habe, wo mir doch nicht mehr viel Zeit bleibt." Wenige Monate, vielleicht nur noch Wochen hat ihm der Arzt gegeben. Da hatte er die Hoffnung schon aufgegeben. Bis der von ihm engagierte Detektiv schließlich doch die rettende Spur hatte. Buenos Aires, im Ayacucho Palace Hotel wurde er gesehen, beim Mittagessen. Danach war alles ganz einfach gewesen. Schon drei Tage später hatte er ihn gefunden. Und jetzt wird er ihn töten. Er öffnet den Mantel, entsichert die Pistole und steht fast direkt hinter ihm. Er nimmt die Sonnebrille ab. Vor ihm steht der Mann, der ihm vier Dekaden seines Lebens gekostet hat. Den Blick genau in die andere Richtung. Nur eine Umdrehung entfernt von seinem letzten Atemzug.
Antippen oder ansprechen? In den Kopf oder ins Herz? Noch was sagen vorher? Alles wird so unklar. Das Herz rast. Diese verdammte Stille! Diese elende Hitze! Er hört sein Herz pochen, lauter als es damals gepocht hatte. Als der alte Müller sterben musste. Als sein Leben ...
S E I N Leben! Er wird ruhig. Er steckt die Waffe weg, dreht sich um und geht. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht verlässt er den Sandweg und läuft in Richtung Strand. So gut hat er sich seit vielen Jahren nicht mehr gefühlt. Seine Aufgabe ist erfüllt ohne vollendet zu sein. So einfach ist das. So einfach. Dies ist sein Leben und das wird er jetzt bis zum Ende auskosten, wann das sein wird? Egal!
40 Jahre hatte er ihm schon gestohlen, die letzten paar Monate würde er ihm nicht mehr nehmen.

 

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