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Quietsch, quietsch
Quietsch, Quietsch. Ich saß auf der Veranda in meiner alten und verrosteten Hollywoodschaukel. In meiner rechten Hand hielt ich eine Dose Bier - in meiner linken qualmte eine Pall Mall. Bei jedem Hin- und Herschwingen ertönte dieses Geräusch. Quietsch, Quietsch. Ich habe mir schon oft vorgenommen, die Scharniere zu ölen - ich habe es aber immer wieder vergessen. Das Leben hat mir schon den ein oder anderen Schicksalsschlag versetzt. Ich kam nicht aus meiner Haut. Ich war gefangen in meinem eigenen Körper. Ein Bekannter besorgte mir das Haus. Das Dach war undicht. Schnee, Regen, Sonne, Sturm und Hagel ließen es schon baufällig werden. Quietsch, Quietsch. Umgeben von diesen neumodischen Glaspalästen, den fein gestutzten Rasen und den Swimmingpools lag mein eigenes, kleines Reich. In meinem Leben besaß ich nicht viel. Aber auf mein eigenes, kleines Reich war ich stolz. Ich konnte zum ersten Mal tun und lassen was ich wollte. Das Holz der Veranda war spröde und von Würmern zerfressen. Es verbog sich und knarrte bei jedem meiner Schritte. Es war meine Veranda, mein Dach, mein Holz, meine Würmer. Ein alter, dünner Hund überquerte die Straße so wie jeden Tag um die gleiche Uhrzeit. Er suchte nach etwas Fressbarem. Es begann zu regnen. Es störte mich nicht - ich saß auf meiner Veranda. Seine langen Haare waren nass - es ließ ihn noch dünner aussehen. Quietsch, Quietsch. So wie es aussah war es eine Promenadenmischung - halb Dackel und Schäferhund, glaube ich. Seine Beine waren gegenüber seinem Körper viel zu kurz. So wie meine. Außerdem hinkte er. So wie ich. Er war hässlich. So wie ich. Er war ein Streuner. So wie ich. Mein ganzes Leben hielt ich es nie lange an einem Ort aus. Unzählige Kneipenschlägereien sowie Alkohol zeichneten meinen Körper. Mein Gesicht war vernarbt, meine Haare fettig und mein Bart vertrug mal wieder eine Rasur. Ich war müde. Müde vom Leben. Ich passte nicht in diese Straße. Ich sah mich in dem Hund - deshalb war er mir vom ersten Tag an sympathisch. Ich beobachtete ihn. Ich trank einen Schluck Bier und inhalierte einen tiefen Zug von meiner Zigarette. Er hob ein Bein und pinkelte gegen die Sträucher meines Nachbarn. Quietsch, quietsch. Ich musste schmunzeln. Täglich pinkelte er gegen die Sträucher, was sie schon gelb werden ließ. Ich stand auf, ging in die Küche, um mir ein neues Bier zu holen und setzte mich wieder in die Hollywoodschaukel. Quietsch, quietsch. Ich beobachtete weiterhin die Promenadenmischung. Er war in unserer Straße ein ungebeteter Gast - so wie ich. Quietsch, Quietsch. In der Hoffnung, an etwas Fressbares zu gelangen, sprang er gegen die Mülltonnen, sodass sie umfielen und deren Inhalt sich in den Vorgärten verteilte. Quietsch, quietsch. Meine keifenden und hysterischen Nachbarsfrauen, alle von Beruf Ehefrau, liefen schreiend und tobend mit ihren Minröckchen und Stöckelschuhen aus ihren Häusern und versuchten dadurch den Hund zu verscheuchen. Quietsch, quietsch. Mit ihnen hatte ich keinen Kontakt. Sie sahen noch nicht einmal zu mir rüber. Wenn sie könnten, würden sie auch versuchen mich zu vertreiben. Ich passte nicht in ihr Schickimicki-Leben. Mit ihren Tupperabenden, Goldkettchen und Cabrios. Ihre Männer schufteten sich krumm und buckelig während sie das Leben genossen und das Geld mit vollen Händen ausgaben. Ihre Arbeit bestand darin, die Kinder täglich zur Schule zu fahren und wieder abzuholen - den Rest erledigten Kindermädchen und Haushälterinnen. Quietsch, Quietsch. Ich beschloss, dem Hund einen Namen zu geben, doch mir fiel keiner ein. Ich leerte mein Bier, ging in die Küche, um mir ein Neues zu holen. Auf dem Weg zur Tür lag eine Scheibe altes Brot. Ich nahm sie mit nach draußen und setzte mich wieder in meine Schaukel. Quietsch, quietsch. Zisch - ich öffnete meine Büchse und nahm einen kräftigen Schluck. Ich rief den Hund. "Hund - komm her, lecker Fressen!", schließlich hatte ich ihm noch keinen Namen gegeben. Quietsch, quietsch. Ich nahm die Scheibe Brot und warf sie in seine Richtung. Quietsch, Quietsch. Er schaute mich an. Langsam und zögernd humpelte er Richtung Brot. Quietsch, quietsch. Dabei sah er mich an. Gierig verschlang er die Scheibe und lief davon. "Gremlin", ja, "Gremlin" ist ein schöner Name für den Hund. Endlich habe ich einen passenden Namen gefunden. Gremlin verließ meinen Garten, er verließ unsere Straße und wahrscheinlich unsere Stadt. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Ich blieb alleine zurück, umgeben von keifenden Ehefrauen. Quietsch, quietsch.