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Quibbo und die Filmkrise
Ein greller Lichtstrahl blendet mich als ich vorsichtig vier meiner acht Augen öffne. Durch das Fenster sehe ich, wie die Sonne grün leuchtend aufgeht und einen neuen Tag ankündigt. Für gewöhnlich drehe ich mich so früh noch einmal um und versuche zwei, drei Nanosekunden weiterzuschlafen. Aber heute heißt es aufstehen. Es ist gerade vierhundertfünfundzwanzig Stunden nach siebzehn. Mit reichlich Schlaf in den Tentakeln versuche ich einigermaßen sicher aufzustehen, was zwangsläufig misslingt. Begleitet von einem lauten „Platsch“ stolpere ich kopfüber aus meinem Kokon und bremse unsanft mit dem Gesicht.
„Verdammt noch mal, Quibbo, kannst du nicht aufpassen, andere Quantianer wollen um diese Zeit noch schlafen!“, grummelt Androgon mein Mitbewohner quer durchs Zimmer.
Ich murmle irgendwas von „Tschuldigung“ und platsche in Richtung Schleimbecken – ein beheiztes wohlgemerkt - davon. Es befindet sich einmal quer über den Gang im Gemeinschaftsraum und ich genehmige mir erstmal einen erfrischenden Tauchgang. Nicht viele Wohnanlagen haben diesen Luxus. Das ist auch der Grund warum wir im Monat einige Quen extra zahlen. Mir ist das recht. Besser als diese öffentlichen Schleimbäder wo jeder Fremde seine unzähligen Körperöffnungen zur Schau stellt. Nach ein paar Runden beschließe ich, dass es genug ist. Ich steige aus dem Becken und will etwas fressen gehen als mir Lyxia entgegen kommt. Sie ist ein echtes Prachtweibchen. Schau sich nur einer diese vollen, runden, ... Ich merke wie ich leicht zu oszillieren beginne.
„Hey Kleiner, auch schon wach?“, begrüßt sie mich schlabbersüß.
„Ähm, ja schon. Äääh, ich habe, ich meine, ich muss ...“, wie immer bringe ich nicht viel verständliches raus. Schon lange sehne ich mich nach ihren Zibbos, habe mich aber bisher nicht getraut es ihr zu sagen. Lyxia ist sich ihrer Wirkung auf mich sehr wohl bewusst und sie liebt es damit zu spielen.
„Schon gut Quibbo, erzähl es mir später.“
Mit diesen Worten lässt sie mich stehen und verschwindet über den Gang in ihr Zimmer.
„Bah, du Trottel! Sie weiß, dass du heiß auf sie bist, frag sie doch einfach mal, was hast du schon zu verlieren?“, ärgere ich mich über mich selbst - wie immer. Trotzdem lasse ich mich nicht unterkriegen. Irgendwann trau ich mich. Jetzt muss ich erstmal den heutigen Tag planen. Moment, da fehlt doch noch was. Genau ich wollte was fressen gehen. Also schlurfe ich den Gang weiter Richtung Fresszimmer und überlege was mein Chef heute so wichtiges von mir wollen könnte. Eine Ladung Ununtrium nach Landalum bringen? Mehrere Netzte frischer Juggelköpfe am Hafen abholen? Andererseits das kann auch warten. Was also war so dringend, dass ich fünfunddreißig hundertstel Minuten früher aufstehen musste?
Ein kurzer Blick in den Vorratstrog genügt mir um den Gedanken an ein reichhaltiges Fressen abzuhaken. Bingelwürmer - nicht gerade schmackhaft, dafür umso nahrhafter. Muss für heute reichen. Bevor ich aus dem Haus gehe hinterlasse ich Androgon noch einen Hinweis, dass er unbedingt den Nahrungsvorrat aufstocken müsse. Zu neunundneunzig Prozent würde ich es wieder selber machen dürfen, wenn ich später zurückkam.
In unserer Wohneinheit war um diese Zeit nicht viel los. Einige wenige Quantianer warteten auf das siebzig nach elf Quattromobil ins Zentrum. Ich gesellte mich dazu und lasse meinen Blick über die Nachrichtenanzeige an der Haltestelle schweifen.
„Filmknappheit lässt öffentliches Leben ins Stocken geraten!“, ist dort in giftgrünen Geleewürfeln zu lesen.
„Filmknappheit ...“ Das letzte Mal als es so etwas gab war ich noch ein kleiner Quant. Wie das mit den Filmen funktioniert hatte ich eh nie richtig verstanden. Aber ich bin ja auch nur ein durchschnitts Quantanier. Die Köpfe zerbrechen sich andere. Ist ja auch nicht weiter tragisch. Schlimmer war da schon der öffentliche Nahverkehr. Wie aufgrund der Nachrichtenlage nicht anders zu erwarten, verspätete sich das Quattromobil um glatte fünfhundert Komma acht tausendstel Minuten.
„Muss wohl an einem minderwertigen Film liegen“, schäze ich.
Beim einsteige penetriert Vin Diesels Gelaber in „Der Babynator“ mein Hörorgan und bestätigt meine Vermutung. Erst in diesem Moment begreife ich wie ernst die Lage wirklich ist. Unsere Energieversorgung läuft jetzt bereits auf drittklassiger Konserve. Das kann ja heiter werden. Geschlagene vierzig kyrillionen Sekunden geht das so weiter bis wir endlich angekommen sind. Ich dränge mich durch die aussteigenden Massen und trete auf den Vorplatz des Firmensitzes von „Quantum Shipping“, dem multigalaktischen Logistikunternehmen bei dem ich arbeite. Es stinkt nach frischer Industrieluft. Wissenschaftler warnen uns seit Jahren vor den Auswirkungen der sauberen Gase auf unsere Atmosphäre. In meinen Augen ein ernstes Thema. Sollte man denen da oben mal sagen.
Zielstrebig wackle ich ins Gebäude, hoch in den fünfundachzigviertelten Stock, wo das Büro meines Chefs liegt. Er ist noch ein echtes Original. Führt das Unternehmen in der dreiviertelten Generation. Immer knallhart am kalkulieren der alte Quenfuchser. Vorsichtig spähe ich durch den Algenvorhang.
„Grüße sie Quibbo, kommen sie rein.“
Der abgestandene Gestank von unzähligen Talgzigarren steigt mir in meine Riechöffnung am Hinterkopf.
„Morgen Chef. Hab mich extra beeilt, so wie sie’s gesagt haben.“
„Fein, fein. Beziehungsweise, alles andere als fein. Ich nehme an sie haben es gelesen?“
„Das mit der Filmknappheit? Ja, sicher. War ja kaum zu übersehen. Hab’s erst nicht glauben können.“
„Ich auch nicht Quibbo – ich auch nicht. Hat sich auch nichts abgezeichnet. Sicher die Qualität schwankt immer ein wenig, aber wer denkt denn da gleich an Krise oder Knappheit. Bisher ist noch immer genug Nachschub eingetroffen – auch gute Qualität versteht sich. Und plötzlich war Schluss.“ Es war das erste Mal, dass er einen ernsthaft betroffenen Eindruck auf mich macht.
„Wie ist es denn genau dazu gekommen?“
„Nun viel wissen wir nicht, aber anscheinend haben die Morgitaner in einem schleichenden Prozess den Topsektor ausgehungert und versuchen uns jetzt mit Billigproduktionen die Infrastruktur zu zerhauen.“ Jetzt lag deutliche Verachtung in seiner Stimme.
„Verdammt. Und jetzt?“
„Ganz einfach. Wenn das so weiter geht haben wir in drei Tagen keine Filme mehr und sämtliche Projekmotoren stehen still - was das heißt können sie sich ja selbst ausmalen!“
„Katastrophal! Die Energieversorgung des ganzen Planeten bräche zusammen!“
„Ich gebe ihnen nur selten so uneingeschränkt Recht, aber ja, genau das.“
„Und was habe ich damit zu tun?“
„Sie müssen für uns zweihunderttausend Filme von der Erde abholen. Wir konnten kurzfristig einen Handel mit einer Produktionsfirma schließen. Warner Brother’s oder so ähnlich. Damit könnten wir die Stadt die nächste Woche über versorgen. In der Zwischenzeit hoffen wir auf einen Deal mit den Morgitanern.“
„Ich soll also zur Erde? Zweihunderttausend Filme abholen?“
„Sehr treffend formuliert, Quibbo.“
Mehr ist aus meinem Chef dann auch nicht herauszuholen. Den verdutzten Ausdruck in meinen Augen übersieht er achtfach und überreicht mir hastig die Liefergelatine.
„Sie wissen wie das mit der Gelatine auf der Erde läuft? Einfach kurz vor Atmosphäreneintritt in die Außenbordkapsel des Galaktomons legen und sie thermolysieren lupenreines Erdenpapier. Fertig bedruckt mit allen Formalitäten.“
Ich stammle noch etwas von „D-danke“, aber da hat er mich schon durch den Algenvorhang nach draußen befördert.
„Wow“, denke ich mir als ich Richtung Hangar blubbe. „Ich soll also Filme für die ganze Stadt besorgen. Die Energieversorgung des Planeten liegt in meinen Tentakeln! Quibbo, das ist die Chance dich zu beweisen. Vielleicht lässt der Chef ja sogar eine Stelle im C-Sektor für dich springen.“
Mit stolz geschwellten Brüsten schleime ich am Sicherheitspersonal vorbei zu Parkdeck G-38 wo schon mein Galaktomon auf mich wartet. Frotty von der Technik stürmt strahlend auf mich zu.
„Hey Quibbo, hab’s schon gehört. Echt klasse, dass du den Auftrag bekommen hast. Ist soweit alles startklar. Ich habe dir für die Energiezellen des Projekmotors noch drei meiner letzten Filme aufgetankt. Mehr war leider nicht mehr zu finden. Echt übel das mit der Krise!“
„Danke dir Frotty“, antworte ich und schlabber an Bord.
Dort angekommen fallen mir beinahe sechs Augen aus. Kein Zweifel. Schon wieder Lyxia.
„Quibbo, Herzchen, was ist mir da zu Ohren gekommen. Du reist zur Erde?“
„J-ja, glaub schon.“
„Nichts glaubst du“, zwinkert sie mir zu. „Ich weiß es, bin schließlich auch eingeteilt.“
„Ei-ei-eingeteilt?“
„Jetzt behalt mal den Schleimfaden bei dir und beruhig dich ein wenig. Schließlich beiße ich nicht. Außerdem, wir beide auf einem Galaktomon, zusammen mit drei der miesesten Filme der Galaxie! Findest du das nicht ... aufregend?“
Ich versuche mich nicht auf ihre Spielchen einzulassen.
„A-aufregend? S-sicher nicht!“
Ich muss unwillkürlich an ihre Zibbos denken und mein Schlurp macht sich beinahe selbstständig. Soviel dazu. Toll gemacht Quibbo. Als ob sie das mit deinem Schlurp nicht gesehen hat. Sie hat schließlich überall Augen und das ist beinahe wörtlich zu nehmen. Als hätte ich es geahnt fängt sie leise an zu kichern.
„W-wollen wir nicht langsam reingehen und d-die Tankanzeige checken?“, versuche ich abzulenken. Glücklicherweise stimmt sie zu und wir betreten gemeinsam das Cockpit. Ein Blick auf die Tankanzeige verrät mir die Energiereserver: House of Wax, Scary Movie 2 und Jurassic Park 3. Das wir eine lange und vor allem zähe Reise und für einen Moment denke ich nicht an Lyxia und ihre mega prallen Zibbos.
„K-kannst du mir eigentlich sagen wer damals auf die Q-quarkverbrannte Idee der Projekmotoren gekommen ist?“, frage ich mit immer noch leichter Unsicherheit in der Stimme und lenke das Thema weiter von mir ab. In diesem Moment gibt es einen Ruck, die Türen schließen sich die Titelmelodie von Jurassic Park 3 signalisiert uns, dass die Energiezellen geladen sind und der Galaktomon sich behäbig vom Dock löst.
„Das war lange vor unserer Zeit, Quibbo“, beginnt sie ihren Vortrag. „Ich glaube er hieß James Cameron. Er war damals zu Beusch auf Quantum. Wenn ich richtig Informiert bin war er fast schon fanatisch von der Vorstellung besessen seine Filme könnten mehr als nur Menschen unterhalten. Fast siebenzweidrittel Jahrhundertstel hat er sich mit den führenden Köpfen unserer Wissenschaft verschanzt. Und tatsächlich! Am Ende hatten sie den Projekmotor erfunden. Auf einem Planeten ohne eigenen Rohstoffvorkommen ein Meilenstein. Ein universeller Energielieferant, gespeist durch Filme. Es gab nur zwei Haken an der Geschichte: Der erste war der Verschleiß. Einmal gesehen verlieren die Filme ihre Energie, man brauchte also kontinuierlich Nachschub. Die Lösung war damals Hollywood oder wie das Ding auf der Erde heißt. Ziemlich klever wenn du mich fragst. Problem Nummer zwei war nicht so vorhersehbar. Denn wie sich herausstellte stand die Qualität eines Filmes in direkter Proportionalität zu seinem Energiefaktor, was wiederum, hurmpfl ...“
Mit einem schleimig intensiven Kuss unterbreche ich ihre Ausführungen. Zärtlich streichle ich mit meinem Schlurp ihre Zibbos und alle Aufregung fällt von mir ab. Auch sie entspannt sich merklich und wir vergessen sämtliche Quantianer, Projekmotoren, Galaktomons und Morbitaner dieser Galaxie. Wir haben noch viel Zeit. Die Reise endet in frühestens 283 Filmminuten...